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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §13 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Harrer, LL.M., über die Revision des S in B, vertreten durch Dr. Elisabeth Januschkowetz, Rechtsanwältin in 3390 Melk, Linzer Straße 9, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 11. Juni 2018, Zl. LVwG-S-1052/001-2017, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde in einer Angelegenheit nach § 103 Abs. 2 KFG (Behörde gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: BH Neunkirchen), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der BH Neunkirchen vom 18. April 2017 wurde dem Revisionswerber wegen einer Übertretung des § 103 Abs. 2 KFG gemäß § 134 Abs. 1 KFG eine Geldstrafe von EUR 75,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 15 Stunden) auferlegt.
2 Auf Grund der dagegen vom Revisionswerber erhobenen Beschwerde hat das Verwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung anberaumt, zu der auch der Revisionswerber mit dem Hinweis, er habe persönlich zu erscheinen, wobei bei Nichtbefolgung dies weder die Durchführung der Verhandlung noch die Fällung der Entscheidung hindere, geladen wurde.
3 Gemäß dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18. Mai 2018 ist der Revisionswerber bei Aufruf nicht gekommen. Eine Entschuldigung des Revisionswerbers sei nicht amtskundig. Nach dem dritten ergebnislosen Aufruf wurde - dem Protokoll folgend - der Beschluss auf Durchführung der Verhandlung in Abwesenheit des ordnungsgemäß geladenen und unentschuldigt nicht erschienenen Revisionswerbers gemäß § 45 Abs. 2 VwGVG gefasst. Verlesen wurde der bisherige Akteninhalt, insbesondere "das als Beschwerde gedachte Vorbringen des (Revisionswerbers)", woraufhin von einer weiteren Beweisaufnahme wegen Spruchreife bzw. Unerheblichkeit Abstand genommen und das Beweisverfahren geschlossen wurde. Zudem wurde nach nochmaliger Verlesung des Akteninhaltes von der Anberaumung einer Verkündungstagsatzung abgesehen.
4 Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht die Beschwerde des Revisionswerbers gemäß § 17 VwGVG iVm § 13 Abs. 3 AVG ebenso wie sein Kostenbegehren als unzulässig zurückgewiesen und die Revision für nicht zulässig erklärt.
5 Nach der Begründung habe der Revisionswerber gegen das Straferkenntnis ein Schreiben, welches offenbar als Rechtsmittel verstanden werden wollte, eingebracht. Dieses enthalte im Ganzen gesehen keine nachvollziehbare, logische Begründung. Das Verwaltungsgericht habe versucht, "auf kurzem Wege" mit dem Revisionswerber in Kontakt zu treten, um allfällige Mängel seines Rechtsmittels zu erheben, insbesondere ihn zu einem schlüssigen Vorbringen anzuleiten. Diese Versuche, die der Vorschrift des § 13 Abs. 3 AVG zu unterstellen seien, seien ergebnislos geblieben. Sohin sei ebenfalls unter Beachtung der Vorschrift des § 13 Abs. 3 AVG eine mündliche Verhandlung anberaumt worden, um im Zuge der Manuduktion den Revisionswerber anzuleiten, die Mängel des schriftlichen Anbringes zu beheben. Zur fristgerecht anberaumten Verhandlung sei der Revisionswerber nicht gekommen, weshalb die Verhandlung in dessen unentschuldigter Abwesenheit geführt worden sei.
6 Aus dem Schreiben des Revisionswerbers seien keine Gründe zu erkennen, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stütze. Die nach § 13 Abs. 3 AVG festgestellten Mängel schriftlicher Anbringen ermächtigten die Behörde und somit auch das Verwaltungsgericht von Haus aus nicht zur Zurückweisung. Grundsätzlich sei es "gelebte Praxis", dass bei Vorliegen schriftlicher Mängel ein Beschwerdeführer aufgefordert werde, diese innerhalb einer angemessenen Frist zu beheben. Da es jedoch dem Verwaltungsgericht notorisch sei, dass Anschreiben dieser Art gegenständlich zu keiner Klärung offener Fragen und Behebung festgestellter Mängel führten, sei gegenständlich eine mündliche Verhandlung anberaumt worden, um im Zuge einer richterlichen Manuduktion allenfalls ein einer materiell-rechtlichen Behandlung zugängliches und auch die Formerfordernisse erfüllendes Rechtsmittel zu schaffen. Da jedoch der Revisionswerber diesen Termin trotz der ihn treffenden Mitwirkungspflicht nicht wahrgenommen habe, sei seine unentschuldigte Abwesenheit rechtlich gleichzusetzen mit der Nichterfüllung von Mängeln von Anbringen innerhalb einer angemessenen Frist. Somit sei im Lichte obiger rechtlicher Feststellungen die Beschwerde zurückzuweisen gewesen.
7 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
8 Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht hat in einem Schriftsatz auf die Revision nur insofern verwiesen, als dort auf das Verwaltungshandeln der BH Neunkirchen kein Bezug genommen worden sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
9 Als zulässig erachtet der Revisionswerber die Revision, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob eine Ladung zu einer Verhandlung, die der Verbesserung eines Anbringens diene, bereits als Verbesserungsauftrag zu qualifizieren sei und bejahendenfalls, welche inhaltlichen Erfordernisse eine derartige Ladung zu erfüllen habe, insbesondere ob auch diese entsprechend den Formerfordernissen des § 13 Abs. 3 iVm § 13a AVG einen Hinweis auf die drohende Zurückweisung im Falle der Nichtbefolgung der Ladung zu enthalten habe.
10 Die Revision ist aus dem genannten Grund zulässig, sie ist auch berechtigt.
11 Der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 17 VwGVG anzuwendende § 13 Abs. 3 AVG lautet:
"Mängel schriftlicher Anbringen ermächtigen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht."
12 Gemäß § 13a AVG hat die Behörde Personen, die nicht durch berufsmäßige Parteienvertreter vertreten sind, die zur Vornahme ihrer Verfahrenshandlungen nötigen Anleitungen in der Regel mündlich zu geben und sie über die mit diesen Handlungen oder Unterlassungen unmittelbar verbundenen Rechtsfolgen zu belehren.
13 § 13 Abs. 3 AVG sieht zwar nicht vor, dass ein darauf gestützter Verbesserungsauftrag über die Fristsetzung hinaus noch ausdrücklich darauf hinweisen müsste, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf der bestimmten Frist nicht mehr berücksichtigt wird. Der Eintritt dieser Rechtsfolge ist - anders als im Falle des § 19 Abs. 3 AVG - nicht von einem dem Auftrag beigefügten Hinweis abhängig. Aus § 13a AVG ist jedoch abzuleiten, dass ein solcher ausdrücklicher Hinweis dann zu erfolgen hat, wenn der Verbesserungsauftrag an eine Partei ergeht, die nicht durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter vertreten ist (vgl. etwa VwGH vom 18.12.2014, 2012/07/0200, mwN).
14 Enthält die in der mündlichen Verhandlung gegenüber der anwaltlich nicht vertretenen Person ergangene Aufforderung zur Vorlage der Unterlagen keinen Hinweis auf eine drohende Zurückweisung des Antrages, sondern wird vielmehr offen gelassen, welche Entscheidung nach Ablauf der Frist zu fällen sein wird, so kann schon aus diesem Grund darin kein den Anforderungen von § 13 Abs. 3 iVm § 13a AVG genügender Verbesserungsauftrag erblickt werden (vgl. VwGH vom 2.9.2008, 2005/18/0513).
15 Die vom Verwaltungsgericht dem unvertretenen Revisionswerber übermittelte Ladung für die mündliche Verhandlung enthielt weder einen Verbesserungsauftrag noch einen Hinweis auf eine drohende Zurückweisung der Beschwerde. Aus dem verwaltungsgerichtlichen Verfahrensakt ergibt sich auch nicht, dass der Revisionswerber sonst im Beschwerdeverfahren in dieser Hinsicht belehrt wurde.
16 Aus diesem Grund lag ein den Anforderungen von § 13 Abs. 3 in Verbindung mit § 13a AVG genügender Verbesserungsauftrag nicht vor.
17 Die Zurückweisung der Beschwerde durch das Verwaltungsgericht ist daher mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weshalb der angefochtene Beschluss gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
18 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2018.
Wien, am 11. Dezember 2018
Schlagworte
Pflichten bei Erteilung des Verbesserungsauftrages ManuduktionspflichtPflichten bei Erteilung des Verbesserungsauftrages FristVerfahrensbestimmungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018020241.L00.1Im RIS seit
26.12.2018Zuletzt aktualisiert am
18.01.2019