TE OGH 2018/10/3 5Ob74/18w

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Veröffentlicht am 03.10.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragsteller 1. K*****, 2. K*****, 3. R*****, 4. A*****, 5. S*****, 6. Mag. T*****, 7. M*****, 8. C*****, 9. A*****, 10. S*****, 11. S*****, 12. K*****, 13. I*****, 14. M***** GmbH, *****, 15. B*****, 16. K*****, 17. B*****, 18. Mag. E*****, 19. Mag. C*****, 20. M*****, 21. B*****, 22. A*****, 23. M*****, 24. J*****, 25. C*****, 26. M*****, alle vertreten durch Dr. Karl Schelling, Rechtsanwalt in Dornbirn, 27. H*****, 28. P*****, gegen die Antragsgegner 1. R***** GmbH, *****, 2. E*****, beide vertreten durch Rechtsanwälte Mandl GmbH in Feldkirch, wegen § 52 Abs 1 Z 1 iVm § 9 Abs 2 Z 1 WEG, über den Revisionsrekurs der Antragsgegner gegen den (Sach-)Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 6. Februar 2018, GZ 1 R 27/18f-17, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Bezau vom 22. Dezember 2017, GZ 3 Msch 1/17y-13, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegner sind zur ungeteilten Hand schuldig, den 1. bis 26. Antragstellern deren mit 751,61 EUR (darin 125,27 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Parteien sind bzw waren zum Zeitpunkt des Sachbeschlusses erster Instanz die Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ *****. Die Wohnhausanlage besteht aus drei Baukörpern, die über das Kellergeschoss miteinander verbunden sind. Die Erstantragsgegnerin, die ursprünglich Alleineigentümerin der Liegenschaft war, agierte als Bauträgerin und Wohnungseigentumsorganisatorin. Die Begründung von Wohnungseigentum erfolgte auf Grundlage eines Parifizierungsgutachtens aus dem Jahr 2006, in dem
– neben 26 Wohnungen, einem Büro und 36 Kraftfahrzeugabstellplätzen – als Top 62 (Lager) das Hackschnitzellager und als Top 63 (Technik) der Heizraum der Wohnhausanlage als Wohnungseigentumsobjekte ausgewiesen waren. Beide im Keller gelegene Räumlichkeiten wurden von Anfang an und werden nach wie vor zum Zweck der Beheizung der Liegenschaft verwendet. Die Wohnhausanlage verfügt über keine andere Heizung. An beiden Objekten behielt sich die Erstantragsgegnerin das Mit-
und Wohnungseigentumsrecht vor. Den Heizkessel legte sie von Anfang so aus, dass eine Beheizung weiterer Objekte von dort aus möglich war, tatsächlich wird mit der Hackschnitzelheizung nicht nur die gesamte Wohnungseigentumsanlage, sondern auch ein angrenzendes Einfamilienhaus samt integriertem Büro beheizt. Anlässlich des Kaufs ihrer Objekte mussten die Interessenten einen zwischen der Eigentümergemeinschaft, vertreten durch die Verwalterin, und der Erstantragsgegnerin als Wärmelieferantin abgeschlossenen Wärmeliefervertrag (./C) unterzeichnen, der eine Laufzeit von 15 Jahren – mit Verlängerungsmöglichkeit – sowie die Übernahme der Objekte Top 62 und Top 63 samt eingebauter Anlagen und allfälliger Lieferverpflichtungen an Dritte durch die Eigentümergemeinschaft nach Beendigung des Vertragsverhältnisses zu einem von einem Sachverständigen zu ermittelnden Verkehrswert als Kaufpreis vorsah.

Die 1. bis 26. Antragsteller begehrten die Neufestsetzung der Nutzwerte. Heizraum und Hackschnitzelbunker seien zwingend Allgemeinflächen, an denen Wohnungseigentum nicht begründet hätte werden dürfen. Der Gesamtnutzwert der Liegenschaft ändere sich dadurch von 4770stel auf 4704tel Anteile.

Der über Veranlassung des Obersten Gerichtshofs dem Verfahren beigezogene 27. Antragsteller und die 28. Antragstellerin erklärten dem Verfahren auf Antragstellerseite beizutreten.

Das Erstgericht setzte die Nutzwerte dem Antrag entsprechend neu fest. Heizraum und Bunker für die Hackschnitzelheizung seien notwendig allgemeine Teile.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegner nicht Folge. Da die Wohnungseigentumsanlage über keine andere Heizung verfüge und die Hackschnitzelheizung der Beheizung des gesamten Objekts diene, seien die Räume Top 62 und Top 63 für die Wärmeversorgung der Anlage zwingend erforderlich. Dass ein angrenzendes Einfamilienhaus samt integriertem Büro von dieser Heizung beheizt werde, ändere daran nichts. Ein Bezug von Wärme durch einen externen Wärmelieferanten (Fernwärmeheizung) liege hier nicht vor. Selbst in einem solchen Fall müsste die Übergabestation (Schnittstelle) auf einem notwendig allgemeinen Teil der Liegenschaft liegen. Eine Contracting-Konstruktion in Form des Wärmeliefervertrags ./C könne als bloß vertragliche Regelung Verstöße gegen die zwingenden Grundsätze des § 3 Abs 3 iVm § 2 Abs 4 WEG 2002 nicht sanieren.

Der Revisionsrekurs sei zuzulassen, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung dazu vorliege, ob der Heizraum und der Hackschnitzellagerraum in einer Wohnungseigentumsanlage zwingend allgemeine Teile der Liegenschaft sein müssten, wenn über die in diesen Räumen befindliche Heizung auch externe Wärmebezieher mit Wärme beliefert werden und die jeweiligen Wohnungseigentümer in einer vertraglichen Beziehung mit der Betreiberin der Heizanlage stehen.

Rechtliche Beurteilung

Der – vom 1. bis 26. Antragstellern beantwortete   – ordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegner ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruchs des Rekursgerichts (§ 71 Abs 1 AußStrG) nicht zulässig. Er zeigt auch keine erhebliche Rechtsfrage auf. Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 AußStrG).

1.1 Nach gesicherter Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0097520) sind Teile des Hauses, auf deren Mitbenützung auch Dritte angewiesen sind, um ihre individuellen oder gemeinschaftlichen Nutzungsrechte ausüben zu können, als allgemeine Teile der Liegenschaft zu beurteilen, an denen Wohnungseigentum nicht begründet werden kann. Bei einem insoweit vorliegenden Verstoß gegen zwingende Grundsätze steht ein Antrag nach § 9 Abs 2 Z 1 WEG 2002 – unbefristet und ohne Bagatellgrenze – offen (vgl RIS-Justiz RS0117708; 5 Ob 171/12a = wobl 2013/98 [Etzersdorfer]). Grundsätzlich liegt ein notwendig allgemeiner Teil iSd § 2 Abs 4 zweiter Fall WEG 2002 dann vor, wenn das Objekt kraft faktischer Beschaffenheit von vornherein nicht als Wohnung oder Zubehör nutzbar ist, weil ihm die Eignung fehlt, selbständig und ausschließlich benutzt zu werden. Dass mit dem 3. WÄG 1994 in den Text des damaligen § 1 Abs 4 WEG 1975 neben der Hausbesorgerwohnung auch die gemeinsame Wärmeversorgungsanlage ausdrücklich eingefügt wurde, brachte ebenso wenig eine inhaltliche Änderung wie der Entfall dieses Passus im Zug der WRN 2000 (Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht4 § 2 WEG Rz 36 f). Maßgebend für den Charakter als notwendig allgemeiner Teil ist unverändert die Zweckbestimmung innerhalb der Gesamtliegenschaft (RIS-Justiz RS0125757; 5 Ob 201/09h). Entgegenstehende Vereinbarungen können grundsätzlich an der mangelnden Wohnungseigentumstauglichkeit notwendig allgemeiner Teile nichts ändern (5 Ob 305/98h = wobl 2000/126 [Call]; 5 Ob 226/07g = immolex 2008/93; 5 Ob 171/12a = wobl 2013/98 [Etzersdorfer]).

1.2. Demgemäß wurden bereits der Zugang zum Heizraum (5 Ob 113/95 = wobl 1998/116 [Call]), der Heizraum selbst (5 Ob 171/12a = wobl 2013/98 [Etzersdorfer]) und eine Heizungspumpe im Vorhaus der Anlage bei der „Übergabestelle“ eines mit Fernwärme beheizten Objekts (5 Ob 230/13d = immolex 2014/46 [Prader] = wobl 2014/104 [Vonkilch]) als notwendiger allgemeiner Teil der Liegenschaft beurteilt.

2.1. An diesen in der Rechtsprechung vertretenen Grundsätzen hat sich das Rekursgericht orientiert und sie auf den konkreten Einzelfall jedenfalls vertretbar angewendet. Der Umstand alleine, dass sich die Erstantragsgegnerin im Wege eines Contracting-Vertrags zur Lieferung von Heizwärme nicht nur gegenüber den anderen Mit- und Wohnungseigentümern der Anlage verpflichtet hat, sondern von dieser Heizungsanlage aus auch ein weiteres Objekt mit Wärme beliefert wird, ändert nichts daran, dass nach den Feststellungen von einer nicht nur bau-, sondern auch wohnungseigentumsrechtlichen Widmung der Top 62 und Top 63 als Bunker für die Hackschnitzelheizung und Heizraum auszugehen ist und diese Objekte seit Errichtung der Anlage nur in diesem Sinn verwendet wurden.

2.2. Für die im Revisionsrekurs monierte Widmung als Geschäftslokal eines Fernwärmeerzeugungsunternehmens fehlt es an einer ausreichenden Grundlage im Sachverhalt, wonach die im Heizraum etablierte Hackschnitzelheizung der zentralen Wärmeversorgung der gesamten Wohnungseigentumsanlage und nicht etwa Geschäftszwecken eines Fernmwärmeunternehmens dient. Überdies war im Verfahren nicht strittig, dass die durch diese Hackschnitzelheizung produzierte Wärme in weitaus überwiegendem Ausmaß der Beheizung der Objekte der Wohnungseigentumsanlage dient, nimmt doch die Lieferung der Heizwärme für das externe Objekt nur etwa 20 % der gesamten produzierten Wärme in Anspruch. Dass sämtliche Beteiligten von einer Zweckbestimmung dieser beiden Objekte primär zu Zwecken der Beheizung der Wohnungseigentumsanlage im Sinn einer zentralen Wärmeversorgung ausgingen, ergibt sich auch aus dem Wärmeliefervertrag (./C), der – in rechtlich im Hinblick auf die insoweit nicht gegebene Rechtsfähigkeit der Eigentümergemeinschaft (§ 18 Abs 1 WEG 2002) bedenklicher Weise – einen Ankauf der Objekte Top 62 und Top 63 durch diese zu einem von einem Sachverständigen festzulegenden Kaufpreis vorsah.

2.3. Ein Bezug von Fernwärme aufgrund eines von jedem einzelnen Mit- und Wohnungseigentümer mit der Erstantragsgegnerin als Fernwärmelieferantin abgeschlossenen Wärmeliefervertrags ergibt sich aus den Feststellungen nicht. Schon das Rekursgericht wies zutreffend darauf hin, dass der Wärmeliefervertrag von der Eigentümergemeinschaft, vertreten durch den Verwalter, abgeschlossen wurde; dass von den Kaufinteressenten anlässlich des Kaufs auch die Unterfertigung dieses Wärmeliefervertrags (offenbar zur Information) verlangt wurde, vermag zwar – im hier gegebenen Zusammenhang nicht näher zu erörternde – Bedenken gegen die Rechtswirksamkeit dieser Vereinbarung iSd § 38 Abs 1 Z 1 WEG 2002 zu begründen (vgl 1 Ob 220/14f = wobl 2015/167 [Vonkilch] = immolex 2015/35 [Prader]), bietet aber keine ausreichende Grundlage dafür, rechtlich davon auszugehen, jeder einzelne Mit- und Wohnungseigentümer hätte mit der Erstantragsgegnerin als Fernwärmelieferantin einen Fernwärmebezugsvertrag abgeschlossen. Die im Revisionsrekurs ins Treffen geführte Definition der Fernwärme durch den BGH (VIII ZR 229/88; VIII ZR 135/05; VIII ZR 262/09) bezog sich auf die deutsche AVBFernwärmeV, die keine Entsprechung im österreichischen Rechtsbestand hat. Überdies stellt auch der BGH darauf ab, dass aus einer nicht im Eigentum des Gebäudeeigentümers stehenden Heizungsanlage von einem Dritten nach unternehmenswirtschaftlichen Gesichtspunkten eigenständige Wärme produziert und an andere geliefert wird (VIII ZR 229/88), was hier schon deshalb nicht der Fall ist, weil die Erstantragsgegnerin nicht nur Mit- und Wohnungseigentümerin auch weiterer Objekte, sondern auch Eigentümerin der Heizungsanlage ist. Selbst nach dieser Definition des BGH könnte die von der Erstantragsgegnerin erzeugte Wärme nicht als Fernwärme angesehen werden. Es mag daher zwar sein, dass eine über Fernwärme versorgte Wohnungseigentumsanlage keinen Heizraum im engeren Sinn bzw Lagerraum für das Heizmaterial benötigt (vgl hiezu aber auch 5 Ob 230/13d = immolex 2014/46 [Prader] = wobl 2014/104 [Vonkilch], wonach auch eine durch einen Verteilerkasten im Vorhaus zugängliche, aber ausschließlich für die Wohnung der Kläger bestimmte Warmwasserpumpe im Fall der grundsätzlich vorgesehenen Versorgung mit Fernwärme als Bestandteil der zentralen Wärmeversorgungsanlage und somit notwendig allgemeiner Teil anzusehen ist). Von einer im Revisionsrekurs so bezeichneten „strukturellen Entscheidung für Fernwärme“ ist hier aber nach der vertretbaren Auffassung des Rekursgerichts weder nach der Widmung der in Rede stehenden Räumlichkeiten noch der tatsächlichen Gestaltung der Wärmeversorgung der einzelnen Objekte auszugehen.

3. Da sich die Entscheidung des Rekursgerichts in dem von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung bereits vorgegebenen Rahmen hält, war der Revisionsrekurs zurückzuweisen.

4. Die 1. bis 26. Antragsteller haben auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen, gemäß § 52 Abs 2 WEG iVm § 37 Abs 2 Z 17 MRG steht ihnen daher Kostenersatz für ihre Revisionsrekursbeantwortung zu. Allerdings beträgt die Bemessungsgrundlage angesichts des geltend gemachten liegenschaftsbezogenen, nicht in Geld bestehenden Anspruchs gemäß § 10 Z 3 lit b lit aa RATG nur 4.000 EUR.

Textnummer

E123501

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0050OB00074.18W.1003.000

Im RIS seit

23.12.2018

Zuletzt aktualisiert am

09.07.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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