TE Vfgh Erkenntnis 2018/12/12 E727/2018

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Veröffentlicht am 12.12.2018
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Index

L7200 Beschaffung, Vergabe

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlassfall

Leitsatz

Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses im Anlassfall

Spruch

I. Die Beschwerdeführerin ist durch die Spruchpunkte I., III. und IV. des angefochtenen Erkenntnisses wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.

Das Erkenntnis wird insoweit aufgehoben.

II. Das Land Kärnten ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihrer Rechtsvertreterin die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

1.       Die Beschwerdeführerin hat mit Bekanntmachung vom 31. August 2017 die Vergabe einer Dienstleistungskonzession im Wege eines offenen Vergabeverfahrens mit vorheriger Bekanntmachung nach den Bestimmungen des BVergG 2006 ausgeschrieben. Der Zuschlag soll nach dem "Bestangebotsprinzip" anhand in den Ausschreibungsunterlagen näher definierter Zuschlagskriterien erfolgen.

Am 30. November 2017 wurde einer Bieterin die Bewertung ihres Angebotes mitgeteilt und ihr in der präsumtiven Zuschlagsentscheidung zugleich der Pachtzins sowie die Bewertung des Angebotes der vorläufigen Bestbieterin bekanntgegeben. Der Bieterin wurde mitgeteilt, dass sie (wie in den Ausschreibungsunterlagen festgelegt) Gelegenheit habe, ihr Angebot bis zum 4. Dezember 2017 nachzubessern.

Mit Nachprüfungsantrag vom 7. Dezember 2017 bekämpfte diese Bieterin u.a. die Mitteilung vom 30. November 2017 beim Landesverwaltungsgericht Kärnten.

2.       Mit Erkenntnis vom 6. Februar 2018 erklärte das Landesverwaltungsgericht Kärnten die Mitteilung der präsumtiven Zuschlagsentscheidung vom 30. November 2017 für nichtig (Spruchpunkt I.) und wies Anträge auf Nichtigerklärung einer Mitteilung vom 4. Dezember 2017, der Ausschreibungsunterlagen sowie des Pachtvertrages als unzulässig zurück (Spruchpunkt II.). Es bestimmte die Gebühren in näher bezifferter Höhe (Spruchpunkt III.) und trug der Beschwerdeführerin als Antragsgegnerin im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Kärnten deren Ersatz auf (Spruchpunkt IV.). Das Landesverwaltungsgericht Kärnten sprach weiters aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig sei (Spruchpunkt V.).

Das Landesverwaltungsgericht Kärnten erachtet sich im Verfahren zur Nachprüfung der Vergabe einer Dienstleistungskonzession für zuständig. Die präsumtive Zuschlagsentscheidung vom 30. November 2017 stelle eine gesondert anfechtbare Entscheidung im Sinne des §6 Abs2a K-VergRG 2014 dar. Gemäß Art14b Abs3 B-VG sei die Gesetzgebung und die Vollziehung in den Angelegenheiten der Nachprüfung im Rahmen der Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Sinne des Art14b Abs2 Z2 B-VG Landessache. Der Kärntner Landesgesetzgeber habe durch §6 Abs2a K-VergRG 2014 einen vergaberechtlichen Rechtsschutz für Dienstleistungskonzessionen geschaffen.

3.       Gegen diese Entscheidung im Umfang der Spruchpunkte I., III. und IV. richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG) und des Rechts auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 B-VG; Art2 StGG) sowie in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird.

4.       Die beschwerdeführende Partei des Verfahrens vor dem Landesverwaltungsgericht Kärnten hat als beteiligte Partei eine Äußerung erstattet, in der sie den Beschwerdevorwürfen entgegentritt.

5.       Das Landesverwaltungsgericht Kärnten hat die Gerichtsakten (bereits in einem anderen, dasselbe Vergabeverfahren betreffenden Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof) vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift aber abgesehen.

6.       Aus Anlass dieser – zulässigen – Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art140 Abs1 Z1 litb B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge "und Abs2a" in §6 Abs2 Z2 und des §6 Abs2a des Gesetzes über den Rechtsschutz bei der Vergabe von Aufträgen (Kärntner Vergaberechtsschutzgesetz 2014 – K-VergRG 2014), LGBl für Kärnten 95/2013 idF LGBl für Kärnten 18/2017, ein. Mit Erkenntnis vom 11. Dezember 2018, G205/2018, hob er die genannten Bestimmungen als verfassungswidrig auf.

Das Landesverwaltungsgericht Kärnten hat somit eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass ihre Anwendung für die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin nachteilig war.

7.       Die Beschwerdeführerin wurde somit durch die – allein angefochtenen –Spruchpunkte I., III. und IV. des angefochtenen Erkenntnisses wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt (zB VfSlg 10.404/1985).

Das Erkenntnis ist daher insoweit aufzuheben.

8.       Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

9.       Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.

Schlagworte

VfGH / Anlassfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2018:E727.2018

Zuletzt aktualisiert am

27.12.2018
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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