Index
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;Norm
ASVG §18a Abs1 idF 1990/294;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, vertreten durch Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kohlmarkt 11, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 17. Februar 1999, Zl. 120.067/1-7/99, betreffend Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18a ASVG (mitbeteiligte Partei: H in Z), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Pensionsversicherungsanstalt hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) Aufwendungen von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 8. April 1998 hat die beschwerdeführende Pensionsversicherungsanstalt den Antrag der Mitbeteiligten auf Selbstversicherung für Zeiten der Pflege ihrer behinderten (am 5. März 1979 geborenen) Tochter abgewiesen.
Der Landeshauptmann von Tirol gab dem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch der Mitbeteiligten mit Bescheid vom 18. November 1998 Folge.
Der von der beschwerdeführenden Pensionsversicherungsanstalt gegen den Einspruchsbescheid erhobenen Berufung wurde mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid keine Folge gegeben.
Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides sei unbestritten, dass die Mitbeteiligte und deren Tochter im gemeinsamen Haushalt leben und der Vater mindestens bis Dezember 2000 eine erhöhte Familienbeihilfe im Sinne von § 8 Abs. 4 des FLAG beziehe. Die Tochter befinde sich seit September 1997 in Arbeits- und Beschäftigungstherapie einer Einrichtung der "Lebenshilfe Ramsau" und werde dort von Montag bis Donnerstag von 8.00 bis 16.15 Uhr und am Freitag von 8.00 bis 13.30 Uhr betreut. Nicht betreut werde sie während der vierwöchigen Sommerferien im Juli bzw. im August und während der zweiwöchigen Weihnachtsferien. Betreuungsfreie Tage seien Fenstertage im Kalenderjahr. An diesen Tagen sei die Tochter der Mitbeteiligten auf deren dauernde Pflege angewiesen, da sie aufgrund ihrer Behinderung nicht in der Lage sei für sich selbst zu sorgen. Die Tochter der Mitbeteiligten leide unter dem "Prader-Willi-Syndrom". Dabei handle es sich um eine genetisch bedingte Entwicklungsstörung, die mit Besonderheiten der körperlichen, geistigen und Verhaltensentwicklungen einhergehe. Zu den körperlichen Befunden gehöre eine ausgeprägte Adipositas und Kleinwuchs; in den meisten Fällen liege eine mentale Behinderung vor, die sehr variabel sein könne und im Bereich der Lern- oder geistigen Behinderung liege. Als psychopathologische Besonderheiten seien ein ausgeprägter zwanghafter Drang zur Nahrungsaufnahme, Impulsivität, zwanghafte Verhaltensweisen und soziale Unreife für das Syndrom charakteristisch. Bei der Tochter der Mitbeteiligten treffe diese Merkmalskombination in jeder Hinsicht zu. Ihre mentale Entwicklung liege im Bereich der geistigen Behinderung. Sie besuche eine Werkstätte für Behinderte und sei trotz guter familiärer und pädagogischer Förderung in vielen Dingen des täglichen Lebens auf Aufsicht und Betreuung angewiesen (u.a. Kontrolle über ihr Essverhalten, Selbständigkeit außerhalb des Hauses). Dies werde auch im weiteren Verlauf ihrer Entwicklung im erwachsenen Alter so bleiben. Aufgrund eingeholter Gutachten und Einsichtnahme in den Pflegegeldakt der Sozialabteilung des Amtes der Tiroler Landesregierung stellte die belangte Behörde fest, dass bei der Tochter der Mitbeteiligten ständige Betreuungsmaßnahmen bei der täglichen Körperpflege und beim Zubereiten von Mahlzeiten, beim An- und Auskleiden sowie zur Einnahme von Medikamenten erforderlich seien. Ständige Hilfe sei erforderlich für die Herbeischaffung von Nahrungsmitteln und Medikamenten, für die Reinigung der Wohnung und der persönlichen Gebrauchsgegenstände, für die Pflege der Leib- und Bettwäsche, für die Beheizung des Wohnraumes und Mobilitätshilfe im weiteren Sinn, wie zur Begleitung zum Arztbesuch, zu Therapien und in die Einrichtungen der Lebenshilfe. Die Tochter der Mitbeteiligten beziehe weiterhin Pflegegeld der Stufe 3. Es sei festzustellen, dass sie ständiger Wartung und Hilfe bedürfe, diesbezüglich aber nicht unbedingt auf eine einzige Person angewiesen sei. Sie verbringe immerhin den Großteil der Woche in der Werkstätte Ramsau, wo die nötigen Wartungs- und Hilfsmaßnahmen offenbar ebenso erbracht werden könnten wie im häuslichen Umfeld. Sie bedürfe für alle lebensnotwendigen Verrichtungen der Hilfe einer Pflegeperson.
In rechtlicher Hinsicht vertrat die belangte Behörde, gestützt u. a. auf die Gesetzesmaterialien zur 44. ASVG-Novelle, die Auffassung, dass im Beschwerdefall die Voraussetzungen des § 18a Abs. 3 Z. 3 ASVG vorlägen und damit die gesetzliche Vermutung gelte, derzufolge die Arbeitskraft der Mitbeteiligten durch die Pflege ihrer Tochter jedenfalls gänzlich in Anspruch genommen sei.
Dem von der Beschwerdeführerin erhobenen Einwand, die durch die Behinderung bedingten Wartungs- und Hilfsmaßnahmen könnten in der Werkstätte der Lebenshilfe ebenso erbracht werden, hielt die belangte Behörde entgegen, dass dies nicht dem Sinn und Zweck einer Arbeits- und Beschäftigungstherapie entspreche. Der Pflegeperson könne die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nur dann zugemutet werden, wenn ihr neben dieser Ausübung genügend Zeit zur Erholung zur Verfügung stehe. Die Sachverhaltsfeststellungen hätten ergeben, dass die Tochter der Mitbeteiligten nicht nur für alle lebensnotwendigen Verrichtungen der Hilfe einer Person bedürfe, sondern auch einer ständigen starken psychischen Unterstützung durch die Mutter, um eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes zu vermeiden. Die Mitbeteiligte leiste jeden Tag, bevor sie ihre Tochter in die Lebenshilfe bringe bzw. an jedem Abend, ab dem Zeitpunkt, an dem sie ihre Tochter von dort abhole, an jedem Wochenende, an den Fenstertagen, in den Ferien und im Krankheitsfall dasjenige Maß an Arbeit, das ihr noch zugemutet werden könne. Würde man die Mitbeteiligte auch noch verpflichten, zu ihrer Pflegetätigkeit einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, würde man ihr eine Belastung aufbürden, die das Maß des Zumutbaren bei weitem überschreite. Demzufolge komme auch die gesetzliche Vermutung zum Tragen, dass es der Mitbeteiligten vor allem unter Berücksichtigung der für die Erwerbstätigen geltenden arbeitsrechtlichen Vorschriften betreffend Arbeitsruhe und Urlaub auch in der ihr verbleibenden Zeit nicht möglich sei, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und dadurch für eine eigenständige Alterssicherung vorzusorgen. Damit gelte die Voraussetzung der "gänzlichen Beanspruchung der Arbeitskraft" im Sinne des § 18a Abs. 1 und Abs. 3 ASVG als erfüllt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt; die mitbeteiligte Partei hat sich am Beschwerdeverfahren nicht beteiligt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der durch die 44. ASVG-Novelle, BGBl. Nr. 609/1987, eingeführte § 18a ASVG lautet in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. Nr. 294/1990 auszugsweise:
"§ 18a. (1) Personen, die sich der Pflege eines im gemeinsamen Haushalt lebenden behinderten Kindes, für das erhöhte Familienbeihilfe im Sinne des § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376, gewährt wird, widmen und deren Arbeitskraft aus diesem Grund gänzlich beansprucht wird (Abs. 3), können sich, solange sie während dieses Zeitraumes ihren Wohnsitz im Inland haben, längstens jedoch bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres des Kindes, in der Pensionsversicherung selbstversichern. Der gemeinsame Haushalt besteht weiter, wenn sich das behinderte Kind nur zeitweilig wegen Heilbehandlung außerhalb der Hausgemeinschaft aufhält. Eine Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes kann jeweils nur für eine Person bestehen.
...
(3) Eine gänzliche Beanspruchung der Arbeitskraft im Sinne des Abs. 1 liegt vor, solange das behinderte Kind
1. das Alter für den Beginn der allgemeinen Schulpflicht (§ 2 des Schulpflichtgesetzes 1985, BGBl. Nr. 76/1985) noch nicht erreicht hat und ständiger persönlicher Hilfe und Wartung bedarf,
2. während der Dauer der allgemeinen Schulpflicht wegen Schulunfähigkeit (§ 15 des Schulpflichtgesetzes 1985) entweder von der allgemeinen Schulpflicht befreit ist oder ständiger persönlicher Hilfe und Wartung bedarf,
3. nach Vollendung der allgemeinen Schulpflicht und vor Vollendung des 30. Lebensjahres dauernd bettlägrig ist oder ständiger persönlicher Hilfe und Wartung bedarf.
..."
Nach den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage nimmt die Frage der pensionsversicherungsrechtlichen Berücksichtigung der Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes durch einen Elternteil ihren Ausgang von der Tatsache, dass die Mutter bzw. der Vater eines solchen Kindes (in der Regel wird es die Mutter sein), sofern sie bzw. er sich ausschließlich und allein seiner Pflege widmet, aus diesem Grund nicht in der Lage ist, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, und damit auch nicht für eine eigenständige Alterssicherung vorsorgen kann. Für die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung kommen alle jene Personen in Betracht, die sich der Pflege eines behinderten Kindes, das nicht älter als 27 Jahre (seit der Novelle BGBl. Nr. 294/1990: 30 Jahre) ist, widmen, für das erhöhte Kinderbeihilfe nach § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 gewährt wird, und deren Arbeitskraft als Folge der Pflege zur Gänze in Anspruch genommen ist. Bei Zutreffen der Voraussetzungen des Abs. 3 des neuen § 18a ASVG gilt die gesetzliche Vermutung, derzufolge die Arbeitskraft der Pflegeperson durch die Pflege auf jeden Fall gänzlich in Anspruch genommen ist. Die Aufzählung ist taxativ, sodass es daneben keine Fälle gibt, die zur Stellung eines Antrages auf eine Selbstversicherung gemäß § 18a ASVG berechtigen. Sinn dieser Regelung ist es, den Antragsteller davon zu befreien, im Einzelfall nachweisen zu müssen, dass seine Arbeitskraft durch die Pflege des behinderten Kindes zur Gänze beansprucht wird. Dies könnte vor allem dann auf Schwierigkeiten stoßen, wenn eine Pflegeperson neben der Betreuung eines behinderten Kindes noch weitere Kinder versorgt und betreut bzw. den Haushalt führt. Gemäß § 18a Abs. 3 ASVG sind dies die Pflegefälle, in denen das behinderte Kind das sechste Lebensjahr noch nicht erreicht hat und ständiger persönlicher Hilfe und Wartung bedarf (Z. 1), wenn es älter ist, während der Dauer der allgemeinen Schulpflicht (9 Schuljahre nach Beginn der allgemeinen Schulpflicht), sofern das Kind wegen Schulunfähigkeit von der allgemeinen Schulpflicht befreit ist oder ständiger persönlicher Hilfe und Wartung bedarf (Z. 2) bzw. nach Vollendung der allgemeinen Schulpflicht und vor Vollendung des 27. Lebensjahres (seit der Novelle BGBl. Nr. 294/1990: 30. Lebensjahres), wenn das Kind dauernd bettlägrig ist oder ständiger persönlicher Hilfe und Wartung bedarf (Z. 3). Die zuletzt genannten Kriterien decken sich im Wesentlichen mit den Voraussetzungen, die nach den einzelnen Sozialhilfe- und Behindertengesetzen der Länder für den Anspruch auf die höchste Stufe des Pflegegeldes erforderlich sind (vgl. 324 BlgNR. 17. GP., Seite 24 f).
Vor diesem Hintergrund hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 17. Dezember 1991, Zl. 89/08/0353, die Auffassung vertreten, die damals anzuwendende Bestimmung des § 18a Abs. 3 Z. 2 ASVG sei im Sinne der Erläuternden Bemerkungen (berichtigend) so zu lesen, dass eine gänzliche Beanspruchung der Arbeitskraft nach Abs. 1 vorliege, solange das behinderte Kind während der Dauer der allgemeinen Schulpflicht entweder wegen Schulunfähigkeit von der allgemeinen Schulpflicht befreit ist oder ständiger persönlicher Hilfe und Wartung bedarf. § 18a Abs. 3 Z. 2 ASVG erfasse daher auch den im (damaligen) Beschwerdefall zugrundeliegenden Sachverhalt, dass ein (schulpflichtiges) behindertes Kind zwar die Schule besuche, jedoch dennoch (insbesondere wegen einer zufolge einer Hörbehinderung gestörten Kommunikationsfähigkeit erforderlichen ständigen Betreuung des Kindes außerhalb des Schulbesuches auf dem Schulweg) ständiger persönlicher Hilfe und Wartung bedürfe.
Das Gesetz definiert in § 18a Abs. 3 ASVG jene Fälle, in denen - vorausgesetzt das behinderte Kind lebt mit der betreffenden Person im gemeinsamen Haushalt und diese widmet sich seiner Pflege - nach der Art einer gesetzlichen Vermutung anzunehmen ist, dass die Arbeitskraft der Pflegeperson aus diesem Grunde gänzlich beansprucht wird.
Der Gesetzgeber stellt dabei - anders als die beschwerdeführende Pensionsversicherungsanstalt meint - nicht auch darauf ab, ob die erforderliche Betreuungstätigkeit auch von Dritten erbracht werden könnte; er geht - auch hierin freilich in typisierender Weise - davon aus, dass der Bedarf eines behinderten Kindes nach persönlicher Betreuung durch einen Elternteil variabel ist und vom Alter des Kindes in Kombination mit der Schwere der Behinderung abhängt; auch dieser Bedarf - aufgrund dessen der Gesetzgeber bei Vorliegen der im Gesetz genannten Voraussetzungen die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit durch einen Elternteil für nicht zumutbar (mag er auch an sich möglich sein) erachtet - soll offenbar durch die Kombination von Alter und Grad der Behinderung in § 18a Abs. 3 ASVG zum Ausdruck kommen. Erst ab dem 30. Lebensjahr des behinderten Kindes mutet der Gesetzgeber dem behinderten Kind zu, die Pflege in jedem Fall durch dritte Personen in Anspruch zu nehmen und sieht daher ab dieser Altersgrenze eine begünstigte Selbstversicherung für die im gemeinsamen Haushalt lebende Pflegeperson generell nicht mehr vor.
Ebensowenig kommt es darauf an, ob sich die erwerbslose Pflegeperson - solange sie keiner pensionsversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgeht - der Pflege des im gemeinsamen Haushalt lebenden Kindes ganztägig "widmet" oder ob das behinderte Kind in einer Tagesbetreuungsstätte untergebracht ist, sofern der Grad der Behinderung in Verbindung mit dem Alter des Kindes - entsprechend den Voraussetzungen des § 18a Abs. 3 ASVG - die Aufnahme eines die Pensionsversicherungspflicht begründenden Beschäftigungsverhältnisses als unzumutbar erscheinen lässt, wobei dies bei Vorliegen der Tatbestandsmerkmale des § 18 Abs. 3 Z. 1 - 3 ASVG unwiderlegbar vermutet wird und daher von der Behörde nicht gesondert zu untersuchen ist.
Der belangten Behörde ist im Ergebnis ferner darin Recht zu geben, dass auch eine angemessene Zeit der Erholung und Regeneration von der Pflegeleistung in Rechnung zu stellen ist. Darauf hat jedoch schon der Gesetzgeber, wie sich aus der typisierenden Gesetzestechnik ergibt, in abschließender Weise Bedacht genommen, ohne dass der Erholungsbedarf der betreuenden Person im Einzelfall gesondert (dh neben den Voraussetzungen des § 18a Abs. 3 ASVG) zu prüfen wäre, solange das behinderte Kind tatsächlich mit der Pflegeperson im gemeinsamen Haushalt lebt: Die Voraussetzungen des § 18a Abs. 1 ASVG liegen nämlich nur dann nicht vor, wenn das Kind in einem solchen zeitlichen Ausmaß in einer Einrichtung untergebracht ist, dass von einem gemeinsamen Haushalt mit dem Elternteil, der sich in der verbleibenden Zeit seiner Pflege widmet, nicht mehr gesprochen werden könnte, es sei denn, die Unterbringung erfolgte nur zeitweilig zum Zwecke einer Heilbehandlung (§ 18a Abs. 1 zweiter Satz ASVG).
Schließlich ist den diesbezüglichen Beschwerdeausführungen zuwider bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 ASVG auch nicht weiter zu untersuchen, ob und in welchem Ausmaß der Grad der Inanspruchnahme mit jener, die auch bei gesunden Kindern des jeweiligen Alters angenommen werden muss, vergleichbar ist. Der Gesetzgeber geht - durchaus in Übereinstimmung mit der Lebenserfahrung - offenbar davon aus, dass die physische und psychische Inanspruchnahme einer Pflegeperson bei Vorliegen der gesetzlichen Kriterien von ganz anderer Qualität ist, als dies bei gesunden Kindern vergleichbaren Alters der Fall wäre. Der Gesetzgeber hat es offenbar auch darin bewusst bei der die Kriterien der Inanspruchnahme der Arbeitskraft sehr formalisiert umschreibenden Regelung in § 18a Abs. 3 ASVG bewenden lassen. Er hat damit zwar einerseits entsprechende Unschärfen in Kauf genommen, andererseits aber auch die Möglichkeit einer begünstigten Selbstversicherung mit dem 30. Lebensjahr des Kindes begrenzt. Eine solche Regelungstechnik - die freilich den Vorteil der leichteren Handhabbarkeit für sich hat - bringt es zwangsläufig mit sich, dass die im Einzelfall trotz der Pflege allenfalls für die Pflegeperson gegebene Möglichkeit, eine die Pensionsversicherungspflicht begründende Teilzeitbeschäftigung einzugehen, ebenso unberücksichtigt bleiben muss, wie das ausnahmsweise, die Aufnahme einer Beschäftigung hindernde Fortbestehen eines an die bisherige Pflegeperson gebundenen Pflegebedarfs über das 30. Lebensjahr des Kindes hinaus.
Aus den gleichen Gründen ist es unerheblich, ob die Mitbeteiligte einer Beschäftigung dann nachgehen könnte, wenn die Betreuungsmöglichkeit durch den im gemeinsamen Haushalt lebenden Kindesvater in Rechnung gestellt würde: es kommt weder darauf an, dass eine andere Pflegeperson nicht zur Verfügung steht, noch darauf, ob die Pflege allein oder mit Hilfe des Ehepartners (was bis zu einem gewissen Grad doch wohl als Regelfall unterstellt werden kann) erfolgt, was der Gesetzgeber nicht zuletzt auch dadurch zum Ausdruck bringt, dass eine Selbstversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes (ergänze: auch wenn die Pflege zwischen zwei Personen geteilt wird) jeweils nur für eine Person bestehen kann (§ 18a Abs. 1 letzter Satz ASVG).
Da es danach auf die Pflegemöglichkeit durch Dritte für die Berechtigung zur Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18a ASVG nicht ankommt, ist auch die Frage des Bezuges von Pflegegeld in diesem Zusammenhang ohne rechtliche Relevanz. Angesichts der Kriterien des § 18a Abs. 3 ASVG wird der Bezug von Pflegegeld in den meisten Fällen gegeben sein.
Vor diesem rechtlichen Hintergrund erweist sich die Beschwerde als nicht begründet:
Im bereits zitierten Vorerkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof das Vorliegen der Voraussetzungen der Z. 2 im Ergebnis für einen Fall als gegeben angenommen, in welchem zwar keine Befreiung von der Schulpflicht vorgelegen ist, aber die Behinderung eine Betreuung auf dem Schulweg erforderlich machte, ohne welche der Schulweg (zumutbarerweise) vom behinderten Kind nicht zurückgelegt und dadurch die Erfüllung der Schulpflicht nicht sichergestellt hätte werden können.
Überträgt man diesen Gedanken im Sinne des vorstehend Gesagten auf § 18a Abs. 3 Z. 3 ASVG, so kommt es darauf an, ob der Grad der Behinderung der Tochter der Mitbeteiligten ein solches Ausmaß erreicht, dass von einem Erfordernis ständiger Hilfe und Wartung gesprochen werden muss. Dies ist nach Auffassung des erkennenden Senates dann der Fall, wenn das Kind aufgrund seiner Behinderung zwar nicht körperlich hinfällig ist, aber aus anderen Gründen (insbesondere auch aufgrund einer geistigen Behinderung) rund um die Uhr einer intensiven persönlichen Betreuung bedarf, ohne die es gänzlich außerstande wäre, seinen Tagesablauf zu bewältigen.
Nach den Feststellungen der belangten Behörde ist die Tochter der Beschwerdeführerin "in vielen Dingen des täglichen Lebens auf Aufsicht und Betreuung" angewiesen, wobei die Kontrolle über das Essverhalten und die Selbständigkeit außerhalb des Hauses als Betreuungsfelder hervorgehoben werden. Nimmt man die Skala der notwendigen Hilfestellungen (tägliche Körperpflege, Zubereiten von Mahlzeiten, An- und Auskleiden, Einnahme von Medikamenten, Einholen von Nahrungsmitteln und Medikamenten, Wohnungsreinigung, Pflege der Leib- und Bettwäsche, Beheizung des Wohnraums und Mobilitätshilfe zur Begleitung zum Arztbesuch, zu Therapien und zu den Einrichtungen der Lebenshilfe) hinzu, dann ist kaum ein Bereich des täglichen Lebens erkennbar, den die behinderte Tochter der Mitbeteiligten ohne persönliche Betreuung zu meistern in der Lage wäre, wobei den Ausschlag gibt, dass die an sich mögliche selbständige Einnahme von Mahlzeiten aufgrund der Spezifika der Krankheit, an der die Tochter der Beschwerdeführerin leidet, ebenfalls einer Kontrolle und Aufsicht bedarf.
Die belangte Behörde ist daher im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die Arbeitskraft der Mitbeteiligten durch ein den Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 Z. 3 ASVG entsprechendes Betreuungserfordernis zur Gänze in Anspruch genommen ist.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 21. September 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999080053.X00Im RIS seit
21.02.2002