TE Bvwg Beschluss 2018/10/11 I419 1408566-2

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Veröffentlicht am 11.10.2018
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Entscheidungsdatum

11.10.2018

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

I419 1408566-2/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Dr. Tomas JOOS als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. NIGERIA, vertreten durch RA Edward W. DAIGNEAULT, gegen den Bescheid des Bundeamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 04.10.2018, Zl. XXXX:

A) Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 rechtmäßig.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste erstmals 2008 illegal ein und beantragte internationalen Schutz. Er habe seines Vaters Rolle in einer okkulten Vereinigung nach dessen Tod nicht übernommen, weshalb man ihm nach dem Leben trachte.

Den abweisenden Bescheid des BAA samt Ausweisung in den Herkunftsstaat hat der AsylGH 2010 bestätigt.

2. Spätestens Anfang 2013 reiste der Beschwerdeführer in den Herkunftsstaat und ließ sich dort einen Reisepass ausstellen. Mit diesem gelangte er am 26.02.2015 von Lagos nach Rom. Ein Monat später reiste er aus Italien kommend neuerlich in Österreich ein.

3. Das BFA erließ gegen den Beschwerdeführer am 11.07.2018 eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass dessen Abschiebung in den Herkunftsstaat zulässig ist und verhängte ein fünfjähriges Einreiseverbot. Mangels Beschwerde wurde dieser Bescheid am 11.08.2018 rechtskräftig.

4. Seit 14.09.2018 befindet sich der Beschwerdeführer in Schubhaft. Am 26.09.2018 stellte er einen Folgeantrag und gab an, er habe in einer genannten österreichischen Stadt Frau und zwei Kinder. Im Herkunftsstaat habe er wegen seiner Zugehörigkeit zur Biafra-Gruppierung die Todesstrafe zu befürchten. Am 02.10.2018 ergänzte er, am 07.11.2014 verhaftet und zwei Monate festgehalten worden zu sein, drei Wochen darauf sei er wieder verhaftet worden, wobei ihm und 16 Anderen nach drei weiteren Wochen durch Bestechung die Flucht gelungen sei. Anschließend sei er von Togo nach Italien geflogen.

Er sei seit 2015 wieder mit seiner "Frau" zusammen und durchgehend in Österreich. Für den 13.10.2018 sei eine Hochzeit vorgesehen.

5. Mit dem nun angefochtenen Bescheid hob das BFA am 02.10.2018 gegenüber dem Beschwerdeführer den faktischen Abschiebeschutz auf und begründete das damit, dass der Folgeantrag voraussichtlich zurückzuweisen sein werde, da keine wesentliche Änderung des Sachverhalts erkennbar sei. Die Rückkehrentscheidung sei aufrecht und würde keinen Eingriff in die durch Art. 2, 3 und 8 EMRK geschützten Rechte bedeuten.

Anschließend an die mündliche Verkündung des Bescheids gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, Beschwerde dagegen zu erheben, wobei er auf sein Vorbringen verwies.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I getroffenen Ausführungen werden als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

1.1 Zur Person des Fremden

Der volljährige Beschwerdeführer ist ledig, katholisch Angehöriger der Volksgruppe der Ibo, arbeitsfähig und gesund. Er spricht Ibo und Englisch sowie ein wenig Deutsch, ohne eine Sprachprüfung nachgewiesen zu haben.

Der Beschwerdeführer hat zwei, 2010 und 2012 geborene Kinder mit österreichischer Staatsbürgerschaft, die seit 2016 in einem Kinderdorf wohnen. Das Sorgerecht kommt den Angaben des Beschwerdeführers zufolge der Mutter zu, die weiter im benachbarten Bundesland wohnt. Er führt im Inland kein Familienleben und keine Lebensgemeinschaft. Der Beschwerdeführer weist kein schützenswertes Privatleben, keine Einkünfte und keine Mittel zu seinem Unterhalt im Bundesgebiet auf. Er hat außerhalb der Schubhaft keinen Wohnsitz im Inland und ist hier nie einer legalen Erwerbsarbeit nachgegangen.

Nach eigenen Angaben stellt er mit der Kindesmutter gemeinsam Zeitungen zu und leistet für die Kinder Unterhalt im Ausmaß von monatlich € 150,--.

Er hat mit der genannten Mutter in den Jahren 2010 bis 2013 dreimal den Wohnsitz geteilt, zusammen für 1,6 Jahre. Der Beschwerdeführer beantragte am 03.10.2011 erfolglos eine Aufenthaltskarte als Angehöriger von Österreichern. Seit 08.02.2013 war er abgesehen von der derzeitigen Schubhaft nirgends im Inland mehr gemeldet.

Eine entscheidungswesentliche Änderung des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers ist seit der Rückkehrentscheidung nicht eingetreten.

Der Beschwerdeführer wurde je viermal wegen des Verdachts der Körperverletzung und des Verdachts des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften und zweimal wegen des Verdachts der gefährlichen Drohung angezeigt. Er ist dennoch strafrechtlich unbescholten.

Mit seinem Reisepass reiste der Beschwerdeführer am 30.01.2013 vom Flughafen Lagos mit unbekanntem Ziel ab, am 31.12.2014 reiste er an diesem Flughafen wieder in den Herkunftsstaat ein. Er war bis 06.07.2016 Inhaber eines ungarischen Aufenthaltstitels "Kind mit EU-Bürger". Eine Verlängerung hat er nicht beantragt.

1.2 Zur Lage im Herkunftsstaat

Im angefochtenen Bescheid wurden die aktuellen Länderinformationen zu Nigeria zitiert. Im Beschwerdeverfahren sind keine Änderungen dieser entscheidenden Sachverhaltselemente bekannt geworden. Im gegebenen Zusammenhang sind daher mangels sonstiger Bezüge zum Vorbringen die folgenden Informationen von Relevanz und werden festgestellt:

1.2.1 Opposition inkl. MASSOB und IPOB

Die politische Opposition kann sich grundsätzlich frei betätigen. Das gilt auch für die seit 1999 regierende PDP, die seit den letzten Wahlen im März 2015 nun zum ersten Mal in der Opposition ist (AA 21.11.2016). Die Verfassung und die Gesetze erlauben die freie Bildung politischer Parteien (USDOS 3.3.2017).

Gelegentlich sind jedoch Eingriffe seitens der Staatsgewalt zu verzeichnen. Dies betrifft vor allem Gruppen mit sezessionistischen Zielen. Dem Auswärtigen Amt liegen keine Erkenntnisse über die Verfolgung von Exilpolitikern durch die nigerianische Regierung vor (AA 21.11.2016).

Im Süden und Südosten Nigerias kommt es zu Demonstrationen, bei denen ein unabhängiger Staat Biafra gefordert wird (AI 24.2.2016). Gegen die Movement for the Actualisation of the Sovereign State of Biafra (MASSOB), deren Mitglieder der Ethnie der Igbo angehören und die größere Selbständigkeit für den Südosten des Landes reklamiert, gingen die Sicherheits-organe in der Vergangenheit teilweise massiv vor (AA 21.11.2016). Weiters gibt es auch die separatistische Biafra-Bewegung Indigenous People of Biafra (IPOB), die im Jahr 2012 gegründet wurde (NZZ 30.5.2017).

Seit dem Regierungswechsel 2015 und der zwischenzeitlichen Verhaftung eines der Führer der Biafra-Bewegung, dem Direktor des in London ansässigen und inzwischen in Nigeria verbotenen Radiosenders "Radio Biafra" Nnamdi Kanu im Oktober 2015, kommt es verstärkt zu politischen Demonstrationen von Anhängern der Biafra-Bewegung, denen die Regierung gewaltsam begegnet sein soll (AA 4.2017a).

Amnesty International berichtet, dass nigerianische Sicherheitskräfte mindestens 150 Menschen töteten (AI 24.11.2016) und Hunderte willkürlich verhafteten (USDOS 3.3.2017), die im Südosten des Landes zwischen August 2015 und August 2016 für die Unabhängigkeit Biafras von Nigeria demonstrierten. Eingeschlossen ist die Zahl von Biafra-Aktivisten, die am 30.5.2016, dem Biafra-Gedenktag, getötet wurden. An dem Tag trafen sich in Onitsha im Bundesstaat Anambra rund 1.000 Unterstützer der IPOB. Sicherheitskräfte erschossen an mehreren Orten willkürlich Menschen. In der Nacht vor der Versammlung stürmten Sicherheitskräfte Häuser und eine Kirche, in denen IPOB-Mitglieder übernachteten. Amnesty International geht davon aus, dass an den beiden Tagen insgesamt mindestens 60 Menschen getötet, 79 verletzt (AI 24.11.2016). Mit Stand Dezember 2016 wurden diese Vorfälle von der Regierung noch nicht untersucht (USDOS 3.3.2017).

Am 30.5.2017 jährte sich die Erklärung einer unabhängigen Republik Biafra im Südosten Nigerias, die den nigerianischen Bürgerkrieg ausgelöst hatte, zum fünfzigsten Mal. Gemäß AFP blieben Läden, Schulen und Geschäfte im Südosten Nigerias geschlossen, und die staatlichen Sicherheitskräfte waren sichtbar präsent. Der Anführer der Bewegung IPOB, Nnamdi Kanu, erklärte, es ginge ihm um zivilen Ungehorsam, um ein Referendum über die Selbstbestimmung der Region herbeizuführen. Die nigerianische Polizei hatte angekündigt, bei einem Bruch des Friedens oder unrechtmäßigen Protesten entschieden zu handeln. Gemäß einem von AFP zitierten Sprecher der Armee seien die Sicherheitsvorkehrungen im Südosten an tatsächlichen oder möglichen Krisenherden verstärkt worden. Laut Amnesty International wurden mehr als 100 Mitglieder zweier Pro-Biafra-Gruppen, des MASSOB und des Biafra Independent Movement (BIM), in den Staaten Enugu, Ebonyi und Cross Rivers am 22.5.2017 während Feiern im Vorfeld des Jahrestages festgenommen (SFH 22.6.2017).

1.2.2 Behandlung nach Rückkehr

Zum Zeitpunkt der Berichtslegung kann aufgrund der dargelegten Gründe kein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen generell festgestellt werden, welcher geeignet wäre, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Der pauschale Hinweis eines Asylwerbers auf die allgemein herrschende Situation in Nigeria reicht nicht aus, um eine Bedrohung iSv Art. 2 MRK, 3 MRK oder des Protokolls Nr. 6 oder 13 der EMRK darzustellen. Es kann allgemein festgestellt werden, dass in Nigeria eine zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird und ihre existenziellen Grundbedürfnisse, aus selbstständiger Arbeit, sichern kann, insbesondere dann wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖBA 9.2016).

Abschiebungen erfolgen auf dem Luftweg, in Linien- oder Chartermaschinen. Rückführungen aus EU-Staaten erfolgen meist durch Charterflüge, die auch durch FRONTEX durchgeführt werden. Ohne gültigen nigerianischen Pass oder einen von einer nigerianischen Botschaft ausgestellten vorläufigen Reiseausweis ist eine Einreise aus Europa kommender nigerianischer Staatsangehöriger nicht möglich. Dies gilt auch für zwangsweise Rückführungen. Die Einwanderungsbehörde führt ein Fahndungsbuch, anhand dessen bei aus dem Ausland zu-rückkehrenden Nigerianern eine Überprüfung bereits bei Ankunft am Flughafen erfolgt: Bei Notierung im Fahndungsbuch wird der Betreffende noch im Flughafengebäude verhaftet; im anderen Fall wird der betroffenen Person ein vorläufiges Identifikationspapier durch die nigerianische Einwanderungsbehörde ausgestellt, wenn sie lediglich über einen vorläufigen Reiseausweis einer nigerianischen Botschaft verfügt (AA 21.11.2016).

Erkenntnisse darüber, ob abgelehnte Asylbewerber bei Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben, liegen dem Auswärtigen Amt nicht vor. Verhaftung bei Rückkehr aus politischen Gründen oder andere außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise von abgeschobenen oder freiwillig ausgereisten Asylbewerbern aus Deutschland sind nicht bekannt. Abgeschobene Personen werden im Allgemeinen nach ihrer Ankunft in Lagos von der Nigerianischen Immigrationsbehör-de (Nigerian Immigration Service), manchmal auch der Drogenpolizei (National Drug Law Enforcement Agency/NDLEA) befragt und können danach das Flughafengelände unbehelligt verlassen (AA 21.11.2016). Die österreichische Botschaft in Abuja unterstützt regelmäßig die Vorbereitung und Durchführung von Joint Return Operations im Rahmen von FRONTEX als "lead nation". Die Erfahrungen seit dem Jahre 2005 lassen kaum Probleme erkennen. Die Rückgeführten verlassen das Flughafengebäude und steigen meistens in ein Taxi ein oder werden von ihren Familien abgeholt. Probleme, Anhaltungen oder Verhaftungen von rückgeführten Personen bei ihrer Ankunft am Flughafen Lagos wurden im Rahmen des Monitoring der Ankunft und des ungehinderten Verlassens des Flughafengeländes durch Vertreter der Botschaft nicht beobachtet. Es kann jedoch nicht mit gänzlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die abgeschobenen Personen keine weiteren Probleme mit offiziellen Behörden haben. Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt allerdings darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist (ÖBA 9.2016).

Im Ausland straf- oder polizeilich auffällig gewordene Personen, insbesondere Prostituierte, werden in ihren Herkunfts-Bundesstaat überstellt. Wegen Drogendelikten im Ausland verurteilte Nigerianer werden nach Rückkehr an die NDLEA überstellt. Ein zweites Strafverfahren in Nigeria wegen derselben Straftat haben diese Personen jedoch trotz anderslautender Vorschriften im "Decree 33" nicht zu befürchten. Im Mai 2012 erhielt die Deutsche Botschaft in Abuja ein Schreiben des nigerianischen Justizministers mit der Bestätigung der Nichtanwendung des "Decree 33" (AA 21.11.2016). Da die österreichische Botschaft stets "overstay" als Abschiebungsgrund angibt, sind Verhaftungen bei Ankunft in Nigeria unwahrscheinlich. Dadurch ist das "Dekret 33" nicht geeignet, ein Rückschiebungshindernis für eine Person darzustellen (ÖBA 9.2016).

Staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen für zurückkehrende unbegleitete Minderjährige sind in Lagos grundsätzlich vorhanden. Sie sind jedoch in schlechtem Zustand, so dass z. B. eine ausreichende Versorgung von minderjährigen Rückkehrern dort nicht ohne weiteres gewährleistet wäre (AA 21.11.2016).

1.3 Zu den Fluchtmotiven

Die geltend gemachte Verfolgung hat so wie beschrieben nicht stattgefunden. Es ist nicht möglich, dass der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat zwei Monate ab dem 07.11.2014 inhaftiert war und währenddessen am 31.12.2014 auf dem Luftweg in den Herkunftsstaat einreiste.

Er hat noch am 23.04.2018 auf die Frage nach dem Grund seiner Einreise den Besuch der Kinder genannt, jedoch weder Verfolgung erwähnt noch einen Folgeantrag gestellt, bis er zwei Monate später in Schubhaft genommen wurde.

Es ist nicht ersichtlich, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Eine entscheidungswesentliche Änderung der Ländersituation im Herkunftsstaat ist seit der Rückkehrentscheidung nicht eingetreten, insbesondere nicht auf das Vorbringen bezogen. Es existieren keine Umstände, welche einer Abschiebung entgegenstünden.

Nach all dem wird das BFA aller Voraussicht nach feststellen, dass keine entscheidungswesentliche Änderung des Sachverhalts eingetreten ist. Der Folgeantrag wird daher voraussichtlich vom BFA zurückzuweisen sein.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und der festgestellte Sachverhalt ergaben sich überwiegend aus dem Inhalt der Verwaltungsakten des BFA sowie des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes und den Feststellungen im Erkenntnis des AsylGH A12 408.566-1/2009/7E im ersten Asylverfahren. Ergänzend wurden das Register der Sozialversicherungen, das ZMR und das Strafregister abgefragt.

2.1 Zur Person des Beschwerdeführers

Die Identität des Beschwerdeführers steht bereits auf des seines Reisepasses fest. Die Unbescholtenheit ergab sich aus dem Strafregister. Er hat am 02.10.2018 angegeben, es gehe ihm gut (dies auch am 04.10.2018), und er sei weder in ärztlicher Behandlung noch nehme er Medikamente (AS 117, 201). Daraus und aus dem Alter folgten Gesundheit und Arbeitsfähigkeit.

Der Beschwerdeführer hat am 23.04.2018 angegeben, er habe eine namentlich genannte Freundin im Inland. Wie dem ZMR zu entnehmen war, handelt es sich um eine ungarische Staatsangehörige, die zu keiner Zeit einen gemeinsamen Wohnsitz in Österreich mit dem Beschwerdeführer hatte. Mit der - demgegenüber österreichischen - Mutter der Kinder hat er seit fünf Jahren keinen Wohnsitz mehr. Wenn er am 02.10.2018 auf eine 11 Tage später vorgesehene Hochzeit verweist, obwohl er 5 1/2 Monate vorher eine andere Freundin nannte, wäre zu erwarten, dass dazu Bescheinigungsmittel wie Einladung, Niederschrift des Standesamts oder Reservierung in einem Gastgewerbebetrieb vorgelegt würden.

Am 23.04.2018 hat er angegeben, in der Vorwoche aus Ungarn gekommen zu sein, von wo er alle zwei Wochen komme, um seine Kinder zu besuchen, am 26.09.2018 gab er dagegen an, seit 17.07.2014 wieder in Österreich zu sein. Am 02.10.2018 schließlich gab er an, am 27.03.2015 einreist und seither durchgehend im Bundesgebiet zu sein.

Aus diesen widersprüchlichen Angaben, der fehlenden Wohnsitzmeldung im Inland und der Unterbringung der minderjährigen Kinder in einem Kinderdorf, folgert das Gericht, dass der Beschwerdeführer kein Familienleben führt, zumal sich der im Bescheid vom 11.07.2018 zitierten Auskunft des Kinderdorfs zu entnehmen ist, dass dort lediglich ein einziger Besuch des Beschwerdeführers im Jahr 2018 bis zum 05.07.2018 erfolgte, und er telefonisch nur zu seinem Sohn Kontakt habe, nicht aber zur Tochter.

Außer den bereits genannten Personen ist nur noch eine weitere Frau aus dem Bekanntenkreis der Kindesmutter als Privatleben aktenkundig, die allerdings das Opfer der zuletzt angezeigten gefährlichen Drohung seitens des Beschwerdeführers war, weshalb auch ein Betretungsverbot verhängt wurde (AS 201). Dieser hat sie am 13.09.2018 seine Lebensgefährtin genannt, dies am 04.10.2018 jedoch bestritten. Andere Hinweise auf ein schützenswertes Privatleben wie eine gesicherte Unterkunft, legale Arbeit oder Unterhaltsmittel fehlen.

2.2 Zur Lage im Herkunftsland

Die oben wiedergegebenen Länderfeststellungen sind bereits im Bescheid vom 11.07.2018 enthalten und wurden vom Beschwerdeführer nicht bestritten. Daher konnte eine entscheidungswesentliche Änderung der Ländersituation im Herkunftsstaat verneint werden.

2.3 Zu den Fluchtmotiven des Fremden

Der Beschwerdeführer brachte kein im Kern glaubhaftes neues Fluchtvorbringen vor. Bereits im Verfahren betreffend die Rückkehrentscheidung vom 11.07.2018 wären die vom Beschwerdeführer nun geltend gemachten Umstände diesem längst bekannt gewesen. Spätestens nach Ablauf seines ungarischen Aufenthaltstitels 2016 wäre zu erwarten gewesen, dass er diese geltend macht.

Angesichts dessen wird das BFA mit großer Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung des Beschwerdeführers aus Konventionsgründen nicht erkennen und keine neue inhaltliche Entscheidung über den Folgeantrag erlassen, sondern diesen wegen Nichtvorliegens entscheidungswesentlicher Änderungen im Sachverhalt zurückweisen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes.

Nach § 12a Abs. 2 AsylG 2005 kann das BFA unter anderem dann den faktischen Abschiebeschutz eines Fremden aufheben, der einen Folgeantrag gestellt hat, wenn dieser voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist (Z. 2), und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde (Z. 3).

Weiter ist vorausgesetzt, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht (Z. 1).

Die angeführte Rückkehrentscheidung ist rechtskräftig. Wie auch bereits dargetan, ist kein neues Vorbringen erstattet worden, von dem anzunehmen wäre, dass es beachtlich im Sinne einer materiellen Erledigung anstelle einer Zurückweisung wegen entschiedener Sache wäre.

Nach § 68 AVG hat die Behörde Anbringen von Beteiligten, die eine Abänderung eines der formell rechtskräftigen Bescheides begehren, grundsätzlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Ausnahmen dazu bilden die Fälle der Wiederaufnahme des Verfahrens und der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach §§ 69 und 71 AVG sowie die in § 68 Abs. 2 bis 4 AVG vorgesehenen Arten von Abänderungen und Behebungen, auf die kein Rechtsanspruch besteht.

Die vorgesehenen Ausnahmen kommen nach dem Inhalt der Akten im vorliegenden Fall nicht zum Tragen, insbesondere handelt es sich bei den vorgebrachten Tatsachenbehauptungen weder um plausible nachträglich eingetretene Änderungen noch um nachträglich hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel, die geeignet wären, eine andere Entscheidung herbeizuführen.

Daher ist davon auszugehen, dass die in § 68 AVG grundsätzlich vorgesehene Zurückweisung als Erledigung des BFA zu erwarten ist.

Im Verfahren sind keine Umstände bekannt geworden, die nahelegen würden, dass für den Beschwerdeführer neuerdings ein "reales Risiko" einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenen Behandlung oder der Todesstrafe besteht.

Betreffend die Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK ist festzuhalten, dass sich betreffend das Bedrohungsszenario (Art. 2 oder 3 EMRK) voraussichtlich keine Änderung gegenüber dem Asylbescheid für den Beschwerdeführer ergeben wird, zumal die Länderfeststellungen unverändert sind, und auch betreffend das Privat- und Familienleben die maßgeblichen Aspekte gegenüber dem Zeitpunkt der Rückkehrentscheidung (vor drei Monaten) soweit unverändert sind, dass auch diesbezüglich keine andere Rechtsfolge eintreten wird.

Daraus ergibt sich, dass der Beschwerdeführer einen Folgeantrag im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 23 AsylG 2005 gestellt hat, und die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 Z. 1 bis 3 AsylG 2005 vorliegen, weil dem Beschwerdeführer keine asylrelevante Verfolgung droht. Nach all dem wird der Folgeantrag des Beschwerdeführers voraussichtlich zurückzuweisen sein, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes eingetreten ist.

Somit sind die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 gegeben, sodass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes nicht rechtswidrig ist. Damit hatte das Gericht wie im Spruch zu entscheiden. Die Entscheidung war mit Beschluss zu treffen, da § 22 Abs. 10 AsylG 2005 dies so vorsieht. Nach § 22 Abs. 1 BFA-VG hatte auch keine Verhandlung stattzufinden.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zum faktischen Abschiebeschutz und den Voraussetzungen seiner Aufhebung in Folgeverfahren oder zur Zurückweisung wegen entschiedener Sache und zur Beurteilung gesteigerten Vorbringens in Folgeverfahren. Weiter ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.

Schlagworte

faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig, Folgeantrag,
Glaubwürdigkeit, Vorbringen, Zeitpunkt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:I419.1408566.2.00

Zuletzt aktualisiert am

21.12.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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