Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §68 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofrätin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision des Mag. G P in N, vertreten durch die Brandstetter, Baurecht, Pritz & Partner Rechtsanwälte KG in 1010 Wien, Herrengasse 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 25. Mai 2018, Zl. LVwG-AV-561/004-2016, betreffend ein wasserrechtliches Kollaudierungsverfahren (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG:
Bezirkshauptmannschaft St. Pölten; mitbeteiligte Partei:
Stadtgemeinde Neulengbach, vertreten durch die Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in 3100 St. Pölten, Domgasse 2), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1 Zur Vorgeschichte wird auf die Darstellung des Sachverhaltes im hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2017, Ra 2017/07/0012, verwiesen.
2 Der Verwaltungsgerichtshof hatte das damalige, in einem Kollaudierungsverfahren über Beschwerde des Revisionswerbers ergangene Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich deshalb aufgehoben, weil es sich mit der Rolle des Revisionswerbers als Fischereiberechtigter gar nicht befasst, den im Kollaudierungsverfahren relevanten Zeitpunkt der Übereinstimmung der bewilligten mit der ausgeführten Anlage unrichtig angenommen und dem der mitbeteiligten Partei erteilten Bewilligungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten (BH) vom 13. Juni 2012 im Zusammenhang mit der genehmigten Gewässerbreite einen unrichtigen Inhalt entnommen hatte.
3 Im fortgesetzten Verfahren führte das LVwG eine mündliche Verhandlung durch und gab der Beschwerde des Revisionswerbers mit Erkenntnis vom 25. Mai 2018 insoferne statt, also die stellenweise Abweichung vom mit Bewilligungsbescheid der BH vom 13. Juni 2012 festgelegten Maximalabstand von 12 m zwischen den Böschungsoberkanten durch Überschreiten dieses Abstandes und der fehlende Kronenschluss als geringfügige Abweichungen gemäß § 121 Abs. 1 WRG 1959 nachträglich genehmigt wurden. Im Übrigen wurde die Beschwerde abgewiesen.
4 Die ordentliche Revision wurde nicht zugelassen. 5 In der Begründung des Erkenntnisses wird festgestellt, dass
am L-Bach von Flusskilometer 25,22 bis 23,52 hydromorphologische Verbesserungsmaßnahmen durchgeführt worden seien. Die Gewässerbreite von maximal 12 m laut Bewilligungsbescheid werde nur an einigen Stellen überschritten, dies in unterschiedlichem Ausmaß, maximal bis 17 m. Das Totholz (= Raubäume) sei mit Stahlseilen gesichert. Eine Wiederaufforstung sei vorhanden. Die Abweichungen von der Gewässerbreite von 12 m befänden sich in Bereichen von Prallufern; am jeweils gegenüberliegenden Gleitufer seien Anlandungen mit Aufwuchs ersichtlich. Zur Ableitung des neuen Gerinnes in den Auwald seien zwei Sohlrampen hergestellt, das Gerinne zweige zunächst linksufrig bei Fkm. 25,10 vom bestehenden Lauf des L-Baches ab (Südteil). Bei Fkm. 24,76 befinde sich das untere Ende des linksufrigen Auwaldbestands, das neue Gerinne kreuze hier den Bestand und wechsle auf die orografisch rechte Seite (Nordteil) und münde später wieder in den L-Bach. Ein Damm zwischen dem L-Bach und dem linksufrigem Auwald sei abgesenkt. Es befänden sich im neugeschaffenen Gerinne im Auwald Furt-, Rinner- und Kolkbereiche sowie Pralluferanrisse und Schotterbänke an Gleitufern. Der Revisionswerber sei Fischereiberechtigter und Grundeigentümer im gegenständlichen Gewässerabschnitt.
6 Unter dem Titel "Beweiswürdigung" befasst sich das LVwG im angefochtenen Erkenntnis mit der Beschwerde und mit weiterem Vorbringen des Revisionswerbers vom 12. Jänner 2018 und vom 24. April 2018 und den zu diesen Aspekten eingeholten fachlichen Aussagen.
7 Unter anderem heißt es, vom Revisionswerber sei eine Beeinträchtigung des Grundeigentums durch Uferanrisse auf Grund nicht projektgemäßer Umsetzung des mit Bescheid vom 13. Juni 2012 wasserrechtlich bewilligten Projektes geltend gemacht worden. Dadurch komme es zu Unterspülungen und auch zu einer Schädigung der Bäume auf dem Grundstück des Revisionswerbers. Die Prallufersicherung sei ungenügend und es gebe an mehreren Stellen Uferanbrüche. Dadurch dringe das Wasser in den Wurzelbereich alter Aubäume ein, unterspüle diese und diese stürzten dann in den Bachlauf. Dadurch komme es zur Verklausung und es sei keine freie Fließstrecke gegeben.
8 Diesem Vorbringen seien zunächst das wasserbautechnische Gutachten und das gewässerbiologische Gutachten, welche im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 9. Dezember 2015 nach Durchführung eines Ortsaugenscheines abgegeben worden seien, entgegenzuhalten. Der wasserbautechnische Amtssachverständige habe fachlich begründet ausgeführt, dass die Sicherungen des Gewässerbettes projektgemäß ausschließlich mit Totholz hergestellt werden sollten. Beim Lokalaugenschein sei von ihm festgestellt worden, dass dies auch erfolgt und das Totholz gegen Abschwemmung gesichert worden sei. Weiters sei das wasserbautechnische Gutachten vom 4. Dezember 2017 entgegen zu halten, wonach die Ufersicherungen mit Totholz projektgemäß erfolgt und Uferanrisse dabei zu erwarten und auch erwünscht seien. Nach Ansicht des Amtssachverständigen sei die Ufersicherung projektgemäß erfolgt und es lägen keine Abweichungen vor.
9 Soweit geltend gemacht worden sei, es sei keine freie Fließstrecke auf Grund von Verklausungen gegeben, werde damit mangelnde Instandhaltung des Gewässerbettes geltend gemacht. Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren gehe es aber um die Feststellung der bewilligungsgemäßen Herstellung der projektierten hydromorphologischen Verbesserungsmaßnahmen am L-Bach im Zuge des Überprüfungsverfahrens. Die Bewilligungsinhaberin habe auf Grund der Instandhaltungsverpflichtung nach § 50 WRG 1959 durch Setzung entsprechender Maßnahmen eine Verklausung zu verhindern (Hinweis auf Auflagen des Bewilligungsbescheides zur Pflege der Ufervegetation und Beseitigung von Anlandungen im Bachbett).
10 Vom wasserbautechnischen Amtssachverständigen sei zur Sicherung mit Totholz noch ausgeführt worden, dass diese nicht dazu dienen solle, das Ufer gänzlich zu schützen, weil Projektziel die Herstellung einer Gewässerdynamik sei. Bei einer solchen sei aus seiner Sicht damit zu rechnen, dass die vorgegebenen Breiten stellenweise überschritten würden. Der Amtssachverständige habe dann auch darauf hingewiesen, dass ein kurz nach Errichtung des neuen Gerinnes erfolgter Hochwasserabfluss einem sogenannten bettbildenden Abfluss entsprochen hätte und daher eine weitere Absicherung des derzeit bestehenden Gerinnes hinsichtlich der Ufer nicht erforderlich sei. Eine zukünftige massive Veränderung des Gerinnebettes werde von ihm nämlich nicht erwartet.
11 Ob nun ein Kronenschluss erfolgt sei, habe auf das Grundeigentum des Revisionswerbers keinen Einfluss, dabei gehe es um die Verhinderung einer Erwärmung des Gewässers. Ob sich daraus, dass kein Kronenschluss vorliege, ein Widerspruch zu forstrechtlichen Vorgaben ergebe, sei im Wasserrechtsverfahren nicht zu prüfen. Auch eine Nichtübereinstimmung mit einem naturschutzrechtlichen Bewilligungsbescheid vom 29. Mai 2012 könne im wasserrechtlichen Kollaudierungsverfahren nicht erfolgreich geltend gemacht werden.
12 In weiterer Folge befasste sich das LVwG mit dem Vorbringen des Revisionswerbers, wonach die Überschreitung der Gewässerbreite von 12 m um 5 m nicht geringfügig sei, und verwies auf das Gutachten des wasserbautechnischen Amtssachverständigen vom 4. Dezember 2017, der die Breitenänderungen als geringfügig beurteilte. Er habe festgehalten, dass diese Änderungen in Bereichen von Prallufern entstanden und am jeweils gegenüberliegenden Gleitufer Anlandungen von Sedimenten zu finden seien. Auch in der mündlichen Verhandlung am 18. Mai 2018 habe der Amtssachverständige zur Abweichung von der Maximalbreite von 12 m ausgeführt, dass diese geringfügig sei. Begründend habe er dazu festgehalten, dass die Zielsetzung, einen naturgemäßen Zustand zu erreichen, trotz teilweiser Abweichungen nicht verhindert werde.
13 Im Gutachten vom 4. Dezember 2017 vertrete er ergänzend zu den Abweichungen die Meinung, dass auf längere Sicht weder Land noch Baum verloren gingen, da lediglich eine Sohlumlagerung mit den damit verbundenen Erscheinungen erfolge. Diese freie Sohl- und Uferdynamik werde von ihm als Inhalt des Projektes beurteilt. Auch weise der Amtssachverständige im Gutachten vom 4. Dezember 2017 auf den Wartungsplan hin, in welchem auf abschwemmbares Totholz und den Baumbestand am neuen Gerinne Bezug genommen werde und dazu Prüfungen definiert würden.
14 Zum Vorbringen, dass ein Eingriff in die Substanz des Grundeigentums mit jeder Verbreiterung der Böschung über das bewilligte Ausmaß hinaus und mit jedem dauerhaften Wegfall eines Baumes gegeben sei, sei auf das wasserbautechnische Gutachten vom 4. Dezember 2017 zu verweisen, in dem fachlich ausgeführt werde, dass die Breitenänderungen am Gerinne ganz im Sinne des Projektes einer freien Ufer- und Sohldynamik sich entfalten hätten können und lediglich eine Sohlumlagerung des Bachbettes vorliege, weshalb weder Land noch Baum verloren gehe.
15 Letztlich befasste sich das LVwG auch mit den fischereiwirtschaftlichen Aspekten der Einwände des Revisionswerbers und verwies in diesem Zusammenhang auf das fischereifachliche Gutachten vom 7. März 2018, wonach eine übermäßige Erwärmung des Gerinnes aus fachlicher Sicht nicht zu erwarten sei. Der Amtssachverständige habe auch darauf hingewiesen, dass die neugeschaffene naturnahe Fließstrecke (im Auwald) eine deutliche fischereiliche Aufwertung darstelle. Daran änderten auch Probleme der Ufersicherung oder des mangelhaften Kronenschlusses nichts.
16 Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung wies das LVwG zur Frage der Geringfügigkeit und deren ausschließlichen Charakters einer Rechtsfrage darauf hin, dass es bei dieser Frage auch sachverständig untermauerter Feststellungen bedürfe, um eine rechtliche Beurteilung vornehmen zu können. Gerade die Lösung der Frage, ob ein Projekt nachteilige Folgen habe, erfordere die fachliche Beurteilung durch einen Sachverständigen. Dass nach Baufertigstellung und bis dato kein Kronenschluss beim neuen Gerinne im Auwald erfolgt sei, sei als geringfügige Abweichung vom Projekt zu werten. Eine Beeinträchtigung des Fischereirechtes sei nach den fischereifachlichen Ausführungen weder durch den noch nicht erfolgten Kronenschluss noch durch die Überschreitung der 12 m von Böschungsoberkante zu Böschungsoberkante gegeben.
17 Zur Überschreitung des Maximalabstandes zwischen den Böschungsoberkanten im Ausmaß von 12 m habe der wasserbautechnische Amtssachverständige in der mündlichen Verhandlung am 18. Mai 2018 klar ausgeführt, dass die Einhaltung dieses Abstandes nicht relevant sei, wenn das Ziel des gegenständlichen Projektes, nämlich einen naturnahen Zustand des Gerinnes herbeizuführen, erreicht werde. Dies sei in gegenständlichem Fall gegeben. Eine Beeinträchtigung des Grundeigentums sei aufgrund der fachlichen Ausführungen des wasserbautechnischen Amtssachverständigen nicht gegeben.
18 Es lägen lediglich geringfügige Abweichungen vor, die keine Zustimmung des Rechtsinhabers erforderten. Selbst wenn eine geringfügige Abweichung vorläge, die nachteilig für den Revisionswerber wäre, könnte für ihn daraus keine zum Erfolg führende Argumentation abgeleitet werden. Der Revisionswerber habe den ihm bekannten Vertrag "über eine Außernutzungsstellung von Grünlandflächen" vom 13. Oktober 2011 mit der mitbeteiligten Partei unterzeichnet und damit die Zustimmung zur Renaturierung des gegenständlichen Gewässerabschnittes erteilt, die in der Weise erfolgen solle, dass ein möglichst selbsterhaltendes System mit vielfältigen artenreichen Lebensgemeinschaften (Fische, Vögel, u.a.) wieder hergestellt werde. Die rechtskräftige Bewilligung vom 13. Juni 2012, deren Umsetzung Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens sei, erreiche diesen Zweck, wenn auch mit geringfügigen Abweichungen. Dies hätten die fachlich fundiert erstellten und logisch nachvollziehbaren Gutachten ergeben. Es werde durch die Ausführungen der Rechtsvertretung des Revisionswerbers weder das wasserbautechnische noch das fischereifachliche Gutachten ernsthaft in Zweifel gezogen.
19 Die ordentliche Revision wurde nicht zuglassen, weil anhand der klaren Gesetzeslage eine rechtliche Beurteilung der Umsetzung des Bewilligungsprojektes im Hinblick auf das Vorliegen und die Qualifikation von Abweichungen vorzunehmen gewesen sei. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung sei nicht zu lösen gewesen.
20 Der Revisionswerber erhob gegen dieses Erkenntnis eine außerordentliche Revision, in der er inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend macht.
21 Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung vom 24. September 2018, in der sie die kostenpflichtige Zurück- in eventu Abweisung der Revision beantragte. Auch die BH erstattete eine Revisionsbeantwortung vom 3. Oktober 2018 mit dem Antrag, die Revision zurück- in eventu abzuweisen.
22 Der Revisionswerber replizierte mit Schriftsatz vom 12. November 2018.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
23 1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
24 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
25 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
26 2. Die außerordentliche Revision macht als Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung zum einen geltend, es liege ein Abweichen vom Vorerkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Juni 2017, Ra 2017/07/0012, im Zusammenhang mit dem dortigen Verständnis des Bescheidinhaltes des Bewilligungsbescheides vor. Zum anderen werde von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach Abweichungen von der Bewilligung, die zur Verletzung von Rechten des betroffenen Grundeigentümers führten, einer Genehmigung nach § 121 Abs. 1 dritter Satz WRG 1959 nicht zugänglich seien. Schließlich fehle Rechtsprechung zur Frage, ob eine Abweichung von der wasserrechtlichen Bewilligung dann nachträglich als geringfügige Abweichung bewilligt werden könnte, wenn infolgedessen ein Zustand nachträglich genehmigt würde, der in Widerspruch zu rechtskräftigen Bewilligungen nach anderen Materiengesetzen (wie etwa Forstgesetz oder Naturschutzgesetz) stünde.
27 3. Der Verwaltungsgerichtshof hat im zitierten Vorerkenntnis Ra 2017/07/0012 ausgeführt:
"40 Aus dem Wortlaut des Bewilligungsbescheides ergibt sich ohne Zweifel, dass und aus welchen Gründen die Gewässerbreite maximal 12 m zwischen Böschungsoberkante und Böschungsoberkante zu betragen hat, eine solche also nicht überschritten werden darf.
41 Im Gegensatz zum Vorbringen der mitbeteiligten Partei, wonach sich diese so beschriebene Profilausformung ausdrücklich nur auf den Zustand nach Baufertigstellung beziehe, besagt der Wortlaut der genannten Bewilligung, dass der beschriebene Zustand ¿auch schon nach Baufertigstellung' sichergestellt sein sollte. Diese Wortfolge insbesondere mit dem Adverb ¿auch' - gleichzusetzen mit ¿ebenfalls, genauso' - kann nur so verstanden werden, dass der genannte Zustand der Gewässerbreite zwar schon nach Baufertigstellung gegeben sein soll, aber auch weiterhin so zu bleiben hat.
42 Dafür spricht auch die Begründung für die Wahl dieser Maximalbreite; sie wurde ausreichend gering gewählt, um die Auwaldvegetation derart zu erhalten, dass ein Kronenschluss und eine durchgehende Beschattung sichergestellt wird. Dieser Zielzustand sollte aber nicht nur einmal erreicht werden, sondern beständig.
43 3.1.5. Wenn das LVwG nun unter Verweis auf eine Feststellung des ASV im Rahmen der Überprüfungsverhandlung vom 9. Dezember 2015, wonach die größeren Gewässerbreiten von 12 m auf die laut Projekt vorgesehene dynamische Entwicklung des Flussbettes zurückzuführen sei, letztlich meint, der 12 m-Abstand sei nur als einmaliger Herstellungszustand vorgesehen gewesen, der einer nachfolgenden natürlichen Veränderung überlassen werden solle, so unterstellt es dem Bewilligungsbescheid einen unzutreffenden Inhalt und geht infolgedessen nicht von einer abweichenden Ausführung vom wasserrechtlich bewilligten Projekt aus."
28 Der Verwaltungsgerichtshof stellte mit diesen Ausführungen klar, was in Bezug auf die Gewässerbreite Inhalt der rechtskräftig erteilten Genehmigung ist und dass der im Bescheid formulierte Konsens nicht in der Erreichung des allgemeinen Ziels eines im Gleichgewicht stehenden Fließgewässers - egal welcher konkreten Ausformung und Breite - liegt.
29 Wenn daher der wasserbautechnische Amtssachverständige in seinem Gutachten vom 4. Dezember 2017 als Inhalt des Projektes (und Maßstab seiner Beurteilung) auf die freie Sohl- und Uferdynamik und damit auf eine Breitenänderungen am Gerinne verweist, dem sich das LVwG offenbar anschließt, wird übersehen, dass die Genehmigung des Projektes mit dem Bewilligungsbescheid vom 13. Juni 2012 diesen dynamischen Prozess nicht abbildet. Bewilligt wurde keine freie und dynamische, in Bezug auf die Gewässerbreiten sich stetig ändernde Gerinnestrecke, sondern - wie dargestellt - eine Gewässerbreite von maximal von 12 m. Nur die dauerhafte Einhaltung der maximalen Gewässerbreite von 12 m entspräche daher dem wasserrechtlichen Konsens.
30 4. In einem Kollaudierungsverfahren können allerdings nach § 121 Abs. 1 dritter Satz WRG 1959 auch Abweichungen vom Konsens unter bestimmten Voraussetzungen nachträglich genehmigt werden.
31 4.1. § 121 Abs. 1 WRG 1959 i.d.g.F. hat folgenden Wortlaut:
"§ 121. (1) Die Ausführung einer nach den Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes oder unter Mitanwendung dieses Bundesgesetzes bewilligungspflichtigen Wasseranlage ist unverzüglich der für die Erteilung der Bewilligung zuständigen Behörde bekannt zu geben. Diese hat sich in einem auf Kosten des Unternehmers durchzuführenden Verfahren von der Übereinstimmung der Anlage mit der erteilten Bewilligung, bei Trieb- und Stauwerken insbesondere auch von der richtigen und zweckmäßigen Setzung der Staumaße, zu überzeugen, die Messungsergebnisse schriftlich festzuhalten, das Ergebnis dieser Überprüfung durch Bescheid auszusprechen und die Beseitigung etwa wahrgenommener Mängel und Abweichungen zu veranlassen. Geringfügige Abweichungen, die öffentlichen Interessen oder fremden Rechten nicht nachteilig sind oder denen der Betroffene zustimmt, können im Überprüfungsbescheid nachträglich genehmigt werden. Wird bei einer Fristüberschreitung die Bewilligung nicht ausdrücklich für erloschen erklärt, so gilt die Anlage als fristgemäß ausgeführt (§ 112 Abs. 1)."
32 Unstrittig ist, dass der Revisionswerber als Grundeigentümer der Inanspruchnahme seines Eigentums durch das bewilligte Projekt zugestimmt hat und dass eine davon abweichende Ausführung im Zusammenhang mit der Gewässerbreite vorliegt; es wird mehr Grundfläche als bewilligt vom Gewässer in Anspruch genommen. Entscheidend ist im vorliegenden Fall daher die Frage, ob eine Vergrößerung der Gewässerbreite um stellenweise bis zu 5 m gegenüber dem bewilligten Zustand eine geringfügige Abweichung vom Konsens darstellt, die öffentlichen Interessen oder fremden Rechten nicht nachteilig ist.
33 Unter fremden Rechten ist im vorliegenden Fall (auch) das Grundeigentum des Revisionswerbers und nicht - wie die mitbeteiligte Partei meint - dessen land- und forstwirtschaftlichen Rechte (gemeint wohl: dessen Rechte auf land- und forstwirtschaftliche Nutzung) zu verstehen.
34 4.2. Das LVwG hat sich ausführlich mit der Frage beschäftigt, ob eine geringfügige Abweichung im Sinne des § 121 Abs. 1 WRG 1959 vorliege. Allein darauf kommt es aber bei der nachträglichen Genehmigung von Abweichungen nach § 121 Abs. 1 dritter Satz WRG 1959 nicht an. Entscheidend ist vielmehr, ob die allenfalls geringfügige Abweichung fremden Rechten (hier: des Revisionswerbers als Grundeigentümer) nachteilig ist. Ist dies der Fall und stimmt der Betroffene nicht zu, kann auch eine geringfügige Abweichung nicht genehmigt werden.
35 So hat der Verwaltungsgerichtshof mehrfach die Ansicht vertreten, dass es zur Beantwortung der Frage, ob die Abweichung der ausgeführten Anlage vom bewilligten Vorhaben auf der Basis der Anforderungen des § 121 Abs. 1 WRG 1959 nachträglich ohne Verletzung von Rechten eines Dritten genehmigt werden darf, nicht entscheidend darauf ankommt, ob das gesetzliche Tatbestandsmerkmal der Geringfügigkeit im Sinne des § 121 Abs. 1 WRG 1959 von der Behörde zutreffend als vorliegend angesehen wurde, sondern vielmehr darauf, ob die vorgefundene Abweichung fremden Rechten nachteilig ist oder nicht (VwGH 26.6.1996, 93/07/0107; 21.2.2002, 2000/07/0063).
36 Die Kriterien der Geringfügigkeit und des Nachteils für fremde Rechte in § 121 WRG 1959 sind nicht gleichzusetzen (VwGH 27.4.2006, 2003/07/0096). Aus der Nachteiligkeit einer Abweichung auf fremde Rechte und dem Ausmaß dieser Nachteiligkeit ist daher nicht auf deren Geringfügigkeit zu schließen (VwGH 24.5.2016, 2013/07/0177).
37 4.3. Zur Nachteiligkeit einer Abweichung im Zusammenhang mit den Rechten eines Grundeigentümers besteht eine langjährige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes:
38 Demnach ist die nachträgliche Genehmigung einer Abweichung im Kollaudierungsverfahren nach § 121 WRG 1959 bei fehlender Zustimmung des in seinen Rechten nachteilig betroffenen Grundeigentümers nicht möglich, auch wenn die Abweichung geringfügig im Sinn des § 121 WRG 1959 ist (VwGH 28.1.1992, 90/07/0099). Eine Inanspruchnahme von Fremdgrund ohne Zustimmung des Eigentümers verletzt dessen aus dem Grundeigentum erfließende Rechte. Eine solche Abweichung ist den Eigentumsrechten des Grundeigentümers jedenfalls nachteilig (VwGH 21.11.2001, 2001/07/0032).
39 Die nachträgliche Genehmigung von Abweichungen nach § 121 WRG 1959 ist den Rechten des betroffenen Grundeigentümers nur dann nicht nachteilig, wenn dadurch keine über die erteilte Zustimmung hinausgehende Inanspruchnahme seines Grundeigentums erfolgt (VwGH 24.11.2005, 2004/07/0159; 26.4.2013, 2012/07/0100; 28.4.2016, Ra 2015/07/0176).
40 Eine solche liegt unter anderem dann vor, wenn die Anlage zwar an der vereinbarten Stelle errichtet, aber mehr an Grundfläche in Anspruch nimmt (VwGH 26.4.2013, 2012/07/0100; 24.5.2016, 2013/07/0177). Darauf, ob die Fremdgrundinanspruchnahme insgesamt gleich bleibt oder nicht, kommt es dabei nicht an. Entscheidend ist, welche Grundfläche durch die Ausführung im Vergleich mit dem bewilligten Projekt in Anspruch genommen wird. Auch bei einer Gleich- oder Minderbelastung von Fremdgrund ist es nicht unerheblich, an welcher Stelle er von der errichteten Anlage in Anspruch genommen wird (VwGH 24.11.2005, 2004/07/0159; 26.4.2013, 2012/07/0100).
41 Die Abweichung vom Bewilligungsbescheid ist einer Genehmigung nach § 121 Abs. 1 dritter Satz WRG 1959 bei Vorliegen einer Rechtsverletzung der Grundeigentümerin nicht zugänglich (VwGH 29.9.2016 , Ra 2016/07/0052).
42 Wird ein Grundeigentümer durch eine von der Bewilligung abweichende Ausführung in seinem Recht auf Unversehrtheit des Grundeigentums verletzt, hat er einen Rechtsanspruch darauf, dass im Rahmen des Verfahrens nach § 121 Abs. 1 WRG 1959 die Beseitigung dieser nicht genehmigungsfähigen Abweichung vom Konsens durch einen entsprechenden Auftrag an die mitbeteiligte Partei veranlasst wird. In der Unterlassung einer solchen Vorgangsweise liegt eine Rechtsverletzung des Grundeigentümers (VwGH 21.2.2002, 2000/07/0063; 2.6.2005, 2004/07/0024; 29.1.2004, 2003/07/0048).
43 Wenn die mitbeteiligte Partei ihrerseits unter Hinweis auf Rechtsprechung (VwGH 28.7.2016, 2013/07/0161, betreffend einen Fischereiberechtigten) darauf verweist, dass die nachträgliche Genehmigung von Abweichungen nach § 121 WRG 1959 Rechten Dritter dann nicht nachteilig ist, wenn der Zustand aufgrund der wasserrechtlichen Überprüfung keine Verschlechterung gegenüber dem ursprünglichen Bewilligungsbescheid bedeutet, so übersieht sie die oben wiedergegebene Rechtsprechung zur Rechtsstellung von Grundeigentümern. Deren "Verschlechterung" gegenüber dem Bewilligungsbescheid liegt diesfalls in einer entgegen der erteilten Zustimmung vorgenommenen Inanspruchnahme ihres Grundeigentums durch die ausgeführte Anlage.
44 4.4. Der Revisionswerber hat der verfahrensgegenständlichen Abweichung in Bezug auf die Gewässerbreite nicht zugestimmt. Eine solche aufrechte Zustimmung ergibt sich auch nicht aus dem zwischen dem Revisionswerber und der mitbeteiligten Partei im Vorfeld des damaligen Bewilligungsverfahrens abgeschlossenen Pachtvertrag über eine Außernutzungsstellung von Grünlandflächen vom 13. Oktober 2011.
45 Die Rechtswirksamkeit des Vertrages war durch die rechtskräftige wasserrechtliche Genehmigung für das mit Bescheid vom 13. Juni 2012 bewilligte Projekt bedingt. Dem Vertrag ist die Verpflichtung des Revisionswerbers zu entnehmen, den Vertragsgegenstand auf Vertragsdauer weder landwirtschaftlich noch forstwirtschaftlich zu nutzen (mit Ausnahme der Jagd und Fischerei), um der mitbeteiligten Partei die Durchführung des Hochwasserschutzprojektes zu ermöglichen. Demgemäß bezieht sich der Vertrag auf die bewilligungskonforme Ausführung des Projektes; nur zu dessen Durchführung verzichtete der Revisionswerber (als Verpächter) auf die land- und forstwirtschaftliche Nutzung seiner Grundflächen. Eine bewilligungskonforme Ausführung des Projektes liegt aber gerade nicht vor, wäre doch sonst eine Bewilligung von Abweichungen nicht notwendig gewesen.
46 Es finden sich im Vertrag auch Regelungen dazu, wie bei der Fertigstellung des Projektes und im Fall von Änderungen des Projekts vorzugehen ist. Eine vorbehaltslose Zustimmung des Revisionswerbers zu Abweichungen vom bewilligten Projekt findet sich im Vertrag vom 13. Oktober 2011 hingegen nicht.
47 5. Das angefochtene Erkenntnis erweist sich daher als inhaltlich rechtswidrig. Es war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
48 6. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die geltend gemachte Umsatzsteuer in den Pauschalbeträgen nach dieser Verordnung schon enthalten ist.
Wien, am 22. November 2018
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteRechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der BehördeIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018070420.L00Im RIS seit
25.12.2018Zuletzt aktualisiert am
18.01.2019