Entscheidungsdatum
05.10.2018Norm
AsylG 2005 §55Spruch
W133 2110849-2/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwalt XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.01.2018, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 03.09.2018, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger der Volksgruppe der Hazara, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein, stellte einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde hiezu am 14.09.2014 von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 03.07.2015 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 FPG erlassen, gemäß § 52 Abs. 9 FPG stellte das BFA fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei und gemäß § 55 Abs. 1-3 FPG wurde die Frist für seine freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt III.).
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.06.2017, GZ W197 2110849-1/15E, wurde die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 13 Abs. 2 Z 1, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG, §§ 46, 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9 und § 55 Abs. 1-3 FPG mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der erste Satz des Spruchpunktes III. des Bescheides vom 03.07.2015 zu lauten hat: "Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird Ihnen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt."
Dem gegenständlichen Verfahren geht daher eine gegen den Beschwerdeführer erlassene Rückkehrentscheidung voraus, die das BFA mit Bescheid vom 03.07.2015 erlassen und das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 26.06.2017 (dem Beschwerdeführer zu Handen seines Vertreters am gleichen Tag zugestellt) bestätigt hat.
Am 20.07.2017 stellte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AslyG (Aufenthaltsberechtigung plus), andernfalls gemäß § 55 Abs. 2 AsylG (Aufenthaltsberechtigung). Dem Antrag wurde ein umfangreiches Konvolut an Integrationsunterlagen beigelegt, dabei handelt es sich um ein "ÖSD Zertifikat A2" vom 11.04.2016, Teilnahmebestätigungen an einem B1 Deutschkurs vom 22.08.2016 und 07.11.2016, einen Versicherungsdatenauszug vom 14.07.2017, eine Einstellungszusage als Lehrling eines näher genannten Malerbetriebes vom 19.07.2017 für den Fall, dass der Beschwerdeführer einen gültigen Aufenthaltstitel in Österreich erhalte, eine Bestätigung der Caritas über den Wohnort des Beschwerdeführers vom 14.07.2017, ein Empfehlungsschreiben eines näher genannten Fußballvereins vom 07.06.2016, einen ÖFB-Spielerpass, mehrere Empfehlungsschreiben und Arbeitsaufzeichnungen, womit bestätigt wird bzw. aus welchen hervorgeht, dass der Beschwerdeführer in diversen näher genannten Schulen von 2015 bis 2017 die dortigen Schulwarte unterstützt hat, Stundenzettel "Integrationstätigkeiten" für die Monate April und Mai 2017 des Amtes der XXXX Landesregierung und einen Lebenslauf des Beschwerdeführers.
Mit E-Mail vom 17.08.2017 wurden vom Beschwerdeführer im Wege seines Rechtsvertreters weitere Integrationsunterlagen vorgelegt, und zwar wurde abermals die Einstellungszusage eines näher genannten Malerbetriebes vom 19.07.2017 vorgelegt, außerdem wurde ein weiterer Stundenzettel "Integrationstätigkeiten" des Amtes der XXXX Landesregierung für Juli 2017 vorgelegt.
Mit Verbesserungsauftrag vom 04.09.2017 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde aufgefordert betreffend seinen Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltsberechtigung aus Gründen des Art. 8 EMRK einen gültigen Reisepass im Original und eine Geburtsurkunde inklusive Übersetzung vorzulegen. Mit Stellungnahme vom 28.09.2017 teilte der Beschwerdeführer im Wege seines Rechtsvertreters mit, dass der Beschwerdeführer bezüglich der Ausstellung eines Reisepasses bzw. einer Geburtsurkunde bei der afghanischen Botschaft in Wien vorgesprochen habe. Diesbezüglich gebe es noch keine Rückmeldung von der Botschaft. Es wurde betreffend die Vorlage der Dokumente um Fristerstreckung ersucht. Mit E-Mail vom 20.11.2017 wurde mitgeteilt, dass es dem Beschwerdeführer bislang nicht möglich gewesen sei, einen afghanischen Reisepass zu erhalten. Mit E-Mail vom 22.11.2017 wurden Zeitbestätigungen der afghanischen Botschaft vom 03.10.2017 und 15.11.2017 übermittelt, aus denen hervorgeht, dass der Beschwerdeführer tatsächlich bei der afghanischen Botschaft in Wien war.
Mit Schreiben vom 05.12.2017 wurden im Wege des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers weitere Urkunden vorgelegt, und zwar ein Unterstützungsschreiben eines näher genannten Bürgermeisters vom 27.11.2017, ein Stundenzettel "Integrationstätigkeiten" für November 2017 des Amtes der XXXX Landesregierung und weitere Arbeitsaufzeichnungen aus denen hervorgeht, dass der Beschwerdeführer in diversen näher genannten Schulen von 2015 bis 2017 die dortigen Schulwarte bei Arbeiten unterstützt hat, auch wurde abermals der Lebenslauf des Beschwerdeführers vorgelegt.
Mit Schreiben der belangten Behörde vom 16.12.2017 wurde der Beschwerdeführer vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt. Es wurde ihm mitgeteilt, dass beabsichtigt werde, seinen Antrag zurückzuweisen, sollte eine Stellungnahme von ihm nichts Anderes ergeben. In diesem Zusammenhang wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, ein Dokument, das seine Identität beweist, vorzulegen und es wurde ihm aufgetragen, bekanntzugeben, welche Integrationsschritte er seit der rechtskräftigen Entscheidung vom 26.06.2017 über seinen Asylantrag gemacht hat.
Mit E-Mail vom 20.12.2018 wurde vom rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers um Fristerstreckung gebeten, die Frist wurde daraufhin von der belangten Behörde bis 19.01.2017 verlängert.
Am 19.01.2018 übermittelte der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers eine Stellungnahme, in der ausgeführt wird, dass der Beschwerdeführer seiner Mitwirkungspflicht gemäß § 58 Abs. 11 AsylG bezüglich der Erlangung eines gültigen Reisedokuments und einer Geburtsurkunde in erforderlichem Maß nachgekommen sei. Zur Feststellung der Identität und zur Erlangung eines Reisepasses bzw. persönlicher Dokumente habe der Beschwerdeführer sowohl am 03.10.2017 als auch am 15.11.2017 bei der afghanischen Botschaft vorgesprochen, der Beschwerdeführer habe jedoch keine Rückantwort der Botschaft erhalten. Der Antragsteller habe seine Mitwirkungspflicht damit erfüllt, es werde daher beantragt, den Mangel zu heilen, dass der Beschwerdeführer im Verfahren die geforderten Dokumente nicht vorlegen habe können. Seit der rechtskräftigen Entscheidung im Asylverfahren habe sich der Beschwerdeführer weiterhin darum bemüht, eine Arbeit zu erhalten. Es würden mehrere Einstellungszusagen vorliegen, welche der belangten Behörde bereits übermittelt worden seien. Ferner habe der Beschwerdeführer für das Amt der Stadt XXXX gearbeitet, die diesbezüglichen Arbeitsaufzeichnungen seien bereits an das BFA übermittelt worden. Insgesamt betrachtet sei der Beschwerdeführer in Österreich bereits bestens integriert und habe sich seit der negativen Entscheidung über das Asylverfahren fortlaufend weiter integriert. In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass, wenn der Beschwerdeführer das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gem. § 14a NAG nicht erfülle, dennoch eine Aufenthaltsberechtigung nach § 55 Abs. 2 AsylG zu erteilen sei.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 22.01.2018 wurde dem Antrag auf Mängelheilung vom 19.01.2018 gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 iVm § 8 AsylG-DV 2005 stattgegeben, der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK vom 20.07.2017 wurde gemäß 58 Abs. 10 AsylG 2005 zurückgewiesen. Begründend wurde bezogen auf die Situation zu seinem Privat- und Familienleben zum Zeitpunkt des rechtskräftig abgeschlossenen Vorverfahrens ausgeführt, beim Beschwerdeführer habe ein Familienleben in Österreich nicht festgestellt werden können. Der Beschwerdeführer habe sich zum Zeitpunkt des Vorverfahrens seit knapp 3 Jahren in Österreich aufgehalten. Er sei illegal und unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich eingereist und habe einen ungerechtfertigten Asylantrag gestellt. Sein Aufenthaltsrecht habe ausschließlich auf der Aufenthaltsberechtigung zur Durchführung des Asylverfahrens gefußt. Eine Verwurzelung habe im Verfahren nicht erkannt werden können. Der Beschwerdeführer sei in Österreich mittellos gewesen und sei keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen. Sein Lebensunterhalt, seine Unterkunft und seine Sozialversicherungsbeiträge seien aus öffentlichen Mitteln der Grundversorgung finanziert worden. Er habe stundenweise Integrationstätigkeiten als Reinigungskraft in Schulen übernommen. Er sei Mitglied in einem Fußballclub gewesen, habe regelmäßig Fußball gespielt und sich als Trainer engagiert. Er habe an Deutschkursen teilgenommen. Es hätten keine überlangen Verzögerungen in seinem Asylverfahren festgestellt werden können. Es hätten keine sozialen und familiären Bindungen festgestellt werden können, denen ein ausreichendes Gewicht zukommen würde. Der Beschwerdeführer sei strafrechtlich unbescholten. Bezogen auf die Situation zu seinem Privat- und Familienleben zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung wurde festgehalten, dass beim Beschwerdeführer kein Familienleben in Österreich festgestellt werden habe können. Er halte sich seit 3 Jahren und 4 Monaten in Österreich auf. Seit 7 Monaten sei sein Aufenthalt illegal. Er sei seiner Ausreiseverpflichtung nach Abweisung des Asylantrages nicht nachgekommen. Seine Unterkunft sei aus öffentlichen Mitteln der Grundversorgung finanziert worden. Er sei bis zum 14.12.2017 in einem Flüchtlingsquartier gemeldet gewesen, danach sei er untergetaucht und sein Aufenthaltsort sei nicht mehr feststellbar. Er habe Deutschkurse besucht und am 11.04.2016 das A2 Zertifikat mit "bestanden" absolviert. Die vorgelegten Unterlagen bzgl. Empfehlungsschreiben und Integrationstätigkeiten seien bereits im Asylverfahren berücksichtigt worden. Der Beschwerdeführer gehe keiner Erwerbstätigkeit nach, sein Lebensunterhalt sei ab Stellung des Asylantrags aus öffentlichen Mitteln der Grundversorgung finanziert worden. Er habe eine unverbindliche Einstellungszusage für eine Lehrstelle als Maler vom 19.07.2017 vorgelegt, außerdem habe er ein Unterstützungsschreiben der Stadt XXXX vom 27.11.2017 vorgelegt mit Bestätigung über Integrationstätigkeiten bis November 2017. Es seien keine neuen Sachverhalte hinzugekommen, die eine ergänzende oder neue Abwägung erforderlich machen würden.
Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer im Wege seines Rechtsvertreters am 21.02.2018 fristgerecht eine Beschwerde ein. Darin wird ausgeführt, dass sich der Beschwerdeführen seit dem 14.09.2014 im österreichischen Bundesgebiet befinde. Erst am 26.06.2017 sei die asylrechtliche Entscheidung in Rechtskraft erwachsen. Zum Zeitpunkt des rechtskräftigen Abschlusses des Asylverfahrens habe sich der Beschwerdeführer somit beinahe drei Jahre rechtmäßig in Österreich befunden. Regelmäßig werde den Asylwerbern vorgeworfen, sie würden keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen, dies sei grundsätzlich zwar richtig, jedoch sei es dem Beschwerdeführer erst dann erlaubt einer Arbeit nachzugehen, wenn er über einen rechtmäßigen Aufenthalt verfüge. Dem Beschwerdeführer sei es somit nicht erlaubt gewesen einer Arbeit nachzugehen. Ihm dies vorzuwerfen und negativ anzulasten sei unverhältnismäßig. Nichtsdestotrotz habe er stundenweise als Reinigungskraft in Schulen gearbeitet, diese Reinigungstätigkeiten habe er unentgeltlich besorgt. Darüber hinaus sei er in Österreich mittlerweile bestens integriert. Er spreche sehr gut Deutsch und engagiere sich in einem Fußballverein. Er verfüge über einen Spielerpass des ÖFB und sei auch als Trainer von Jugend- bzw. Kindermannschaften tätig. Der Beschwerdeführer habe der belangten Behörde zudem eine Einstellungszusage vom 19.07.2017 für eine Lehrstelle als Maler vorgelegt. Die belangte Behörde werfe ihm vor, dass es sich dabei lediglich um eine unverbindliche Einstellungszusage handeln würde. Dies ändere jedoch nichts daran, dass der Beschwerdeführer tatsächlich bemüht sei, sich weiter zu integrieren und er auch arbeitswillig sei. Er könne im Falle einer Aufenthaltstitelerteilung sofort bei dieser Firma als Lehrling beginnen. Es handle sich somit nicht um eine lediglich unverbindliche Einstellungszusage, sondern um eine fixe Zusage für den Fall eines rechtmäßigen Aufenthaltes. Insgesamt betrachtet hätte die belangte Behörde nach Abwägung sämtlicher vorliegender Beweisergebnisse zur Entscheidung gelangen müssen, dass sich der Beschwerdeführer bestens in Österreich integriert hat. Er habe sich auch ernsthaft bemüht persönliche Dokumente in Form eines Reisepasses von der Botschaft zu erlangen. Aus diesem Grund habe die belangte Behörde dem Antrag auf Mängelheilung vom 19.01.2018 stattgegeben. Dem Beschwerdeführer hätte jedenfalls ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK erteilt werden müssen.
Diese Beschwerde wurde am 26.02.2018 dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde vorgelegt.
Mit Parteiengehör vom 18.06.2018 wurde der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers aufgefordert binnen zwei Wochen eine ladungsfähige Adresse des Beschwerdeführers bekanntzugeben sowie mitzuteilen, ob die Vollmacht zum Beschwerdeführer noch aufrecht sei. Dieses Parteiengehör wurde durchgeführt, da aus Anfragen aus dem zentralen Melderegister vom 30.04.2018 bzw. 11.06.2018 ersichtlich war, dass der Beschwerdeführer seit 14.12.2017 über keinen aufrechten Wohnsitz mehr in Österreich verfügt.
In einer Stellungnahme vom 28.06.2018 führte der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers aus, dass eine ladungsfähige Adresse des Beschwerdeführers nicht bekanntgegeben werden könne, weil er mit diesem nicht mehr in Kontakt treten könne. Eine andere Adresse als jene, die dem Gericht bereits bekannt sei, sei dem Rechtsvertreter nicht bekannt. Mitgeteilt wurde auch, dass das Vollmachtsverhältnis nach wie vor aufrecht sei.
Am 03.09.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, welcher der Beschwerdeführer und dessen Rechtsvertretung unentschuldigt fernblieben. Die Ladung zu dieser Verhandlung war dem rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers am 10.07.2018 im elektronischen Rechtsverkehr rechtswirksam zugestellt worden. Die belangte Behörde blieb entschuldigt der Verhandlung fern. Aufgrund der erfolgten ordnungsgemäßen Ladung wurde eine Verhandlung in Abwesenheit durchgeführt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
Der Beschwerdeführer reiste im Jahr 2014 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 14.09.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des BFA vom 03.07.2015 gemäß den §§ 3 und 8 AsylG abgewiesen, ein Aufenthaltstitel gem. §§ 57 und 55 AsylG wurden nicht erteilt, es wurde eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 FPG erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig ist. Es wurde eine Frist von 2 Wochen für die freiwillige Ausreise gewährt. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig eine Beschwerde. Diese Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 26.06.2017, GZ W197 2110849-1/15E, als unbegründet abgewiesen mit der Maßgabe, dass der erste Satz des Spruchpunktes III zu lauten hat: "Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird Ihnen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt."
Der Beschwerdeführer ist ein afghanischer Staatsangehöriger, er gehört zur Volksgruppe der Hazara, bekennt sich zum muslimisch-schiitischen Glauben und spricht Dari als Muttersprache. Er ist ledig, volljährig und hat keine Sorgepflichten. Der Beschwerdeführer ist als Kind mit seiner Familie von Afghanistan nach Quetta in Pakistan gezogen. Dort hat er die Schule besucht und war danach mehrere Jahre berufstätig.
Der Beschwerdeführer ist gesund, er lebte in Österreich von den Leistungen der Grundversorgung und ging keiner legalen sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nach. Es wurde eine bedingte Einstellungszusage für eine Lehrstelle als Maler vom 19.07.2017 vorgelegt. Der Beschwerdeführer hat ehrenamtlich Integrationstätigkeiten als Reinigungskraft in Schulen übernommen. Er war Mitglied in einem Fußballclub, spielte regelmäßig Fußball und engagierte sich als Trainer. Er verfügt über gute Deutschkenntnisse, zumindest (nachgewiesen durch ein Sprachdiplom) auf Niveau A2. Es konnte kein Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich festgestellt werden. Er ist strafrechtlich unbescholten.
Der Beschwerdeführer befolgte die gegen ihn verfügte Rückkehrentscheidung nicht, sondern stellte den das vorliegende Verfahren einleitenden Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 bzw. Abs. 2 AsylG am 20.07.2017, sohin innerhalb von vier Wochen nach der abweisenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes betreffend sein Asylverfahren. Es sind in dieser kurzen Zeit keine neuen Sachverhalte hinzugekommen, die eine ergänzende oder neue Abwägung erforderlich machen würden.
Dem Antrag beigelegt waren bzw. nachgereicht wurden ein "ÖSD Zertifikat A2" vom 11.04.2016, Teilnahmebestätigungen an einem B1 Deutschkurs vom 22.08.2016 und 07.11.2016, ein Versicherungsdatenauszug vom 14.07.2017, eine Einstellungszusage als Lehrling eines näher genannten Malerbetriebes vom 19.07.2017, eine Bestätigung der Caritas über den Wohnort des Beschwerdeführers vom 14.07.2017, ein Empfehlungsschreiben eines näher genannten Fußballvereins vom 07.06.2016, ein ÖFB-Spielerpass, mehrere Empfehlungsschreiben und Arbeitsaufzeichnungen mit denen bestätigt wird bzw. aus denen hervorgeht, dass der Beschwerdeführer in diversen näher genannten Schulen von 2015 bis 2017 die dortigen Schulwarte unterstützt hat, diverse Stundenzettel über "Integrationstätigkeiten" des Amtes der XXXX Landesregierung, ein Lebenslauf des Beschwerdeführers und ein Unterstützungsschreiben eines näher genannten Bürgermeisters vom 27.11.2017.
Der Beschwerdeführer war bis zum 14.12.2017 in einem Flüchtlingsquartier gemeldet. Danach ist er untergetaucht, sein Aufenthaltsort ist nicht mehr feststellbar.
2. Beweiswürdigung
Die Feststellungen konnten im Wesentlichen unverändert (von sprachlichen Änderungen, Änderungen in der Reihenfolge und Aufnahme von im Bescheid disloziert getroffener Feststellungen abgesehen) aus dem angefochtenen Bescheid übernommen werden. Die Feststellungen des angefochtenen Bescheides wurden in einem unbedenklichen Ermittlungsverfahren getroffen, beruhen auf einer richtigen Beweiswürdigung und wurden in der Beschwerde nicht substantiiert bestritten.
3. Rechtliche Beurteilung
Zu A)
Das AsylG 2005 regelt im 7. Hauptstück die Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen sowie das Verfahren zur Erteilung derselben. Die darin enthaltenen Bestimmungen lauten - soweit im gegenständlichen Fall relevant - auszugsweise:
"Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK
§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine ‚Aufenthaltsberechtigung plus' zu erteilen, wenn
1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und
2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG) erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.
(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine ‚Aufenthaltsberechtigung' zu erteilen.
...
Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln
Antragstellung und amtswegiges Verfahren
§ 58. (1) [...]
(2) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 ist von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.
(3) Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.
(4) Das Bundesamt hat den von Amts wegen erteilten Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 oder 57 auszufolgen, wenn der Spruchpunkt (Abs. 3) im verfahrensabschließenden Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist. Abs. 11 gilt.
(5) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 sind persönlich beim Bundesamt zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen.
(6) Im Antrag ist der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.
(7) Wird einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 stattgegeben, so ist dem Fremden der Aufenthaltstitel auszufolgen. Abs. 11 gilt.
(8) Wird ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 zurück- oder abgewiesen, so hat das Bundesamt darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.
(9) Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige
1. sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,
2. bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder
3. gemäß § 95 FPG über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist
soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.
(10) Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. [...]
(11) Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist
1. das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs. 4) ohne weiteres einzustellen oder
2. der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen.
Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.
(12) [...].
(13) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. ...
(14) Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, durch Verordnung festzulegen, welche Urkunden und Nachweise allgemein und für den jeweiligen Aufenthaltstitel dem Antrag jedenfalls anzuschließen sind. Diese Verordnung kann auch Form und Art einer Antragstellung, einschließlich bestimmter, ausschließlich zu verwendender Antragsformulare, enthalten."
Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1803 BlgNR 24. GP 50) legen zur Bestimmung des § 58 Abs. 10 AsylG Folgendes dar:
"Der neue (Abs. 10) entspricht im Wesentlichen § 44b NAG in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011. Mit der Neuerrichtung des Bundesamtes und der damit einhergehenden Verfahrensvereinfachung und organisatorischen Umstrukturierung ist die Einbindung der zuständigen Sicherheitsdirektion entfallen. Die Beurteilung bzw. Prüfung erfolgt nun durch das Bundesamt. Dementsprechend sind Anträge als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 iVm § 53 Abs. 2 oder 3 FPG besteht und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Diese inhaltliche Neubewertung des Sachverhaltes hat sich lediglich auf den Zeitraum zwischen der rechtskräftigen Entscheidung nach dem FPG bis zur Entscheidung des zugrundeliegenden Antrages auf Erteilung des Aufenthaltstitels zu beziehen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass - im Rahmen einer Neubewertung - wenn ein maßgeblich geänderter Sachverhalt im Sinne des Art. 8 EMRK vorliegt, ein Aufenthaltstitel zu erteilen sein wird."
§ 10 Abs. 3 AsylG lautet:
"(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt."
§ 52 Abs. 3 FPG lautet:
"(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird."
Die zur Vorgängerregelung des § 58 Abs. 10 AsylG (also zu § 44b Abs. 1 NAG) ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auf die Auslegung des § 58 Abs. 10 AsylG zu übertragen (dazu VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101). Nach dieser Rechtsprechung liegt ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht erst dann vor, wenn der vorgebrachte Sachverhalt auch konkret dazu führt, dass nunmehr der begehrte Aufenthaltstitel erteilt werden müsste. Vielmehr läge ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nur dann nicht vor, wenn die geltend gemachten Umstände von vornherein keine solche Bedeutung aufgewiesen hätten, die eine Neubeurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK geboten hätte. Nur in einem solchen Fall ist eine - der Sache nach der Zurückweisung wegen entschiedener Sache nachgebildete - Zurückweisung (nunmehr) gemäß § 58 Abs. 10 AsylG zulässig (VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101 mit Hinweisen auf VwGH 22.07.2011, 2011/22/0127; 05.05.2015, Ra 2014/22/0115).
Der Sache nach ist der Zurückweisungsgrund gemäß § 58 Abs. 10 AsylG (vormals § 44b Abs. 1 Z 1 NAG) der Zurückweisung wegen entschiedener Sache (§ 68 Abs. 1 AVG) nachgebildet. Die zu § 68 Abs. 1 AVG entwickelten Grundsätze für die Beurteilung, wann eine Änderung des Sachverhaltes als wesentlich anzusehen ist, können daher auch für die Frage, wann eine maßgebliche Sachverhaltsänderung iSd § 44b Abs. 1 NAG vorliegt, herangezogen werden. Demnach ist eine Sachverhaltsänderung dann wesentlich, wenn sie für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die rechtskräftige Entscheidung gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann. Die Erlassung eines inhaltlich anderslautenden Bescheides (bezogen auf § 58 Abs. 10 AsylG: eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 EMRK) muss also zumindest möglich sein; in dieser Hinsicht hat die Behörde eine Prognose zu treffen. Dabei ist die Wesentlichkeit der Sachverhaltsänderung nach der Wertung zu beurteilen, die das geänderte Sachverhaltselement in der seinerzeitigen Entscheidung erfahren hat. Für diese Prognose ist eine Gesamtbetrachtung anzustellen (vgl. VwGH 09.09.2013, 2013/22/0161; 09.09.2013, 2013/22/0215, mwN).
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 12.11.2015, Ra 2015/21/0101, ausführlich auf den inhaltlichen Gleichklang der Beurteilung eines Eingriffs in das Privat- und Familienleben eines Fremden bei Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung einerseits und der Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG andererseits hingewiesen (vgl. auch VwGH 28.01.2016, Ra 2016/21/0006; 30.06.2016, Ra 2016/21/0103).
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt zu der durch das VwGVG neu geschaffenen Rechtslage ausgesprochen (vgl. VwGH 18.12.2014, Ra 2014/07/0002-0003; 26.02.2015, Ra 2014/22/0152- 0153;
23.06.2015, Ra 2015/22/0040; 16.09.2015, Ra 2015/22/0082-0083;
12.10.2015, Ra 2015/22/0115), dass - wenn die Behörde in erster Instanz den Antrag zurückgewiesen hat - das Verwaltungsgericht lediglich befugt ist, darüber zu entscheiden, ob die von der Behörde ausgesprochene Zurückweisung als rechtmäßig anzusehen ist, dies allein bildet den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.
Der Beschwerdeführer machte sowohl im verfahrenseinleitenden Antrag als auch in der Beschwerde fast ausschließlich Umstände geltend, die schon zum Zeitpunkt des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes über die gegen ihn erlassene Rückkehrentscheidung (26.06.2017) bestanden haben (bisherige Integrationsschritte, ehrenamtliche Tätigkeit, Aktivität im Fußballverein etc.) und es lässt sich aus seinem Antrag insofern nichts erkennen, was auf einen zu seinen Gunsten "geänderten" Sachverhalt hindeuten würde. Soweit in seinem Vorbringen Ansätze von Elementen einer "Änderung" zu erkennen sind (bedingte Einstellungszusage vom 19.07.2017, neues Unterstützungsschreiben vom 27.11.2017), ist festzuhalten, dass unter Bedachtnahme auf die seit der Rückkehrentscheidung (26.06.2017) vergangene Zeit und unter Würdigung der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Umstände nicht gesehen werden kann, dass Sachverhaltsänderungen vorlägen, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen bei der hier anzustellenden Prognose den Schluss zugelassen hätten, es wäre - auch im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung - eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 EMRK zumindest möglich (vgl. zu ähnlichen Konstellationen VwGH 23.02.2012, 2012/22/0002; 19.12.2012, 2012/22/0202; 17.04.2013, 2013/22/0006; 09.09.2013, 2013/22/0215; zu Fällen der Aufenthaltstitelbeantragung nach einer Zeit von weniger als zwei Jahren nach rechtskräftiger Rückkehrentscheidung und mehr als zehnjährigem Aufenthalt, bei Erwerb von Sprachkenntnissen sowie Vorlage von Einstellungszusagen vgl. VwGH 12.10.2015, Ra 2015/22/0074; 22.07.2011, 2011/22/0138-0140).
Die Zurückweisung des gem. § 55 AsylG vom Beschwerdeführer gestellten Antrags erfolgte daher zu Recht.
Das Bundesverwaltungsgericht ist auch der Auffassung, dass die im
angefochtenen Bescheid gewählte Vorgangsweise, die Zurückweisung
nicht mit einer neuerlichen Rückkehrentscheidung zu verbinden,
rechtens war. Zwar sieht der Gesetzeswortlaut eine Verbindung sowohl
einer Ab- als auch einer Zurückweisung des Antrags nach § 55 AsylG
mit einer Rückkehrentscheidung vor (und zwar gemäß § 52 Abs. 3 FPG
unterschiedslos, nach § 10 Abs. 3 AsylG jedoch - im Widerspruch zu §
52 Abs. 3 FPG - "nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z
1 bis 3 AsylG 2005 vorliegt."). Das erkennende Gericht geht davon
aus, dass der Gesetzgeber bei diesen Regelungen den Fall der
Zurückweisung wegen bereits durch ergangene Rückkehrentscheidung
entschiedener Sache nicht bedacht hat und dass der Regelungsgehalt
des § 52 Abs. 3 FPG und des § 10 Abs. 3 AsylG vor dem Hintergrund
des Normzwecks (keine neuerliche Entscheidung bei bereits
entschiedener Sache, gerade angesichts dessen, dass über alle
Aspekte, die bei einem Aufenthaltstitel gem. § 55 AsylG relevant
sind, bei Erlassung der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung bereits
entschieden wurde) nicht für Fälle der Zurückweisung nach § 58 Abs.
8 AsylG zum Tragen kommt. Die bisher dazu ergangene Rechtsprechung
des Verwaltungsgerichtshofes ist - soweit ersichtlich - für diesen
Fall nicht einschlägig, sondern betraf andere Arten der
Zurückweisung, z.B. wegen Nichtmitwirkung im Verfahren gemäß § 58
Abs. 11 Z 2 AsylG; (vgl. zum Ganzen die Entscheidung des BVwG vom
28.06.2018, W230 1434970-3/3E, sowie insbesondere VwGH 14.04.2016,
Ra 2016/21/0077 [=VwSlg. 19.347 A/2016]; 17.11.2016, Ra 2016/21/0200
[=VwSlg. 19.482 A/2016]; 17.05.2017, Ra 2017/22/0059; 21.09.2017, Ra
2017/22/0128).
Zu B) Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG wegen nicht eindeutiger Rechtslage und bislang dazu - soweit ersichtlich - fehlender Rechtsprechung des VwGH aus den oben ausgeführten Gründen zulässig. Die Entscheidung hängt von dieser Rechtsfrage ab, weil es bei einer anderen als der hier vertretenen Sichtweise in Betracht käme, die Nichtbeachtung des Gebots des § 10 Abs. 3 AsylG und § 52 Abs. 3 FPG zum Anlass einer Behebung des angefochtenen Bescheides zu machen.
Schlagworte
Aufenthaltsrecht, Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W133.2110849.2.00Zuletzt aktualisiert am
21.12.2018