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19/05 Menschenrechte;Norm
AsylG 2005 §55;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofräte Mag. Eder und Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Honeder, BSc, in der Rechtssache der Revision des A A K, vertreten durch Mag. Alexander Fuchs, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Lüfteneggerstraße 4, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 31. August 2018, Zl. L525 1411737- 2/20E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Pakistans, stellte am 1. Juni 2009 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz. Er brachte vor, er werde in seinem Herkunftsstaat als Parteimitglied der Liberation Front Jammu & Kashmir verfolgt. Nachdem er an einer Parteiveranstaltung teilgenommen habe, sei er von der Polizei festgenommen, geschlagen und dem pakistanischen Geheimdienst übergeben worden, der ihn mehrere Tage festgehalten habe. Im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat fürchte der Revisionswerber um sein Leben.
2 Das Bundesasylamt wies den Antrag mit Bescheid vom 26. Jänner 2010 ab und verfügte die Ausweisung nach Pakistan. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 23. April 2012 als unbegründet abgewiesen.
3 Am 23. Dezember 2013 stellte der Revisionswerber den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz und brachte vor, er habe sich zwischen August und Dezember 2013 in Pakistan aufgehalten. Der Revisionswerber sei von der pakistanischen Polizei angehalten worden, welche ihm vorgeworfen habe, dass er als Kashmiri kein Pakistani sei. Da der Revisionswerber aufgrund einer Anzeige von der Polizei in Pakistan gesucht werde, drohe ihm im Fall der Abschiebung die Inhaftierung.
4 Mit Bescheid vom 22. März 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei und legte gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine zwei-wöchige Frist für die freiwillige Ausreise fest.
5 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 31. August 2018 (mit einer im vorliegenden Fall nicht relevanten Maßgabe) als unbegründet ab. Weiters sprach das BVwG aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
6 Erkennbar gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels und die Erlassung einer Rückkehrentscheidung richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Soweit der Revisionswerber im Zulässigkeitsvorbringen seiner Revision vorbringt, ihm sei ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 zu erteilen gewesen, ist ihm entgegenzuhalten, dass nach dem klaren Wortlaut des § 58 Abs. 2 AsylG 2005 die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 nur dann von Amts wegen zu prüfen ist, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird. Es handelt sich dabei um jene Fälle, in welchen der Erlassung einer Rückkehrentscheidung eine sonst drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK entgegensteht (vgl. VwGH 31.8.2018, Ra 2018/20/0004).
11 Im Übrigen ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (vgl. VwGH 26.6.2018, Ra 2018/20/0192, mwN).
12 Diesbezüglich berücksichtigte das BVwG - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - die lange Aufenthaltsdauer des Revisionswerbers in Österreich, die Beziehung zu seiner Lebensgefährtin, seine Unbescholtenheit, seine Deutschkenntnisse, die Mitgliedschaft in einem Cricketverein sowie die vorgelegten Unterstützungsschreiben. Dem hielt das BVwG jedoch entgegen, dass der Revisionswerber nach Abschluss seines ersten Asylverfahrens im Jahr 2013 das Bundesgebiet nicht verlassen habe, sondern untergetaucht sei und sich somit seiner Abschiebung entzogen habe. Der Revisionswerber verfüge über keine familiären Bindungen in Österreich. Das Privatleben sei in einem Zeitraum begründet worden, in welchem der Aufenthalt des Revisionswerbers aufgrund des Asylantrags vorübergehend legal gewesen sei bzw. in welchem sich der Revisionswerber nicht mehr rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe. Weiters führte das BVwG aus, dass der Revisionswerber einmal in der Woche Zeitungen austrage und nicht selbsterhaltungsfähig sei, weil er von seiner Lebensgefährtin, mit der kein gemeinsamer Haushalt bestehe, finanziell unterstützt werde. Die Beziehung zu seiner Lebensgefährtin sei zu einem Zeitpunkt eingegangen worden, in welchem der Revisionswerber nicht von seinem sicheren Aufenthalt ausgehen durfte. Er unterhalte zwar Kontakt zu Österreichern, besondere Bindungen oder intensive Freundschaften seien nicht ersichtlich. Demgegenüber habe der Revisionswerber den Großteil seines Lebens in Pakistan verbracht und sei mit den dortigen Gebräuchen vertraut. Er verfüge über familiäre Anknüpfungspunkte und muttersprachliche Kenntnisse in Urdu und Paschtu. Der Revisionswerber verfüge über eine Schulbildung und Berufserfahrung. Die Aufnahme einer Beschäftigung im Herkunftsstaat sei gesichert.
13 Dass die festgestellten Umstände bei der Interessenabwägung in einer den Leitlinien der Rechtsprechung widersprechenden unvertretbaren Weise gewichtet worden wären, zeigt die Revision nicht auf. Soweit die Revision auf mittlerweile vorliegende Arbeitsplatzzusagen verweist, ist zu entgegen, dass der Berücksichtigung der vorgebrachten Sachverhaltsänderung das im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 41 VwGG zu beachtende Neuerungsverbot entgegensteht (vgl. VwGH 24.9.2018, Ra 2018/20/0430).
14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 26. November 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018200498.L00Im RIS seit
20.12.2018Zuletzt aktualisiert am
18.01.2019