Index
L55007 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz TirolNorm
Alpenkonvention Prot6 Bodenschutz 2002 Art9 Abs1Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofrätin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revisionen
1. der Gemeinde Neustift im Stubaital (Ro 2017/07/0033), vertreten durch Dr. Michael E. Sallinger in 6020 Innsbruck, Sillgasse 21/III, sowie Dr. Lothar Stix in 1010 Wien, Kärntnerstraße 10/5, sowie 2. des Österreichischen Alpenvereins in Innsbruck (Ro 2017/07/0034), 3. des Deutschen Alpenvereins in München (Ro 2017/07/0035), und 4. des Umweltdachverbandes (UWD) in Wien (Ro 2017/07/0036), diese vertreten durch Dr. Andreas König, Dr. Andreas Ermacora, Dr. Barbara Lässer, Dr. Christian Klotz, Mag. Claudia Lantos und MMag. Mathias Demetz, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Erlerstraße 4,
gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. August 2017, Zl. W104 2134902-1/101E, betreffend die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb eines Speicherkraftwerkes nach dem UVP-G 2000 (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Tiroler Landesregierung; mitbeteiligte Partei: T AG, vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottenring 19), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat der zu Ro 2017/07/0033 revisionswerbenden Gemeinde Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 und den zu Ro 2017/07/0034 bis 0036 revisionswerbenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt € 1.346,40 jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 I.
2 Mit Bescheid vom 24. Juni 2016 erteilte die Tiroler Landesregierung (in weiterer Folge: UVP-Behörde) der mitbeteiligten Partei die Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb des Vorhabens Speicherkraftwerk K (SKW K) nach dem UVP-G 2000 sowie weiteren materienrechtlichen Bestimmungen unter Vorschreibung zahlreicher Nebenbestimmungen.
3 Über die dagegen - unter anderem - von den revisionswerbenden Parteien eingebrachten Beschwerden entschied das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mehrtägigen mündlichen Verhandlung mit dem nun in Revision gezogenen Erkenntnis vom 3. August 2017. Das BVwG änderte unter Spruchpunkt A) den angefochtenen Bescheid insofern ab, als näher bezeichnete Auflagen umformuliert und neue Auflagen eingefügt wurden. Im Übrigen wurden die Beschwerden abgewiesen.
4 Unter Spruchpunkt B) erklärte das BVwG die Revision für zulässig.
5 Das BVwG stellte zum Vorhaben fest, es sollten in den nordwestlichen Stubaier Alpen, südlich des Inntals zwischen dem Ötztal und dem Stubaital, in einer Seehöhe von durchwegs über 1.900 m zu den bestehenden Anlagen der Kraftwerksgruppe S der mitbeteiligten Partei - bestehend insbesondere aus dem unteren Speicher Längental und dem oberen Speicher Finstertal samt Beileitungen sowie dem Pumpspeicherkraftwerk K und dem Kraftwerk S - ein weiteres Pumpspeicherkraftwerk K 2 sowie ein weiterer Speichersee K samt Beileitungen aus dem hinteren Stubaital und dem hinteren Sulztal (Ötztal) errichtet werden. Das Vorhaben erstrecke sich auf die Gemeinden Silz, Längenfeld, Neustift im Stubaital, Umhausen, Ötz, Haiming, Sautens, Stams und Langkampfen; Teile des Vorhabens befänden sich im Ruhegebiet Stubaier Alpen.
6 In weiterer Folge traf das BVwG zu einzelnen Aspekten des Vorhabens Feststellungen, denen eine Darstellung des Themas, des diesbezüglichen Vorbringens der revisionswerbenden Parteien in ihren Beschwerden, des Inhalts dazu eingeholter Gutachten und erstatteter Stellungnahmen sowie beweiswürdigende Erwägungen vorangehen (Unterstreichungen im Original).
7 Zuerst befasste sich das BVwG mit dem „Öffentlichen Interesse am Vorhaben, und der effizienten Wassernutzung“ und unter dem Titel „Keine andere wesentlich bessere Umweltoption“ mit möglichen Varianten zum Projekt. Dabei hätten sich keine Optionen ergeben, die die nutzbringenden Ziele des Vorhabens zu zumutbaren Kosten so erreichten, dass sich wesentlich geringere negative Auswirkungen oder wesentlich mehr positive Auswirkungen auf die Umwelt ergäben. Weiters stellte es die „Auswirkungen auf Oberflächengewässer“ näher dar und befasste sich mit den Aspekten von „Gletscherschmelze, Klimawandel, Wasserdargebot“ zum einen sowie „Geologie, Grundwasser, Naturgefahren“ zum anderen. Das BVwG traf daran anschließend begründete Feststellungen zu den Bereichen der „Siedlungswasserwirtschaft“ und des „Lärms“.
8 Unter dem Titel „Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen, Ökosysteme, Naturhaushalt“ befasste es sich mit den Auswirkungen im Zusammenhang mit dem Speicher im Längental, mit den Wasserfassungen und letztlich mit dem Artenschutz.
9 Unter anderem heißt es dort, im Bereich der permanent vom Speicher beanspruchten Flächen lägen ca. 2,12 ha an Moorflächen. Diese würden als „Niedermoor - Kleinseggenbestand - sauer“ klassifiziert. Die vorliegenden Bestände seien weitgehend von der Braunsegge bestimmt (Braunseggen-Niedermoore), wobei durchaus unterschiedliche Ausprägungen etwa mit einem höheren Torfmoosanteil (im nördlichen flacheren Bereich) oder solche mit Wollgras vorlägen. Aufgrund des geringen Nutzungsdrucks seien diese Moore im Vergleich zu anderen ähnlichen Moorstandorten im Bereich Kühtai-Sellrain (z.B. im Fotschertal) in einem sehr guten naturkundefachlichen Zustand, während an den anderen Standorten meist durch einen starken Beweidungsdruck eine deutliche Vorbelastung vorliege.
10 Die Eingriffe, die durch den Speicher in Bezug auf die betroffenen Lebensraumtypen entstünden, seien im Wesentlichen als Totalverlust für das Schutzgut Pflanzen und deren Lebensräume zu bewerten. Ebenso seien die Habitatverluste bei der Bewertung der Auswirkungen auf die untersuchten Tiergruppen berücksichtigt.
11 Unter Berücksichtigung der Sensibilität der vorliegenden Flora und Fauna ergäben sich damit zum Teil sehr hohe Eingriffsintensitäten, dies entspreche damit der höchsten vorgesehenen Bewertung im (vom BVwG) gewählten Bewertungssystem.
12 Anders als die Talräume weise die subalpine und alpine Höhenstufe, in welcher der Speicher im Längental geplant sei, in Tirol noch zahlreiche Naturräume mit geringen anthropogenen Vorbelastungen auf. Solche Vorbelastungen in einem größeren Ausmaß seien lokal nur durch Schigebiete gegeben. Der vom geplanten Speicher beanspruchte Bereich zeichne sich durch einen sehr vielfältigen Lebensraumkomplex aus, in dem die einzelnen Elemente zusammenwirkten. Für zahlreiche Arten sei das Vorhandensein solcher Lebensraumkomplexe ausschlaggebend, zB für Amphibien - Laichhabitate, Nahrungshabitate, Überwinterungsbereiche. Die unterschiedlichen Lebensraumtypen im Längental hingen zum Teil funktional voneinander ab (zum Beispiel Abflussdynamik der Fließgewässer, Dotierung der Stillgewässer, Dynamik der Uferbereiche, Quellaustritte als Wasserversorgung der Niedermoore, Silikatfelsen, Schuttfluren).
13 Ein solcher Lebensraumkomplex mit all den funktionalen Abhängigkeiten lasse sich in der Praxis nicht einfach rekonstruieren, insbesondere wenn die große Eingriffsfläche berücksichtigt werde. Einzelne Elemente benötigten Jahrzehnte bis Jahrhunderte (Moore), um sich zu entwickeln. Zudem müssten Flächen, auf denen eine hohe Ausgleichswirkung erzielt werden könnte, bereits stark vorbelastet sein, was im subalpinen Bereich eher die Ausnahme darstelle. Aus diesem Grund sei für einige Tiergruppen, die besonders auf Habitatkomplexe angewiesen seien, eine Wiederherstellbarkeit dieser Komplexe kaum möglich. Aufgrund der großen Ausdehnung der permanenten Eingriffsfläche im Bereich des Speichers und der genannten Faktoren werde es nicht möglich sein, für die unmittelbar betroffenen lokalen Populationen einen Ausgleich mit engem räumlichen und funktionalen Zusammenhang zu schaffen.
14 Flachere Gewässerabschnitte in der subalpinen Höhenstufe der Stubaier Alpen, in deren nordwestlichen Teil der Speicher geplant sei, zeichneten sich natürlicherweise meistens durch schotterreiche Verzweigungsstrecken aus. Ein mit einem Moor verzahnter mäandrierender Hochgebirgsbach trete vergleichsweise selten auf und sei für die Stubaier Alpen nur an vier Gewässerabschnitten bekannt, wobei zumindest an einem Abschnitt (Oberlauf Fotscherbach) eine starke anthropogene Vorbelastung durch Weidebetrieb vorliege. Eine extensive Nutzung gemeinsam mit dem seltenen Gewässertyp dürfte weit seltener zu finden sein. Die vier Abschnitte in den Stubaier Alpen (Längentalbach, Fotscherbach, Finstertalbach, Falbesonderbach) seien durchwegs deutlich kürzer als 1 km. Unter der Annahme, dass auch andere mäandrierende Hochgebirgsbachabschnitte nicht wesentlich länger seien, und verglichen mit dem gesamten Gewässernetz in Österreich (Berichtsgewässernetz: 39.297 km laut Homepage Umweltbundesamt) sei der Anteil an mäandrierenden Hochgebirgsbächen damit sehr gering und der Gewässertyp auch ohne Berücksichtigung allfälliger Vorbelastungen als sehr selten anzusprechen.
15 In der Roten Liste der gefährdeten Biotoptypen Österreichs sei der Biotoptyp „mäandrierender Hochgebirgsbach“ als „stark gefährdet“ eingestuft.
16 Diese Feststellungen ergäben sich aus dem naturkundefachlichen Gerichtsgutachten vom 25. Jänner 2017, das von keiner Partei bestritten worden sei.
17 Dennoch sei festzustellen, dass der Gewässertyp 2-5-1 (Unvergletscherte Zentralalpen, Seehöhe über 1600 m, Einzugsgebiet unter 10 km2), zu dem der zerstörte Gewässerabschnitt des Längentalbaches gehöre, allein in Tirol über 200, in ganz Österreich an die 500 Flusskilometer aufweise, wobei in Tirol 17, in ganz Österreich 53 Gewässerabschnitte die hier zutreffende Typausprägung „Verebnungsabschnitte mit Mäanderbildung“ aufwiesen. Dies ergebe sich aus dem gewässerökologischen Gerichtsgutachten vom 19. Februar 2017.
18 Das BVwG befasste sich anschließend mit den „Auswirkungen der Wasserfassungen“ und traf schließlich im Rahmen der artenschutzrechtlichen Prüfung nähere Feststellungen zu einzelnen Vogelarten (Schneehuhn, Birkhuhn, Wiesenpieper, Tannenhäher, Ringdrossel, Fitis, Sperlingskauz, Turmfalke, Bergpieper, Steinschmetzer, Steinhuhn, Alpenbraunelle, Alpendohle, Schneefink/Schneesperling, Bachstelze, Wasseramsel, Gebirgsstelze) sowie zu Tierarten gemäß Anhang IV der FFH-Richtlinie (Zwergfledermaus, Alpensalamander, Sudeten-Mohrenfalter). Demnach würde absichtliches Töten oder die Zerstörung oder Beschädigung von Nestern und Eier hintangehalten bzw. komme es zu keinen erheblichen Störungen mit negativen Effekten auf das Populationsniveau. Artenschutzrechtliche Verbotstatbestände würden nicht verwirklicht (wird jeweils näher dargelegt).
19 Das BVwG führte zu den „Auswirkungen auf den Boden“ aus, die einzige Bodenfunktion, die der Stausee im Wesentlichen übernehmen könne, sei das Retentionsvermögen. Somit gingen praktisch alle anderen Bodenfunktionen hoch sensibler Böden im Ausmaß von 42,29 ha und mäßig sensibler Böden im Ausmaß von 14,45 ha, insgesamt somit 56,74 ha bzw. knapp 92 % der gesamt beanspruchten Bodenfläche, verloren, und das ohne Ausgleichsmöglichkeit. Ein geringer Anteil von 3,69 % gelte als sehr hoch sensibel - davon würden 2,67 ha ausgeglichen - 14,45 ha seien mäßig sensibel. Diese sei jedenfalls trotz Ausgleichsmaßnahmen ein hoher quantitativer Verlust.
20 Die Übernahme des Wasserrückhaltevermögens durch den Speichersee mildere zwar den Verlust der sonstigen Bodenfunktionen etwas ab, es verblieben aber wesentliche Auswirkungen. Dies ergebe sich aus dem Gerichtsgutachten Boden und Landwirtschaft vom 27. Februar 2017.
21 Das BVwG traf weiters näher begründete Feststellungen zu den „Auswirkungen auf das Landschaftsbild und den Erholungswert der Landschaft“ und den „Auswirkungen auf Raumordnung und Erholungsnutzung.“
22 In Bezug auf „Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen“ stellte das BVwG ua fest, für den Verlust von Mooren und hochwertigen Feuchtlebensräumen im Längental seien im Projekt bereits einige näher dargestellte Maßnahmen vorgesehen, die als Ausgleichsmaßnahmen im engen räumlichen Konnex einen Ausgleich für den unvermeidbaren Verlust darstellten.
23 Es traf näher begründete Erwägungen zur Bewertung der Kompensationsmaßnahmen nach den Vorgaben des Anwendungshandbuches zum „Kriterienkatalog Wasserkraft in Tirol“ vor dem Hintergrund der Auswirkungen des „Weser-Urteils“ des EuGH (vom 1. Juli 2015, C-461/13) und erläuterte die hinter den - nun in den Spruchpunkten A.I.5. und A.I.6. (des in Revision gezogenen Erkenntnisses) - vorgeschriebenen Maßnahmen stehenden Überlegungen.
24 Im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung nahm das BVwG zuerst zu verschiedenen verfahrensrechtlichen Aspekten (mündliche Verhandlung, Parteiengehör, Änderungen des Genehmigungsantrages, Abweisung gemäß § 5 Abs. 6 UVP-G 2000, Plausibilitätsprüfung, Sachverständigengutachten) Stellung. Zum „Untersuchungsraum“ führte es aus, Aufgabe des UVP-Verfahrens, der Umweltverträglichkeitserklärung (UVE) und des Umweltverträglichkeitsgutachtens sei die Feststellung, Beschreibung und Bewertung erheblicher Umweltauswirkungen und die Prüfung von Maßnahmen zur Vermeidung oder Verminderung solcher Auswirkungen. Entscheidend für die Abgrenzung des Untersuchungszeitraumes sei somit die Erheblichkeit der Auswirkungen. Im Fall der Ruetz lägen spätestens ab der Wehranlage Fulpmes der ÖBB, wo der Einfluss der bestehenden Wasserentnahme hinzukomme, Auswirkungen des Vorhabens SKW K in einer derartigen Dimension nicht mehr vor. Es sei daher nicht erforderlich gewesen, den Untersuchungsraum über diese Grenze hinaus auszudehnen.
25 Unter dem Titel „Öffentliches Interesse und Alternativenprüfung“ befasste sich das BVwG mit den Vorschriften der §§ 30a und 30c WRG 1959, wonach Gewässer derart zu schützen, zu verbessern und zu sanieren seien, dass eine Verschlechterung des jeweiligen Zustands verhindert und bis zu einem bestimmten Zeitpunkt ein vorgegebener Zielzustand erreicht werde. Dies beinhalte sowohl ein Verschlechterungsverbot als auch ein Verbesserungsgebot, sowie, dass durch ein Vorhaben die gebotene Verbesserung zur Erreichung des Zielzustandes nicht erschwert oder verunmöglicht werden dürfe.
26 Wie gutachterlich unbestritten festgestellt worden sei, komme es durch das Vorhaben bei zahlreichen Detailwasserkörpern zu Verschlechterungen im Sinne des § 30a WRG 1959, und zwar durch Veränderungen des Wasserhaushaltes.
27 Nach Wiedergabe des § 104a WRG 1959 befasste sich das BVwG mit der dort vorgesehenen Interessenabwägung und verwies darauf, dass der EuGH jüngst in Zusammenhang mit einem gegen Österreich gerichteten Vertragsverletzungsverfahren festgestellt habe, dass den Mitgliedstaaten bei der Frage, ob ein konkretes Vorhaben wie der Bau eines Wasserkraftwerkes im übergeordneten öffentlichen Interesse liege, ein gewisses Ermessen einzuräumen sei; im Rahmen dieses Ermessens habe die Republik Österreich zu Recht annehmen können, dass ein bestimmtes Vorhaben, das auf die Förderung erneuerbarer Energien durch Wasserkraft abziele, im übergeordneten öffentlichen Interesse liege (wird näher ausgeführt). Die Erhöhung des Anteils der Stromerzeugung an erneuerbarer Energie in der Europäischen Union und die Verbesserung der Speicherbarkeit des aus erneuerbaren Quellen erzeugten Stroms stelle also ein öffentliches Interesse dar, das durchaus übergeordnet sein könne.
28 Im Beschwerdeverfahren seien die Schlussfolgerungen der Behörde im angefochtenen Bescheid, wonach es sich um ein Vorhaben handle, das besonders gewichtigen öffentlichen Interessen diene, bestätigt worden. Im Vergleich zur Gewichtigkeit der Beeinträchtigung der Gewässer, die durch Sockelbeträge und anteilige Mindestrestwasserführung in ihrer Biozönose weitgehend erhalten blieben, sei dieses Interesse infolge der außerordentlich hohen Energieausbeute und Speicherfähigkeit auch als übergeordnet anzuerkennen. Auch das in § 105 Abs. 1 lit. F WRG 1959 genannte öffentliche Interesse an einer möglichsten Erhaltung des Gemeingebrauches, der notwendigen Wasserversorgung, der Landeskultur, eines Denkmals von geschichtlicher, künstlerischer oder kultureller Bedeutung oder eines Naturdenkmales und der Naturschönheit könne das hohe Interesse an der Verwirklichung des Vorhabens nicht überwiegen, würden doch diese Schutzgüter nicht beeinträchtigt (Wasserversorgung, Denkmäler, Landeskultur, Gemeingebrauch) oder zwar beeinträchtigt (Naturschönheit), aber nicht zerstört.
29 Bestätigt worden sei auch, dass alle praktikablen Vorkehrungen getroffen worden seien, um die negativen Auswirkungen auf den Zustand des Wasserkörpers zu mindern. Auch seien keine zulässigen technischen Alternativlösungen erkennbar, die eine wesentlich bessere Umweltoption darstellten und die nicht zu unverhältnismäßigen Kosten führten.
30 Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Ausnahme vom Verschlechterungsverbot im Sinne des § 104a WRG 1959 seien daher gegeben.
31 Auch § 29 Abs. 2 des Tiroler Naturschutzgesetzes 2005 (TNSchG 2005) enthalte ein Abwägungsgebot, wonach eine naturschutzrechtliche Bewilligung für Vorhaben, die die Interessen des Naturschutzes qualifiziert beeinträchtigten, nur erteilt werden dürfe, wenn andere langfristige öffentliche Interessen an der Erteilung der Bewilligung die Interessen des Naturschutzes überwögen.
32 Trotz sehr hoher Wertigkeit des zerstörten Abschnittes des Längentales im Bereich des Speichers K und wesentlicher Eingriffe in das Landschaftsbild und den Erholungswert der Landschaft durch das Vorhaben sei aus später dargestellten Gründen ein langfristiges öffentliches Interesse anzuerkennen, das als überwiegend anzuerkennen sei.
33 Das Beschwerdeverfahren habe auch keine Fehler bei der Abwägung der öffentlichen Interessen hervorgebracht, sodass der behördlichen Einschätzung folgend davon auszugehen sei, dass die langfristigen öffentlichen Interessen die Interessen des Naturschutzes ebenso wie der §§ 30a und 30c WRG 1959 überwögen.
34 Diese Einschätzung könne bereits für das Vorhaben an sich aufgrund einer isolierten Betrachtung seiner Auswirkungen, ohne Zugrundelegung der im Wasserwirtschaftlichen Rahmenplan Tiroler Oberland (WWRP TOL) dargestellten wasserwirtschaftlichen Ordnung als öffentliches Interesse getroffen werden. Für die zu treffende Abwägungsentscheidung spiele diese Verordnung keine Rolle.
35 Eine weitere Interessenabwägung nach § 17 Abs. 5 UVP-G 2000 sei nicht mehr durchzuführen. Diese Bestimmung normiere eine zusätzliche Abweisungsmöglichkeit, wenn die sonstigen Genehmigungsvoraussetzungen jeweils für sich genommen zwar erfüllt seien, eine Gesamtbewertung aber zu einem negativen Ergebnis führe. Abs. 5 des § 17 UVP-G 2000 habe eine Auffangfunktion. Er diene nicht dazu, eine Interessenabwägung, die bereits nach Materiengesetz durchgeführt worden sei, nochmals durchzuführen. Es gebe keinen Hinweis dafür, dass eine Interessenabwägung nach § 17 Abs. 5 UVP-G 2000 zu einem anderen Ergebnis führen würde.
36 Im Rahmen der „artenschutzrechtlichen Prüfung“ befasste sich das BVwG zuerst mit einer behaupteten Unionsrechtswidrigkeit von Bestimmungen des TNSchG 2005 und verneinte diese mit näherer Begründung. Letztlich gelangte es zum Ergebnis, dass für keine der im Vorhabensgebiet vorkommenden Vogelarten und für keine der im Vorhabensgebiet vorkommenden Tierarten nach Anhang IV FFH-Richtlinie die angeführten artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände erfüllt seien.
37 Bezüglich „sonstiger naturschutzrechtlicher Genehmigungsvoraussetzungen“ sei anzuführen, dass die Protokolle zur Alpenkonvention, so auch das Bodenschutzprotokoll, vom Nationalrat ohne Erfüllungsvorbehalt genehmigt worden seien. Dies bedeute, dass sie vom Gesetzgeber entsprechend zu berücksichtigen seien, aber auch von der Vollziehung, sofern sie aufgrund ihrer unmittelbaren Anwendbarkeit dazu geeignet seien.
38 In weiterer Folge befasste sich das BVwG mit dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Februar 2005, 2005/04/0044, und mit weiteren Interpretationen des Bodenschutzprotokolls und gelangte unter Hinweis auf Art. 31 ff Wiener Vertragsrechtskonvention zur Schlussfolgerung, dass eine Auslegung des Art. 9 des Bodenschutzprotokolls nach der gewöhnlichen Bedeutung in ihrem Zusammenhang und dem Sinn und Zweck einen strengen Schutz von Mooren ergebe, der jedoch in besonders begründeten Ausnahmefällen durchbrochen werden könne. In diesem Sinn sei auch der hier anzuwendende § 29 Abs. 2 Z 2 TNSchG 2005 zu interpretieren. Andere langfristige öffentliche Interessen an der Erteilung der Bewilligung, welche das Gebot einer Erhaltung eines Niedermoores überwögen, müssten besonders qualifiziert sein, um die Zerstörung des Moores rechtfertigen zu können. Die im Verfahren eingebrachten öffentlichen Interessen am gegenständlichen Vorhaben rechtfertigten den Eingriff aus Sicht des BVwG.
39 Nach Überlegungen zu den „sonstigen wasserrechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen“, insbesondere zur Gesetzeskonformität des WWRP TOL, verwies das BVwG darauf, dass jedenfalls eine Abwägung öffentlicher Interessen gemäß § 104a WRG 1959 durchzuführen sei. Bei dieser Abwägung der öffentlichen Interessen sei für jedes Vorhaben im Einzelfall das Überwiegen vor anderen Interessen zu prüfen. Die durch den WWRP TOL als öffentliche Interessen festgelegten Interessen könnten im Einzelfall als nicht überwiegend festgestellt werden und die Vorgaben des § 104a WRG 1959 seien unabhängig vom WWRP TOL jedenfalls einzuhalten.
40 Unter dem Titel „Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen; Schädigung von Boden, Pflanzen- oder Tierbestand, oder des Zustandes der Gewässer“ führte das BVwG aus, der für die Zulässigkeit von Eingriffen in Oberflächengewässer beim konkreten Vorhaben anzuwendende § 104a WRG 1959 enthalte kein Gebot der Kompensation von Eingriffen. Die in Abs. 2 Z 1 vorgesehenen „praktikablen Minderungsmaßnahmen“ müssten die negativen Auswirkungen auf den Zustand des Wasserkörpers mindern. Kompensationsmaßnahmen in anderen Wasserkörpern seien keine „praktikablen Vorkehrungen“. In § 105 WRG 1959, auf den der Einleitungssatz des § 104a Abs. 2 verweise, sei aber die grundsätzliche Möglichkeit und Verpflichtung der Behörde zur Erteilung von Auflagen etwa zum Schutz des ökologischen Zustandes der Gewässer vorgesehen. Gemäß § 29 Abs. 5 TNSchG 2005 sei, wie ausgeführt, eine naturschutzrechtliche Bewilligung befristet, mit Auflagen oder unter Bedingungen zu erteilen, soweit dies erforderlich sei, um Beeinträchtigungen der Interessen des Naturschutzes zu vermeiden oder auf ein möglichst geringes Ausmaß zu beschränken.
41 Nach § 17 Abs. 1 UVP-G 2000 seien sowohl die wasser- und naturschutzrechtlichen Genehmigungskriterien anzuwenden, als auch die zusätzlichen Genehmigungskriterien, die Abs. 2 des § 17 UVP-G 2000 festlege. Danach seien jedenfalls Immissionen zu vermeiden, die geeignet seien, den Boden, den Pflanzen- oder Tierbestand oder den Zustand der Gewässer bleibend zu schädigen. Unter Immissionen sei jede Form von Einwirkung zu verstehen, die von einem Vorhaben ausgehe und die die Schutzgüter des § 1 Abs. 1 Z 1 UVP-G 2000 beeinträchtigen könne. Dies umfasse unter anderem die direkte Einwirkung auf den Boden, etwa in Form der Entfernung der Deckschicht und/oder der Versiegelung des Bodens, jedenfalls alle physischen Einwirkungen.
42 In welchen Fällen Immissionen vorlägen, die geeignet seien, den Boden, den Pflanzen- oder Tierbestand oder den Zustand der Gewässer bleibend zu schädigen, bestimme das Gesetz nicht näher. In der Literatur werde dazu die Meinung vertreten, dieser Tatbestand ziele auf die Vermeidung schwerer und nachhaltiger Einwirkungen ab, die nicht oder nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand rückgängig zu machen seien. Dies wäre etwa der Fall, wenn eine seltene Tier- oder Pflanzenart ausgerottet oder in ihrem nationalen oder regionalen Bestand nachhaltig geschädigt werde, der Charakter des Untergrundes so verändert werde, dass großflächige und nicht beherrschbare Erosionen und damit Veränderungen der Morphologie erfolgten, oder das Vorhaben starke Klimaveränderungen nach sich ziehe, bzw. seien darunter konkret zu erwartende, weder vermeidbare noch kompensierbare systemzerstörende oder nachhaltig beeinträchtigende Umweltauswirkungen zu verstehen. Auch die irreversible Schädigung und die Langfristigkeit des Eingriffes würden als Kriterien genannt.
43 Eine bleibende Schädigung des Pflanzen- oder Tierbestandes könne jedenfalls nicht immer schon dann angenommen werden, wenn es zu direkten physischen Eingriffen in Schutzgüter komme. Diesfalls müsste dieser Versagungsgrund bei fast allen UVP-pflichtigen Vorhaben zur Anwendung kommen. Vielmehr werde auf die Seltenheit des Umweltmediums, in das eingegriffen werde, und die Möglichkeit des Ausgleichs an anderer Stelle Rücksicht zu nehmen sein.
44 Sowohl nach der angeführten naturschutzrechtlichen Bestimmung als auch nach § 17 Abs. 4 UVP-G 2000 sei die Einhaltung der Genehmigungsfähigkeit durch die Vorschreibung von Nebenbestimmungen zu sichern, soweit dies erforderlich sei, um Beeinträchtigungen der Interessen des Naturschutzes zu vermeiden oder auf ein möglichst geringes Ausmaß zu beschränken bzw. zu einem hohen Schutzniveau für die Umwelt in ihrer Gesamtheit beizutragen. § 29 Abs. 5 TNSchG 2005 nenne explizit „Auflagen oder Bedingungen“, § 17 Abs. 4 UVP-G 2000 darüber hinaus Befristungen, Projektmodifikationen, Ausgleichsmaßnahmen oder sonstige Vorschreibungen.
45 Mit den genannten Arten von Nebenbestimmungen sei aber nur ihre rechtstechnische Umsetzung angesprochen. Inhaltlich würden folgende Maßnahmen unterschieden, um für Eingriffe in Natur und Landschaft die Genehmigungsvoraussetzungen sicherzustellen: Es seien dies Vermeidungsmaßnahmen, Verminderungsmaßnahmen, Ausgleichsmaßnahmen und Ersatzmaßnahmen. Laut Schmelz/Schwarzer, Kommentar zum Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz, UVP-G, sei die „Ersatzmaßnahme“ keine eigene Maßnahme, sondern eine besondere Form der Ausgleichsmaßnahme, wobei Ersatzmaßnahmen gegenüber Ausgleichsmaßnahmen im engeren Sinn einen gelockerten funktionalen Zusammenhang zum beeinträchtigten Schutzgut aufwiesen. Auch normiere das UVP-G 2000 keine Hierarchie zwischen den verschiedenen Arten von Maßnahmen etwa in dem Sinn, dass Ausgleichsmaßnahmen nur dann in Betracht kämen, wenn weder Vermeidungs- noch Minderungsmaßnahmen zum Ziel führten.
46 Die aktuelle Studie „Ausgleich für Eingriffe in Natur und Landschaft“ von Knoll/Revital/Haslinger, Nagele & Partner, nenne als Maßnahmen, die dem System „mitigation“ zuzuordnen seien, die Vermeidungs- und Verminderungsmaßnahmen. Diese seien geeignet, Schäden im Vorhinein durch üblicherweise projektseitige Maßnahmen zu vermeiden. Erst wenn trotz Einsatzes aller zumutbaren Vermeidungs- und Verminderungsmaßnahmen eine erhebliche Beeinträchtigung fortdauere, seien Maßnahmen aus dem Bereich „compensation“ vorzusehen. Dabei seien zuerst Ausgleichsmaßnahmen vorzunehmen. Diese seien inhaltlich und räumlich so nah wie möglich dem ursprünglichen Schaden zuzuordnen. Zu diesen Ausgleichsmaßnahmen zählten beispielsweise Umlagerungen von Lebensräumen, Wiederherstellung und Schaffung von Lebensräumen oder Entwicklungsmaßnahmen für einzelne Arten. Sollte aufgrund der fehlenden fachlichen und räumlichen Möglichkeiten die Umsetzung von Ausgleichsmaßnahmen nicht möglich sein, so sei die Umsetzung von Ersatzmaßnahmen als ultima ratio möglich. Bei diesen Ersatzmaßnahmen sei der funktionelle und räumliche Bezug deutlich gelockert, um die Umsetzbarkeit zu sichern. Bei der Umsetzung von Ersatzmaßnahmen sei jedoch darauf zu achten, dass die Prüfung des Stufenbaus umfassend erfolge und tatsächlich nachgewiesen worden sei, dass zur Vermeidung des Schadens keine Vermeidungs-, Verminderungs- oder Ausgleichsmaßnahmen geeignet und zumutbar wären.
47 Für Ausgleichsmaßnahmen werde ein enger funktionaler Zusammenhang mit den vorhabensbedingten Beeinträchtigungen gefordert. Die beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts müssten demnach in gleichartiger Weise wiederhergestellt sein. Ersatzmaßnahmen ließen sich durch das Kriterium der Gleichwertigkeit von den Ausgleichsmaßnahmen abgrenzen. Dies bedeute eine Lockerung, jedoch keine gänzliche Aufhebung des Funktionalzusammenhangs zwischen der Beeinträchtigung und der Ersatzmaßnahme. Auch in räumlicher Hinsicht müsse ein Bezug der Ausgleichsmaßnahmen zum Eingriffsort bestehen. Dies bedeute jedoch nicht zwingend, dass der Ausgleich unmittelbar am Ort des Eingriffs zu erfolgen habe. Jedenfalls erforderlich sei aber ein Wirkungszusammenhang, die Ausgleichsmaßnahmen müssten sich dort ausgleichend auswirken, wo auch die mit dem Vorhaben verbundenen Beeinträchtigungen aufträten. Bei den Ersatzmaßnahmen genüge eine Bezugnahme auf den betroffenen Naturraum.
48 Wie das Beschwerdeverfahren ergeben habe, werde es im Bereich des Längentales zu schweren Eingriffen kommen, die nicht an Ort und Stelle vollständig ausgeglichen werden könnten. Um eine bleibende Schädigung des Bodens sowie des Pflanzen- und Tierbestandes zu vermeiden, seien die von den Sachverständigen in ihrer Stellungnahme vom 16. Mai 2017 zusätzlich zu den bereits im Vorhaben enthaltenen Ausgleichsmaßnahmen vorgeschlagenen Ersatzmaßnahmen in Spruchpunkt A.I.4. dieses Erkenntnisses in Form einer Nebenbestimmung eingefügt worden.
49 Berücksichtigt würden die durch den geplanten Speicher im Längental betroffenen Feuchtlebensräume, welche aufgrund ihres Schutzstatus und ihrer Gefährdung als hoch sensibel eingestuft worden seien, selten seien und nur kleinräumig vorkämen.
50 Durch das geplante Speicherkraftwerk K seien insgesamt 3,54 ha Niedermoor-Kleinseggenbestände in Bau- und Betriebsphase betroffen. Zudem seien vegetationsarme Stillgewässer im Umfang von 0,13 ha und Bachquellfluren im Umfang von 0,2 ha betroffen (Bau- und Betriebsphase). Zum Ausgleich seien von der mitbeteiligten Partei mehrere Maßnahmen vorgesehen, doch fehle für einen flächengleichen Ausgleich des Verlusts von Feuchtlebensräumen im Längental eine Fläche von rd. 1 ha. Mit Hilfe der von den Sachverständigen angewandten Methode zur Bestimmung des Kompensationswertes von Ersatzmaßnahmen sei aufgrund des gelockerten funktionalen, räumlichen und zeitlichen Zusammenhanges zwischen der Beeinträchtigung und der Ersatzmaßnahme der zusätzliche Maßnahmenbedarf auf agrarisch intensiv genutzten Flächen über Moorböden mit 2,5 ha errechnet worden. Es werde daher in Spruchpunkt A.I.4. eine Ersatzmaßnahme in dieser Größenordnung vorgeschrieben.
51 Dazu sei jedoch klarzustellen, dass bei Abnahmeprüfung noch kein Moorlebensraum entstanden sein müsse. Die Wiederherstellung eines Moores könne große Zeiträume in Anspruch nehmen, sodass bei Abnahmeprüfung jedenfalls sichergestellt sein müsse, dass sich die Fläche auf einem guten Weg zur Zielerreichung befinde.
52 Unzweifelhaft enthalte keine der angeführten wasser-, naturschutz- und UVP-rechtlichen Bestimmungen ein unbedingtes Gebot, alle Eingriffe vollständig zu vermeiden, auszugleichen oder zu kompensieren. Insofern gingen die Beschwerdevorbringen zur Kompensation für Gewässereingriffe nach dem Tiroler Kriterienkatalog ins Leere. Dieser Leitfaden, dessen Anwendung von den gewässerökologischen Sachverständigen eingehend und nachvollziehbar begründet worden sei, stelle offenbar eine gute fachliche Basis für die Frage dar, welche Eingriffe in welcher Form ausgeglichen werden könnten und sollten, um den Empfehlungen des § 15 WWRP TOL zu entsprechen und - wie der Kriterienkatalog selbst als Ziel formuliere - vorzugeben, wie Projekte gestaltet werden müssten, um eine möglichst hohe Chance auf Genehmigung in einer transparenten Interessenabwägung zu erhalten. Weder der Leitfaden noch eine andere Bewertungsmethode seien jedoch von einer Rechtsvorschrift als rechtsverbindlich erklärt worden. Aus diesem Grund verbleibe der Behörde und schlussendlich auch dem Gericht die Möglichkeit, im Rahmen der gesetzlich vorgegebenen Kriterien auf die Umstände des Einzelfalls Rücksicht zu nehmen.
53 Das Verfahren habe ergeben, dass zumindest bei einer Kompensationsmaßnahme für die Inanspruchnahme von Oberflächengewässern (Wehr B) zweifelhaft sei, ob nicht ein höherer Abwertungsfaktor anzuwenden gewesen wäre, weil es sich um eine Maßnahme handle, für deren Umsetzung bereits eine rechtliche Verpflichtung bestehe. Eine weitere Maßnahme (Unterwasserbecken S), die nur schwach wirksam sei und ihre volle Wirksamkeit erst in Kombination mit der Verwirklichung anderer Vorhaben entfalten werde, decke fast 50 % des fachlich als notwendig angesehenen Kompensationsbedarfs ab. Schließlich werde in Fachkreisen diskutiert, inwiefern auch Verschlechterungen innerhalb einer Zustandsklasse verstärkt zu kompensieren wären. All dies habe das BVwG dazu bewogen, in den Spruchpunkten A.I.5. und A.I.6. weitere Maßnahmen zu gewässerökologischen Zwecken als Auflagen vorzusehen, um eine bleibende Schädigung der Gewässer im Sinne des § 17 Abs. 2 UVP-G 2000 hintanzuhalten und dabei gleichzeitig ein hohes Schutzniveau für die Umwelt im Sinne des § 17 Abs. 4 UVP-G 2000 sicherzustellen.
54 Diese Maßnahmen verbesserten den Gewässerzustand des Inns und seien, weil bereits ausgearbeitete Projektunterlagen vorlägen, die der mitbeteiligten Partei von den Projektpartnern zur Verfügung gestellt worden seien, für diese auch kurzfristig verfügbar. Dabei werde ein weiterer Ausgleich im Sinne des Kriterienkatalogs angestrebt, aber nicht an der Erreichung einer exakten Kompensationslänge, ausgedrückt in Kilometern, sondern an der Sicherstellung eines hohen Umweltschutzniveaus insgesamt gemessen.
55 Da diese Maßnahmen als Auflage in diesem Erkenntnis nach einem konzentrierten Genehmigungsverfahren unter Beteiligung möglicherweise Betroffener in analoger Anwendung der §§ 18 Abs. 3 und 18b UVP-G 2000 vorgeschrieben würden, sei kein weiteres Genehmigungsverfahren dafür mehr durchzuführen.
56 Unter dem Titel „Erfüllung des Genehmigungskriteriums des § 17 Abs. 2 Z 2 lit. b iVm Abs. 4 UVP-G 2000“ erwog das BVwG, dass durch das Vorhaben zwar sehr schwere Eingriffe erfolgten, aber durch weitreichende Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sichergestellt werde, dass keine bleibende Schädigung des Zustands der Gewässer (durch Restwasserdotierung sowie umfangreiche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen im Unterlauf der Gewässer) oder des Bodens (Aufwertung von Böden an anderer Stelle im Rahmen von Ersatzmaßnahmen) erfolge. Das BVwG komme auch zum Schluss, dass aufgrund der Tatsache, dass zwar seltene, aber keine einzigartigen Naturstandorte zerstört würden, kein Natur-, Landschafts- oder Vogelschutzgebiet bzw. Natura-2000-Gebiet betroffen sei und für hoch sensible Lebensräume Ersatz geschaffen werde, auch das Genehmigungskriterium der Vermeidung einer bleibenden Schädigung des Pflanzen- und Tierbestandes als erfüllt anzusehen sei.
57 Durch die gerichtlich angeordneten Projektmodifikationen komme es auch zu keiner unzulässigen Änderung des Wesens des Vorhabens, weil diese entweder die Anwendbarkeit einer anderen Norm zur Folge hätten, die Frage der Genehmigung unter Vorschreibung von Nebenbestimmungen gemäß § 17 Abs. 4 UVP-G 2000 bereits Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen sei und die zur Genehmigung eingereichte Anlage eines neuen Pumpspeicherkraftwerks mit zusätzlichem Speicher und Wasserfassungen weder in Bezug auf ihren Standort, ihre Größe, ihre Kapazität noch in Bezug auf die zu errichtenden baulichen Anlagen, die einzusetzenden Geräte etc. verändert werde.
58 Unter dem Titel „Wasserpolizeiliche Aufträge gem. § 21a WRG; Eingriffe in die bestehende Anlage“ führte das BVwG aus, die in den Beschwerden angezogene Forderung, im Zuge des Genehmigungsverfahrens mithilfe eines wasserpolizeilichen Auftrages bestehende Anlagenteile ins Verfahren mit einzubeziehen, könne nur so verstanden werden, dass Auflagen vorgeschrieben bzw. Projektmodifikationen an der bestehenden Anlage vorgenommen werden sollten.
59 Dazu sei festzustellen, dass die Anwendung des § 21a WRG 1959 voraussetze, dass öffentliche Interessen trotz Einhaltung von Auflagen und sonstiger einschlägiger Vorschriften „nicht hinreichend“ geschützt seien. Anwendungsfälle für § 21a WRG 1959 seien nicht nur gravierende Veränderungen der wasserwirtschaftlichen Situation, sondern auch nach der Erteilung der Bewilligung erkennbar werdende Umstände, auf die bei der Bewilligung nicht geachtet worden sei oder die unrichtig eingeschätzt worden seien, sowie auch Umstände, die bereits bei Erteilung der Bewilligung bestanden hätten, aber nicht berücksichtigt worden seien. Das Verfahren nach § 21a WRG 1959 sei grundsätzlich als wasserpolizeiliches Einparteienverfahren ausgelegt, in dem nur der zu Verpflichtende Parteistellung habe. Ein Antragsrecht eines Dritten sei ausgeschlossen, weil der Schutz öffentlicher Interessen, dem § 21a WRG 1959 diene, ausschließlich der Behörde obliege. Die Anwendung in einem Genehmigungsverfahren sei ausgeschlossen, weil die Genehmigung ohnehin nur bei Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen zulässig sei. Für die Erteilung eines wasserpolizeilichen Auftrages wäre daher ausschließlich die für die Überwachung der bestehenden Anlage zuständige Wasserrechtsbehörde zuständig.
60 Dennoch sei ein Eingriff in die bestehende, durch das Vorhaben geänderte und erweiterte Kraftwerksgruppe nicht von vornherein ausgeschlossen. So sei es denkbar, Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen für die projektierte Erweiterung vorzuschreiben, die in einer Modifikation der bestehenden Anlage bestünden. Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen seien ja möglichst in der Nähe und dort zu wählen, wo das beeinträchtigte Schutzgut am besten ausgeglichen bzw. ersetzt werden könne. Im Beschwerdeverfahren seien jedoch keine konkreten Vorschläge für derartige Maßnahmen vorgebracht worden, die über die pauschale Behauptung hinausgegangen wären, die bestehende Anlage müsste in die Genehmigung einbezogen werden. Die betreffenden Sachverständigen hätten vielmehr, wie oben ausgeführt, andere Vorschläge für Maßnahmen eingebracht, durch die ein effizienter Ersatz der beeinträchtigten Schutzgüter außerhalb der bestehenden Anlage erfolgen könne, und diese ausführlich begründet. Es hätte daher für das BVwG kein Grund bestanden, durch die Vorschreibung von Nebenbestimmungen in die bestehende Anlage einzugreifen.
61 Das BVwG ging schließlich noch („Sonstiges“) auf die Einwände der revisionswerbenden Gemeinde ein, wonach materiengesetzlich vorgesehene Zustimmungserfordernisse des Grundeigentümers nicht beachtet und von der Behörde „nach Art von privatrechtlichen Einwendungen Dritter unberücksichtigt gelassen“ worden seien. Dabei übersehe sie aber, dass § 17 Abs. 1 UVP-G 2000 vorsehe, dass die Zustimmung Dritter insoweit keine Genehmigungsvoraussetzung sei, als für den betreffenden Teil des Vorhabens in einer Verwaltungsvorschrift die Möglichkeit der Einräumung von Zwangsrechten vorgesehen sei. Die Genehmigung sei in diesem Fall jedoch unter dem Vorbehalt des Erwerbs der entsprechenden Rechte zu erteilen.
62 Für das gegenständliche Vorhaben stellten die §§ 62 ff WRG 1959 weitreichende Möglichkeiten der Zwangsrechtsbegründung zur Verfügung, die nach Erteilung der Genehmigung bei der Wasserrechtsbehörde zu beantragen seien. Diese Verfahren seien, mit Ausnahme geringfügiger Grundinanspruchnahme gemäß § 111 Abs. 4 WRG 1959, nicht Teil des UVP-Verfahrens.
63 Zur Zulässigkeit der Revision führte das BVwG aus, diese sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil zur hier entscheidenden Frage, wann eine bleibende Schädigung des Pflanzen- und Tierbestandes im Sinne des § 17 Abs. 2 Z 2 lit. B UVP-G 2000 vorliege, keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bestehe.
64 Die revisionswerbende Gemeinde wandte sich gegen dieses Erkenntnis auch an den Verfassungsgerichtshof, welcher mit Beschluss vom 14. März 2018, E 3152/2017-21, die Behandlung der Beschwerde ablehnte.
65 II.
66 Gegen das Erkenntnis des BVwG vom 3. August 2017 richten sich die ordentlichen Revisionen der revisionswerbenden Parteien.
67 Die revisionswerbenden Parteien beantragten jeweils, der Verwaltungsgerichtshof möge das angefochtene Erkenntnis kostenpflichtig wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufheben, in eventu in der Sache selbst entscheiden und das angefochtene Erkenntnis des BVwG dahingehend abändern, dass der mitbeteiligten Partei die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb des Vorhabens Speicherkraftwerk K versagt werde.
68 Die zweit- bis viertrevisionswerbenden Parteien beantragten zudem in eventu, der Verwaltungsgerichtshof möge die Auflage gemäß Spruchpunkt I.4. des bekämpften Erkenntnisses dahingehend abändern, dass der Beginn der gesamten Bauarbeiten des Vorhabens Speicherkraftwerk K gemäß § 17 Abs. 1 UVP-G 2000 an die Freigabe des nach Auflage A.XII.11.12 vorgeschriebenen Maßnahmenkonzepts durch die Behörde gebunden werde, sowie die Auflagen gemäß Spruchpunkt I.5. (Auflage A.XII.12.27a, A.XII.12.27b, A.XII.12.27c) sowie gemäß Spruchpunkt I.6. (Auflage A.XII.17.29a) dahingehend abändern, dass der Beginn der gesamten Bauarbeiten an die vorherige Erfüllung, jedenfalls aber die rechtliche Sicherstellung dieser Auflagen, gebunden werde.
69 Die UVP-Behörde sowie die mitbeteiligte Partei erstatteten Revisionsbeantwortungen jeweils mit dem Antrag, der Verwaltungsgerichtshof möge die Revisionen kostenpflichtig zurückweisen bzw. als unbegründet abweisen.
70 Der Verwaltungsgerichtshof hat die Rechtssachen wegen ihres rechtlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und über die Revisionen erwogen:
71 III.
72 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
73 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
74 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
75 Das BVwG ließ die ordentliche Revision zu, weil keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage existiere, wann eine bleibende Schädigung des Pflanzen- und Tierbestandes im Sinne des § 17 Abs. 2 Z 2 lit. b UVP-G 2000 vorliege.
76 Die revisionswerbenden Parteien beziehen sich jeweils im Rahmen der von ihnen geltend gemachten Zulässigkeitsgründe auf die vom BVwG aufgeworfene Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG. Zusätzlich bringen die revisionswerbenden Parteien jeweils noch weitere Zulässigkeitsgründe ihrer Revisionen vor.
77 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zur Kontrolle der Entscheidungen der Verwaltungsgerichte nicht nur für den Fall einer außerordentlichen Revision, sondern auch bei ordentlichen Revisionen auf die Wahrnehmung von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung begrenzt. In diesem Sinn hat der Revisionswerber nach der gefestigten Rechtsprechung auch in der ordentlichen Revision von sich aus die im Lichte des Art. 133 Abs. 4 B-VG maßgeblichen Gründe der Zulässigkeit der Revision darzulegen, sofern er der Auffassung ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (VwGH 19.2.2015, Ro 2015/21/0002; 20.5.2015, Ro 2014/10/0086).
78 In einem solchen Fall ist von der revisionswerbenden Partei auf die vorliegende Rechtssache bezogen bezüglich jeder von ihr - hinausgehend über die Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichtes - als von grundsätzlicher Bedeutung qualifizierten Rechtsfrage konkret (unter Berücksichtigung auch der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes) aufzuzeigen, warum der Verwaltungsgerichtshof diese Rechtsfrage in einer Entscheidung über die Revision als solche von grundsätzlicher Bedeutung zu behandeln hätte, von der die Lösung der Revision abhängt (VwGH 16.11.2017, Ro 2017/07/0027; 31.3.2016, Ro 2015/07/0038, ua).
79 An diesen Grundsätzen ist das Zulässigkeitsvorbringen der vorliegenden Revisionen zu messen.
80 In weiterer Folge wird auf die Revisionen der revisionswerbenden Parteien näher eingegangen; die einzelnen Fragestellungen werden dabei jeweils thematisch überschrieben.
81 A. Zur Revision der erstrevisionswerbenden Gemeinde (Ra 2017/07/0033):
82 1. Zur Anwendung von Art. 9 des Bodenschutzprotokolls und der Alpenkonvention
83 1.1. Die Revisionswerberin meint unter Hinweis auf die unmittelbare Anwendbarkeit des gemäß Art. 2 Abs. 3 der Alpenkonvention vereinbarten, vom Nationalrat ohne Erfüllungsvorbehalt genehmigten und am 18. Dezember 2002 in Kraft getretenen Protokolls zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Bodenschutz (Protokoll „Bodenschutz“), BGBl. III Nr. 235/2002, und auf das hg. Erkenntnis vom 8. Juni 2005, 2004/03/0116, das BVwG habe den dort vorgesehenen absoluten Schutz von Mooren nicht beachtet.
84 Aus dem Umstand, dass der Nationalrat bei der Beschlussfassung des Bodenschutzprotokolls jedenfalls im Umfang und Anwendungsbereich des § 9 einen Erfüllungsvorbehalt nicht gesetzt habe, folge zwingend die unmittelbare Anwendbarkeit dieser Norm. Indizien für die gegenteilige Annahme lägen zudem nicht vor. Daraus ergebe sich aber ein gänzliches Beseitigungsverbot für schützenswerte Hoch- und Flachmoore, die noch dazu keinen wirtschaftlichen Zweck im Sinne eines Torfabbaues verfolgten. Kompensationsmaßnahmen oder Ausgleichsmaßnahmen kämen hier deshalb nicht in Frage, weil es sich bei der Schaffung neuer Moorkulturen nicht mehr um dieselben, sondern um andere Vorhaben handelte. Der Schutzzweck der Alpenkonvention werde dadurch vereitelt.
85 1.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits im Erkenntnis vom 24. Februar 2006, 2005/04/0044, mit Art. 9 Abs. 1 erster Satz des Protokolls „Bodenschutz“ befasst und näher begründet die Ansicht vertreten, dass damit kein ausnahmsloses und unbedingtes Erhaltungsgebot für alle - auch noch so kleinen und unbedeutenden - Moore normiert werden sollte, was sich daraus ergebe, dass nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung anzustreben sei, die Verwendung - und damit die dem Erhaltungsgebot widersprechende Gewinnung - von Torf „mittelfristig“ zu ersetzen und Art. 9 Abs. 2 des zitierten Protokolls in begründeten Ausnahmefällen die Entwässerung von Feuchtgebieten und Mooren zulasse.
86 Anders als Art. 14 Abs. 1 dritter Teilstrich des zitierten Protokolls, der die Errichtung von Schipisten in labilen Gebieten verbiete - und auf dessen Grundlage der Verwaltungsgerichtshof eine Beschwerde gegen die Untersagung der Errichtung einer Schipiste in einem labilen Gebiet abgewiesen habe (VwGH 8.6.2005, 2004/03/0116) -, beziehe sich das Erhaltungsgebot des Art. 9 Abs. 1 erster Satz des zitierten Protokolls nicht auf konkrete Eingriffsmaßnahmen; damit wären bei der von der (damaligen) Beschwerdeführerin gewünschten Auslegung alle Maßnahmen, unabhängig von ihrer sonstigen Wertigkeit (etwa für die menschliche Gesundheit oder für den Naturschutz) untersagt, während die Entnahme von Torf und die Entwässerung eingeschränkt möglich wären. Dass dieses Ergebnis nicht dem Zweck des Protokolls „Bodenschutz“ entspreche, ergebe sich schon aus dessen Art. 2 Abs. 2, wonach selbst bei Gefahr schwerwiegender und nachhaltiger Beeinträchtigungen der Funktionsfähigkeit der Böden den Schutzaspekten nur „grundsätzlich“ - also nicht in jedem konkreten Einzelfall - der Vorrang einzuräumen sei. Daraus ergebe sich, dass Art. 9 Abs. 1 des zitierten Protokolls keine ausnahmslose Erhaltungspflicht für Moore normiere und daher die Bestimmung des (damals anzuwendenden) § 24 des Salzburger Naturschutzgesetzes, der in ganz bestimmten Ausnahmefällen einen Eingriff in Moore zulasse, zu Art. 9 Abs. 1 erster Satz des Protokolls „Bodenschutz“ nicht in Widerspruch stehe.
87 1.3. Nichts anderes gilt aber für die hier zur Anwendung gelangende Ausnahmebestimmung des § 29 Abs. 2 Z 2 TNSchG 2005, derzufolge eine naturschutzrechtliche Genehmigung (ua für Vorhaben nach § 9 Abs. 1 und 2 leg. cit. - bestimmte Vorhaben in Feuchtgebieten) nur erteilt werden darf, wenn - ähnlich dem nach § 24 Abs. 3 und 5 Salzburger Naturschutzgesetz anzuwendenden § 3a Abs. 2 leg. cit. - andere langfristige öffentliche Interessen an der Erteilung der Bewilligung die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 überwiegen. Auch diese Bestimmung steht mit Art. 9 Abs. 1 erster Satz des Protokolls „Bodenschutz“ daher nicht in Widerspruch.
88 1.4. Angesichts der in diesem Zusammenhang bereits bestehenden und auf die Rechtslage in Tirol übertragbaren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gelingt es der revisionswerbenden Gemeinde nicht, mit diesem Vorbringen eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung erfolgreich aufzuzeigen.
89 2. Zur Mitanwendung des § 21a WRG 1959
90 2.1. Die revisionswerbende Gemeinde brachte in ihrer Revision weiters vor, das BVwG habe sich mit seiner rechtlichen Beurteilung des § 21a WRG 1959 einerseits über die Vorgaben der WRRL und andererseits über die herrschende Meinung hinweg gesetzt. Die mit der WRRL zwingend einzuhaltenden Umweltziele könnten nur durch die Mitanwendung der Bestimmung des § 21a WRG 1959 erreicht werden. Dies werde mit einem Hinweis auf die Umformulierung des § 21a durch die WRG-Novelle 2003 unterstrichen.
91 Die Besorgnis einer wesentlichen Beeinträchtigung der ökologischen Funktionsfähigkeit der Gewässer könne einen Auftrag nach § 21a WRG 1959 nach sich ziehen. Auch nach Ansicht des BVwG sei ein Eingriff in die bestehende Kraftwerksgruppe nicht von vornherein ausgeschlossen, seien doch Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen für die projektierte Erweiterung vorzuschreiben, die in einer Modifi