Index
E000 EU- Recht allgemein;Norm
32003R1560 Dublin-II DV Art5 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober, den Hofrat Dr. Sutter und die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Februar 2017, Zlen. W240 2147533- 1/2E, W240 2147535-1/2E und W240 2147536-1/2E, betreffend Asylangelegenheiten (mitbeteiligte Parteien: 1. C A, 2. C N und 3. mj. P N, vertreten durch C N), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1 Die erstmitbeteiligte Partei und die zweitmitbeteiligte Partei führen eine Lebensgemeinschaft, die drittmitbeteiligte Partei ist deren gemeinsames Kind. Die mitbeteiligten Parteien, nigerianische Staatsangehörige, stellten am 29. September 2016 Anträge auf internationalen Schutz in Österreich. Im Rahmen der Erstbefragung gab der Erstmitbeteiligte an, in Italien einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt und bereits eine negative Entscheidung erhalten zu haben. Die Zweitmitbeteiligte gab an, in Italien ebenfalls einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt zu haben. Der Drittmitbeteiligte sei am 18. Jänner 2016 in Italien geboren worden. Ein noch am selben Tag vorgenommener Abgleich der Fingerabdrücke der Mitbeteiligten im Eurodac-System ergab, dass der Erstmitbeteiligte in Italien erkennungsdienstlich behandelt worden war und dort am 31. Juli 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte.
2 Am 19. Oktober 2016 übersendete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) die (separaten) Ersuchen an die zuständige italienische Behörde, den Erstmitbeteiligten gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-Verordnung) sowie die zweit- und drittmitbeteiligte Partei jeweils gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-Verordnung wiederaufzunehmen. Das Einlangen dieser Ersuchen bei der italienischen Behörde wurde von dieser noch am selben Tag bestätigt.
3 Mit Schreiben jeweils vom 3. November 2016 lehnte die italienische Behörde die Wiederaufnahme aller mitbeteiligten Parteien ab.
4 Mit Schreiben vom 15. November 2016 (eingelangt bei der italienischen Behörde erst am 22. November 2016) ersuchte das BFA - gestützt auf Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 (Durchführungsverordnung) - die italienische Behörde um neuerliche Prüfung der Wiederaufnahmegesuche ("Remonstration").
5 Mit Schreiben vom 28. November 2016 lehnte die italienische Behörde die Wiederaufnahme der zweit- und drittmitbeteiligten Partei erneut ab. Hinsichtlich des Erstmitbeteiligten langte keine Antwort ein.
6 Mit Schreiben vom 9. Dezember 2016 bat das BFA - mangels fristgerechter Antwort auf das Gesuch um neuerliche Prüfung hinsichtlich des Erstmitbeteiligten - die italienische Behörde um die Erstattung einer Antwort bis zum 16. Dezember 2016.
7 Mit Schreiben jeweils vom 16. Dezember 2016 stimmte die italienische Behörde der Wiederaufnahme gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d (hinsichtlich der erstmitbeteiligten Partei) bzw. Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-Verordnung (hinsichtlich der zweit- und drittmitbeteiligten Partei) zu.
8 Mit Bescheiden jeweils vom 30. Jänner 2017 wies das BFA die Anträge der mitbeteiligten Parteien auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) zurück. Es sprach aus, dass für die Prüfung der Anträge gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d (hinsichtlich der erstmitbeteiligten Partei) bzw. Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-Verordnung (hinsichtlich der zweit- und drittmitbeteiligten Partei) Italien zuständig sei, ordnete gemäß § 61 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) die Außerlandesbringung der mitbeteiligten Parteien an und stellte fest, dass die Abschiebung nach Italien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei.
9 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) den Beschwerden der mitbeteiligten Parteien gemäß § 21 Abs. 3 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) statt und behob die angefochtenen Bescheide. Die Revision erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
10 Begründend führte das BVwG im Wesentlichen aus, das BFA habe am 19. Oktober 2016 ein auf Art. 18 Abs. 1 Dublin III-Verordnung gestütztes Wiederaufnahmegesuch an Italien gerichtet, auf welches Italien am 3. November 2016 und somit fristgerecht abschlägig geantwortet habe (vgl. Art. 25 Abs. 1 Dublin III-Verordnung). Am 28. November 2016 habe Italien hinsichtlich der zweit- und drittmitbeteiligten Partei wiederum fristgerecht auf die am 22. November 2016 erstattete Remonstration des BFA geantwortet (vgl. Art. 5 Abs. 2 Durchführungsverordnung). Hinsichtlich des Erstmitbeteiligten habe Italien nicht binnen der zweiwöchigen Frist auf das Remonstrationsschreiben geantwortet. Art. 5 Abs. 2 Durchführungsverordnung sehe zwar vor, dass der ersuchte Mitgliedstaat binnen zwei Wochen auf eine Remonstration antworte; bleibe eine Antwort aus, stelle dies aber nur eine Verletzung des Unionsrechts dar und habe dies keinen Zuständigkeitsübergang zur Folge (Verweis auf Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung (2014) Art 5 DVO K4). Die Zuständigkeit sei daher hinsichtlich aller mitbeteiligten Parteien nicht auf Italien übergegangen. Der Umstand, dass die italienische Behörde nach Ablauf der zweiwöchigen Frist der Wiederaufnahme der mitbeteiligten Parteien mit Schreiben vom 16. Dezember 2016 schließlich doch zugestimmt habe, ändere nichts an der Verspätung. Die Zuständigkeit für die Führung der materiellen Verfahren sei daher auf Österreich übergegangen, weswegen die angefochtenen Bescheide zu beheben und die Verfahren zuzulassen gewesen seien.
11 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision des BFA. Zur Zulässigkeit wird darin zusammengefasst geltend gemacht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der tagesgenauen Fristenberechnung nach der Dublin III-Verordnung. Es sei daher nicht geklärt, ob die Antwort der italienischen Behörde auf das Wiederaufnahmegesuch hinsichtlich des Erstmitbeteiligten als verspätet zu betrachten und Italien somit gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin III-Verordnung für die Prüfung dessen Antrags auf internationalen Schutz zuständig geworden ist.
12 Zudem fehle Rechtsprechung, ob der ersuchte Mitgliedstaat im Remonstrationsverfahren trotz Ablaufs der zweiwöchigen Antwortfrist noch seine Zustimmung zur Wiederaufnahme erteilen könne. Italien habe das Wiederaufnahmegesuch zunächst hinsichtlich aller mitbeteiligen Parteien abgelehnt, weswegen das BFA ein Remonstrationsverfahren eingeleitet habe. Die zweiwöchige Antwortfrist in Art. 5 Abs. 2 Durchführungsverordnung sei von den Antwortfristen in der Dublin III-Verordnung zu unterscheiden. Das BFA sei daher der Ansicht, die Zustimmung des ersuchten Mitgliedstaates müsse im Remonstrationsverfahren nicht zwingend binnen zwei Wochen einlangen, sondern könne auch später erteilt werden, weil diese Frist lediglich der prozeduralen Effizienzerhöhung diene und damit "kein neues/ergänzendes zwingendes materielles Zuständigkeitsrecht (geschaffen werden)" solle (Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung (2014) Art 5 DVO K4). Indem das BVwG die spätere Zustimmung Italiens nicht mehr habe gelten lassen, habe es die Antwortfrist in Art. 5 Abs. 2 Durchführungsverordnung wie eine Frist behandelt, an die zwingend bestimmte Rechtsfolgen für die Zuständigkeit geknüpft seien.
13 Mit Beschluss vom 30. August 2017, EU 2017/0007, hat der Verwaltungsgerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) nach Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, die zu C-577/17 protokolliert wurden:
"1. Kann der ersuchte - und nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-Verordnung zuständige - Mitgliedstaat dem Wiederaufnahmegesuch nach Art. 23 Abs. 1 Dublin III-Verordnung auch dann noch wirksam stattgeben, wenn die in Art. 25 Abs. 1 Dublin III-Verordnung festgelegte Antwortfrist bereits abgelaufen ist und der ersuchte Mitgliedstaat das Wiederaufnahmegesuch zuvor bereits fristgerecht abgelehnt sowie auch auf das auf Art. 5 Abs. 2 Durchführungsverordnung gestützte Gesuch um neuerliche Prüfung fristgerecht abschlägig geantwortet hat?
Für den Fall, dass die erste Frage zu verneinen ist:
Hat infolge fristgerechter Ablehnung des Wiederaufnahmegesuchs durch den nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat der ersuchende Mitgliedstaat, in dem der neue Antrag gestellt worden ist, diesen Antrag zu prüfen, um sicherzustellen, dass eine Prüfung des Antrags nach Art. 3 Abs. 1 Dublin III-Verordnung von einem Mitgliedstaat stattfindet?"
14 In der Rechtssache C-47/17 (verbunden mit C-48/17) hat die Rechtbank Den Haag (Niederlande) dem Gerichtshof der Europäischen Union unter anderem folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
"1. Hat der ersuchte Mitgliedstaat unter Berücksichtigung
von Sinn, Inhalt und Zweck der Dublin-Verordnung (Verordnung (EU) Nr. 604/2013) und der Verfahrensrichtlinie Richtlinie 2013/32/EU) innerhalb von zwei Wochen auf das Verlangen einer neuerlichen Prüfung nach Art. 5 Abs. 2 der Durchführungsverordnung (Verordnung (EG) Nr. 1560/2003) zu antworten?
(...)
3. Bei Verneinung der ersten (...) Frage: Gilt dann unter
Berücksichtigung des letzten Satzes von Art. 5 Abs. 2 der Durchführungsverordnung die in Art. 20 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 343/2003 (jetzt Art. 25 Abs. 1 der Dublin-Verordnung) vorgesehene Frist von höchstens einem Monat?
(...)
5. Welche Folge ist daran zu knüpfen, wenn der ersuchte
Mitgliedstaat nicht innerhalb von zwei Wochen, einem Monat oder einer angemessenen Frist auf das Verlangen einer neuerlichen Prüfung antwortet? Ist der ersuchende Mitgliedstaat dann zuständig, den Asylantrag des Ausländers inhaltlich zu prüfen, oder ist dies der ersuchte Mitgliedstaat?"
15 Das Urteil des EuGH in den verbundenen Rechtssachen C- 47/17 und C-48/17 erging am 13. November 2018.
16 Mit Beschluss vom heutigen Tag hat der Verwaltungsgerichtshof das Vorabentscheidungsersuchen in der Rechtssache C-577/17 zurückgezogen.
17 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
18 Die Revision ist zulässig, jedoch nicht begründet. 19 Insoweit die Revision vorbringt, es fehle Rechtsprechung
des Verwaltungsgerichtshofes zur tagesgenauen Fristenberechnung nach der Dublin III-Verordnung, ist ihr zu entgegnen, dass der Verwaltungsgerichtshof zwischenzeitig zu dieser Frage in seinem Erkenntnis vom 30. Mai 2017, Ro 2017/19/0001, bereits Stellung genommen hat. In dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Verfahren ging es im Wesentlichen um die Frage, ab wann eine sechsmonatige Überstellungfrist - infolge Zuständigkeit des ersuchten Mitgliedstaates aufgrund nicht fristgerechter Antwort auf das Aufnahmegesuch - zu laufen begonnen hat.
20 Der Verwaltungsgerichtshof sprach in Auslegung des Art. 42 Dublin III-Verordnung dazu aus, dass - ausgehend vom Einlangen des Aufnahmegesuches am 14. März 2016 - die Frist, eine Antwort erstatten zu können, mit Ablauf des 14. Mai 2016 geendet hatte (vgl. VwGH 30.5.2017, Ro 2017/19/0001, Rn. 21).
21 Umgelegt auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die in Art. 25 Abs. 1 Dublin III-Verordnung enthaltene zwingende Antwortfrist - ausgehend vom Einlangen des Wiederaufnahmegesuchs am 19. Oktober 2016 - für die italienischen Behörden hinsichtlich der zweit- und drittmitbeteiligten Partei mit Ablauf des 19. November 2016 endete. Hinsichtlich des Erstmitbeteiligten stützte sich das Wiederaufnahmegesuch auf Angaben aus dem Eurodac-System, weshalb sich die Antwortfrist auf zwei Wochen verkürzte und mit Ablauf des 2. November 2016 und somit vor Erhalt der abschlägigen Antwort Italiens am 3. November 2016 endete.
22 Entgegen der rechtsirrigen Annahme des BVwG war daher davon auszugehen, dass Italien dem Wiederaufnahmegesuch durch Verschweigen stattgegeben hat und mit Beginn des 3. November 2016 - ungeachtet des daran anschließenden Remonstrationsverfahrens - bereits für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz des Erstmitbeteiligten grundsätzlich zuständig geworden ist.
23 Insoweit die Amtsrevision in ihrem Zulässigkeitsvorbringen zur zweiten Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorbringt, die zweiwöchige Antwortfrist in Art. 5 Abs. 2 Durchführungsverordnung sei von den Antwortfristen in der Dublin III-Verordnung zu unterscheiden, weshalb die Zustimmung des ersuchten Mitgliedstaates im Remonstrationsverfahren nicht zwingend binnen zwei Wochen einlangen müsse, sondern auch später erteilt werden könne, erweist sich diese Einschätzung vor dem Hintergrund der jüngsten Rechtsprechung des EuGH als nicht zutreffend.
24 Gemäß Art. 23 Abs. 1 Dublin III-VO kann ein Mitgliedstaat einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, eine Person wieder aufzunehmen, wenn er der Auffassung ist, dass dieser nach Art. 20 Abs. 5 und Art. 18 Abs. 1 lit. b, c oder d für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist.
25 Art. 23 Abs. 2 erster Satz der Dublin III-Verordnung bestimmt, dass ein solches Wiederaufnahmegesuch so bald wie möglich, auf jeden Fall aber innerhalb von zwei Monaten nach der Eurodac-Treffermeldung im Sinne von Art. 9 Abs. 5 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 zu stellen ist. Die Wirkungen des Ablaufs dieser Frist hat der Unionsgesetzgeber in Art. 23 Abs. 3 Dublin III-Verordnung dahin geregelt, dass der ersuchende Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, wenn das Gesuch nicht innerhalb der genannten Frist unterbreitet wird.
26 Was die Antwort auf ein Gesuch auf Wiederaufnahme betrifft, sieht Art. 25 Abs. 1 Dublin III-Verordnung vor, dass der ersuchte Mitgliedstaat die erforderlichen Überprüfungen vornimmt und über das Gesuch so rasch wie möglich - jedenfalls aber nicht später als einen Monat - entscheidet, nachdem er mit dem Gesuch befasst wurde. Stützt sich der Antrag auf Angaben aus dem Eurodac-System, verkürzt sich diese Frist auf zwei Wochen.
27 Wenn innerhalb der jeweiligen Frist keine Antwort erteilt wird, ist davon auszugehen, dass dem Wiederaufnahmegesuch stattgegeben wird.
28 Sofern der ersuchte Mitgliedstaat die Wiederaufnahme ablehnt, ist der ersuchende Mitgliedstaat, wenn er die Auffassung vertritt, dass die Ablehnung auf einem Irrtum beruht oder er sich auf weitere Unterlagen berufen kann, gemäß Art. 5 Abs. 2 Durchführungsverordnung berechtigt, vom ersuchten Mitgliedstaat eine neuerliche Prüfung seines Gesuchs um eine Wiederaufnahme zu verlangen (Remonstrationsverfahren).
29 Soweit diese Möglichkeit rechtzeitig - nämlich binnen drei Wochen nach Erhalt der ablehnenden Antwort - in Anspruch genommen wird, bestimmt Art. 5 Abs. 2 Durchführungsverordnung, dass der ersuchte Mitgliedstaat binnen zwei Wochen eine Antwort erteilt.
30 Dazu hat der EuGH in seinem Urteil vom 13. November 2018, C-47/17 und C-48/17, X und X gegen Staatssecretaris van Veiligheid en Justitie, festgehalten, dass der ersuchende Mitgliedstaat auch dann berechtigt ist, um neuerliche Prüfung gemäß Art. 5 Abs. 2 Durchführungsverordnung anzusuchen, wenn der Abschluss des Remonstrationsverfahrens nach Ablauf der in Art. 25 Abs. 1 Dublin III-Verordnung vorgesehenen Frist eintreten sollte.
31 Zur Bestimmung des Abschlusses des Remonstrationsverfahrens hat der EuGH weiters festgehalten, dass das Remonstrationsverfahren nach dem Wortlaut des Art. 5 Abs. 2 Durchführungsverordnung ein zusätzliches, fakultatives Verfahren darstellt und diese Vorschrift im Einklang mit den Vorschriften der Dublin III-Verordnung und den mit dieser verfolgten Zielen auszulegen ist. Dementsprechend muss die Dauer des Remonstrationsverfahrens aus Gründen der Rechtssicherheit und einer zügigen Bearbeitung der Anträge auf internationalen Schutz eng und in vorhersehbarer Weise umschrieben werden.
32 Neben der strikten Frist von drei Wochen nach Empfang der ablehnenden Antwort des ersuchten Mitgliedstaats, innerhalb derer ein Ersuchen um neuerliche Prüfung eines Gesuchs auf Wiederaufnahme zu stellen ist, muss auch der für die Beantwortung eines solchen Ersuchens festgelegten Frist von zwei Wochen endgültiger Charakter zukommen.
33 Würde Art. 5 Abs. 2 Durchführungsverordnung nämlich dahingehend ausgelegt werden, dass die genannte Frist lediglich hinweisenden Charakter hätte und das Remonstrationsverfahren allenfalls durch eine "angemessene" Antwortfrist begrenzt wäre, würde dies dem Ziel der Dublin III-Verordnung, eine rasche Bestimmung des für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständigen Mitgliedstaats zu ermöglichen, zuwider laufen (EuGH 13.11.2018, X und X, C-47/17 und C-48/17, Rn. 81ff).
34 Zwar soll der ersuchte Mitgliedstaat mit der Vorschrift des Art. 5 Abs. 2 Durchführungsverordnung dazu bewegt werden, mit dem ersuchenden Mitgliedstaat loyal zusammenzuarbeiten und sich zu bemühen, innerhalb der Frist von zwei Wochen eine Antwort auf ein Ersuchen um neuerliche Prüfung zu erteilen. Lässt der ersuchte Mitgliedstaat diese Frist jedoch ungenützt verstreichen, zieht dies weder einen Übergang der Zuständigkeit auf ihn, noch eine Fristerstreckung nach sich.
35 Vielmehr ist Art. 5 Abs. 2 Durchführungsverordnung dahin auszulegen, dass der Ablauf der vorgesehenen Antwortfrist von zwei Wochen das Remonstrationsverfahren - unabhängig von einer Antwort des ersuchten Mitgliedstaats - endgültig abschließt und der ersuchende Mitgliedstaat als für die Prüfung des betreffenden Antrags auf internationalen Schutz zuständig anzusehen ist. Dies trifft lediglich dann nicht zu, wenn dem ersuchenden Staat noch die für die Stellung eines erneuten Gesuchs um Wiederaufnahme innerhalb der dazu in Art. 23 Abs. 2 Dublin III-Verordnung vorgesehenen zwingenden Fristen erforderliche Zeit zur Verfügung steht (EuGH 13.11.2018, X und X, C-47/17 und C- 48/17, Rn. 86f).
36 Für den vorliegenden Fall ergibt sich somit, dass die in Art. 5 Abs. 2 Durchführungsverordnung festgelegte zweiwöchige Antwortfrist und in der Folge auch das Remonstrationsverfahren in Bezug auf die zweit- und drittmitbeteiligten Parteien - ausgehend vom Einlangen des Ersuchens um neuerliche Prüfung der Wiederaufnahmegesuche am 22. November 2016 - mit Ablauf des 6. Dezember 2016 endgültig endete. Die Zuständigkeit für die inhaltliche Prüfung der Anträge auf internationalen Schutz der zweit- und drittmitbeteiligten Parteien ging zu diesem Zeitpunkt auf die österreichischen Behörden über. Das Schreiben der italienischen Behörde vom 16. Dezember 2016, mit welchem sie der Wiederaufnahme hinsichtlich der zweit- und drittmitbeteiligten Partei gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-Verordnung zustimmte, konnte somit - wie das BVwG zutreffend angenommen hat - die Zuständigkeit Italiens nicht mehr begründen.
37 Hinsichtlich des Erstmitbeteiligten, der in Italien bereits einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt und eine negative Entscheidung erhalten hat, erteilte die italienische Behörde, wie eingangs erwähnt, innerhalb der zwingenden Frist von zwei Wochen gemäß Art. 25 Abs. 1 zweiter Satz Dublin III-Verordnung keine Antwort. Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung war daher - entgegen der rechtsirrigen Annahme des BVwG - davon auszugehen, dass Italien dem Wiederaufnahmegesuch durch Verschweigen stattgegeben hat und mit Beginn des 3. November 2016 für die Prüfung des gegenständlichen (Folge-)Antrags auf internationalen Schutz des Erstmitbeteiligten grundsätzlich zuständig geworden ist. Daran ändert auch die verspätete Ablehnung des Wiederaufnahmegesuchs durch die italienischen Behörden nichts.
38 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 15. Dezember 2015, Ra 2015/18/0192-0195, allerdings festgehalten, dass die Bestimmung des § 34 Abs. 4 AsylG 2005, wonach alle Familienangehörigen entweder den gleichen Schutzumfang erhalten oder alle Anträge "als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen" sind, - auch im Zusammenhang mit Dublin-Verfahren - dahingehend zu verstehen ist, dass gegenüber allen Familienangehörigen dieselbe Art der Erledigung zu treffen ist. Ist daher der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen, so sind entweder alle Anträge zurückzuweisen oder alle Anträge abzuweisen (vgl. etwa VwGH 25.11.2009, 2007/01/1153, mwN).
39 Dies hat - da die Zurückweisung der Anträge aller Familienangehörigen gemäß § 5 AsylG 2005 infolge der Zuständigkeit Österreichs für die Prüfung der Anträge der zweit- und drittmitbeteiligten Parteien nicht mehr in Betracht kommt - im Hinblick auf den Erstmitbeteiligten die Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-Verordnung zur Folge.
40 Das BVwG hat daher im Ergebnis zu Recht auch hinsichtlich des Erstmitbeteiligten die Zuständigkeit Österreichs bejaht.
41 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Wien, am 13. Dezember 2018
Gerichtsentscheidung
EuGH 62017CJ0047 X VORABSchlagworte
Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5Gemeinschaftsrecht Verordnung EURallg5European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017180110.L00Im RIS seit
25.12.2018Zuletzt aktualisiert am
17.04.2019