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82/02 Gesundheitsrecht allgemein;Norm
ImpfSchG §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des F in W, vertreten durch Dr. Raimund Cancola, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Schwarzenbergplatz 7, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 23. August 1995, Zl. 745.090/2-8/95, betreffend Entschädigung nach dem Impfschadengesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer beantragte mit einem an das Landesinvalidenamt für Wien, Niederösterreich und Burgenland gerichteten Schreiben vom 29. März 1993 die Gewährung einer Entschädigung nach dem Impfschadengesetz, im Wesentlichen mit der Begründung, es sei ihm am 17. August 1989 im Hygieneinstitut der Universität Wien eine "Polio-Salk-Impfung" verabreicht worden, als dessen Folge sich beim Beschwerdeführer "ein sowohl physischer, als auch psychischer Krankheitszustand herausgebildet" hätte, der ihn dazu zwinge, "das Haus und zeitweise auch untertags das Bett zu hüten". Vor allem aber würden Angstzustände und Kollapsneigungen es notwendig machen, dass sich rund um die Uhr eine Pflegeperson in der Nähe des Beschwerdeführers aufhalte. Dieser verfüge über kein eigenes Einkommen; wegen seiner Erkrankung habe er sein Universitätsstudium unterbrechen müssen. Diesem Schreiben war eine Aufstellung der (subjektiven) Beschwerden im Zeitraum zwischen dem 17. August 1989 und dem 26. August 1989 angeschlossen; es enthielt eine Auflistung aller seither unternommenen Untersuchungen und Therapien bei (bzw. durch) Krankenanstalten, Ärzten und Psychologen.
Diesem Schreiben lagen teils ärztliche Befunde bei, teils holte das Landesinvalidenamt anhand der vom Beschwerdeführer gegebenen Aufstellung ärztliche Unterlagen von den vom Beschwerdeführer bezeichneten Stellen ein. Vor dem Hintergrund des Beschwerdevorbringens ist daraus für den Beschwerdefall Folgendes wesentlich:
Die Universitätsklinik für Psychiatrie hat am 25. November 1992 hinsichtlich des Beschwerdeführers die Diagnose einer ausgeprägten "Konversionsneurose mit zusätzlicher agoraphober Symptomatik" gestellt, die den Beschwerdeführer so schwer beeinträchtige, dass er seinem Studium in keiner Weise nachgehen könne. Nach dem ärztlichen Attest eines praktischen Arztes vom 12. Jänner 1991 leide der Beschwerdeführer "in zeitlichem Zusammenhang mit einer Poliomyelitisimmunisierung seit August 1989 unter Dysästhesien im Bereich der unteren Extremitäten, wobei sich zusätzlich ein neurasthenisch-phobisches Zustandsbild entwickelt hat". Nach dem ärztlichen Attest eines Facharztes für interne Medizin (in der Folge "Attest Dr. R" genannt) vom 2. Oktober 1992 habe sich beim Beschwerdeführer "nach einer Polioimpfung am 17.8.1989" eine "typische Impfencephalitis mit schweren nervösen körperlichen Symptomen und schweren Verhaltensstörungen" entwickelt.
Einem Schreiben der Österreichischen Ärztekammer vom 20. Dezember 1989 ist zu entnehmen, dass das von dieser Kammer (offenbar aufgrund einer Intervention des Beschwerdeführers) befasste Labor für Stoffwechselanomalien ausgeführt habe, dass die vom Beschwerdeführer auf die einige Tage vorher durchgeführte Impfung zurückgeführten Kreislaufstörungen, sowie Herzrasen, eine leichte Facialis-Parese und Verdauungsstörungen, bei einer "Polioimpfung nach Salk" nicht bekannt seien. Diese gelte als eine der sichersten Impfungen generell. Derartige Symptome könnten durchaus im Rahmen eines Virusinfektes auftreten. Die Universitätsklinik für Psychiatrie beschrieb in ihrem an das Landesinvalidenamt gerichteten Schreiben vom 3. Mai 1993 ein beim Beschwerdeführer bestehendes ausgeprägtes neurasthenisch-hypochondrisches Syndrom, "ohne Hinweis auf die vom (Beschwerdeführer) behauptete organische Ursache (Impfschaden nach Poliosalkimpfung, Neuroborreliose-Infektion)". Ein "ganz sicherer Ausschluss", ob beim Beschwerdeführer jemals entzündliche Veränderungen im Gehirn vorhanden gewesen seien, wären allerdings nur durch eine Lumbalpunktion möglich, die der Beschwerdeführer seit Jahren verweigere. Ein vom Institut für Virologie der Universität Wien erstellter Befund vom 23. Jänner 1990 enthält die Schlussfolgerung: "kein Beweis für eine Infektion mit FSME-Virus". Ein weiterer Befund des Hygieneinstitutes der Universität Wien vom 16./18. Jänner 1990 äußert den Verdacht auf eine bestehende oder abgelaufene "Lyme-Borreliose" und bezeichnet diese als "wahrscheinlich". Ein Kontrollbefund vom 5./7. Februar 1990 des gleichen Institutes ergab demgegenüber "Antikörperabfall gegenüber Vorbefund. Zustand nach akuter Lyme-Borreliose. Keine weitere serologische Untersuchung auf Lyme-Borreliose nötig".
In einem ergänzenden Schreiben des Hygiene-Institutes der Universität vom 5. Februar 1993 an den Leiter der klinischen Abteilung für allgemeine Psychiatrie, Universitätsklinik für Psychiatrie im Allgemeinen Krankenhaus, wird hinsichtlich des Beschwerdeführers auf die erwähnten "Lyme-Borreliose" Befunde (als Ergebnis der serologischen Untersuchung von Serumproben des Beschwerdeführers) hingewiesen, sowie darauf, dass die Befunde gegen eine chronische Verlaufsform sprächen und sich aus ihnen auch nicht ablesen lasse, zu welchem Zeitpunkt vorher die aktuelle Infektion stattgefunden habe.
Untersuchungsergebnisse der Psychiatrischen Universitätsklinik (EEG sowie Computertomographie) ergaben unauffällige Befunde.
Auf dieser Grundlage holte die Behörde erster Instanz ein nervenfachärztliches Sachverständigengutachten vom 10. September 1993 ein, welches nach umfangreicher Erhebung der Vorgeschichte, Durchführung einer klinischen Untersuchung im Rahmen eines Hausbesuches und unter Berücksichtigung der aktenkundigen Befunde zum Ergebnis gelangte, dass beim Beschwerdeführer ein schweres neurotisches Krankheitsbild bestehe, der Zustand jedoch in keinen "Kausalkonnex mit der Poliomyelitisimpfung gebracht werden" könne. Komplikationen der Impfung seien extrem selten und führten zu meningomyeloencephalitischen Komplikationen, einem Zustandsbild, das diagnostisch genau definiert sei, mit speziellen neurologischen Ausfällen einhergehe, immer stationäre neurologische Untersuchungen erfordere und dabei durch Laborbefunde aus Liquor und Blut verifiziert werden könne. Ein solches Zustandsbild sei entsprechend den anamnestischen Angaben des Beschwerdeführers und auch entsprechend der Aktenlage nie aufgetreten. Eine Nachuntersuchung hielt der Sachverständige nicht für erforderlich.
Ein Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet der inneren Medizin vom 23. Oktober 1993 kommt zum Ergebnis, dass interne Komplikationen nach Polio-Salk-Impfung höchst selten auftreten; wenn, dann könnten sie unmittelbar nach der Impfung fieberhafte bzw. lokale Reaktionen auslösen. Es kämen auch eine "respiratorische Insuffizienz und Myokarditis" als Spätfolge in Betracht; all dies habe jedoch im vorliegenden Fall nicht verifiziert werden können. Weder anamnestisch noch befundmäßig sei eine interne Komplikation zu eruieren. Die ausgeprägten Darmstörungen mit sekundären Ausfallserscheinungen im Sinne von Untergewicht, Atrophie und Vitaminmangelzuständen sei in Übereinstimmung mit dem neurologischen Gutachten in das "hochgradige, neurasthenisch-hypochondrische Zustandsbild" des Beschwerdeführers einzuordnen. Es liege daher keine Kausalität der bestehenden Gesundheitsschädigung mit der durchgeführten Impfung vor. Auch dieser Gutachter hielt eine Nachuntersuchung für entbehrlich.
Zu diesen Gutachten wurde dem Beschwerdeführer Parteiengehör gewährt, der dazu eine Stellungnahme abgab. Auch der Vater des Beschwerdeführers erstattete dazu eine Stellungnahme, in der er darauf hinwies, dass der Beschwerdeführer vor der genannten Impfung vom 17. August 1989 vollkommen gesund gewesen sei und die beschriebenen Ausfallserscheinungen (Facialis Lähmung, Kreislauf- und Verdauungsstörungen, Schlafsucht, durch Herzrythmusanomalien ausgelöste Angstzustände) drei Tage nach der Impfung aufgetreten seien. Der bei der Impfung verwendete Impfstoff sei von "fragwürdiger Qualität": zahlreiche Ärzte hätten bestätigt, dass dieser Impfstoff "keineswegs ungefährlich" sei und der Erfinder dieser Impfung, mit dem der Vater des Beschwerdeführers anlässlich einer dienstlichen Reise selbst gesprochen habe, habe seine Verwunderung darüber ausgedrückt, dass man sein Serum hierzulande noch verwende, da dieses in den USA bereits 1955 wieder aus dem Verkehr gezogen worden sei. Es hätten sich während seiner einjährigen Anwendung zahlreiche Impfzwischenfälle zum Teil mit tödlichen Folgen ergeben. Es komme dazu, dass das Serum möglicherweise verdorben gewesen sei. Auch würde der Gutachter einen möglichen Impfschaden zu Unrecht auf "meningomyeloencephalitische Komplikationen" einengen. Aus der (in dieser Stellungnahme näher bezeichneten) Literatur sei zu entnehmen, dass sich Impfungen generell sehr verschiedenartig auswirken könnten. Die möglichen Störungen reichten von Störungen der Drüsenfunktionen bis zu solchen des zentralen Nervensystems und zu schweren psychischen Beeinträchtigungen. Das beim Beschwerdeführer festgestellte neurotische Krankheitsbild füge sich diesem breiten Spektrum möglicher Impffolgen durchaus ein.
Dazu erstattete der neurologische Sachverständige eine ergänzende Stellungnahme, in der er darauf hinwies, dass in der genannten Stellungnahme des Vaters des Beschwerdeführers lediglich "vage Vorstellungen über mögliche Zusammenhänge zwischen der erfolgten Polio-Impfung und dem nachfolgenden schweren und protrahierten psychiatrischen Zustandsbild, die sogar der gutachterlich zumindest erforderlichen Wahrscheinlichkeit völlig entbehren", enthalte. Impfkomplikationen nach einer Impfung, wie sie beim Beschwerdeführer durchgeführt worden sei, seien extrem selten, die Diagnose einer solchen Komplikation sei vom Nachweis eines typischen neurologischen Krankheitsbildes abhängig, der im speziellen Fall eben nicht möglich gewesen sei.
Auf dieser Grundlage erließ die Behörde erster Instanz den Bescheid vom 10. Mai 1994, womit der Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung einer Entschädigung gemäß § 1b Abs. 2 des Impfschadengesetzes abgewiesen wurde.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung. In dieser Berufung schildert zunächst die Mutter des Beschwerdeführers die Krankheitsentwicklung ab dem 30. August 1989 im Sinne eines "Zusammenbruchs" und legt den Gang der verschiedenen Untersuchungen, denen sich der Beschwerdeführer unterzogen hat, dar. Die Stellungnahme schließt mit dem Hinweis, dass "aus dem Studium der einschlägigen Literatur" hervorgehe, dass "Impfschäden sehr vielgestaltig sein können und sich keineswegs auf ein ganz bestimmtes Krankheitsbild einengen lassen". Unter Hinweis auf diese Darlegungen sowie unter Hinweis auf seine Stellungnahme und die Stellungnahme seines Vaters im erstinstanzlichen Verfahren erklärte der Beschwerdeführer, gegen den erstinstanzlichen Bescheid Berufung zu erheben.
Die belangte Behörde beauftragte daraufhin einen weiteren Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Neurologie mit der Begutachtung des Beschwerdeführers. Dieses Gutachten vom 24. Oktober 1994 kommt - unter Wiedergabe der aktenkundigen medizinischen Unterlagen, einschließlich der Sachverständigengutachten des erstinstanzlichen Verfahrens und der dazu erstatteten Stellungnahme des Vaters des Beschwerdeführers, sowie ferner nach selbst erhobener Anamnese und Befundung durch klinische Untersuchung - zum Ergebnis, dass es sich beim Beschwerdeführer um ein "psychosomatisches Syndrom im weiteren Sinne" handle, dessen "Beginn entsprechend den anamnestischen Angaben kurz nach einer Polioimpfung festzulegen" sei. Ein "Impfschaden im engeren Sinne" sei nicht nachzuweisen. Dazu sei zu bemerken, dass keine typische Symptomatik eines Impfschadens aufgetreten sei und der Beschwerdeführer auch nie in stationärer Behandlung gewesen sei. Auch nach der eher geringen einschlägigen Literatur sei es nicht möglich, einen Impfschaden anzuerkennen. Die Diagnose des psychosomatischen Syndroms sei durch die Begutachtung der Universitätsklinik untermauert. Der Gutachter führt den Zustand des Beschwerdeführers auf ein Wechselsspiel zwischen somatischen Ereignissen (Facialisparese, vegetativer Erschöpfungszustand) und psychischen Faktoren (Sensibilisierung gegenüber dem Thema Impfschaden und weitere, näher bezeichnete Umstände) zurück. Auch insoweit (also hinsichtlich des psychosomatischen Syndroms) komme der Impfung eine geringe auslösende Rolle zu, die auch jedes andere belastende Ereignis hätte in Gang setzen können, da diese Erkrankung eine "entsprechende Disposition" voraussetze.
Der ärztliche Dienst der belangten Behörde erklärte in einer Stellungnahme zu diesem Gutachten, dessen Schlussfolgerungen beizupflichten.
Zu diesen Ergebnissen wurde dem Beschwerdeführer Parteiengehör gewährt, der in seiner Stellungnahme vom 17. Juni 1995 im Wesentlichen seine Auffassung bekräftigte, dass seine Symptome einer "synthetischen Kinderlähmung" entsprächen, dass ihm eine Lumbalpunktion nie vorgeschlagen worden sei und dass er jahrelang intensiver Behandlung und Pflege bedurft habe; er tritt zum Teil den in den eingeholten Gutachten wiedergegebenen Befunden in der Weise entgegen, dass er Behauptungen über sein Verhalten näher erläutert oder der Darstellung einen (idR geringfügig) abweichenden Sachverhalt entgegensetzt. Einer Äußerung des im Berufungsverfahren eingeholten neurologischen Gutachtens, wonach "paramedizinische, eher polemisch gehaltene und ausgesprochen spekulative Kritiken an Impfung, und die Behauptung multipler Impfschäden (multiple Sklerose als Folge von Impfungen etc.)" abzulehnen seien, begegnet der Beschwerdeführer mit dem Hinweis auf in der Literatur mehrfach genannte Zusammenhänge zwischen Impfung und multipler Sklerose. Er bezeichnet auch die Verwendung des "Salk-Serums" in seinem Fall als nicht angezeigt und legt die nach der Impfung aufgetretenen Symptome neuerlich eingehend dar.
Mit Bescheid vom 23. August 1995 wies daraufhin die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers ab. Die belangte Behörde stützt sich im Wesentlichen auf das von ihr eingeholte Sachverständigengutachten und die Ausführungen des ärztlichen Dienstes und führt zu der Stellungnahme des Beschwerdeführers aus, dass diese nicht geeignet sei, zu einer anderen rechtlichen Beurteilung zu führen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung dieser Beschwerde mit Beschluss vom 10. Juni 1996, B 2997/95, abgelehnt und sie - unter Beischluss der von ihm eingeholten Verwaltungsakten - dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.
In seiner vor dem Verwaltungsgerichtshof erstatteten Beschwerdeergänzung beruft sich der Beschwerdeführer im Wesentlichen auf das "Gutachten Dris. R." (es handelt sich dabei um das eingangs erwähnte "Attest Dr. R"), auf welches das eingeholte Sachverständigengutachten im Berufungsverfahren nicht eingegangen sei. Weder dieses Gutachten noch die Stellungnahme des ärztlichen Dienstes der belangten Behörde ergebe zweifelsfrei, dass im gegenständlichen Fall kein Kausalzusammenhang zwischen der verabreichten Impfung und den festgestellten Gesundheitsschädigungen bestehe. Eine mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, dass andere belastende Ereignisse ebenfalls zu einem psychosomatischen Syndrom gleichen Ausmaßes geführt hätten, schließe den Kausalzusammenhang noch nicht aus. Ferner werden in der Beschwerdeergänzung Auszüge aus einem Werk über "Impfreaktionen" sowie aus einer Literaturstudie des Ludwig Boltzmann Institutes für Homöopathie zitiert. Soweit das neurologische Gutachten behaupte, dass der Beginn des psychosomatischen Syndroms vor Eintritt der verabreichten Impfung festzulegen sei, sei dieses aktenwidrig.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 1b Abs. 1 des Impfschadengesetzes hat der Bund für Schäden nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes Entschädigung zu leisten, die durch eine Impfung verursacht worden sind, die nach einer gemäß Abs. 2 erlassenen Verordnung zur Abwehr einer Gefahr für den allgemeinen Gesundheitszustand der Bevölkerung im Interesse der Volksgesundheit empfohlen worden ist.
Die im Impfschadengesetz näher genannten Ersatzpflichten treten daher nur dann ein, wenn ein durch eine Impfung verursachter Schaden vorliegt, wobei nicht schon eine bloße Möglichkeit eines Ursachenzusammenhanges mit einer Impfung genügt, sondern ein solcher Zusammenhang festgestellt sein muss.
Die belangte Behörde hat - gestützt auf ein Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet der Neurologie (unter Berücksichtigung der schon im Verfahren erster Instanz eingeholten Gutachten aus den Fachgebieten der Neurologie und aus dem Fachgebiet der inneren Medizin) - einen solchen Zusammenhang verneint.
Damit hat die belangte Behörde einen Akt der Beweiswürdigung gesetzt.
Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 45 Abs. 2 AVG) bedeutet nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht, dass der in der Begründung des Bescheides niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Die Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG hat nur zur Folge, dass - sofern in den besonderen Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist - die Würdigung der Beweise keinen anderen, insbesondere keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt aber eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind. Schlüssig sind solche Erwägungen nur dann, wenn sie unter anderem den Denkgesetzen, somit auch dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen. Unter Beachtung der nämlichen Grundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof auch zu prüfen, ob die Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 21. Dezember 1993, Zl. 92/08/0133, mit Hinweis auf Vorjudikatur).
Vor diesem rechtlichen Hintergrund hält die Begründung des angefochtenen Bescheides der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle stand:
Was das "Gutachten" vom Oktober 1992 betrifft, ist dem Beschwerdeführer entgegenzuhalten, dass es sich dabei lediglich um ein ärztliches Attest in Form einer Diagnose handelt. Darin wird lediglich zum Ausdruck gebracht, dass "nach einer Polioimpfung" sich beim Beschwerdeführer eine "typische Impfencephalitis" entwickelt habe, ohne dass näher begründet wird, aus welchen Befunden sich diese Schlussfolgerung ergeben soll. Es ist daher nicht ersichtlich, mit welchen Ausführungen dieses ärztlichen Attestes sich der Sachverständige hätte auseinander setzen können, wenn man davon absieht, dass er mit der Schlussfolgerung nicht übereinstimmt. Nun kann aber eine eingehend begründete, auf vom Beschwerdeführer selbst vorgelegten Befunden und auf eigener gutachtlicher Befundung und Begutachtung beruhende gutachtliche Schlussfolgerung nicht mit dem Hinweis auf eine ohne nähere Begründung erstattete Diagnose widerlegt werden. Es kann der belangten Behörde daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie das neurologische Gutachten (dem der Beschwerdeführer im Berufungsverfahren nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten ist) ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat, ohne auf das genannte Attest weiter Bedacht zu nehmen.
Im Übrigen beschränken sich die Ausführungen der Beschwerde darin aufzuzeigen, dass sich aus den vorliegenden Gutachten kein Ausschluss eines Zusammenhanges der Erkrankung des Beschwerdeführers mit der seinerzeitigen Impfung ergebe. Damit verkennt der Beschwerdeführer freilich das Beweisthema: Dem Beschwerdeführer steht nicht schon dann eine Entschädigung nach dem Impfschadengesetz zu, wenn ein Zusammenhang mit der Impfung nicht ausgeschlossen werden kann, sondern erst dann, wenn ein solcher Zusammenhang festgestellt werden konnte. Der Beschwerdeführer ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass auch die von ihm selbst veranlassten Untersuchungen und Befundungen keinen Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen seiner Erkrankung und der Polio-Impfung erbracht haben, sondern vielmehr - abgesehen vom neurasthenischen Zustandsbild - eine abgelaufene "Lyme-Borreliose" diagnostiziert wurde. Mag auch ein Kausalzusammenhang zwischen der Erkrankung des Beschwerdeführers und der Impfung nicht mit 100%iger Sicherheit auszuschließen sein, es fehlt jedenfalls nach den eingeholten Befunden und aufgrund der eingeholten Gutachten jeder aktenkundige Hinweis darauf, dass die Impfung wesentliche Bedingung der eingetretenen Minderung der Erwerbsfähigkeit wäre (vgl. zur Anwendung der "Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingung" im Impfschadengesetz das Erkenntnis vom 18. Juni 1982, Zl. 81/08/0083).
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde - in Verbindung mit den vom Verfassungsgerichtshof an den Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Verwaltungsakten - erkennen lässt, dass die behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 21. September 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1996080219.X00Im RIS seit
15.02.2001