TE Vwgh Erkenntnis 1999/9/20 96/21/0350

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Veröffentlicht am 20.09.1999
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §6 Abs1;
AsylG 1991 §6 Abs2;
AsylG 1991 §7 Abs1;
AVG §37;
FrG 1993 §17 Abs2 Z6;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des H in Wien, geboren am 2. Jänner 1966, vertreten durch Dr. Wolfgang G. Kretschmer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wiesingerstraße 6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 8. August 1995, Zl. Fr 1281/95, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 17 Abs. 2 Z. 4 und 6 und Abs. 3 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich aus.

Zur Begründung führte sie aus: Der Beschwerdeführer sei am 8. Februar 1995 "illegal" in das Bundesgebiet eingereist und nicht im Besitz eines Reisedokuments gewesen. Sein Asylantrag vom 13. Februar 1995 sei gemäß § 3 des Asylgesetzes 1991 abgewiesen worden. Eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung komme dem Beschwerdeführer nicht zu, weil "der Tatbestand der direkten Einreise ... nicht vorgefunden werden konnte". Der rechtskräftige Abschluss des Asylverfahrens sei für die Zuständigkeit der Fremdenpolizeibehörde nicht erforderlich. Der Beschwerdeführer habe den Tatbestand der Umgehung der Grenzkontrolle des § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG erfüllt und sei innerhalb eines Monats nach seiner Einreise betreten worden. Weiters besitze der Beschwerdeführer nicht die Mittel zu seinem Unterhalt. Eine Bestätigung der Caritas über die Unterbringung und Versorgung reiche für die Erbringung des Nachweises der Mittel zum Unterhalt nicht aus. Es seien somit sämtliche Tatbestandsmerkmale der zitierten gesetzlichen Bestimmungen erfüllt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 17 Abs. 2 Z. 4 und 6 FrG idF vor der FrG-Novelle 1996 (BGBl. Nr. 436) können Fremde im Interesse der öffentlichen Ordnung mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie innerhalb eines Monats nach der Einreise den Besitz der Mittel zu ihrem Unterhalt nicht nachzuweisen vermögen (Z. 4) oder wenn sie unter Missachtung der Bestimmungen des 2. Teiles des Fremdengesetzes oder unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist sind und binnen eines Monats betreten werden (Z. 6).

Der Beschwerdeführer lässt die Feststellung im angefochtenen Bescheid unbekämpft, dass er nach Österreich eingereist ist, ohne im Besitz eines Reisedokumentes zu sein. Da der Beschwerdeführer weiters fünf Tage nach seiner Einreise bei Stellung eines Asylantrages Behördenkontakt hatte, somit innerhalb der normierten Monatsfrist betreten wurde, hegt der Verwaltungsgerichtshof gegen die Annahme der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG erfüllt sei, keine Bedenken.

Dennoch ist der Beschwerde - ungeachtet der Frage, ob auch der Tatbestand des § 17 Abs. 2 Z. 4 FrG erfüllt ist - Erfolg beschieden. Der Beschwerdeführer ist zwar nicht direkt aus seinem Heimatstaat eingereist, in dem Verfolgung befürchten zu müssen er behauptet, weshalb ihm ein vorläufiges Aufenthaltsrecht gemäß § 7 Abs. 1 iVm § 6 Abs. 1 Asylgesetz 1991 nicht zukommt. Ein vorläufiges Aufenthaltsrecht steht einem Asylwerber jedoch gemäß § 7 Abs. 1 iVm § 6 Abs. 2 leg. cit. dann zu, wenn dieser in den Durchreisestaaten verfolgt oder von einer Rückschiebung bedroht gewesen ist und daher wegen des Vorliegens der in § 37 Abs. 1 oder 2 FrG genannten Gründe bei seiner Einreise nicht hätte zurückgewiesen werden dürfen (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 1. Juli 1999, Zl. 96/21/0074). Dazu brachte der Beschwerdeführer in seinem in den Verwaltungsakten erliegenden Antrag vom 2. März 1995 auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung gemäß § 54 FrG mit näherer Begründung vor, dass er weder in Slowenien noch in Kroatien davor sicher gewesen sei, in seine Heimat abgeschoben zu werden. Auch in seiner Beschwerde spricht der Beschwerdeführer ein vorläufiges Aufenthaltsrecht nach der zitierten Norm an. Die belangte Behörde verneinte in der Begründung des angefochtenen Bescheides das Vorliegen eines vorläufigen Aufenthaltsrechtes allein mangels einer direkten Einreise aus dem Verfolgerstaat (§ 7 Abs. 1 iVm § 6 Abs. 1 AsylG), traf jedoch zu der vom Beschwerdeführer behaupteten Rückschiebungsgefahr aus Kroatien und Slowenien in seinen Heimatstaat keine Feststellungen. Der Verwaltungsgerichtshof ist daher außerstande, bei Überprüfung des angefochtenen Bescheides auf seine Rechtmäßigkeit zu beurteilen, ob der verfügten Ausweisung ein vorläufiges Aufenthaltsrecht nach § 7 Abs. 1 iVm § 6 Abs. 2 leg. cit. entgegensteht.

Dem angefochtenen Bescheid haftet somit ein wesentlicher Verfahrensmangel an, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 20. September 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1996210350.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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