Entscheidungsdatum
15.10.2018Norm
VwGVG 2014 §28 Abs2Text
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich fasst durch MMag. Dr. Michaela Lütte als Einzelrichterin über die Beschwerde der B OG, vertreten durch A, Rechtsanwalt in ***, ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf vom 02. August 2018, Zl. ***, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung, den
BESCHLUSS
1. Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf zurückverwiesen.
2. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision gemäß § 25a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) iVm Art. 133 Abs. 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) nicht zulässig.
Begründung:
1. Feststellungen und Sachverhalt:
1.1. Mit rechtskräftigem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf (in der Folge: belangte Behörde) vom 03. März 2016, Zl. ***, wurde betreffend die B OG (in der Folge: beschwerdeführende Gesellschaft) festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Ausübung des Gewerbes Baumeister, eingeschränkt auf ausführende Tätigkeiten, im Standort ***, ***, vorliegen.
1.2. C, geboren am ***, ist unbeschränkt haftender Gesellschafter der beschwerdeführenden Gesellschaft (in der Folge: Gesellschafter) und vertritt diese seit 11. Juli 2017 selbständig.
1.3. Betreffend den Gesellschafter scheinen im Strafregister der Republik Österreich vier Verurteilungen auf. Dem angefochtenen Bescheid liegt die jüngste, nicht bereits getilgte Verurteilung zugrunde:
„04) LG *** *** vom 06.11.2013 RK 12.11.2013
§ 107 (1) StGB
§ 105 (1) StGB
Freiheitsstrafe 5 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre
Vollzugsdatum 12.11.2013
zu LG *** *** RK 12.11.2013
(Teil der) Freiheitsstrafe nachgesehen, endgültig
Vollzugsdatum 12.11.2013
LG *** *** vom 25.01.2017
Nach dem derzeitigen Stand der Strafregistereintragung(en) ...
... wird die Tilgung voraussichtlich mit 12.11.2021 eintreten.
[…]“
1.4. Mit Verfahrensanordnung vom 14. Februar 2018, Zl. ***, wurde die beschwerdeführende Gesellschaft gemäß §§ 91 Abs. 2 iVm 87 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) aufgefordert, den Gesellschafter innerhalb einer Frist von drei Monaten ab Zustellung dieses Schreibens zu entfernen, widrigenfalls mit der Entziehung der Gewerbeberechtigung vorzugehen sei. Begründend ist ausgeführt, dass aufgrund des unter Punkt 1.3. angeführten Urteils des Landesgerichtes *** vom 06. November 2013 der Gewerbeausschlussgrund gemäß § 13 Abs. 1 Z 1 lit. b GewO 1994 erfüllt sei. Dieses Schreiben wurde der beschwerdeführenden Gesellschaft am 20. Februar 2018 hinterlegt.
1.5. Die beschwerdeführende Gesellschaft erstattete zur Verfahrensanordnung vom 14. Februar 2018 keine Stellungnahme.
1.6. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 02. August 2018, Zl. ***, wurde der beschwerdeführenden Gesellschaft die Gewerbeberechtigung für das Gewerbe Baugewerbetreibender, eingeschränkt auf ausführende Tätigkeiten, im Standort ***, ***, gemäß §§ 91 Abs. 2 iVm 87 Abs. 1 Z 1 iVm 13 Abs. 1 GewO 1994 entzogen.
Begründend ist ausgeführt, der Gesellschafter gehöre dem zur gesetzlichen Vertretung berufenen Organ der beschwerdeführenden Gesellschaft an, weshalb er eine Person mit maßgebendem Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte im Sinne des § 13 Abs. 7 GewO 1994 sei. Mit dem unter Punkt 1.3. angeführten Urteil des Landesgerichtes *** sei der Gesellschafter nach §§ 107 Abs. 1 und 105 Abs. 1 des Strafgesetzbuches (StGB) zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt worden. Die beschwerdeführende Gesellschaft sei mit Schreiben vom 14. Februar 2018 von der beabsichtigten Entziehung der Gewerbeberechtigung in Kenntnis gesetzt und aufgefordert worden, den Gesellschafter innerhalb einer Frist von drei Monaten zu entfernen; in einem sei der beschwerdeführenden Gesellschaft Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden, eine solche sei jedoch nicht eingelangt. Im Weiteren ist ausgeführt, dass „gerade bei der Ausübung des Gewerbes ‚Baugewerbetreibender, eingeschränkt auf ausführende Tätigkeiten‘ […] nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat zu befürchten“ sei.
1.7. Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Gesellschaft durch ihren Rechtsvertreter mit Schreiben vom 12. September 2018 Beschwerde.
Begründend ist – auf das Wesentliche zusammengefasst – ausgeführt, dass die Behörde nicht dargelegt habe, weshalb im konkreten Fall der Entziehungsgrund des § 87 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 auf den Gesellschafter zutreffe, da sie die erforderliche Zukunftsprognose zum Persönlichkeitsbild des Gesellschafters nicht vorgenommen habe. Im Bescheid werde alleine – ohne jegliche Begründung – ausgeführt, dass „gerade bei der Ausübung des Gewerbes ‚Baugewerbetreibender, eingeschränkt auf ausführende Tätigkeiten‘ nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat zu befürchten“ sei. Bei dieser Ausführung handle es sich um eine Mutmaßung der Behörde, im vorliegenden Fall sei weder nach der Eigenart der strafbaren Handlung noch nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat – die ins Treffen geführte Verurteilung betreffe offensichtlich einen privaten Vorfall im Straßenverkehr, nämlich eine Nötigung und gefährliche Drohung – bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten.
1.8. Die belangte Behörde legte dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Beschwerde samt Verwaltungsakt mit Schreiben vom 24. September 2018 mit dem Ersuchen um Entscheidung vor.
2. Beweiswürdigung:
Die insoweit unstrittigen Feststellungen – einschließlich des dargelegten Verfahrensgangs – konnten im Hinblick auf die eindeutigen Inhalte des vorliegenden Verwaltungsaktes der belangten Behörde in Übereinstimmung mit dem vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich eingeholten Firmenbuchauszug betreffend die beschwerdeführende Gesellschaft sowie Strafregisterauszug betreffend den Gesellschafter getroffen werden.
3. Rechtslage:
3.1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) lauten:
„[…]
Anzuwendendes Recht
§ 17. Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
[…]
Verhandlung
§ 24. (1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
(2) Die Verhandlung kann entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
[…]
Erkenntnisse
§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
[…]“
3.2. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) lauten:
„[…]
Allgemeine Grundsätze
§ 37. Zweck des Ermittlungsverfahrens ist, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben. Nach einer Antragsänderung (§ 13 Abs. 8) hat die Behörde das Ermittlungsverfahren insoweit zu ergänzen, als dies im Hinblick auf seinen Zweck notwendig ist.
[…]“
3.3. Die hier maßgeblichen Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) lauten:
„[…]
§ 13. (1) Natürliche Personen sind von der Ausübung eines Gewerbes ausgeschlossen, wenn sie
1. von einem Gericht verurteilt worden sind
a) wegen betrügerischen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen und Zuschlägen nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (§ 153d StGB), organisierter Schwarzarbeit (§ 153e StGB), betrügerischer Krida, Schädigung fremder Gläubiger, Begünstigung eines Gläubigers oder grob fahrlässiger Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (§§ 156 bis 159 StGB) oder
b) wegen einer sonstigen strafbaren Handlung zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen und
2. die Verurteilung nicht getilgt ist.
Von der Ausübung eines Gastgewerbes sind natürliche Personen ausgeschlossen, wenn gegen sie eine nicht getilgte gerichtliche Verurteilung wegen Übertretung der §§ 28 bis 31a des Suchtmittelgesetzes, BGBl. I Nr. 112/1997, in der jeweils geltenden Fassung, vorliegt. Bei Geldstrafen, die nicht in Tagessätzen bemessen sind, ist die Ersatzfreiheitsstrafe maßgebend. Bei Verhängung einer Freiheitsstrafe und einer Geldstrafe sind Freiheitsstrafe und Ersatzfreiheitsstrafe zusammenzuzählen. Dabei ist ein Monat dreißig Tagen gleichzuhalten. Die Bestimmungen dieses Absatzes gelten auch, wenn mit den angeführten Ausschlussgründen vergleichbare Tatbestände im Ausland verwirklicht wurden.
[…]
(7) Andere Rechtsträger als natürliche Personen sind von der Ausübung des Gewerbes ausgeschlossen, wenn eine natürliche Person, der ein maßgebender Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte des betreffenden Rechtsträgers zusteht, gemäß Abs. 1 bis 3, 5 oder 6 von der Gewerbeausübung ausgeschlossen ist. Trifft auf die natürliche Person ein Ausschlussgrund gemäß Abs. 4 zu, ist der betreffende Rechtsträger nur von der Ausübung eines Gewerbes, das Tätigkeiten der Versicherungsvermittlung beinhaltet, ausgeschlossen. Abs. 1 letzter Satz gilt sinngemäß.
[…]
§ 87. (1) Die Gewerbeberechtigung ist von der Behörde (§ 361) zu entziehen, wenn
1. auf den Gewerbeinhaber die Ausschlußgründe gemäß § 13 Abs. 1 oder 2 zutreffen und nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist oder
[…]
§ 91. […]
(2) Ist der Gewerbetreibende eine juristische Person oder eine eingetragene Personengesellschaft und beziehen sich die im § 87 angeführten Entziehungsgründe oder der in § 85 Z 2 angeführte Endigungsgrund sinngemäß auf eine natürliche Person, der ein maßgebender Einfluß auf den Betrieb der Geschäfte zusteht, so hat die Behörde (§ 361) dem Gewerbetreibenden eine Frist bekanntzugeben, innerhalb der der Gewerbetreibende diese Person zu entfernen hat. Hat der Gewerbetreibende die genannte natürliche Person innerhalb der gesetzten Frist nicht entfernt, so hat die Behörde die Gewerbeberechtigung zu entziehen.
[…]“
4. Erwägungen:
4.1. Die Beschwerde ist begründet.
4.2. Gemäß § 87 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 ist die Gewerbeberechtigung zu entziehen, wenn auf den Gewerbeinhaber die Ausschlussgründe gemäß § 13 Abs. 1 oder 2 leg.cit. zutreffen und nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist.
Gemäß § 13 Abs. 1 Z 1 lit. b iVm Z 2 GewO 1994 ist eine natürliche Person von der Ausübung eines Gewerbes ausgeschlossen, wenn diese wegen einer sonstigen strafbaren Handlung zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen von einem Gericht rechtskräftig verurteilt wurde und die Verurteilung nicht getilgt ist.
Ist – wie im vorliegenden Fall – der Gewerbetreibende eine eingetragene Personengesellschaft und beziehen sich die im § 87 GewO 1994 angeführten Entziehungsgründe auf eine natürliche Person, der maßgebender Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte zusteht, so hat die Behörde dem Gewerbetreibenden gemäß § 91 Abs. 2 GewO 1994 eine Frist bekanntzugeben, innerhalb der er diese Person zu entfernen hat. Entfernt der Gewerbetreibende die Person mit maßgebendem Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte nicht innerhalb der gesetzten Frist, hat die Behörde die Gewerbeberechtigung zu entziehen.
4.3. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die in § 91 Abs. 2 GewO 1994 geregelte Entziehung der Gewerbeberechtigung eine Sanktion für die Nichtentfernung der Person mit maßgebendem Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte dar. Durch die Aufforderung nach § 91 Abs. 2 GewO 1994 wird die Sache des Entziehungsverfahrens festgelegt, welche auch die in dieser Aufforderung angeführten für die Entfernung der genannten natürlichen Person bestimmenden Gründe umfasst (vgl. etwa VwGH 29.06.2017, Ra 2017/04/0059).
4.4. Wie dargelegt ist es für die Erfüllung des Entziehungstatbestandes in § 87 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 neben dem Vorliegen eines Gewerbeausschlussgrundes gemäß § 13 Abs. 1 oder 2 GewO 1994 erforderlich, dass nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Gewerbebehörde auf Grundlage des Verhaltens in der Vergangenheit eine begründete und nachvollziehbare Prognose über das zukünftige Verhalten einer Person anzustellen. Die Prognose nach § 87 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 setzt – so der Verwaltungsgerichtshof – daher jedenfalls die Feststellung der Tathandlungen voraus, die der (hier den Ausschlussgrund nach § 13 Abs. 1 GewO 1994 bildenden) Verurteilung konkret zugrunde gelegen sind und von denen die Gewerbebehörde in Bindung an die rechtskräftige Verurteilung bei ihrer Prognose auszugehen hat (vgl. VwGH 12.06.2013, 2013/04/0064, VwGH 02.02.2012, 2011/04/0197, VwGH 22.06.2011, 2011/04/0014, jeweils mwN). Darüber hinaus ist die Prognose unter Berücksichtigung der mit der weiteren Ausübung der konkreten Gewerbeberechtigung im Zusammenhang stehenden Umstände zu erstellen (vgl. etwa VwGH 09.09.2015, Ro 2014/04/0012; zu den Anforderungen an eine Prognoseentscheidung vgl. überdies Kreisl in Ennöckl/Raschauer/Wessely, GewO § 87, Rz. 16 ff, wonach insbesondere auch das Wohlverhalten des Betroffenen – der seit der Begehung der Delikte oder Verurteilung verstrichene Zeitraum – zu berücksichtigen ist).
4.5. Im vorliegenden Fall fehlt schon die Feststellung der Tathandlungen, die der den Ausschlussgrund gemäß § 13 Abs. 1 Z 1 lit. b GewO 1994 bildenden Verurteilung konkret zugrunde gelegen sind, und damit die Grundlage für die gemäß § 87 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 zu treffende Prognoseentscheidung. Es wäre Sache der belangten Behörde gewesen, nach Durchführung eines entsprechenden Ermittlungsverfahrens, wie insbesondere etwa durch Einsichtnahme in den Gerichtsakt, unter Wahrung des Parteiengehörs Feststellungen über die der Verurteilung konkret zugrunde liegenden Tathandlungen zu treffen und darauf aufbauend eine Prognoseentscheidung über das künftige Verhalten des Gesellschafters – unter Bedachtnahme auf die Eigenart der strafbaren Handlung und dessen sich ergebender Persönlichkeit – vorzunehmen.
Die belangte Behörde hat die gegenständliche Entziehung der Gewerbeberechtigung wegen Nichtentfernung des Gesellschafters aus dessen Funktion alleine auf das im Strafregister aufscheinende og. Urteil des Landesgerichtes *** gestützt. Dazu ist (nur formelhaften) ausgeführt, dass die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat „gerade bei Ausübung des Gewerbes ‚Baugewerbetreibender, eingeschränkt auf ausführende Tätigkeiten‘ zu befürchten“ sei.
Diese Ausführungen vermögen die im Verfahren gemäß §§ 91 Abs. 2 iVm 87 Abs. 1 Z 1 iVm 13 Abs. 1 Z 1 lit. b GewO 1994 erforderlichen Feststellungen über die der Verurteilung konkret zugrunde liegenden Tathandlungen – als Grundlage für die Prognoseentscheidung – nicht zu ersetzen. Die Behörde hat daher die Voraussetzungen für das Vorliegen des Entziehungsgrundes gemäß §§ 87 Abs. 1 Z 1 iVm 13 Abs. 1 Z 1 lit. b GewO 1994 im vorliegenden Fall nur ansatzweise ermittelt (vgl. im Besonderen VwGH 02.02.2012, 2011/04/0197, wonach die Stützung der Entziehung der Gewerbeberechtigung alleine auf einen Auszug aus dem Strafregister nicht ausreicht).
4.6. Da die belangte Behörde die notwendigen Ermittlungen unterlassen hat, steht der maßgebliche Sachverhalt iSd § 28 Abs. 2 VwGVG nicht fest. Damit stellt sich die Frage, ob die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich selbst nach § 28 Abs. 2 Z 2 VwGVG im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist, oder ob der Raschheit und Kostenersparnis besser durch eine Aufhebung und Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG gedient ist.
Nach der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 Abs. 2 Z 2 iVm § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG ist in § 28 VwGVG ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert, weswegen die in § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann daher nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt hat oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwas schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. etwa VwGH 05.09.2018, Ro 2018/03/0017, VwGH 06.07.2016, Ra 2015/01/0123, jeweils mwN).
Im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen für ein Vorgehen nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufgrund der dargestellten gravierenden Ermittlungslücken erfüllt. Indem die belangte Behörde keinerlei Feststellungen über die der angeführten Verurteilung konkret zugrunde gelegenen Tathandlungen getroffen hat, fehlt die sachverhaltsbezogene Grundlage für die gemäß § 87 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 zu treffende Prognoseentscheidung (und wurde eine Prognoseentscheidung von der belangten Behörde auch nur formelhaft vorgenommen). Sie hat damit den für das Vorliegen eines Entziehungsgrundes gemäß §§ 87 Abs. 1 Z 1 iVm 13 Abs. 1 Z 1 lit. b GewO 1994 notwendig festzustellenden Sachverhalt nur ansatzweise ermittelt.
4.7. Es war daher der angefochtene Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zur (allfälligen) Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.
5. Zur Nichtdurchführung einer mündlichen Verhandlung:
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, weil bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
6. Zur Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist nicht zulässig, da die gegenständliche Entscheidung nicht von der zitierten und einheitlichen (ständigen) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und sich im Übrigen auf die eindeutige Rechtslage stützt (vgl. zur Unzulässigkeit der Revision aus diesem Grund etwa VwGH 12.10.2017, Ra 2017/08/0046).
Schlagworte
Gewerbliches Berufsrecht; Gewerbeberechtigung; Straftat; Prognose; Verfahrensrecht; Zurückverweisung;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.AV.1013.001.2018Zuletzt aktualisiert am
17.12.2018