TE Vwgh Beschluss 2018/11/29 Ra 2017/10/0134

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Veröffentlicht am 29.11.2018
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3L E19103010;
E3L E19104000;
E6J;
L92003 Sozialhilfe Grundsicherung Mindestsicherung Niederösterreich;
L92051 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Burgenland;
L92401 Betreuung Grundversorgung Burgenland;
L92403 Betreuung Grundversorgung Niederösterreich;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

32003L0109 Drittstaatsangehörigen-RL §11 Abs4;
32003L0109 Drittstaatsangehörigen-RL Art8 Abs1;
32004L0083 IntSchutz Staatenlose Flüchtlinge RL Art28 Abs1;
32004L0083 IntSchutz Staatenlose Flüchtlinge RL Art28 Abs2;
32004L0083 IntSchutz Staatenlose Flüchtlinge RL;
32011L0095 Status-RL Art29 Abs2;
32011L0095 Status-RL;
62010CJ0571 Kamberaj VORAB;
B-VG Art133 Abs4;
EURallg;
GrundversorgungsG NÖ 2007 §3 Abs1 idF 2015/080;
GrundversorgungsG NÖ 2007 §4 Abs1;
GrundversorgungsG NÖ 2007 §5 Abs1;
GrundversorgungsG NÖ 2007;
LBetreuG Bgld 2006 §1;
LBetreuG Bgld 2006 §2 Abs1;
LBetreuG Bgld 2006 §4 Abs1;
MSG NÖ 2010 §4 Abs1 Z1;
MSG NÖ 2010 §5 Abs1 Z1;
MSG NÖ 2010 §5 Abs3 Z4 idF 2016/024;
SHG Bgld 2000 §1;
SHG Bgld 2000 §3 Abs1;
SHG Bgld 2000 §7 Abs1;
SHG Bgld 2000 §7 Abs2;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bleiweiss, über die Revision des A M in T, vertreten durch Mag. Ronald Frühwirth, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Grieskai 48, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 11. Juli 2016, Zl. LVwG-AV-698/001-2016, betreffend Mindestsicherung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Melk), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 11. Juli 2016 bestätigte das Verwaltungsgericht - durch Abweisung einer Beschwerde des nunmehrigen Revisionswerbers (eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG 2005) - den Bescheid der belangten Behörde vom 17. Mai 2016, mit dem ein Antrag des Revisionswerbers auf Zuerkennung von Bedarfsorientierter Mindestsicherung mit der Begründung abgewiesen worden war, dass subsidiär Schutzberechtigte gemäß § 5 Abs. 3 Z 4 NÖ Mindestsicherungsgesetz - NÖ MSG keinen Anspruch auf Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung hätten.

2 Die Revision gegen dieses Erkenntnis ließ das Verwaltungsgericht unter formelhaftem Hinweis auf die Bestimmung des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zu.

3 2. Dagegen richtet sich die - nach Ablehnung und Abtretung einer an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde (mit Beschlüssen des Verfassungsgerichtshofes vom 28. Juni 2017, E 2031/2016-11, und vom 17. Juli 2017, E 2031/2016-13) - an den Verwaltungsgerichtshof erhobene vorliegende außerordentliche Revision, die das Verwaltungsgericht samt den Akten des Verfahrens vorgelegt hat.

4 Die Niederösterreichische Landesregierung erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Zurückweisung, in eventu Abweisung der Revision beantragt.

5 Der Revisionswerber replizierte.

6 3. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 4.1. Die Revision führt zu ihrer Zulässigkeit im Kern aus, der in § 5 Abs. 3 Z 4 NÖ MSG statuierte Ausschluss subsidiär Schutzberechtigter vom Kreis der Personen, denen ein Anspruch auf Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung zustehe, stehe mit Art. 29 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU - sog. Status-RL nicht im Einklang. Zur Frage der Vereinbarkeit dieser Bestimmungen liege noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor.

10 4.2. Gemäß § 5 Abs. 3 Z 4 NÖ MSG, LGBl. 9205-0 idF LGBl. Nr. 24/2016, haben subsidiär Schutzberechtigte gemäß § 8 AsylG 2005 keinen Anspruch auf Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung.

11 Gemäß § 3 Abs. 1 NÖ Grundversorgungsgesetz, LGBl. Nr. 9240- 0 idF LGBl. Nr. 80/2015, gewährt das Land Niederösterreich hilfs- und schutzbedürftigen Fremden (unter näher genannten Voraussetzungen) Grundversorgung im Sinne der §§ 5 bis 7 leg. cit. Schutzbedürftig sind (u.a.) nach § 4 Abs. 2 Z 5 NÖ Grundversorgungsgesetz Fremde, denen nach asylrechtlichen Vorschriften der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde.

12 Gemäß Art. 29 Abs. 1 Status-RL tragen die Mitgliedstaaten dafür Sorge, dass Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt worden ist, in dem Mitgliedstaat, der diesen Schutz gewährt hat, die notwendige Sozialhilfe wie Staatsangehörige dieses Mitgliedstaats erhalten. Nach Abs. 2 leg. cit. können abweichend von der allgemeinen Regel nach Abs. 1 die Mitgliedstaaten die Sozialhilfe für Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, auf Kernleistungen beschränken, die sie im gleichen Umfang und unter denselben Voraussetzungen wie für eigene Staatsangehörige gewähren.

13 4.3. In seinem Erkenntnis vom 15. Dezember 2011, 2008/10/0001, VwSlg. 18.285 A, hat sich der Verwaltungsgerichtshof (bereits) mit der Frage der Vereinbarkeit der Bestimmung des § 4 Abs. 6 Z 3 Burgenländisches Sozialhilfegesetzes 2000 - Bgld. SHG 2000, LGBl. Nr. 5/2000 idF LGBl. Nr. 43/2006, der zufolge u.a. subsidiär Schutzberechtigte keinen Rechtsanspruch auf den Erhalt einer Sozialhilfeleistung hatten, mit Art. 28 der (früheren Status-)Richtlinie 2004/83/EG (der im Wesentlichen gleichlautenden Vorgängerbestimmung des Art. 29 Status-RL) befasst und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass Art. 28 der Richtlinie 2004/83/EG durch die nach dem Burgenländischen Landesbetreuungsgesetz (BgldLdsBetrG), LGBl. Nr. 42/2006, subsidiär Schutzberechtigten zu gewährenden (Grundversorgungs-)Leistungen gehörig umgesetzt wurde.

14 Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof begründend ausgeführt:

"Gemäß Art. 28 Abs. 1 der Statusrichtlinie ist Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten grundsätzlich Sozialhilfe wie eigenen Staatsangehörigen zu gewähren. Diese Sozialhilfeleistungen können die Mitgliedstaaten gemäß Art. 28 Abs. 2 der zitierten Richtlinie auf ¿Kernleistungen' beschränken. Subsidiär Schutzberechtigten sind daher Leistungen zu gewähren, die den Kern ihrer Bedürfnisse, also die menschlichen Grundbedürfnisse (Kernbedürfnisse), wie etwa die im Erwägungsgrund 34 der Statusrichtlinie beispielsweise genannten Bedürfnisse auf Unterstützung bei Krankheit, Schwangerschaft und Elternschaft abdecken (zum dort ebenfalls genannten ¿Mindesteinkommen' siehe unten). Damit soll das von der Statusrichtlinie nach ihrem Erwägungsgrund 6 angestrebte ¿Mindestniveau von Leistungen' gewährleistet werden. Diese Kernbedürfnisse sind gemäß Art. 28 Abs. 2 der Statusrichtlinie ¿im gleichen Umfang und unter denselben Voraussetzungen' abzudecken wie bei österreichischen Staatsangehörigen, wobei sich aus dem Erwägungsgrund 34 ergibt, dass die Modalitäten und Einzelheiten der Gewährung innerstaatlich zu regeln sind.

§ 4 Abs. 1 BgldLdsBetrG enthält eine umfangreiche Liste von im Rahmen der Grundversorgung zu gewährenden (Sach-)Leistungen zur Abdeckung von menschlichen Grundbedürfnissen, wie Wohnung (Unterbringung unter Achtung der Menschenwürde und unter Beachtung der Familieneinheit), Verpflegung, Bekleidung, Taschengeld, Krankenversorgung (inklusive Hilfe bei Schwangerschaft und Geburt), Schulaufwand und Hilfe für pflegebedürftige Personen. Der Beschwerdeführer zeigt nicht auf, dass durch diese Leistungen seine Kernbedürfnisse nicht zur Gänze abgedeckt würden. Solches ist für den Verwaltungsgerichtshof auch nicht ersichtlich.

Ebenso wie bei österreichischen Staatsbürgern und diesen gleichgestellten Personen die Kernbedürfnisse durch Leistungen auf Grund des BgldSHG abgedeckt werden, werden diese Bedürfnisse von subsidiär Schutzberechtigten in vollem Umfang durch die Grundversorgung nach dem BgldLdsBetrG abgedeckt.

Die Statusrichtlinie sieht keine Gewährung von Sozialhilfeleistungen vor, die ihrer Art nach innerstaatlich nicht vorgesehen sind, wie sich eindeutig aus ihrem Art. 28 Abs. 1 (¿wie Staatsangehörige dieses Mitgliedstaats') und dem Erwägungsgrund 34 (¿sofern diese Leistungen nach den Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats eigenen Staatsangehörigen gewährt werden') ergibt. Das BgldSHG sieht die in § 3 Abs. 1 aufgezählten Leistungsarten vor, die jeweils konkrete Bedürfnisse - durch Geld- oder Sachleistungen - abdecken. Diese Bedürfnisse sind etwa für die im Rahmen der ¿Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfs' zu gewährende Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts in § 7 Abs. 2 BgldSHG beispielsweise aufgezählt. Die Gewährung eines Mindesteinkommens an sich ist hingegen vom BgldSHG nicht vorgesehen. Die Erbringung einer solchen - im Erwägungsgrund 34 erwähnten - Leistung an subsidiär Schutzberechtigte ist daher nach der Statusrichtlinie schon deshalb nicht erforderlich, weil eine derartige Sozialhilfeleistung ihrer Art nach auch für österreichische Staatsbürger nicht vorgesehen ist.

Es ergibt sich somit, dass die im Rahmen der Landesbetreuung gewährte Hilfe im Bereich der Abdeckung von Kernbedürfnissen (Kernleistungen) im selben, - nämlich im vollen - Umfang gewährt wird, wie die entsprechende Sozialhilfeleistung.

Da Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen sowohl nach § 1 BgldLdsBetrG als auch nach § 1 BgldSHG jeweils die Hilfsbedürftigkeit ist und dieser Begriff in beiden Gesetzen inhaltsgleich definiert wird (siehe § 2 Abs. 1 BgldLdsBetrG und § 7 Abs. 1 BgldSHG), werden diese Leistungen auch unter denselben Voraussetzungen gewährt."

15 4.4. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor, wenn diese Frage in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits beantwortet wurde (und keine Veranlassung besteht, von dieser Rechtsprechung abzugehen). Dass diese Rechtsprechung allenfalls zu Vorgängerregelungen der in Frage stehenden Norm erging, schadet nicht, wenn es keiner neuen Leitlinien höchstgerichtlicher Rechtsprechung bedarf, um die Vorschrift auszulegen, insbesondere, weil sie in den entscheidenden Teilen inhaltlich nicht relevant verändert worden ist; dasselbe hat auch bei Normen zu gelten, die sich in den entscheidenden Teilen nicht von anderen Normen unterscheiden, zu denen entsprechende Rechtsprechung ergangen ist (vgl. VwGH 21.1.2016, Ra 2015/12/0051, VwSlg. 19.277 A, mwN).

16 4.5. Eine solche Konstellation liegt hier vor:

17 Zum einen entsprechen Art. 28 der Richtlinie 2004/83/EG und die im vorliegenden Fall maßgebliche Nachfolgebestimmung des Art. 29 Status-RL einander in allen relevanten Teilen und finden sich auch die vom Verwaltungsgerichtshof zur Begründung des Erkenntnisses 2008/10/0001 herangezogenen Erwägungsgründe der Richtlinie 2004/83/EG im Wesentlichen gleichlautend in der Status-RL wieder (vgl. die Erwägungsgründe 12 und 45). Zum anderen weisen auch die nationalen Bestimmungen, nämlich § 4 Abs. 6 Z 3 Bgld. SHG 2000 und § 5 Abs. 3 Z 4 NÖ MSG, indem sie subsidiär Schutzberechtigten keinen Anspruch auf die jeweilige Sozialleistung einräumen und diese damit auf Leistungen aus der Grundversorgung verweisen, einen im Wesentlichen gleichen Inhalt auf. Ebenso wie nach der im Erkenntnis 2008/10/0001 zu beurteilenden burgenländischen Rechtslage ist zentrale Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen nach dem NÖ Grundversorgungsgesetz und dem NÖ MSG jeweils die Hilfsbedürftigkeit (vgl. § 5 Abs. 1 Z 1 NÖ MSG, § 3 Abs. 1 NÖ Grundversorgungsgesetz), welche in beiden Gesetzen im Wesentlichen inhaltsgleich definiert wird (vgl. § 4 Abs. 1 Z 1. NÖ MSG, § 4 Abs. 1 NÖ Grundversorgungsgesetz).

18 Vor dem Hintergrund des in § 5 Abs. 1 NÖ Grundversorgungsgesetz normierten umfangreichen Leistungskatalogs, der sich nicht entscheidend vom Katalog des § 4 Abs. 1 BgldLdsBetrG unterscheidet, ist davon auszugehen, dass im Bereich der Abdeckung von Kernbedürfnissen die im Rahmen der Grundversorgung subsidiär Schutzberechtigten gewährte Hilfe im selben, - nämlich im vollen - Umfang gewährt wird, wie sie Staatsbürgern durch die Bedarfsorientierte Mindestsicherung zukommt. Letztlich kann auch hinsichtlich des im Erwägungsgrund 45 der Status-RL als "Kernleistung" angesprochenen Mindesteinkommens auf die Ausführungen des Erkenntnisses 2008/10/0001 verwiesen werden. Aus den dort dargelegten Erwägungen (hier Rz 18) ist nämlich auch für das NÖ MSG die Statuierung eines Mindesteinkommens für Staatsbürger zu verneinen.

19 4.6. Da - wie dargestellt - die Ausführungen des Erkenntnisses 2008/10/0001 auf den vorliegenden Fall übertragbar sind, gelingt es dem Revisionswerber nicht, mit dem Argument der fehlenden hg. Rechtsprechung eine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuzeigen.

20 5.1. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich aber auch angesichts des - in den Zulässigkeitsausführungen der Revision angeführten - zeitlich nach dem zitierten hg. Erkenntnis 2008/10/0001 ergangenen Urteils des EuGH vom 24. April 2012, Kamberaj, C-571/10, nicht dazu veranlasst, von seiner Rechtsanschauung abzugehen.

21 Der EuGH hat sich in diesem Urteil mit dem Begriff der "Kernleistung" im Sinne des § 11 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109/EG betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen auseinandergesetzt und die Leistung eines Wohnzuschusses, im Rahmen dessen Vergabe Drittstaatsangehörige dadurch benachteiligt worden waren, dass das für ihre Wohngeldanträge zur Verfügung stehende Budget geringer und damit schneller erschöpft war, als das Unionsbürgern zustehende Budget, unter bestimmten Voraussetzungen als "Kernleistung" (auf deren Bezug langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige im Rahmen der Gleichbehandlung mit Staatsangehörigen im Bereich der Sozialhilfe und des Sozialschutzes beschränkt werden können) qualifiziert.

22 5.2. Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers ist aus diesem Urteil nichts für den vorliegenden Fall zu gewinnen.

23 So hat der EuGH darin klargestellt (vgl. Rn 90), dass die "Bedeutung und Tragweite" des Begriffs "Kernleistungen" im Sinne des Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109/EG "unter Berücksichtigung des Kontexts, in den sich dieser Artikel einfügt, und des mit dieser Richtlinie verfolgten Ziels" zu ermitteln seien, das "in der Integration der sich rechtmäßig und langfristig in den Mitgliedstaaten aufhaltenden Drittstaatsangehörigen" bestehe.

24 Wesentliches Ziel der Status-RL ist es demgegenüber, zu gewährleisten, dass die Mitgliedstaaten gemeinsame Kriterien zur Bestimmung der Personen anwenden, die tatsächlich Schutz benötigen, und sicherzustellen, dass diesen Personen in allen Mitgliedstaaten ein "Mindestniveau von Leistungen" geboten wird (vgl. Erwägungsgrund 12 der Status-RL).

25 Schon vor dem Hintergrund, dass die beiden Richtlinien die Rechtsstellung völlig unterschiedlicher Personengruppen regeln und die Bestimmung des Art. 29 Abs. 2 Status-RL überdies subsidiär Schutzberechtigte, also Personen mit einem provisorischen Aufenthaltsstatus, vor Augen hat, während Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109/EG die Möglichkeit der Beschränkung auf den Bezug von "Kernleistungen" für langfristig Aufenthaltsberechtigte und somit für dauerhaft aufenthaltsberechtigte Personen (vgl. Art. 8 Abs. 1 Richtlinie 2003/109/EG) vorsieht, liegt es auf der Hand, dass dem in beiden Richtlinien verwendeten Begriff der "Kernleistung" nicht derselbe Begriffsinhalt zukommt.

26 Abgesehen davon zieht das angeführte Urteil des EuGH die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs und dessen Verständnis des Begriffs "Kernleistung" - entgegen dem Zulässigkeitsvorbringen des Revisionswerbers - aber auch insoweit nicht in Zweifel, als sich daraus keineswegs ableiten lässt, dass die Kernbedürfnisse Staatsangehöriger und langfristig aufenthaltsberechtigter Drittstaatsangehöriger jedenfalls durch dieselbe Leistungsart zu befriedigen wären.

27 6. Im Übrigen sei angemerkt, dass auch der Verfassungsgerichtshof keinen offenkundigen Widerspruch des § 5 Abs. 3 Z 4 NÖ MSG zur Status-RL sieht und ausgesprochen hat, dass die Grundversorgung nach dem NÖ Grundversorgungsgesetz jenen Kernleistungen, die vom Staat "im gleichen Umfang und unter denselben Voraussetzungen wie für eigene Staatsangehörige" gewährt werden, entspreche (vgl. das Erkenntnis vom 28. Juni 2017, E 3297/2016, auf welches der das angefochtene Erkenntnis betreffende Ablehnungsbeschluss vom selben Tag ausdrücklich verweist).

28 7. Da in der Revision keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, war die Revision zurückzuweisen.

Wien, am 29. November 2018

Gerichtsentscheidung

EuGH 62010CJ0571 Kamberaj VORAB

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4Gemeinschaftsrecht Auslegung des Mitgliedstaatenrechtes EURallg2Gemeinschaftsrecht Richtlinie richtlinienkonforme Auslegung des innerstaatlichen Rechts EURallg4/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017100134.L00

Im RIS seit

26.12.2018

Zuletzt aktualisiert am

21.01.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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