TE OGH 2018/12/6 12Os54/18k

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Veröffentlicht am 06.12.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. Dezember 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel-Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Sischka als Schriftführer in der Strafsache gegen Robert P***** wegen des Vergehens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 16. Februar 2018, GZ 631 Hv 11/17i-31, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch rechtskräftige Freisprüche enthält, wurde Robert P***** des Vergehens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er im Zeitraum von Mai 2016 bis 1. Juni 2017 in O***** gegen Monika L***** eine längere Zeit hindurch fortgesetzt Gewalt ausgeübt, indem er sie wiederholt und fortwährend misshandelte, sie auch in ihrer Freiheit einschränkte und sie am 1. Juni 2017 durch gefährliche Drohung zumindest mit einer Verletzung am Körper zu Unterlassungen, nämlich der Aufgabe der Beziehung zu ihm und der Mitnahme seiner Sachen im Falle eines Auszugs, zu nötigen versucht, indem er ihr gegenüber sinngemäß äußerte: „Wenn du mich verlässt, bringe ich dich um; wenn du Sachen nimmst, die mir gehören, mache ich dich fertig und schütte dir Säure ins Gesicht.“

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die aus Z 4, Z 5 und Z 5a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider durfte das Erstgericht Anträge auf Übersetzung der Tonbandaufnahmen, nämlich „der zwei USB-Sticks die er geschickt hat“, zum Beweis dafür, dass es zwar Streitgespräche in serbischer Sprache zwischen dem Angeklagten und den beiden Zeuginnen (gemeint offenbar das Tatopfer und Natalia L*****) gegeben hat, aber kein einziges Mal ein Vorwurf eines sexuellen Missbrauchs oder einer Tätlichkeit vorgefallen ist, sowie auf Übersetzung der SMS der Zeugin Monika L***** vom 14. Mai 2016 zum Beweis dafür, dass sie sehr wohl Interesse an einer Beziehung mit dem Angeklagten gehabt hat (ON 30 S 42 f), schon deshalb ohne Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten abweisen, weil es in Ansehung der dem Angeklagten vorgeworfenen Sexualdelikte ohnedies davon ausging (vgl § 55 Abs 2 Z 3 StPO), dass es ihm am erforderlichen Vorsatz fehlte (vgl US 8), und eine kurz nach Beginn des Tatzeitraums übermittelte Nachricht mit dem behaupteten Inhalt keinen Rückschluss darauf zulässt, dass es zu den in Rede stehenden Tathandlungen nicht gekommen ist.

Aber auch das weitere Begehren auf Vernehmung der Stanislawa P*****, p.A. in Polen, zum Beweis dafür, dass die beiden Zeuginnen zusammen gewirkt haben, damit der Angeklagte weggewiesen wird wegen Vorfällen die nicht vorgefallen sind, Übersetzung der fünf Schreiben der Stanislawa P***** und des Schreibens der Sylvia M***** zum Beweis dafür, dass „hier die beiden Zeuginnen jeweils massiv den Angeklagten unter Druck gesetzt haben und ihn zu dem zwingen wollten, was sie wohl tun wollten, spricht er aus dem eigenem Haus gewiesen hätte werden sollen“, sowie auf „Beischaffung des Pflegschaftsaktes, den Hintergrund zu erläutern wie es zu den Problemen gekommen ist, insbesondere, dass ihm ständig die Kinder vorenthalten werden“ (ON 30 S 43), lässt nicht erkennen, inwieweit dieses geeignet sein sollte, eine erhebliche Tatsache unter Beweis zu stellen (vgl § 55 Abs 2 Z 2 StPO). Im Übrigen legt es nicht dar, weshalb die beantragte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erwarten lasse, und erweist sich daher als unzulässige Erkundungsbeweisführung (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330 f).

Die zur Fundierung der Beweisanträge in der Beschwerdeschrift nachgetragenen Ausführungen unterliegen dem Neuerungsverbot und sind daher unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618).

Das Schöffengericht hat die Konstatierungen zur subjektiven Tatseite (US 4) einerseits rechtsstaatlich vertretbar und gerade bei – wie hier – einem leugnenden Angeklagten in der Regel

methodisch nicht zu ersetzen (RIS-Justiz RS0098671, RS0116882), aus dem äußeren Tatgeschehen abgeleitet und andererseits seinen von Anfang an bestehenden bedingten Vorsatz, Monika L*****
ca einmal im Monat mit der flachen Hand ins Gesicht zu schlagen, insbesondere aus seinem insgesamt sehr groben und aggressiven Verhalten ihr gegenüber erschlossen (US 7). Die von der Mängelrüge behauptete offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) liegt daher nicht vor.

Z 5a des § 281 Abs 1 StPO

will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).

Weder mit Hinweisen darauf, dass sich das Tatopfer laut eigenen Angaben sehr wohl gegen den Angeklagten gewehrt und ihn sogar gekratzt habe, dessen Bestrafung gefordert und einen nicht bezifferten Schadenersatzanspruch geltend gemacht habe, und dem Verweis auf Widerspüche in den Aussagen der vom Gericht ohnedies gewürdigten Belastungszeuginnen, noch mit zum Teil auf nicht näher bezeichnete Beweisergebnisse (vgl RIS-Justiz RS0124172) gestützten Überlegungen, wonach Monika L***** in ihrer Lebensführung durch das Verhalten des Nichtigkeitswerbers keineswegs eingeschränkt gewesen sei und anlässlich von Polizeiinterventionen und Behördenkontakten auf Gewalttätigkeiten des Beschwerdeführers nicht hingewiesen habe, werden erhebliche Bedenken im oben aufgezeigten Sinn geweckt.

Mit dem Hinweis auf die Feststellungen zur Einbringung einer Räumungsklage durch den Angeklagten und die unterschiedliche Würdigung der von ihm geäußerten Drohungen leitet die Tatsachenrüge Bedenken nicht „aus den Akten“, sondern aus Erwägungen des Erstgerichts selbst ab (vgl RIS-Justiz RS0117961), und bekämpft solcherart bloß die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.

Spekulationen über ein mögliches Ergebnis abgewiesener Beweisanträge verlassen den Anfechtungsrahmen des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes (vgl RIS-Justiz RS0108847).

Die Überzeugung der Tatrichter von der

Glaubwürdigkeit der Zeuginnen Monika L***** und Natalia L***** aufgrund des in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks ist ein kritisch-psychologischer Vorgang, der als solcher einer Anfechtung auch aus § 281 Abs 1 Z 5a StPO entzogen ist (RIS-Justiz RS0099419).

Soweit sich die Tatsachenrüge auf Beweisergebnisse zu den vom Freispruch umfassten Tatvorwürfen bezieht, spricht sie keine für den behaupteten Schuldspruch entscheidenden Tatsachen an.

Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) die zur subjektiven Tatseite getroffenen Feststellungen, wonach der Angeklagte gewusst habe, dass er Monika L***** durch das Anspucken und das Versetzen von Ohrfeigen am Körper misshandelte, und sie durch sein Verhalten in ihrer Lebensführung einschränkte, dies auch wollte und bei jedem Schlag, den er ihr versetzte, es zudem ernsthaft für möglich hielt, dass er diese Tat regelmäßig, nämlich ca einmal im Monat, über einen längeren Zeitraum von zumindest mehreren Monaten wiederholen und dadurch und durch sein sonstiges Verhalten Monika L***** in ihrer freien Lebensführung schwerwiegend beeinträchtigen würde (vgl jedoch 13 Os 143/11w, 12 Os 50/13m), und sich damit abfand, bestreitet und als bloße Unterstellungen einstuft, verfehlt sie den vom Gesetz geforderten, im Urteilssachverhalt gelegenen

Bezugspunkt materiell-rechtlicher Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810).

Dem der Sache nach erhobenen Einwand der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider war die Aussage der Monika L*****, zu Hause in O***** schon zweimal geschlagen worden zu sein (ON 20 S 27), nicht erörterungsbedürftig, weil sie sich zweifelsfrei auf die Frage bezogen hat, ob sie jemals durch Schläge verletzt worden sei.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung ergibt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E123587

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0120OS00054.18K.1206.000

Im RIS seit

27.12.2018

Zuletzt aktualisiert am

27.12.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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