TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/24 W241 2180459-2

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Veröffentlicht am 24.09.2018
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Entscheidungsdatum

24.09.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2
FPG §55 Abs1a
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W241 2180459-2/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. HAFNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Iran, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.06.2018, Zahl 1097354707/180543637/BMI-BFA_SZB_RD, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte II. bis VI. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und diese Spruchpunkte ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein Staatsangehöriger des Iran, brachte nach nicht rechtmäßiger Einreise am 28.11.2015 einen Antrag gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl, BGBl. I Nr. 100/2005 (in der Folge AsylG), ein.

1.2. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid vom 15.11.2017 gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran nicht zugesprochen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung des BF in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

1.3. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (in der Folge BVwG) vom 21.03.2018 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet abgewiesen.

1.4. Mit Schreiben vom 12.06.2018 wurde dem BF durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) Parteiengehör zur beabsichtigten Verhängung eines Einreiseverbotes gewährt.

1.5. In einer Stellungnahme vom 21.06.2018 gab der BF an, nicht ausreiseiwillig zu sein. Er beabsichtige, Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Im Übrigen wiederholte der BF sein Fluchtvorbringen und legte dazu diverse Unterlagen vor.

1.6. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG einen Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.) und festgestellt, dass gemäß § 52 Abs. 9 FPG eine Abschiebung des BF in den Iran zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG wurde ein auf zwei Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.) und einer Beschwerde gegen diesen Bescheid gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.).

Zum Einreiseverbot wurde begründend ausgeführt, dass entsprechend der Rückführungsrichtlinie die Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot zu prüfen sei, da der BF seiner Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen sei. Dieses Fehlverhalten sei geeignet, die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu gefährden. Die Verhaltensweise des BF lasse auch keine positive Zukunftsprognose zu. Zudem falle der BF in den Geltungsbereich des § 53 Abs. 2 Z 6 FPG, da er den Besitz von Unterhaltsmitteln nicht nachweisen könne und ausschließlich aus Mitteln der öffentlichen Hand lebe.

1.7. Gegen die Spruchpunkte II. bis VI. dieses Bescheides erhob der BF mit Schriftsatz vom 20.07.2018 fristgerecht Beschwerde an das BVwG. Zu den Spruchpunkten II. und III. wurde vorgebracht, dass die Behörde den rechtsstaatlichen Erfordernissen nicht genüge getan habe, weil sie lediglich auf die Feststellungen des Asylbescheids (gemeint wohl: Erkenntnis des BVwG) vom 21.03.2018 verwiesen habe. Zum Einreiseverbot wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass die Rückführungsrichtlinie ein Einreiseverbot nur für die Fälle vorsieht, in denen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei, wofür gegenständlich kein Anlass gegeben sei, weil kein erneuter Asylantrag oder sonstiger Antrag nach dem AsylG oder NAG eingebracht worden wäre, der eine Rückkehrentscheidung erfordert hätte. Die Behörde habe keine konkrete Gefährdungsprognose unter Zugrundelegung des Gesamtfehlverhaltens oder eine Begründung der Dauer des Einreisverbotes vorgenommen. Insbesondere sei nicht berücksichtigt worden, dass der BF über keine Reisedokumente verfüge und die Rückkehrentscheidung erst seit kurzer Zeit bestehe. Eine Entscheidung des VwGH über den Antrag auf Verfahrenshilfe sei noch ausständig. Der VwGH könne der Revision noch die aufschiebende Wirkung zuerkennen, wodurch die Rückkehrentscheidung materiell nicht rechtskräftig wäre. Aus diesen Grund seien die erlassene Rückkehrentscheidung, das Einreiseverbot, die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung sowie die Nichtgewährung der Frist für die freiwillige Ausreise insgesamt rechtswidrig und daher ersatzlos zu beheben. Abschließend wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

1.8. Die Beschwerde wurde am 26.07.2018 dem BVwG vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 28.11.2015 wurde mit Bescheid vom 15.11.2017 gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran nicht zugesprochen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung des BF in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 21.03.2018 als unbegründet abgewiesen.

Der BF erhob gegen diese Entscheidung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Der Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt.

Der BF hält sich unrechtmäßig in Österreich auf. Er ist strafrechtlich unbescholten.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Asylverfahren des BF ergeben sich aus dem Erkenntnis des BVwG vom 21.03.2018, L519 2180459-1.

Die Beschwerdeerhebung an den Verfassungsgerichtshof ergibt sich aus der diesbezüglichen Aktenanforderung des Verfassungsgerichtshofs, die im elektronischen Verfahrensakt des BVwG aufscheint.

Der unrechtmäßige Aufenthalt des BF ergibt sich aus der rechtskräftigen Abweisung seiner Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 15.11.2017, in dem sein Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung erlassen wurde.

Die Unbescholtenheit ergibt sich aus einer Einsicht in das Strafregister durch das BVwG vom 11.09.2018.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

3.1. Zu Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides (befristetes Einreiseverbot):

3.1.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des § 52 Abs. 2 Ziffer 2 und Abs. 9, § 53 Abs. 1 und Abs. 3, Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, lauten:

"Rückkehrentscheidung

§ 52 (2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

...

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

...

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

Einreiseverbot

§ 53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

(Anm.: Abs. 1a aufgehoben durch BGBl. I Nr. 68/2013)

(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige

1. wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;

2. wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;

3. wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt;

4. wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;

5. wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;

6. den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;

7. bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;

8. eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat oder

9. an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat.

(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;

3. ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;

4. ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;

5. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

6. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB) oder eine Person zur Begehung einer terroristischen Straftat anleitet oder angeleitet hat (§ 278f StGB);

7. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

8. ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt oder

9. der Drittstaatsangehörige ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass er durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt.

(4) Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

(5) Eine gemäß Abs. 3 maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. § 73 StGB gilt.

(6) Einer Verurteilung nach Abs. 3 Z 1, 2 und 5 ist eine von einem Gericht veranlasste Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gleichzuhalten, wenn die Tat unter Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes begangen wurde, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht."

3.1.2. In den ErläutRV (2144 BlgNR 24. GP 23 f) heißt es zu den zuletzt vorgenommenen Änderungen durch das FNG-Anpassungsgesetz (Fehler im Original):

"Die vorgeschlagenen Änderungen in den Abs. 1, 1a und 2 ergehen in Reaktion auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 2011, GZ. 2011/21/0237 und vom 15. Mai 2012, GZ. 2012/18/0029, u.a. Durch den Entfall der Wortfolge "unter einem" in Abs. 1 soll deutlich werden, dass es sich bei der Erlassung einer Rückkehrentscheidung und dem Einreiseverbot - im Sinne der Rechtsprechung des VwGH - um trennbare Spruchbestandteile handeln kann, so dass es dem Bundesamt im Sinne des Judikates möglich ist, eine Rückkehrentscheidung auch ohne Einreiseverbot zu erlassen. In weiterer Folge bedeutet dies ebenfalls, dass die alleinige Anfechtung der Erlassung des Einreiseverbotes somit zulässig ist, was jedoch der Durchführbarkeit der Rückkehrentscheidung und der damit verbundenen Ausreisepflicht des Drittstaatsangehörigen nicht entgegensteht. Auch unter Beachtung der Vorgaben der Rückführungsrichtlinie in Art. 11, die davon ausgeht, dass eine ‚Rückkehrentscheidung mit einem Einreisverbot einhergeht' kann jedoch ein Einreiseverbot nie eigenständig erlassen werden, es bedarf immer einer zugrundeliegenden Rückkehrentscheidung, an die sich das Einreisverbot anknüpft.

Des Weiteren wird durch den Entfall des Abs. 1a und der vorgeschlagenen Änderung in Abs. 2 erster Satz deutlich, dass die bisher vorgesehene, zwingende Mindestdauer eines Einreiseverbotes behoben wird. Somit soll es künftig dem Bundesamt möglich sein, in Entsprechung der Vorgabe des Art. 11 Abs. 2 Rückführungsrichtlinie, die Festsetzung der Dauer des Einreiseverbotes ‚in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls' zu bemessen und kann es fortan im Einzelfall, z. B. bei einem nur einmaligen, geringfügigen Fehlverhalten des Drittstaatsangehörigen, auch ein 18 Monate unterschreitendes Einreiseverbot erlassen. Umgehungen der Vorschriften dieses Bundesgesetzes sind jedoch keinesfalls als minderes oder geringfügiges Fehlverhalten einzustufen, da auch z.B. die unrechtmäßige Einreise oder der unrechtmäßige Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen nachhaltig das Sicherheitsgefühl der Wohnbevölkerung beeinflussen."

Mit dem FNG-Anpassungsgesetz wurde also die Anordnung, dass mit einer Rückkehrentscheidung stets ein Einreiseverbot einherzugehen habe, eliminiert; außerdem wurde die 18-monatige Mindestdauer eines Einreiseverbotes beseitigt. Ausschlaggebend dafür waren gemäß den zitierten ErläutRV die Überlegungen in den Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes vom 15.12.2011, Zl. 2011/21/0237, und vom 15.05.2012, Zl. 2012/18/0029. Im erstgenannten Erkenntnis wurde unter Bezugnahme auf Art. 11 der Rückführungs-RL zur Dauer von Einreiseverboten ausgeführt:

"Wie sich aus alldem ergibt, stellt jedenfalls der bloße unrechtmäßige Aufenthalt nach dem System der Rückführungs-RL noch keine derartige Störung der öffentlichen Ordnung dar, dass dies immer die Erlassung eines Einreiseverbotes gebieten würde. Zwar kann eine Rückkehrentscheidung dessen ungeachtet mit einem Einreiseverbot einhergehen, eine zwingende Mindestdauer von 18 Monaten - mag sie auch häufig gerechtfertigt sein - in jedem Fall wird der Anordnung, wonach die Festsetzung der Dauer des Einreiseverbotes ‚in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls' zu erfolgen habe, jedoch nicht gerecht. Letztere - zweifellos unmittelbar anwendbare - Richtlinienbestimmung steht daher § 53 Abs. 2 FPG insoweit entgegen, als dort - ohne Ausnahme - die Festsetzung eines Einreiseverbotes für die Dauer von 18 Monaten vorgesehen ist. Umgekehrt kennt das FPG keine kürzere Frist für das Einreiseverbot. Es ist daher davon auszugehen, dass gegebenenfalls, wenn sich das Fehlverhalten des Drittstaatsangehörigen auf den unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet beschränkt und fallbezogen ausnahmsweise (etwa auf Grund seiner kurzen Dauer oder der dafür maßgebenden Gründe) nur eine geringfügige Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens darstellt, überhaupt kein Einreiseverbot zu verhängen ist."

Im zweitgenannten, ebenfalls zu § 53 FPG in der Fassung des FrÄG 2011 ergangenen Erkenntnis wurden diese Ausführungen bekräftigt. Im Anschluss daran hielt der Verwaltungsgerichtshof dann noch zusammenfassend fest, dass immer dann, wenn auf Grund des die öffentliche Ordnung (oder Sicherheit) bloß geringfügig beeinträchtigenden Fehlverhaltens des Drittstaatsangehörigen die Erlassung eines Einreiseverbotes für die Dauer von 18 Monaten nicht gerechtfertigt ist, überhaupt kein Einreiseverbot zu verhängen sei.

Den genannten Erkenntnissen ist damit im Ergebnis zwar zu entnehmen, dass es - auch auf Basis des § 53 FPG in der Fassung des FrÄG 2011 - Konstellationen geben kann, in denen die Verhängung eines (damals vorgesehenen) mindestens 18-monatigen Einreiseverbotes vor dem Hintergrund der einschlägigen Richtlinienbestimmung nicht rechtens sei. Das sei aber - daran lassen die genannten Erkenntnisse keinen Zweifel - nur dann der Fall, wenn dem Drittstaatsangehörigen bloß eine geringfügige Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung (oder Sicherheit) anzulasten ist.

Wie den zitierten ErläutRV zu entnehmen ist, sollte diese Sichtweise in den nunmehrigen § 53 FPG in der Fassung des FNG-Anpassungsgesetzes implementiert werden. Demgemäß legen diese ErläutRV dar, dass das Bundesamt "fortan im Einzelfall, z.B. bei einem nur einmaligen, geringfügigen Fehlverhalten des Drittstaatsangehörigen, auch ein 18 Monate unterschreitendes Einreiseverbot erlassen" können solle.

Die genannten 18 Monate werden zwar im § 53 Abs. 2 FPG (in der aktuellen Fassung) nicht mehr erwähnt (vgl. demgegenüber § 12a Abs. 6 erster Satz AsylG 2005). Vor dem Hintergrund der dargestellten gesetzgeberischen Intention kann es allerdings keinem Zweifel unterliegen, dass die Verhängung kurzfristiger Einreiseverbote (insbesondere solcher in einer Dauer von weniger als 18 Monaten) - oder überhaupt das Unterbleiben eines Einreiseverbotes - regelmäßig nur dann stattzufinden hat, wenn von dem betreffenden Drittstaatsangehörigen keine gravierende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ausgeht. Das wird verschiedentlich dann der Fall sein, wenn der Drittstaatsangehörige "bloß" einen der Tatbestände des § 53 Abs. 2 Z 1 bis 9 FPG erfüllt. Ist dagegen davon auszugehen, dass es sich um einen Drittstaatsangehörigen handelt, von dessen Aufenthalt im Sinn des § 53 Abs. 3 FPG eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit ausgeht, so wird in aller Regel - freilich abhängig von den sonstigen Umständen des Einzelfalles - ein längerfristiges Einreiseverbot zu verhängen sein.

3.1.3. Die belangte Behörde stützte die Verhängung des auf die Dauer von zwei Jahren befristeten Einreiseverbots auf § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG, ohne allerdings die entsprechende Ziffer zu definieren. Dies wurde im angefochtenen Bescheid folgendermaßen begründet: "Die Aufzählung des § 53 FPG ist demonstrativ und demnach nicht als enumerativ abschließend anzusehen, was auch eindeutig aus dem Gesetzestext hervorgeht, nachdem klar festgestellt wird, dass eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit insbesondere gegeben ist, wenn einer der aufgezählten Tatbestände des § 53 Abs. 2 FPG vorliegt. Es sind daher weitere Verhaltensweisen, welche die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden, jedenfalls auch geeignet ein Einreiseverbot zu rechtfertigen."

Im vorliegenden Fall ist die belangte Behörde davon ausgegangen, dass der Aufenthalt des BF im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährde und sohin der Tatbestand des § 53 Abs. 2 FPG verwirklicht sei. Sie begründete dies mit seiner Mittellosigkeit und der Ausreiseverpflichtung, der der BF nicht nachgekommen ist.

Der belangten Behörde ist vorzuwerfen, dass sie in der Begründung des angefochtenen Bescheides überhaupt nicht dargelegt hat, inwiefern auf Grund der konkreten Umstände des Einzelfalles eine (besondere) "Schwere des Fehlverhaltens" des BF anzunehmen gewesen wäre. Auch jene Umstände, die einer Beurteilung des "Gesamtverhaltens" des BF zugrunde gelegen wären, wurden nicht dargelegt. Insgesamt reduzierte die belangte Behörde ihre Begründung für das Einreiseverbot einzig auf die Feststellung, dass der BF nach § 53 Abs. 2 Z 6 FPG den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachweisen habe können, er nach Abschluss des zweitinstanzlichen Verfahrens seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sei und eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle.

Insoweit die belangte Behörde ausführte, dass der BF eine "Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit" darstellen würde, ist einzuwenden, dass Umstände, die für die konkrete Annahme der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch den BF sprechen würden, nicht ersichtlich sind. So ist zu berücksichtigen, dass der BF in Österreich bislang unbescholten ist. Der BF ist zwar seiner Ausreiseverpflichtung nach Abschluss des Verfahrens bisher nicht nachgekommen, doch lässt sich allein daraus keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ableiten.

Die Begründung des angefochtenen Bescheides lässt des Weiteren jegliche Kriterien vermissen, die im vorliegenden Fall für die Bemessung der Dauer des Einreiseverbots herangezogen wurden und die letztlich für die Festlegung des Einreiseverbots im Ausmaß von zwei Jahren ausschlaggebend waren.

Zusammenfassend ist der belangten Behörde vorzuwerfen, dass sie hinsichtlich der Erlassung eines Einreiseverbotes die für die Begründung des Bescheides erforderliche Sorgfalt vermissen lässt und diese damit nicht den Erfordernissen einer umfassenden und in sich schlüssigen Begründung einer behördlichen Entscheidung entspricht (vgl. § 60 iVm § 58 Abs. 2 AVG).

Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides war daher stattzugeben und das Einreiseverbot zu beheben, da sich aus dem Aufenthalt des BF in Österreich keine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit ergibt.

3.2. Zu den Spruchpunkten II. und III. des angefochtenen Bescheides:

Die Beschwerde des BF gegen den Bescheid vom 15.11.2017 wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 21.03.2018 rechtskräftig abgewiesen. Es besteht daher eine durchsetzbare und rechtskräftige Rückkehrentscheidung gegen den BF. Die 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise ist bereits abgelaufen.

Ein Einreiseverbot kann dem Gesetzeswortlaut zufolge nur gemeinsam mit einer Rückkehrentscheidung erlassen werden, der Ausspruch einer Rückkehrentscheidung ist somit notwendige Voraussetzung für die rechtmäßige Erlassung eines Einreiseverbots. Eine nachträgliche Ergänzung einer bereits bestehenden Rückkehrentscheidung erscheint aufgrund des Gesetzeswortlauts nicht zulässig (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 53 FPG, K4). Die gegenständliche Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II.) und Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt III.) wurde daher nur zum Zweck der rechtmäßigen Erlassung eines Einreiseverbots (Spruchpunkt IV.) erlassen. Aufgrund des Umstandes, dass sich das Einreiseverbot als nicht begründet erwiesen hat und daher aufzuheben war, sind auch die damit in Zusammenhang stehenden Spruchpunkte II. und III. aufzuheben. Da gegen den BF bereits eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung besteht, erscheint eine weitere Rückkehrentscheidung (ohne das damit verbundenen Einreiseverbot) als nicht zielführend.

3.3. Zu den Spruchpunkten V. und VI. des angefochtenen Bescheides:

Da, wie oben ausgeführt, gegen den BF bereits eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung besteht und die Frist für die freiwillige Ausreise bereits abgelaufen ist, ist die rechtliche Grundlage für den Ausspruch dieser Spruchpunkte weggefallen.

Zu Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung, aufschiebende Wirkung, aufschiebende
Wirkung - Entfall, Ausreiseverpflichtung, Begründungsmangel,
Behebung der Entscheidung, Einreiseverbot aufgehoben, ersatzlose
Behebung, Mittellosigkeit, Wegfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W241.2180459.2.00

Zuletzt aktualisiert am

20.12.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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