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20/08 UrheberrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Unsachlichkeit einer Wortfolge im UrheberrechtsG betreffend die Festlegung einer fixen Obergrenze für die dem Urheber zukommende Speichermedienvergütung; 6%-Grenze zur Zielerreichung – gerechter Ausgleich iSd RL 2001/29/EG – ungeeignet; keine Unsachlichkeit und Verletzung im Recht auf Unversehrtheit des Eigentums durch eine weitere, einen Richtwert vorgebende, Regelung; Gespräche der Gesamtvertragsparteien über – künftige – neue Tarife bei Erreichung oder wesentlicher Unterschreitung des Richtwerts erforderlichRechtssatz
Aufhebung der Wortfolge "die Speichermedienvergütung 6% dieses Preisniveaus für Speichermedien und" in §42b Abs4 Z8 UrheberrechtsG (UrhG) idF BGBl I 99/2015 als verfassungswidrig über - zulässigen - Parteiantrag; im Übrigen: Abweisung des Antrags betreffend bestimmte Wortfolgen in §116 Abs11 UrheberrechtsG.
Ziel des §42b UrhG ist es, die rechtlichen Voraussetzungen für eine angemessene Vergütung der Urheber als Ausgleich für die Beschränkung ihrer Verwertungsrechte durch das in §42 Abs2 bis 7 UrhG festgelegte Recht der Vervielfältigung zum eigenen oder privaten Gebrauch zu schaffen. Das Erfordernis dieser angemessenen Vergütung ergibt sich unmittelbar aus Art5 Abs2 litb der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft, der für den Fall der Vervielfältigung zum privaten Gebrauch einen "gerechten Ausgleich" explizit anordnet. Mitgliedstaaten, die die Privatkopieausnahme in ihrem nationalen Recht eingeführt haben, sind zur wirksamen Erhebung des gerechten Ausgleichs verpflichtet (EuGH 16.6.2011, Rs C-462/09, Fall Stichting de Thuiskopie).
Der EuGH hat mit Urteil vom 21.10.2010, Fall Padawan, Rs C-467/08, Rzn 40 und 42, ausgesprochen, dass der gerechte Ausgleich zwingend auf der Grundlage des "Schadens" zu berechnen ist, der den Urhebern geschützter Werke infolge der Einführung der Ausnahme für Privatkopien entsteht. Dieser Schaden ist abhängig von der Kapazität der verkauften Speichermedien, von deren Zugriffsgeschwindigkeit und auch deren durchschnittlichen Nutzungsdauer und Stabilität. Es bedarf keiner weiteren Erhebungen, um die Aussage treffen zu können, dass - abgesehen von kurzfristigen Preisschwankungen - für das gleiche Entgelt immer höherwertige Speichermedien am Markt erhältlich sind. Um bei dem sinkenden Preisniveau der Speichermedien für den "Schaden" den gerechten Ausgleich weiterhin lukrieren zu können, muss zwangsläufig der Prozentsatz für die Vergütung entsprechend steigen. Dem steht aber - früher oder später - jede Obergrenze, die als fixer Prozentsatz des Preisniveaus festgelegt wird, entgegen. Dies mit der Konsequenz, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt ein gerechter Ausgleich nicht mehr stattfinden kann.
Wie das Beispiel für Daten-CDs zeigt (Anwendung der 6%-Grenze würde bei CD-Rohlingen eine Absenkung des autonomen Tarifs auf weniger als 1/5 und des gesamtvertraglich geregelten Tarifs auf weniger als 1/4 bedeuten und im Allgemeinen gleiche Auswirkungen auf die Tarife bei anderen Speicherkategorien), sind - im Widerspruch zu §42b Abs4 Z1 UrhG - unverhältnismäßige Veränderungen der Vergütungssätze die Folge der Anwendung der 6%-Grenze. Diese führt dazu, dass das System des §42b Abs4 UrhG aus dem Gleichgewicht gerät. In letzter Konsequenz werden alle (verbalen) Kriterien des §42b Abs4 UrhG - mit Ausnahme des wirtschaftlichen Interesses der Hersteller, Händler und Importeure (Z7) - von der (ziffernmäßigen) 6%-Grenze ausgeschaltet. Gesamtverträge und Satzungen iSd Verwertungsgesellschaftengesetzes 2016 werden auf die Wiedergabe der 6%-Grenze reduziert. Verwertungsgesellschaften und Nutzerorganisationen können dann keinen gerechten Ausgleich der Interessen der Beteiligten in ihren Verhandlungen erzielen. Die Anwendung der 6%-Grenze führt dazu, dass das angestrebte Ziel des §42b UrhG, die angemessene Vergütung der Urheber über das Instrument der Speichermedienvergütung, nicht erreicht werden kann. Die 6%-Grenze ist damit zur Erreichung des vorgegebenen Ziels - des gerechten Ausgleichs - nicht nur völlig ungeeignet, sie blockiert vielmehr den Weg zu diesem Ziel.
Bei Zugrundelegung der Interpretation einer "weichen" 6%-Grenze, bei der es sich der Sache nach um einen Richtwert handeln würde, hätte der Gesetzgeber ein zur Zielerreichung völlig ungeeignetes Mittel vorgesehen. Ein Richtwert, der schon jetzt - wie im Anlassfall der Daten-CDs - um das Vier- bzw Fünffache überschritten werden muss, um das vom (europäischen) Gesetzgeber vorgegebene Ziel des gerechten Ausgleichs zu erreichen, und dessen Maßgeblichkeit auch in Zukunft nicht erwartet werden kann, ist unsachlich.
Mit dem Vorbringen zur Verletzung des Gleichheitssatzes und des Rechts auf Unversehrtheit des Eigentums durch §116 Abs11 UrhG übersieht die antragstellende Gesellschaft, dass mit der Bestimmung explizit - im Wortlaut der Regelung - nur ein Richtwert vorgegeben wird, bei dessen Erreichen kein subjektives Recht eines Unternehmens auf Verweigerung der Zahlung der Vergütung entsteht, sondern dies - wie in den parlamentarischen Materialien ausgeführt wird - lediglich dazu führt, dass die Gesamtvertragsparteien Gespräche über - künftige - neue Tarife führen müssen. So wie auch bei einer wesentlichen Unterschreitung des Richtwerts durch die Rückerstattungen Gespräche über eine mögliche Anpassung des Richtwerts für die Folgejahre aufgenommen werden sollen.
Entscheidungstexte
Schlagworte
VfGH / Parteiantrag, Urheberrecht, EU-Recht Richtlinie, EDVEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2018:G296.2017Zuletzt aktualisiert am
09.03.2020