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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §1165;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der U GmbH & CO KG, vertreten durch Dr. Christoph Schwab, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Maximilianstraße 30, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 20. Dezember 1996, Zl. SV(SanR)-901/2-1996-Tr/Ma, betreffend Rückforderung geleisteter Sozialversicherungsbeiträge gemäß § 69 ASVG (mitbeteiligte Partei:
Oberösterreichische Gebietskrankenkasse, Gruberstraße 77, 4021 Linz), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 9. Februar 1996, mit dem der Antrag der Beschwerdeführerin vom 8. Juni 1995 auf Rückzahlung zu Unrecht einbezahlter Sozialversicherungsbeiträge abgelehnt wurde, keine Folge.
In der Begründung dieses Bescheides stellte die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensganges und auszugsweiser Wiedergabe des § 69 ASVG folgenden Sachverhalt fest:
Das Arbeitsamt Wels habe mit Schreiben vom 11. März 1994 an den Magistrat der Stadt Wels Anzeige wegen unerlaubter Ausländerbeschäftigung von neun Ausländern gegen die Beschwerdeführerin erstattet. Unter diesen neun Ausländern hätten sich auch die drei tschechischen Staatsbürger N, Ru und Ry befunden. Diese Anzeige sei aufgrund einer Kontrolle am 22. Februar 1994 bei der Beschwerdeführerin erstattet worden. Die Erhebungen bei der Kontrolle hätten ergeben, dass die Beschwerdeführerin über ihre tschechische Tochterfirma mit der tschechischen Firma PEM einen Vertrag über Lieferung und Montage von Anlagekomponenten für ihre im Bau befindliche chemisch-physikalisch-biologische Abwasserreinigungsanlage abgeschlossen habe. Im Zuge der Vertragserfüllung seien von der tschechischen Firma im September 1993 Monteure nach Österreich entsandt worden, die auf dem Betriebsgelände der Beschwerdeführerin gearbeitet hätten.
Die Beschwerdeführerin habe beim Arbeitsamt Wels um Ausstellung von Sicherungsbescheinigungen für zehn tschechische Arbeitnehmer angesucht, die sie bei Montagearbeiten benötigt habe. Das Arbeitsamt Wels habe diese Anträge abgelehnt. Über Berufung der Beschwerdeführerin seien die Bescheide hinsichtlich der tschechischen Arbeitnehmer N, Ru und Ry aufgehoben worden. In der Begründung dieser Aufhebungsbescheide sei zu lesen, dass in Anbetracht der besonderen Situation die Erteilung einer Sicherungsbescheinigung für die ausländischen Arbeitskräfte ausnahmsweise vertretbar sei. Die Bescheinigung dürfe aber nur unter der Auflage erteilt werden, dass die Ausländer bei der Beschwerdeführerin zu den österreichischen Lohn-, Arbeits- und Sozialversicherungsbedingungen angestellt würden.
In der Folge seien für diese drei tschechischen Arbeitnehmer Beschäftigungsbewilligungen ab 2. Mai 1994 erteilt worden und zwar für N bis 28. Februar 1995, für Ru und Ry bis 30. April 1995.
Mit Schreiben vom 17. Februar 1994 habe die Beschwerdeführerin dem tschechischen Auftragnehmer unter anderem Folgendes mitgeteilt:
"Wir können davon ausgehen, dass wir voraussichtlich drei
Arbeitskräfte Ihrer Firma bei uns in Österreich bei der Firma UWEG
anstellen und zusätzliche sieben Arbeitskräfte aus Österreich für
diesen Zweck (Finalisierung der Arbeiten) einsetzen müssten ... Wir
dürfen nur darauf hinweisen, dass die Aufsicht durch das gewerblich
befugte Führungspersonal der Firma UWEG erfolgen müsste, das heißt,
dass bei Kommunikationsproblemen (tschechisch-deutsch) unter
Umständen die Einhaltung der Dienstnehmerschutzverordnung im
Einzelfall nicht gewährleistet werden kann. Bitte nehmen Sie zur
Kenntnis, dass Sie Ihre übrigen Maschineneinheiten und Werkzeuge
für die Monteure, welche Sie im Dezember zurückgelassen haben,
inklusive der noch hier überzählig gelieferten Rohrleitungen
abholen müssen ... Weiters ersuchen wir Sie höflichst ... bei der
Abholung der Materialien und Werkzeuge darauf zu achten, dass nur
das 1993 eingesetzte Personal eingesetzt werden darf ... Die
Aufräumarbeiten müssten innerhalb kürzester Zeit abgeschlossen
werden ... Zur Koordination des Abholtermines und für weitere
Auskünfte steht Ihnen der von uns im Werkvertragsverhältnis
beauftragte Zivilingenieur Dipl. Ing. Franz A ... in T ... zur
Verfügung. Die Koordination wird ebenfalls Herr Dipl. Ing. A ...
durchführen. Der Einsatz der Arbeitskräfte für definitive Arbeiten (im Sinne des Ausländerbeschäftigungsgesetzes) kann bei Vorliegen einer Genehmigung für drei Arbeitskräfte erfolgen."
Die Beschwerdeführerin habe die drei genannten tschechischen Dienstnehmer für den Zeitraum der Beschäftigungsbewilligung als ihre Dienstnehmer zur Pflichtversicherung angemeldet. Die Beschwerdeführerin habe ordnungsgemäß Lohnunterlagen geführt und diese Arbeitnehmer entlohnt.
Die drei tschechischen Arbeitnehmer seien im Betriebsareal der Beschwerdeführerin tatsächlich eingesetzt worden. Da der ursprünglich bei der Montage für die tschechische Firma zur Aufsicht entsandte Ing. K ... im fraglichen Zeitraum nicht mehr in Österreich gewesen sei, gelte es auch als erwiesen, dass die drei Monteure in den Betriebsorganismus der Beschwerdeführerin eingegliedert gewesen seien und hinsichtlich Arbeitszeit und Arbeitsfolge den Weisungen von Bediensteten der Beschwerdeführerin bzw. des von der Beschwerdeführerin beauftragten Koordinators unterlegen seien.
Aufgrund des als erwiesen anzunehmenden Sachverhaltes seien die drei tschechischen Staatsbürger als Dienstnehmer der Beschwerdeführerin zu werten. Ob die drei Genannten auch in Tschechien versichert gewesen seien, sei für die Beurteilung der Versicherungspflicht in Österreich an sich unbeachtlich. Der Rückforderungsantrag sei erst nach Beendigung der Tätigkeit der Ausländer und ca. 1 1/2 Jahre nach Arbeitsaufnahme derselben und vorbehaltsloser Einbezahlung der Sozialversicherungsbeiträge gestellt worden. Es gehe nach Meinung der belangten Behörde nicht an, von österreichischen Behörden Bewilligungen, die an bestimmte Bedingungen gebunden gewesen seien, widerstandslos zu akzeptieren, die gestellten Bedingungen zu erfüllen, im gegenständlichen Fall also die drei Ausländer bei der Sozialversicherung anzumelden, die Lohnkonten zu führen und Löhne auszubezahlen, aber nach Beendigung der Dienstverhältnisse (bei N Kündigung durch den Dienstnehmer, bei Ru und Ry Kündigung durch den Dienstgeber) den Bestand der Dienstverhältnisse zu bestreiten und die freiwillig und vorbehaltslos über ein Jahr bezahlten Sozialversicherungsbeiträge zurückverlangen. Durch die Erfüllung der auferlegten Bedingungen müsse davon ausgegangen werden, dass tatsächlich Dienstverhältnisse der Beschwerdeführerin zustandegekommen seien. Durch das Schreiben der Beschwerdeführerin an den tschechischen Auftragnehmer sei diesem auch bekannt geworden, dass die Beschwerdeführerin die drei Dienstnehmer als eigene Dienstnehmer der Sozialversicherung in Österreich anmelden werde.
Aber selbst wenn man zur Ansicht gelange, dass Dienstverhältnisse zur Beschwerdeführerin nicht gegeben gewesen seien, so müsste gemäß § 69 Abs. 2 ASVG die Rückforderung der Beiträge abgelehnt werden, weil die Anmeldung vorbehaltslos erfolgt sei und die Beiträge über mehr als drei Monate ununterbrochen entrichtet worden seien.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltendmachende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 69 Abs. 1 ASVG können zu Ungebühr entrichtete Beiträge, soweit im Folgenden nichts Anderes bestimmt wird, zurückgefordert werden. Unter Beiträgen sind die vom Dienstgeber geschuldeten und entrichteten Beiträge zur Pflichtversicherung in den verschiedenen Versicherungszweigen zu verstehen. Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist strittig, ob die von der Beschwerdeführerin entrichteten Beiträge von ihr auch geschuldet waren. Die belangte Behörde (und mit ihr die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse) bejaht diese Frage deswegen, weil aufgrund des angenommenen Sachverhaltes die drei tschechischen Arbeitnehmer als Dienstnehmer der Beschwerdeführerin zu werten seien.
Die Beschwerdeführerin führte dagegen ins Treffen, sie sei zunächst davon ausgegangen, dass sie zur Abführung der Sozialversicherungsbeiträge im eigenen Namen verpflichtet gewesen wäre. Erst aufgrund einer wesentlich später erfolgten Überprüfung habe sich ergeben, dass eine Sozialversicherungspflicht nach dem ASVG aufgrund der ohnedies bestehenden Sozialversicherungspflicht in Tschechien auszuschließen sei. Die Anmeldung zur Sozialversicherung und die Abführung der Beiträge sei sohin in der irrigen Annahme getätigt worden, hiezu gesetzlich verpflichtet gewesen zu sein.
Damit kann die Beschwerdeführerin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzeigen.
Gemäß § 1 ASVG regelt dieses Bundesgesetz die "Allgemeine Sozialversicherung im Inland beschäftigter Personen ...". Nach § 3 Abs. 3 zweiter Satz leg. cit. gelten die Dienstnehmer eines ausländischen Betriebes, der - so wie im Beschwerdefall die tschechische Auftragnehmerin - im Inland keine Betriebsstätte (Niederlassung, Geschäftsstelle, Niederlage) unterhält, nur dann als im Inland beschäftigt, wenn sie ihre Beschäftigung (Tätigkeit) von einem in Inland gelegenen Wohnsitz ausüben und sie nicht aufgrund dieser Beschäftigung einem System der sozialen Sicherheit im Ausland unterliegen. Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist unstrittig, dass die drei tschechischen Arbeitskräfte im Betracht kommenden Zeitraum aufgrund ihrer Beschäftigung in Österreich einem System der sozialen Sicherheit in Tschechien unterlagen. Es kommt daher § 3 Abs. 3 zweiter Satz ASVG nicht zur Anwendung.
Nach § 3 Abs. 3 dritter Satz gelten als im Inland beschäftigt jedoch auch Personen, die gemäß § 16 AÜG bei einem inländischen Betrieb beschäftigt werden. Gemäß § 35 Abs. 2 letzter Satz ASVG gilt bei den im § 3 Abs. 3 dritter Satz genannten Personen der Beschäftiger im Sinne des § 3 Abs. 3 AÜG als Dienstgeber.
Der mit "grenzüberschreitender Überlassung" überschriebene § 16 AÜG regelt in seinen Absätzen 3 bis 7 die Zulässigkeit der Überlassung von Arbeitskräften vom Ausland nach Österreich. Unter den "gemäß § 16 AÜG bei einem inländischen Betrieb beschäftigten Personen" im Sinne des § 3 Abs. 3 dritter Satz ASVG sind sowohl die zulässigerweise (infolge der Erteilung der erforderlichen Bewilligung) als auch die unzulässigerweise (mangels einer Bewilligung) beschäftigten Personen zu verstehen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 1996, Zl. 94/08/0178).
Unter der Voraussetzung, dass die drei genannten tschechischen Arbeitskräfte im fraglichen Zeitraum aufgrund einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung bei der Beschwerdeführerin als Beschäftiger im Sinne des § 3 Abs. 3 AÜG beschäftigt wurden, gelten sie im Sinne des § 3 Abs. 3 dritter Satz ASVG als im Inland beschäftigt und unterliegen dann, da ihre Dienstnehmereigenschaft im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG unstrittig ist, als bei der Beschwerdeführerin als Dienstgeber im Sinne des § 35 Abs. 2 letzter Satz ASVG an deren Standort beschäftigte Personen der Vollversicherungspflicht nach § 4 Abs. 1 Z. 1 iVm Abs. 2 ASVG und der Arbeitslosenversicherungspflicht nach § 1 Abs. 1 lit. a AlVG. Ob eine solche grenzüberschreitende Überlassung der tschechischen Arbeitskräfte vorlag, ist nach den §§ 3 und 4 AÜG zu beurteilen.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das oben zitierte Erkenntnis vom 22. Oktober 1996, Zl. 94/08/0178, und vom 10. März 1998, Zl. 95/08/0345) ist durch § 4 AÜG klargestellt, dass selbst für den Fall des Vorliegens eines gültigen Werkvertrages zwischen Entsender und Beschäftiger dem wahren wirtschaftlichen Gehalt nach Arbeitnehmerüberlassung vorliegen kann, und zwar dann, wenn es den Vertragspartnern nach der typischen Gestaltung des Vertragsinhaltes erkennbar gerade auf die Zurverfügungstellung von diesen Arbeitskräften ankommt. Wann dies jedenfalls der Fall ist, legt § 4 Abs. 2 AÜG typisierend nach der Art einer unwiderleglichen Vermutung fest.
Im Beschwerdefall ist die Voraussetzung des § 4 Abs. 2 Z. 3 AÜG, wonach eine Arbeitskräfteüberlassung bei der Erbringung der Leistungen im Betrieb des Werkbestellers "insbesondere auch" vorliegt, wenn die Arbeitskräfte "organisatorisch in den Betrieb des Werkbestellers eingegliedert sind und dessen Dienst- und Fachaufsicht unterstehen", ausgehend vom festgestellten Sachverhalt als erfüllt anzusehen. Die genannte Bestimmung erfordert für die Annahme einer Arbeitskräfteüberlassung ohne Gesamtabwägung kumulativ sowohl die organisatorische Eingliederung in den Betrieb des Beschäftigers, als auch seine Dienst- und Fachaufsicht. Die belangte Behörde hat in ihrem Bescheid unter anderem ausgeführt, dass die drei tschechischen Monteure in den Betriebsorganismus der Beschwerdeführerin eingegliedert gewesen und hinsichtlich Arbeitszeit und Arbeitsfolge den Weisungen der Bediensteten der Beschwerdeführerin unterlegen seien. Diese Feststellung wird in der Beschwerde mit keinem Wort bestritten. Ausgehend von dieser unbekämpften Annahme ist die Voraussetzung des § 4 Abs. 2 Z. 3 AÜG als gegeben anzusehen. Die belangte Behörde hat damit zu Recht die Versicherungspflicht und die Beitragspflicht der Beschwerdeführerin hinsichtlich der drei tschechischen Arbeitnehmer angenommen. Damit steht fest, dass die entrichteten Beiträge auch geschuldet waren. Der Rückforderungsantrag wurde daher zutreffend bereits aus diesem Grunde abgelehnt.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 21. September 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1997080053.X00Im RIS seit
21.02.2002Zuletzt aktualisiert am
27.10.2008