Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** K*****, vertreten durch Poduschka Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, gegen die beklagte Partei H***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Robert Starzer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 12.131,40 EUR sA und Feststellung (Streitwert 2.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Berufungsgericht vom 12. Juli 2018, GZ 1 R 76/18h-12, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Krems an der Donau vom 13. Februar 2018, GZ 3 C 170/17d-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 1.017,90 EUR (darin 169,65 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die ordentliche Revision nicht zulässig:
Das Berufungsgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, inwieweit Gastwirte gemäß § 1313a ABGB für die ordnungsgemäße Errichtung und Installation/Montage von Gebrauchs- und Einrichtungsgegenständen durch Dritte einzustehen haben.
Am 2. 7. 2016 besuchte der Kläger ein von der Beklagten betriebenes Tanzlokal. Zwischen 00:30 und 1:00 Uhr suchte er – leicht alkoholisiert, jedoch motorisch nicht beeinträchtigt – die Herrentoilette auf. Nach dem Händewaschen stützte er sich mit beiden Händen an der dem Wasserhahn gegenüberliegenden Seite des dort angebrachten, rechteckigen Nirosta-Waschbeckens ab. Die Vorderseite seines Körpers zeigte dabei zum Waschbecken, seine Fersen waren noch auf dem Boden, der Oberkörper war leicht nach vorne geneigt. Der Kläger lehnte sich mit einem Teil seines Körpergewichts gegen das Waschbecken. Plötzlich löste sich die Verankerung des Waschbeckens aus der Wand und das Waschbecken gab für den Kläger überraschend nach, wodurch dieser zu Sturz kam und sich verletzte. Das Waschbecken war erst im Juli 2015 von Facharbeitern des Installateurunternehmens „k***** GmbH, e*****“ an der verfließten Ziegelwand montiert worden, wobei der Geschäftsführer der Beklagten den Mitarbeitern des Installateurunternehmens mitgeteilt hatte, er wolle ein langlebiges und sicheres Waschbecken kaufen; daraufhin war ihm das in weiterer Folge montierte Nirosta-Waschbecken als für Gastronomiebetriebe geeignet empfohlen worden.
Die Vorinstanzen wiesen das auf Schadenersatz gestützte Leistungs- und Feststellungsbegehren des Klägers ab und verneinten eine Haftung der Beklagten für das Installateurunternehmen gemäß § 1313a ABGB.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs endet der Bewirtungsvertrag nicht schon mit der Konsumation der verkauften Getränke/Speisen und deren Bezahlung durch den Gast, sondern erst mit der Beendigung des Naheverhältnisses zwischen Wirt und Gast (RIS-Justiz RS0019248). Dass die Beklagte ihren Gästen grundsätzlich (auch) eine gefahrlose Benützung ihrer Toiletteanlagen schuldet, ist im Revisionsverfahren auch nicht strittig.
Der Gastwirt hat aufgrund der aus dem Bewirtungsvertrag resultierenden Schutz- und Sorgfaltspflichten unter anderem die im Beherbergungsbetrieb vorhandenen Wasserinstallationen regelmäßig überprüfen und dem Ergebnis dieser Kontrolle entsprechend einwandfrei instandsetzen zu lassen (8 Ob 106/12i ecolex 2014/6 [Wilhelm] = EvBl 2014/46 [Karner] = ZRB 2014, 78 [Seeber]). Auf eine allfällige Verletzung dieser Prüf- und Wartungspflichten hinsichtlich des Waschbeckens durch die Beklagte kommt der Kläger im Revisionsverfahren allerdings nicht mehr zurück. Er tritt vielmehr für eine Haftung der Beklagten für das Installateurunternehmen nach § 1313a ABGB ein.
2. Nach § 1313a ABGB haftet, wer einem anderen zu einer Leistung verpflichtet ist, diesem für das Verschulden der Personen, deren er sich zur Erfüllung bedient, wie für sein eigenes. Bei der Zurechnung selbständiger Unternehmer nach § 1313a ABGB kommt es besonders auf den konkreten Inhalt des Vertrags zwischen dem Geschäftsherrn und dessen Gläubiger und die dabei übernommenen Sorgfaltspflichten an (RIS-Justiz RS0118512 [T4]); es ist also entsprechend den verschiedenen Vertragstypen und der jeweiligen konkreten Vereinbarung zu prüfen, ob bloß der „Einkauf“ eines „Produktes“ am Markt oder die Gestaltung einer Leistung mit vom Schuldner betrauten „Gehilfen“ übernommen wird (8 Ob 106/12i ErwGr VI.2.). Dabei kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an (idS auch Burtscher, Der Erfüllungsgehilfenbegriff im Lichte der aktuellen Rechtsprechung, ÖJZ 2014/155, 1056 [1060]), weshalb die Revision im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nur dann zulässig wäre, wenn im Interesse der Rechtssicherheit ein grober Fehler bei der Auslegung der anzuwendenden Rechtsnorm korrigiert werden müsste (RIS-Justiz RS0044088). Ein solcher Fehler ist den Vorinstanzen hier aber nicht unterlaufen:
2.1. Es entspricht zunächst ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass der Erzeuger (Produzent), der eine Ware zunächst dem Käufer liefert, der sie seinerseits an seinen Käufer weitergibt, nicht Erfüllungsgehilfe (§ 1313a ABGB) des Verkäufers (Zwischenhändlers) ist (RIS-Justiz RS0101969); der Händler haftet dem Käufer gegenüber nur für die Erfüllung der ihn selbst treffenden Pflichten (RIS-Justiz RS0022662 [T5]), nämlich insbesondere Instruktion und Aufklärung (1 Ob 62/00z). Auch der Zulieferer eines Produzenten ist regelmäßig nicht dessen Erfüllungsgehilfe (RIS-Justiz RS0101969 [T3]). Auch im vorliegenden Fall hat die Beklagte das Waschbecken bei einem Fachunternehmen und über dessen Beratung/Empfehlung lediglich zugekauft und von diesem Unternehmen montieren lassen; eigene Pflichten der Beklagten haben insoweit nicht bestanden.
2.2. Das Mindest-Zurechnungskriterium des § 1313a ABGB ist, dass der Schuldner das schuldhafte Verhalten des Dritten im Kontext mit der Erfüllung seiner Vertragspflichten veranlasste (RIS-Justiz RS0121745), wobei zur Konkretisierung der Pflichtenlage hinsichtlich der Schutz- und Sorgfaltspflichten darauf abzustellen ist, ob der Gläubiger erwarten konnte, dass der Schuldner die fragliche Tätigkeit selbst (oder durch Mitarbeiter) vornimmt, oder ob eine Erbringung durch selbständige Dritte zu erwarten ist (6 Ob 94/16s mwN). Dass ein Gastwirt die Installationen in seinen Toiletteanlagen selbst hergestellt, jedenfalls aber selbst montiert hat, wird der Gast regelmäßig nicht annehmen.
2.3. Der Gehilfe muss mit Willen des Schuldners im Rahmen der dem Schuldner obliegenden Verbindlichkeit tätig werden, und es muss sich um einen Schaden handeln, der durch den Gehilfen bei der Erfüllung vertraglicher Verpflichtungen zugefügt wurde (RIS-Justiz RS0028566). Erfüllungsgehilfe ist demnach, wer nach den tatsächlichen Verhältnissen des gegebenen Falles mit dem Willen des Schuldners bei der Erfüllung der diesem obliegenden Verbindlichkeit als seine Hilfsperson tätig wird; aus welchem Grunde er sich veranlasst sieht, tätig zu werden, ist unerheblich (RIS-Justiz RS0028729). Aus diesem Grund hat der Schuldner im Zusammenhang mit der Wahrnehmung von Verkehrssicherungspflichten etwa für das Verschulden der mit der Reinigungsarbeit in einem Bade- und Kurmittelhaus betrauten Person als Erfüllungsgehilfen zu haften, wenn der Badegast infolge unsachgemäßer Reinigung des Fußbodens stürzt und dadurch zu Schaden kommt (RIS-Justiz RS0105104). Ähnlich haftet eine Krankenanstalt für einen Sturz auf feuchtem Boden infolge Nachlässigkeit der Pflicht des Reinigungspersonals (10 Ob 2048/96s). Bejaht wurde weiters die Haftung eines Hoteliers für das Verschulden eines Aufzugswärters, der eine zeitgerechte Schmierung der Aufzugsanlage unterließ und so einen nicht ordnungsgemäßen Zustand des Aufzugs verschuldete (6 Ob 102/74; 8 Ob 695/88), die Haftung eines Hotelbetreibers für ein Installationsunternehmen, das mit der regelmäßigen Kontrolle der Wasserversorgungsanlage betraut war und keine ausreichenden Maßnahmen gegen das Entstehen von Legionellen getroffen hatte (8 Ob 106/12i), und die Haftung eines Krankenanstaltenbetreibers für Arbeiten eines Dachdeckers; infolge mangelhafter Ausführung der Arbeit war ein Ziegel vom Dach gefallen und hatte einen Besucher verletzt (2 Ob 657/84; kritisch allerdings Harrer in Schwimann/Kodek, ABGB4 [2016] § 1295 Rz 64; Burtscher, ÖJZ 2014/155, 1056 [1059] – zu weitgehend).
2.4. Dem gegenüber verneinte die Entscheidung 2 Ob 185/97p die Haftung eines Hoteliers für ein an einer Ausziehcouch montiertes gefährliches Winkeleisen, weil dem Hotelier nach der Verkehrssitte nicht zugemutet werden könne, die Vorbereitungshandlung (offenbar die Herstellung des Bettes) selbst oder durch sein Personal durchführen zu lassen; Erfüllungsgehilfe sei zwar auch derjenige, der die nötigen Vorbereitungen zur Leistung trifft, die Vorbereitungshandlung müsse aber einen Teil der Erfüllungshandlung bilden oder doch im engen Zusammenhang mit ihr stehen (ebenso 2 Ob 195/70; 8 Ob 266/74). Ein vergleichbarer Sachverhalt liegt auch hier vor:
Im Gegensatz zu den unter 2.3. genannten Fällen geht es nicht um laufende Wartungs- oder Instandhaltungsarbeiten, sondern um einen Fehler bei der Montage des Waschbeckens durch das Installateurunternehmen, wovon auch der Kläger in seiner Revision ausgeht. Die Vorbereitungsarbeiten des Installateurunternehmens (Lieferung und Montage) bildeten aber weder einen Teil der Erfüllungshandlungen der Beklagten gegenüber dem Kläger noch standen sie in einem engen Zusammenhang damit. Gemäß § 1313a ABGB soll grundsätzlich (nur) haften, wer durch den erlaubten Einsatz von Gehilfen mehr Erfüllungspflichten wahrnehmen kann als durch persönlichen Einsatz (F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts [1996] 206; weitere Nachweise bei Burtscher aaO FN 7; siehe auch Schacherreiter in Kletecka/Schauer, ABGB-ON1.05 [2018] § 1313a Rz 2; 1 Ob 564/94; 1 Ob 265/03g JBl 2004, 648 [Lukas]; 4 Ob 251/06z – Erweiterung des eigenen Aktionsradius).
Die Abweisung des Klagebegehrens durch die Vorinstanzen ist somit vertretbar.
3. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.
Textnummer
E123573European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0060OB00185.18A.1121.000Im RIS seit
21.12.2018Zuletzt aktualisiert am
13.05.2019