Index
E1P;Norm
12010P/TXT Grundrechte Charta Art51;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski und Mag. Novak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision des C in B, vertreten durch Dr. Reinhard Armster, Rechtsanwalt in 2344 Maria Enzersdorf, Franz Josef-Straße 42, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 8. Mai 2017, Zl. RV/7104445/2014, betreffend Einkommensteuer 2008, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 20. Mai 2014 entschied das Finanzamt in Abänderung gemäß § 295 Abs. 1 BAO eines Bescheides von 27. April 2009 über die Einkommensteuer des Revisionswerbers für das Streitjahr 2008, die im Bescheid vom 20. Mai 2014 mit 9.579,49 EUR festgesetzt wurde. Die Abänderung stützte sich auf einen Feststellungsbescheid vom 16. Mai 2014 betreffend die X GmbH & Co KG, in dem auch ein Anteil des Revisionswerbers an den Einkünften festgestellt wurde.
2 Der Revisionswerber erhob Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid vom 20. Mai 2014 und führte im Wesentlichen aus, dass er von der X GmbH & Co KG "keinen Groschen" erhalten habe. Wer Adressat des im Einkommensteuerbescheid zitierten Feststellungsbescheides sei, erwähne das Finanzamt nicht. Wäre der Revisionswerber Bescheidadressat, könnte der Feststellungsbescheid dem Einkommensteuerbescheid mangels Zustellung nicht zu Grunde gelegt werden. Sei jemand anderer Bescheidadressat, sei der Revisionswerber daran nicht gebunden. Die Nichtberücksichtigung der "Topf-Sonderausgaben" sei sachlich nicht zu rechtfertigen und verstoße gegen den Gleichheitssatz (Art. 7 B-VG).
3 Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom 26. Juni 2014 ab, woraufhin der Revisionswerber ohne weitere Begründung den Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Bundesfinanzgericht stellte.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab und führte aus, ein Bescheid, dem in einem Feststellungsbescheid getroffene Entscheidungen zugrunde lägen, könne nicht mit der Begründung angefochten werden, dass die im Feststellungsbescheid getroffenen Entscheidungen unzutreffend seien. Im Übrigen verwies das Bundesfinanzgericht auf den in den Verwaltungsakten einliegenden Bescheid über die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO vom 16. Mai 2014, dem die Höhe der Einkünfte des Revisionswerbers aus der Beteiligung an der X GmbH & Co KG im Jahr 2008 zu entnehmen sei. Dieser Feststellungsbescheid sei dem Bescheidadressaten am 20. Mai 2014 mit Rückschein zugestellt worden. Er sei daher rechtswirksam, weshalb die Beschwerde insoweit abzuweisen sei. Sonderausgaben stünden dem Revisionswerber gemäß § 18 Abs. 3 Z 2 letzter Satz EStG 1988 nicht zu, weil der Gesamtbetrag seiner Einkünfte im Jahr 2008 52.054,39 EUR betragen habe.
5 Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für nicht zulässig, "da sich die Antworten auf die Rechtsfragen, ob Grundlagenbescheide mit der Beschwerde gegen den abgeleiteten Bescheid anfechtbar sind (oder nicht) und ob Sonderausgaben bei EUR 50.900,00 übersteigenden Einkünften absetzbar sind, unmittelbar aus der Rechtsordnung ergeben".
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist nach § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Die Revision, zu der das belangte Finanzamt keine Revisionsbeantwortung erstattet hat, führt zur Zulässigkeit unter der Überschrift "Zulässig, revisible Rechtsfragen" aus:
"1. Das angef. E. weicht von der stRsp ab, die Behörde habe vor einer Zurückweisung als verspätet Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (13.10.2015, Ra 2015/03/0057; 25.04.2014, 2012/10/0060; 30.04.2013, 2012/05/0102).
Das gleiche gilt für einen Grundlagenbescheid, dessen Rechtskraft- und Bindungswirkung seine Zustellung voraussetzt (21.04.2005, 2003/15/0022).
Die bel.B. hat keine Gelegenheit zur Stellungnahme zum angenommenen Sachverhalt gegeben (stRsp mit Hinweis auf Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3 52 Anmerkung 2 und die auf Seite 555 zitierte Judikatur; 23.4.2003, 99/17/0207 uva).
2. Die bel.B. unterließ eine Beschwerdeverhandlung entgegen Lehofer in ÖJZ 2014, 8498 und 9; Weber, Mumelter in ÖJZ 2014, 341 ff m.N. aus der Judikatur auf Seite 344 C: ¿Pflicht zur mündlichen Verhandlung nach Art 6 EMRK', denen der VwGH gefolgt ist, 29.06.2016, 2013/15/0245 - AnwBl 12/2016, 676 Nr. 8473; ¿Sogar eine Vertagung kann geboten sein, weil die Abgabenbehörde
2. Instanz auf neue Tatsachen, Beweise und Anträge Bedacht zu nehmen hat, die ihr im Berufungsverfahren, gegebenenfalls auch noch in der Berufungsverhandlung, zur Kenntnis gelangen, unabhängig davon, ob die am Verfahren Beteiligten ihr Vorbringen schon früher hätten erstatten können (noch früher konnte der Revw. nicht); 19.05.2015, Ro 2015/05/0004, besprochen von Moritz in H 20 ÖJZ 2016/912 Pkt.2.
3. Die bel.B. beachtete die Verjährung nicht (§ 209 Abs. 1 BAO, 24.04.2013, 2010/17/0242, 29.11.2010/17/0198).
4. Ob § 18 Abs. 3 Z 2 EStG letzter Satz verfassungswidrig ist, entschieden VfGH und VwGH noch nicht."
10 Der zur Zulässigkeit der Revision vorgebrachte Grund (§ 34 Abs. 1a iVm § 28 Abs. 3 VwGG), das angefochtene Erkenntnis weiche von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtes ab, wonach die Behörde vor einer Zurückweisung als verspätet Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben habe, liegt schon deswegen nicht vor, weil die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2008 als unbegründet abgewiesen und nicht als verspätet zurückgewiesen worden ist.
11 Ein Abweichen des hier angefochtene Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichtes vom Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. April 2005, 2003/15/0022, VwSlg. 8025/F, ist so nicht ersichtlich, weil der Verwaltungsgerichtshof im angeführten Erkenntnis u.a. ausgesprochen hat, dass der Feststellungsbescheid nach § 188 BAO denjenigen, gegenüber denen er ergeht bzw. wirkt, zugestellt werden muss oder iSd § 101 Abs. 3 BAO als zugestellt gelten muss. Wird ein Feststellungsbescheid einer nach § 81 BAO vertretungsbefugten Person einer Personengemeinschaft zugestellt, gilt die Zustellung gemäß § 101 Abs. 3 BAO an alle Mitglieder der Personengemeinschaft als vollzogen, wenn auf diese Rechtsfolge in der Ausfertigung hingewiesen wird.
12 Der in den Verwaltungsakten einliegende Feststellungsbescheid vom 16. Mai 2014 wurde - unter Hinweis auf die in § 101 Abs. 3 BAO normierten Folgen - am 20. Mai 2014 dem steuerlichen Vertreter der X GmbH & CO KG zugestellt. Vor diesem Hintergrund kommt selbst den Ausführungen in den Revisionsgründen, der Revisionswerber hätte bei Vorhalt der beabsichtigten Annahme der Zustellung des Feststellungsbescheides vorgebracht, "weder er noch seine mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebende Ehegattin (andere Personen kommen für eine Ersatzzustellung nicht in Frage) haben den Rückschein unterschrieben" (sogar "bei Gerichten verschwinden ganze Postsäcke"), keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu.
13 Soweit die Revision in ihrem Zulässigkeitsvorbringen das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung rügt, ist darauf zu verweisen, dass das Unterbleiben einer (gemäß § 274 Abs. 1 Z 1 BAO beantragten) mündlichen Verhandlung eine Verletzung von Verfahrensvorschriften darstellen mag, dass jedoch dieser Verfahrensfehler - außerhalb des von Art. 51 GRC erfassten Bereichs des Unionrechts - kein absoluter ist. Der Revisionswerber hat im Beschwerdeverfahren keine mündliche Verhandlung beantragt und legt im Rahmen des Zulässigkeitsvorbringens die Relevanz des behaupteten Verfahrensfehlers nicht konkret dar, weshalb dieser auch keine Zulässigkeit der Revision begründen kann (vgl. VwGH 1.6.2017, Ra 2016/15/0051).
14 Das Zulässigkeitsvorbringen, das Bundesfinanzgericht habe die Verjährung nicht beachtet, wird nicht konkretisiert. Die Revision, die im Übrigen auf die Verlängerung der Verjährungsfrist iSd § 209 Abs. 1 BAO durch den Einkommensteuerbescheid vom 27. April 2009 nicht eingeht, wirft daher auch insoweit keine Rechtsfrage auf, der iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
15 Soweit die Revision im Rahmen des Zulässigkeitsvorbringens rügt, der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof hätten noch nicht entschieden, ob § 18 Abs. 3 Z 2 EStG 1988 verfassungswidrig sei, ist darauf zu verweisen, dass die Zulässigkeit einer Revision nicht mit der Frage der Verfassungsbzw. Gesetzeskonformität genereller Rechtsnormen begründet werden kann, weil diese Frage selbst als Rechtsfrage nicht vom Verwaltungsgerichtshof in der Sache zu lösen ist (vgl. Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2, § 34 E 33, mwN).
16 Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 21. November 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017130050.L00Im RIS seit
28.12.2018Zuletzt aktualisiert am
14.02.2019