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32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;Norm
EStG 1988 §16 Abs1 Z4 lite;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision des R in S, Deutschland, vertreten durch die Ernst & Young Steuerberatungsgesellschaft m.b.H. in 1220 Wien, Wagramer Straße 19, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 2. Mai 2017, Zl. RV/5100861/2016, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2013, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1 Der bis 2010 und auch nunmehr wieder in Deutschland ansässige Revisionswerber war (unter Aufgabe seines Wohnsitzes) im Jahr 2010 von seinem deutschen Arbeitgeber nach Österreich entsendet worden und hier im Streitjahr 2013 unbeschränkt steuerpflichtig (ansässig), verblieb aber - unstrittig - im deutschen Sozialversicherungssystem.
2 In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte er ausländische "Pflichtversicherungsbeiträge" geltend, deren Berücksichtigung als Werbungskosten gemäß § 16 Abs. 1 Z 4 lit. e EStG 1988 das Bundesfinanzgericht - in Abweisung der Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Einkommensteuerbescheid des Finanzamts - zwar dem Grunde nach anerkannte, aber der Höhe nach mit den Pflichtversicherungsbeiträgen nach dem ASVG begrenzte. Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für nicht zulässig, weil sich die Lösung des Falles unmittelbar aus dem Gesetz ergebe und somit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu beantworten sei.
3 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision insoweit, als die Werbungskosten für die geltend gemachten Versicherungsbeiträge mit den Höchstbeiträgen nach dem ASVG (und nicht mit den höheren Höchstbeiträgen nach deutschem Sozialversicherungsrecht) begrenzt worden seien. Zur Zulässigkeit der Revision wird gemäß § 28 Abs. 3 VwGG dargelegt, es fehle an höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur verfahrensgegenständlichen Streitfrage und deren Lösung durch das Bundesfinanzgericht lasse sich "nicht aus dem Gesetz ableiten".
4 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision - zu der das Finanzamt keine Revisionsbeantwortung erstattete - erwogen:
5 Die Revision ist zulässig, weil Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Auslegung der strittigen Abzugsbeschränkung im Zusammenhang mit Beiträgen zu einer Krankenversicherung auf Grund einer ausländischen gesetzlichen Versicherungspflicht nicht vorliegt und die Rechtslage nicht so eindeutig ist, dass sie keiner Klärung bedürfte.
6 Die Revision ist aber nicht begründet.
7 Zu den Werbungskosten gehören gemäß § 16 Abs. 1 Z 4 lit. a EStG 1988 "Beiträge des Versicherten zur Pflichtversicherung in der gesetzlichen Sozialversicherung". Es sind dies Beiträge, deren Entrichtung sich der Versicherte (dem Grunde und der Höhe nach) nicht entziehen kann. Der Abzug ist der Höhe nach unbeschränkt. Gemäß § 16 Abs. 1 Z 4 lit. f EStG 1988 gebührt dieser unbeschränkte Abzug auch bei Beiträgen von Arbeitnehmern zu einer ausländischen Pflichtversicherung, wenn diese einer inländischen gesetzlichen Sozialversicherung entspricht.
8 Gemäß § 16 Abs. 1 Z 4 lit. e erster Satz zweiter Halbsatz EStG 1988 gehören zu den Werbungskosten auch "Beiträge zu einer inländischen gesetzlichen Krankenversicherung sowie Beiträge zu einer Krankenversicherung auf Grund einer in- oder ausländischen gesetzlichen Versicherungspflicht". Abzugsfähig sind sie nach § 16 Abs. 1 Z 4 lit. e zweiter Satz EStG 1988 aber nur insoweit, als sie "der Höhe nach insgesamt Pflichtbeiträgen in der gesetzlichen Sozialversicherung entsprechen".
9 Die Einbeziehung der (freiwilligen) Beiträge zu einer inländischen gesetzlichen Krankenversicherung erfolgte - zusammen mit der Einführung der Begrenzung ihrer Abzugsfähigkeit - durch das Steuerreformgesetz 1993, BGBl. Nr. 818. Das Abgabenänderungsgesetz 2001, BGBl. I Nr. 144, ergänzte den zweiten Halbsatz des § 16 Abs. 1 Z 4 lit. e erster Satz EStG 1988 und den zweiten Satz um die im vorliegenden Fall strittigen "Beiträge zu einer Krankenversicherung auf Grund einer in- oder ausländischen gesetzlichen Versicherungspflicht". Die Formulierung der Abzugsbeschränkung selbst (Begrenzung mit "Pflichtbeiträgen in der gesetzlichen Sozialversicherung") blieb unverändert.
10 Strittig ist im Revisionsfall, ob die Abzugsbeschränkung insoweit, als sie Beiträge auf Grund einer ausländischen gesetzlichen Versicherungspflicht betrifft, nun ungeachtet der gleich gebliebenen Formulierung auf die Pflichtbeiträge in der gesetzlichen Sozialversicherung der Rechtsordnung zu beziehen ist, aus der sich die ausländische gesetzliche Versicherungspflicht ergibt.
11 Der Revisionswerber macht dies geltend und führt aus, auf Grund der Höhe seines regelmäßigen Jahresarbeitsentgeltes sei er in Deutschland "versicherungsfrei". Demnach könne er die gesetzliche Krankenversicherung verlassen und sich privat versichern (wovon er den im Verfahren vorgelegten Unterlagen nach Gebrauch gemacht hatte). Gemäß § 193 Abs. 3 des deutschen Versicherungsvertragsgesetzes sei er aber gesetzlich verpflichtet, krankenversichert zu sein. Seine damit bestehende gesetzliche Versicherungspflicht sei im vorliegenden Fall auch nicht strittig.
12 Die Abzugsbeschränkung des § 16 Abs. 1 Z 4 lit. e zweiter Satz EStG 1988 spreche nicht von Pflichtbeiträgen in der "gesetzlichen inländischen" Sozialversicherung. Würde man sie - wie das Bundesfinanzgericht - auch im Falle einer ausländischen gesetzlichen Versicherungspflicht so verstehen, so käme es bei höheren oder überhaupt nicht gedeckelten ausländischen Pflichtbeiträgen im Ausmaß der Differenz zu einer "Schlechterstellung" eines Abgabepflichtigen, der "in ein ausländisches Sozialversicherungssystem Pflichtbeiträge einzahlt". Zur Berechnung der Werbungskosten würden dann nur "die gemäß österreichischem ASVG geltenden Pflichtversicherungsbeiträge" herangezogen, "während die tatsächlich geleisteten, ausländischen (hier: deutschen) Pflichtversicherungsbeiträge unter Anwendung einer höheren Bemessungsgrundlage berechnet wurden". Der Revisionswerber wäre dadurch "schlechter gestellt als ein Steuerpflichtiger, der Pflichtversicherungsbeiträge in das österreichische Sozialsystem leistet", weshalb es bei richtiger Auslegung auf die (höheren) Höchstbeiträge nach deutschem Recht ankommen müsse.
13 Die Beschränkung der Abzugsfähigkeit der Beiträge mit der Höhe der Pflichtbeiträge "in der gesetzlichen Sozialversicherung" wurde mit dem Steuerreformgesetz 1993 eingefügt. Wie aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu diesem Gesetz (1237 BlgNR 18. GP 52) hervorgeht, sollten die Pflichtbeiträge zu dort näher genannten Einrichtungen nur insoweit als Werbungskosten abzugsfähig sein, als sie der Höhe und dem Leistungsanspruch nach Pflichtversicherungsbeiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen. Höhere Beiträge, die zur Abdeckung höherer Leistungen anfallen, sollten hingegen nicht als Werbungskosten abzugsfähig sein. Damit erfolge eine Gleichstellung zum Werbungskostenabzug gemäß § 16 Abs. 1 Z 4 lit. a EStG 1988.
14 Die Beschränkung bezog sich demnach - wie insbesondere auch durch den Verweis auf § 16 Abs. 1 Z 4 lit. a EStG 1988 (und nicht deren lit. f) hervorgeht - auf die österreichische gesetzliche Sozialversicherung. Dass sich mit der Normierung der Abzugsfähigkeit auch der Beiträge zu einer Krankenversicherung auf Grund einer ausländischen gesetzlichen Versicherungspflicht mit dem Abgabenänderungsgesetz 2001 an dieser - im Wortlaut unverändert gebliebenen - Beschränkung etwas ändern sollte, ist nicht ersichtlich. Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Abgabenänderungsgesetz 2001 (827 BlgNR 21. GP 21) sollte lediglich eine Gleichstellung dieser Beiträge mit Pflichtbeiträgen an eine gesetzliche Krankenversicherung bzw. mit freiwilligen Be(i)trägen an eine inländische gesetzliche Krankenversicherung hergestellt werden. Eine Abzugsfähigkeit der Beiträge im Rahmen einer ausländischen Versicherungspflicht in höherem Ausmaß als für die soeben genannten Beiträge (deren Abzugsfähigkeit im Rahmen der österreichischen Höchstbeitragsgrundlage beschränkt ist) sollte hiemit aber nicht bewirkt werden. Höhere Beiträge (hier bei ausländischer Versicherungspflicht) werden überdies im Allgemeinen auch mit höheren Leistungen verknüpft sein. Es entsprach aber der Absicht des Gesetzgebers, insoweit die Abzugsfähigkeit zu beschränken.
15 Die Beschränkung in § 16 Abs. 1 Z 4 lit. e EStG 1988 bezieht sich sohin auf die Höchstbeiträge in der gesetzlichen österreichischen Sozialversicherung (in diesem Sinne auch Hilber, ecolex 2001, 933, Höfle, ASoK 2002, 53, und Höfle/Pernt, ÖStZ 2002, 130).
16 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 21. November 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017130042.L00Im RIS seit
27.12.2018Zuletzt aktualisiert am
14.02.2019