Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragsteller 1. K***** F*****, 2. K***** F*****, vertreten durch die Zauner & Mühlböck Rechtsanwälte KG in Linz, gegen die Antragsgegner 1. Dr. G***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Markus Kroner, Rechtsanwalt in Salzburg, 2. bis 105. die übrigen Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ ***** KG *****, wegen § 52 Abs 1 Z 6 iVm § 20 Abs 3 WEG 2002, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts Salzburg vom 28. Februar 2018, GZ 22 R 377/16v-47, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 52 Abs 2 WEG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Gegenstand des Verfahrens ist die Überprüfung der von der Erstantragsgegnerin für die Jahre 2012 bis 2015 gelegten Abrechnungen, die darin abweichend von der gesetzlichen Regelung des § 32 Abs 1 WEG 2002 die Wasser- und Kanalbenützungsgebühren nach dem tatsächlichen Verbrauch verrechnete. Das Rekursgericht bestätigte dazu die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass die Erstantragsgegnerin an einen im Anwendungsbereich des WEG 1948 vereinbarten abweichenden Verteilungsschlüssel gebunden sei. Auch die Revisionsrekurswerber verweisen zu der vom Gesetz abweichenden Verteilung der Wasser- und Kanalbenützungsgebühren auf eine Vereinbarung, die unter dem Regime des WEG 1948 zustande gekommen sein müsste, gehen jedoch davon aus, dass eine solche entweder nicht wirksam oder nicht auf sie übergegangen sei.
2.1 Die Rechtswirksamkeit einer vor dem 1. 9. 1975 abgeschlossenen Vereinbarung über eine vom Gesetz abweichende Aufteilung von Aufwendungen ist nach den zum Zeitpunkt ihres Abschlusses geltenden Vorschriften zu beurteilen (§ 29 Abs 1 Z 2 WEG 1975 iVm § 55 WEG 2002). Im Geltungsbereich des WEG 1948 bedurfte es keiner schriftlichen Vereinbarung der Mit- und Wohnungseigentümer, um Liegenschaftsaufwendungen anders zu verteilen, als dies im Gesetz vorgesehen war. Eine solche Vereinbarung konnte mündlich oder auch konkludent zustande kommen (5 Ob 120/01k = RIS-Justiz RS0013676 [T2]). In Betracht kommt nach den Verfahrensergebnissen allenfalls eine konkludente Vereinbarung.
Ob eine konkludente
Willenserklärung vorliegt und welchen Inhalt sie gegebenenfalls hat, hängt regelmäßig von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher im Allgemeinen keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung (RIS-Justiz RS0081754 [T6]; vgl auch RS0043253 [T2]).
2.2 Die Antragsteller gehen in ihrem Rechtsmittel selbst davon aus, dass nach den von den Vorinstanzen zugrunde gelegten Feststellungen „von Beginn an“, also seit Begründung von Wohnungseigentum im Jahr 1972, die Verteilung der Wasser- und Kanalgebühren nach dem tatsächlichen Verbrauch erfolgte. Bei dieser Sachlage begründet es aber entgegen der Ansicht der Revisionsrekurswerber keine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung, wenn die Vorinstanzen ihrer rechtlichen Beurteilung insoweit eine unter dem Regime des WEG 1948 konkludent zustande gekommene Vereinbarung zugrunde legten. Eine von ihnen aus dem Fehlen weitergehender Feststellungen zu diesem Thema abgeleitete Mangelhaftigkeit der Entscheidung zweiter Instanz, geschweige deren Nichtigkeit, liegt damit nicht vor.
3.1 Im Fall eines Eigentümerwechsels nach dem 1. 9. 1975 blieb eine nicht schriftlich erfolgte Vereinbarung über einen vom Gesetz abweichenden Verteilungsschlüssel nur dann bestehen, wenn sie vom Rechtsvorgänger auf seine Nachfolger vertraglich überbunden oder von diesem durch schriftlichen Beitritt übernommen wurde, um das Schriftformgebot des § 19 Abs 1 Z 2 WEG 1975 zu erfüllen. Rechtsnachfolger, die diese Pflicht durch Überbindungsklausel übernommen haben, sind an diese Vereinbarung auch weiterhin gebunden (RIS-Justiz RS0013676 [T4]; 5 Ob 72/17z mwN). Das ist schon dann der Fall, wenn der Rechtsnachfolger mittels schriftlichen Vertrags in die Rechtsstellung seines Vorgängers eintrat (RIS-Justiz RS0013676).
3.2 Die Antragsteller stehen (auch) auf dem Standpunkt, eine vom gesetzlichen Aufteilungsschlüssel abweichende (vor dem 1. 9. 1975 konkludent zustandegekommene) Vereinbarung sei ihnen nicht überbunden worden und berufen sich dazu ausdrücklich auf den mit ihrem Rechtsvorgänger über die Eigentumswohnung abgeschlossenen Kaufvertrag. Nach dessen Punkt I. haben sie aber als Käufer den Kaufgegenstand je zur Hälfte mit allen Rechten und Pflichten, mit denen die Verkäuferin diese Liegenschaftsanteile bisher besessen und benützt hat bzw zu besitzen und zu benützen berechtigt war, übernommen. Dass ihnen entgegen ihrer Auffassung mit dieser vertraglichen Gestaltung eine vor dem 1. 9. 1975 konkludent zustande gekommene Vereinbarung über einen abweichenden Aufteilungsschlüssel unabhängig von ihrer subjektiven Kenntnis wirksam überbunden werden konnte, entspricht der Rechtsprechung des erkennenden Senats (5 Ob 72/17z mwN). Damit bedarf es auch keiner Korrektur im Einzelfall, wenn das Rekursgericht seiner rechtlichen Beurteilung die Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung unterstellte und von einer Aufteilung der Wasser- und Kanalgebühren nach dem Verbrauch entsprechend dem für die Liegenschaft geltenden Verteilungsschlüssel ausging (vgl 5 Ob 30/15w).
4.1 Der Verwalter hat den Wohnungseigentümern nach den Regelungen des § 34 WEG eine ordentliche und richtige Abrechnung zu legen (§ 20 Abs 3 WEG). In einem Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 6 WEG ist zu prüfen, ob die gerügte Ausgabeposition der Abrechnung durch Vereinbarung oder Gesetz gedeckt ist und daher als Aufwendung für die Liegenschaft im Sinne des § 32 WEG zu qualifizieren ist (5 Ob 228/17s mwN; E. M. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht4 § 34 WEG Rz 20).
4.2 Eine inhaltliche Unrichtigkeit der gelegten Abrechnungen soll nach Ansicht der Antragsteller in den darin ausgewiesenen Zahlungen an den Hausbesorger, der zu seinem Entgelt auch eine Pauschale (Zulage) für die Entsorgung und die Trennung des Mülls erhält, bzw für dessen Urlaubsvertretung liegen. In diesem Zusammenhang bleiben die Ausführungen der Revisionsrekurswerber schon deswegen unklar, weil sie einerseits bezweifeln, ob überhaupt und mit welchem Inhalt ein wirksamer Vertrag mit dem Hausbesorger zustande gekommen sei, und dazu den Vorinstanzen anlasten, sie hätten sich mit dieser Frage nicht auseinandergesetzt, in weiterer Folge jedoch für den maßgeblichen Zeitraum selbst einräumen, dass mit Wirkung 1. 1. 2009 ein (neuer!) Vertrag über die Hausbetreuung abgeschlossen wurde. Das entspricht auch den Feststellungen, nach welchen der Vertrag sowohl Regelungen über das Entgelt als auch über die Art und das Ausmaß der Verrichtungen sowie die (Urlaubs-)Vertretung enthält, sodass die von der Erstantragstellerin in die Abrechnungen aufgenommenen Zahlungen eine vertragliche Grundlage haben.
4.3 Die Antragsteller beanstanden insbesonders die Höhe der Kosten für die Urlaubsvertretung und übersehen dabei, dass die von ihnen bemängelten Abrechnungen keine solche Kosten enthalten, sondern jeweils nur die Position „Lohn Hausbetreuer“ ausweisen. Dass die damit erfassten Zahlungen unter Berücksichtigung sämtlicher Lohnbestandteile, Zulagen und Kosten der Urlaubsvertretung insgesamt nicht den vertraglichen Grundlagen entsprechen, kann den Ausführungen der Revisionswerber nicht nachvollziehbar entnommen werden. Soweit sie Feststellungen zur Beurteilung vermissen, ob das „im Hausbetreuungsvertrag […] vereinbarte Entgelt den bei vernünftiger Wirtschaftsführung ortsüblichen Rahmen überschritten hat oder nicht“, lassen sie außer Acht, dass ein behauptetes pflichtwidriges Verhalten des Verwalters im Zusammenhang mit der Auftragsvergabe an Dritte (hier ein Vertrag über die Hausbesorgung) nach der Rechtsprechung des Senats im Rechnungslegungsverfahren weder zu prüfen noch für die Richtigkeit der Abrechnung relevant ist (5 Ob 146/16f mwN; 5 Ob 80/18b). Der festgestellte Sachverhalt bietet auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Erstbeklagten erkennbar sein hätte müssen, unter dem Titel „Urlaubsvertretung“ wären unberechtigte Forderungen erhoben worden, sodass die Antragsteller mit ihren Schlussfolgerungen aus der Entscheidung 5 Ob 274/08t ebenso wenig Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung ansprechen, wie mit ihren Ausführungen zu den Bestimmungen des Urlaubsgesetzes (BGBl Nr 390/1976 idgF), soweit sie damit nicht ohnedies vom festgestellten Sachverhalt abweichen. Mit ihrer Argumentation, die Zahlung einer jährlichen „Müllpauschale“ an den Hausbetreuer entbehre einer vertraglichen Grundlage, ignorieren sie die festgestellte Beschlussfassung der Eigentümergemeinschaft aus dem Jahr 2010, nach der das bisherige „System der Mülltrennung und Entsorgung“ beibehalten werden sollte. Sie behaupten auch gar nicht, dass die Vorinstanzen diesen Beschluss in unvertretbare Weise ausgelegt hätten (zur Beschlussauslegung vgl allgemein RIS-Justiz RS0130029), in dem sie von dessen Inhalt auch die Zahlung der Pauschale an den Hausbesorger erfasst sahen. Inwieweit darin eine rechtswidrige Weisung der Eigentümergemeinschaft an den Verwalter gelegen sein soll, vermögen die Revisionswerber nicht schlüssig zu begründen.
4.4 Die Antragsteller bestreiten auch gar nicht, dass es sich bei den in die Abrechnung für das Jahr 2012 aufgenommenen Kosten von 126,53 EUR für den Tausch eines Schließzylinders an der Tür zu einem Allgemeinraum im Keller und den Stromkosten für den Betrieb eines Hausbrunnens um Aufwendungen für die Liegenschaft handelt (vgl dazu Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht § 34 WEG Rz 7), denen auch ein tatsächlicher Leistungsaustausch zugrunde liegt. Damit sind ihre Mutmaßung, der Kellerraum könnte (nur) vom Hausbesorger genutzt werden und die (feststellungsmäßig gar nicht gesicherte) Annahme, dieser könnte mit dem Wasser des Hausbrunnens (auch) private Pflanzen gegossen haben, für die Rechnungsprüfung ohne jede Relevanz. Weder mit den von ihnen dazu vermissten Feststellungen noch mit ihrer Forderung nach einer Schätzung des anteiligen Stromverbrauchs nach § 273 Abs 1 ZPO (richtig: § 34 AußStrG) können sie daher eine Fehlbeurteilung der Vorinstanzen aufzeigen.
5. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Textnummer
E123504European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0050OB00121.18G.1003.000Im RIS seit
23.12.2018Zuletzt aktualisiert am
24.10.2019