RS Vfgh 2018/12/11 UA2/2018

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Veröffentlicht am 11.12.2018
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)

Norm

B-VG Art53 Abs3, Art138b Abs1 Z7
EMRK Art8
InformationsordnungsG §6
VfGG §7 Abs1, §56i

Leitsatz

Zurückweisung der Beschwerde gegen ein näher bezeichnetes Verhalten des BVT-Untersuchungsausschusses bzw von dessen Funktionären wegen Verspätung und Unzulässigkeit; keine Möglichkeit einer Verletzung (konkreter) Persönlichkeitsrechte durch das Verhalten des BVT-Untersuchungsausschusses; kein Recht auf Rückübermittlung der Daten vom BVT-Untersuchungsausschusses an die Staatsanwaltschaft mangels gesetzlicher Regelung; Möglichkeit der Anrufung des VfGH wegen Rechtswidrigkeit der Klassifizierung der dem Nationalrat zugeleiteten Informationen nur durch das vorlagepflichtige Organ gemäß dem InformationsordnungsG

Rechtssatz

Aus dem Schreiben der beschwerdeführenden Parteien vom 11.07.2018 an die Vorsitzende, den Verfahrensrichter und den Verfahrensanwalt des BVT-Untersuchungsausschusses geht klar hervor, dass die beschwerdeführenden Parteien spätestens zu diesem Zeitpunkt Kenntnis von der "Anforderung der Daten der [beschwerdeführenden Parteien] durch den BVT-Untersuchungsausschuss" gegenüber dem Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz - BMVRDJ (lita des Beschwerdebegehrens), vom Beharren auf der Aktenvorlage trotz ausdrücklicher Mitteilung durch den BMVRDJ, dass die Daten nicht dem Untersuchungsgegenstand unterfallen (litb des Beschwerdebegehrens) sowie der fortlaufenden Besitznahme, Verwahrung und Verwertung dieser Daten durch den BVT-Untersuchungsausschuss sowie deren Zugänglichmachung an die Mitglieder des BVT-Untersuchungsausschusses (litc des Beschwerdebegehrens) hatten.

Die beschwerdeführenden Parteien brachten ihre auf Art138b Abs1 Z7 B-VG gestützte Beschwerde gegen das mit den Anträgen gemäß lita bis litc bekämpfte Verhalten der "Funktionäre des Untersuchungsausschusses" (erst) am 01.09.2018 beim VfGH ein. Zu diesem Zeitpunkt war die sechswöchige Beschwerdefrist gemäß §56i Abs2 VfGG - gerechnet vom 11.07.2018 - bereits abgelaufen.

An diesem Ergebnis ändert auch nichts, dass die beschwerdeführenden Parteien nach ihren Angaben erst durch eine Presseaussendung vom 31.08.2018 erfuhren, dass die in ihrem Schreiben an die Vorsitzende, den Verfahrensrichter und den Verfahrensanwalt des BVT-Untersuchungsausschusses gestellten "Anträge" nicht erledigt oder abgelehnt wurden. Da solche "Anträge" nicht gesetzlich vorgesehen sind, können sie die Beschwerdefrist gemäß §56i Abs2 VfGG nicht unterbrechen (oder hemmen).

Aus dem an die beschwerdeführenden Parteien gerichteten Schreiben vom 10.07.2018 geht hervor, dass BMVRDJ der Vorsitzenden des BVT-Untersuchungsausschusses unter anderem mitteilte, die Daten der beschwerdeführenden Parteien lägen, "[...] soweit die Daten aus Ermittlungsgründen für das Verfahren der Staatsanwaltschaft Linz übertragen wurden [...] ohnehin bereits als Teil des Ermittlungsaktes in lesbarer Form dem Untersuchungsausschuss" vor. Es trifft somit nicht zu, dass die beschwerdeführenden Parteien erst auf Grund einer Presseaussendung vom 31.08.2018 Kenntnis von der Lesbarkeit (zumindest eines Teils) der Daten der beschwerdeführenden Parteien durch den BVT-Untersuchungsausschuss hatten.

Unzulässigkeit bestimmter Anträge mangels Verletzung der Persönlichkeitsrechte durch das Verhalten des BVT-Untersuchungsausschusses:

Die gemäß Art53 Abs3 B-VG informationspflichtigen Organe dürfen aufgefordert werden, dem Untersuchungsausschuss jegliche Akten und Unterlagen vorzulegen, die vom Umfang des Gegenstandes des Untersuchungsausschusses gedeckt sind. Es ist dann Aufgabe des vorlagepflichtigen Organs zu prüfen, ob die Anforderung der Akten und Unterlagen tatsächlich vom Gegenstand des Untersuchungsausschusses gedeckt ist. Bestehen diesbezüglich Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Untersuchungsausschuss und dem vorlagepflichtigen Organ, können beide Seiten den VfGH im Verfahren gemäß Art138b Abs1 Z4 B-VG zur Klärung anrufen.

Von der Vorlage von Akten und Unterlagen Betroffene, wie in casu die beschwerdeführenden Parteien, haben kein Beschwerderecht gegenüber dem Untersuchungsausschuss und/oder seinen Funktionären an den VfGH im Verfahren gemäß Art138b Abs1 Z7 B-VG mit der Begründung, dass ein vorlagepflichtiges Organ dem BVT-Untersuchungsausschuss zu Unrecht Akten und Unterlagen vorgelegt hat. Den Betroffenen steht aber nach anderen Rechtsvorschriften (zB nach dem Datenschutzgesetz) die Möglichkeit offen, bei den dafür zuständigen Behörden gegen jenes Organ vorzugehen, das dem Untersuchungsausschuss behauptetermaßen zu Unrecht Akten und Unterlagen vorgelegt hat.

Unzulässigkeit der Beschwerde gegen "die Nichterledigung des Antrags auf Rückübermittlung der Daten an die Staatsanwaltschaft Linz durch die Funktionäre":

Zunächst gibt es keine gesetzliche Regelung, welche den beschwerdeführenden Parteien das Recht einräumt, einen Antrag auf Rückübermittlung von dem Untersuchungsausschuss übermittelten Daten zu stellen. Dementsprechend scheidet eine Rechtswidrigkeit des Verhaltens der Funktionäre des BVT-Untersuchungsausschusses durch Nichterledigung dahingehender Anbringen der beschwerdeführenden Parteien von vornherein aus. Dazu kommt, dass die Nichterledigung eines Antrags durch den BVT-Untersuchungsausschuss und dessen Funktionäre als solche gar nicht geeignet ist, Persönlichkeitsrechte iSd Art138b Abs1 Z7 B-VG zu verletzen.

Unzulässigkeit des Antrags, der VfGH möge "die Nichterledigung des Antrags, der BVT-Untersuchungsausschuss möge gemäß §6 Abs1 InfOG einen Vorschlag auf Umstufung der Daten auf die Stufe STRENG GEHEIM (Stufe 4) an den Präsidenten des Nationalrats erstatten, durch die Funktionäre, für rechtswidrig erklären":

Das InfOG regelt gemäß seinem §1 Abs1 "den Umgang mit klassifizierten Informationen und nicht-öffentlichen Informationen im Bereich des Nationalrates und des Bundesrates". Das InfOG sieht nicht das Recht eines von Informationen Betroffenen vor, die Klassifizierung von Informationen im Bereich des Nationalrates und des Bundesrates entsprechend den in §4 InfOG festgelegten "Klassifizierungsstufen" mit einer Beschwerde gemäß Art138b Abs1 Z7 B-VG (oder auf andere Weise) zu bekämpfen.

Die Regelungen zeigen, dass eine Anrufung des VfGH wegen behaupteter Rechtswidrigkeit der Klassifizierung von dem Nationalrat zugeleiteten Informationen nur dem Urheber der Information (hier: dem vorlagepflichtigen Organ) und dies nur unter den in §6 InfOG festgelegten Bedingungen (Entscheidung des Präsidenten des Nationalrats über einen Vorschlag eines Mitgliedes oder Ausschusses nach Gelegenheit des Urhebers zur Stellungnahme und nach Beratung in der Präsidialkonferenz; Anfechtung der Entscheidung des Präsidenten beim VfGH gemäß Art138b Abs2 B-VG wegen Rechtswidrigkeit durch den Urheber) zukommt. Eine Anrufung des VfGH durch einen von den dem Nationalrat zugeleiteten Informationen Betroffenen scheidet - auch unter dem Titel der behaupteten Verletzung von Persönlichkeitsrechten gemäß Art138b Abs1 Z7 B-VG - aus.

In VfSlg 19973/2015 hat der VfGH ausgesprochen, dass aus der umfassenden Vorlageverpflichtung eines informationspflichtigen Organs nicht die Befugnis des Untersuchungsausschusses oder seiner Mitglieder folgt, die aus den vorgelegten Akten oder Unterlagen gewonnenen Informationen in jedem Fall an die Öffentlichkeit zu bringen. Der Untersuchungsausschuss hat vielmehr bei seiner Berichterstattung regelmäßig eine Interessenabwägung zwischen privaten Geheimhaltungsinteressen und öffentlichen Interessen, zu denen unter anderem auch die Bekanntgabe der Kontrollergebnisse zählt, vorzunehmen. Diese Interessenabwägung hat der Untersuchungsausschuss - unabhängig von den Regelungen des InfOG und unabhängig von der tatsächlichen Klassifizierung der dem Untersuchungsausschuss zugeleiteten Informationen nach dem InfOG - bei seiner gesamten Tätigkeit zu beachten.

Entscheidungstexte

  • UA2/2018
    Entscheidungstext VfGH Beschluss 11.12.2018 UA2/2018

Schlagworte

Nationalrat, Untersuchungsausschuss, Datenschutz, Verschwiegenheitspflicht, Amtsverschwiegenheit, VfGH / Fristen, VfGH / Untersuchungsausschuss

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2018:UA2.2018

Zuletzt aktualisiert am

09.03.2020
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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