TE Bvwg Beschluss 2018/9/24 G314 2205757-1

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Veröffentlicht am 24.09.2018
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Entscheidungsdatum

24.09.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch

G314 2205757-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX,

Staatsangehörigkeit: Serbien, vertreten durch die Stieger Rechtsanwalt GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamts für

Fremdenwesen und Asyl vom 10.08.2018, Zl. XXXX:

A) Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben und die Angelegenheit

zur Erlassung eines neuen Bescheids an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

Verfahrensgang und Sachverhalt:

Am 26.04.2018 beantragte der BF, dem als Ehemann einer in Österreich lebenden ungarischen Staatsangehörigen eine bis 22.12.2020 gültige Aufenthaltskarte erteilt worden war, nach der Scheidung seiner Ehe bei der Bezirkshauptmannschaft XXXX die Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus".

Mit Schreiben vom 04.05.2018 informierte die Bezirkshauptmannschaft XXXX das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) darüber und ersuchte vor dem Hintergrund des § 54 Abs 5 Z 1 NAG um Prüfung einer Aufenthaltsbeendigung gemäß § 55 Abs 3 NAG.

Mit Schreiben vom 16.05.2018 forderte das BFA den BF auf, sich binnen zwei Wochen zu der beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung zu äußern, weil aufgrund seines bisherigen Verhaltens im Bundesgebiet die Sicherheit Österreichs durch seinen Weiterverbleib nachhaltig und maßgeblich gefährdet wäre, und stellte ihm eine Reihe konkreter Fragen zu seinem Aufenthalt in Österreich, seinem Privat- und Familienleben und den Kriterien des § 9 Abs 2 BFA-VG. Der BF erstattete am 27.05.2018 eine entsprechende Stellungnahme, in der er die Fragen des BFA beantwortete.

Mit dem im Spruch angeführten Bescheid wurde dem BF kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG erteilt (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Serbien zulässig sei (Spruchpunkt III.) und gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt (Spruchpunkt IV.). Die Rückkehrentscheidung wurde mit dem nicht rechtmäßigen Aufenthalt des BF im Bundesgebiet begründet.

Dagegen richtet sich die wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Beschwerde mit den Anträgen, den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass dem BF eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 AsylG erteilt werde, in eventu, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit an das BFA zurückzuverweisen, in eventu, eine Beschwerdeverhandlung anzuberaumen. Der BF begründet die Beschwerde im Wesentlichen damit, dass die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 AsylG zur Aufrechterhaltung seines Privatlebens iSd Art 8 EMRK geboten sei.

Das BFA legte die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor, wo sie am 17.09.2018 einlangten, und beantragte, die Beschwerde abzuweisen.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich ohne entscheidungswesentliche Widersprüche aus dem Inhalt der vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens und des Gerichtsakts des BVwG. Die Aufenthaltskarte des BF ist im Fremdenregister dokumentiert. Der Beschluss über die Ehescheidung wurde vorgelegt, ebenso Kopien aus dem Reisepass des BF, die seine Identität belegen.

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG (Bescheidbeschwerden) in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2). Gemäß § 28 Abs 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Voraussetzungen des Abs 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Bescheidbeschwerden in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist dann an die rechtliche Beurteilung gebunden, von der das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Die Zurückverweisungsmöglichkeit gemäß § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG ist eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Sie kommt daher insbesondere dann in Betracht, wenn die Behörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Behörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).

Wenn die Behörde den entscheidungswesentlichen Sachverhalt unzureichend festgestellt hat, indem sie keine für die Sachentscheidung brauchbaren Ermittlungsergebnisse geliefert hat, ist eine Zurückverweisung gemäß § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG zulässig (VwGH 28.03.2017, Ro 2016/09/0009).

Die Parteien eines Verwaltungsverfahrens haben gemäß § 37 AVG das Recht, im Ermittlungsverfahren gehört zu werden. Gemäß § 45 Abs 3 AVG ist ihnen insbesondere Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen. Daher sind ihnen alle im Rahmen des Beweisverfahrens getroffenen Tatsachenfeststellungen von Amts wegen zur Kenntnis zu bringen (vgl Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 Rz 334).

Der BF ist als Staatsangehöriger von Serbien grundsätzlich Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs 4 Z 10 FPG. Durch die Ehe mit einer EWR-Bürgerin, die ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen hat, erlangte er den Status eines begünstigten Drittstaatsangehörigen iSd § 2 Abs 4 Z 11 FPG.

Das Aufenthaltsrecht der drittstaatsangehörigen Ehegatten von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern bleibt bei Scheidung oder Aufhebung der Ehe gemäß § 54 Abs 5 NAG erhalten, wenn sie nachweisen, dass sie die für EWR-Bürger geltenden Voraussetzungen des § 51 Abs 1 Z 1 und 2 NAG erfüllen und entweder die Ehe bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungs- oder Aufhebungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet (Z 1) oder ihnen die alleinige Obsorge für die Kinder des EWR-Bürgers übertragen wird (Z 3) oder es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, insbesondere weil dem Ehegatten oder eingetragenem Partner wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Interessen ein Festhalten an der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft nicht zugemutet werden kann (Z 4) oder ihnen das Recht auf persönlichen Umgang mit dem minderjährigen Kind zugesprochen wird, sofern das Pflegschaftsgericht zur Auffassung gelangt ist, dass der Umgang - solange er für nötig erachtet wird - ausschließlich im Bundesgebiet erfolgen darf ( Z 5).

§ 55 NAG lautet:

"(1) EWR-Bürgern und ihren Angehörigen kommt das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

(2) Der Fortbestand der Voraussetzungen kann bei einer Meldung gemäß §§ 51 Abs 3 und 54 Abs 6 oder aus besonderem Anlass wie insbesondere Kenntnis der Behörde vom Tod des unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers oder einer Scheidung überprüft werden.

(3) Besteht das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs 2 oder § 54 Abs 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs 7. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.

(4) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung (§ 9 BFA-VG), hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dies der Behörde mitzuteilen. Sofern der Betroffene nicht bereits über eine gültige Dokumentation verfügt, hat die Behörde in diesem Fall die Dokumentation des Aufenthaltsrechts unverzüglich vorzunehmen oder dem Betroffenen einen Aufenthaltstitel zu erteilen, wenn dies nach diesem Bundesgesetz vorgesehen ist.

(5) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung von Drittstaatsangehörigen, die Angehörige sind, aber die Voraussetzungen nicht mehr erfüllen, ist diesen Angehörigen ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" quotenfrei zu erteilen.

(6) Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist ein nach diesem Bundesgesetz anhängiges Verfahren einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird."

Bei Wegfall des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, welches eine Aufenthaltskarte dokumentieren soll, ist nicht automatisch auch der rechtmäßige Aufenthalt im Bundesgebiet beendet. Ein Fremder, für den eine Dokumentation eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts ausgestellt wurde, bleibt selbst bei Wegfall des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts bis zum Abschluss des nach § 55 NAG vorgesehenen Verfahrens gemäß § 31 Abs 1 Z 2 FPG rechtmäßig aufhältig. Es soll ihm möglich sein, trotz des Wegfalls der Voraussetzungen für ein aus dem Unionsrecht abgeleitetes Aufenthaltsrecht während seines Aufenthalts im Inland auf einen für seinen künftigen Aufenthaltszweck passenden Aufenthaltstitel "umzusteigen", ohne dass dies zur Folge hätte, dass während dieses Verfahrens sein Aufenthalt unrechtmäßig wäre (VwGH 18.06.2013, 2012/18/0005; siehe auch Abermann et al, Kommentar NAG 2016, § 55 Rz 7 ff).

Kommt die Niederlassungsbehörde - wie hier - bei der Prüfung des Fortbestands der Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen dafür nicht mehr vorliegen, hat sie die in § 55 Abs 3 NAG vorgesehenen Verfahrensschritte (Befassung des BFA und Information des Betroffenen) zu setzen.

Die Frage des Bestehens des gemeinschaftsrechtlichen Aufenthaltsrechts und der Zulässigkeit einer Aufenthaltsbeendigung hat dann das BFA zu beurteilen (vgl VwGH 17.11.2011, 2009/21/0378). Diese Frage ist anhand des § 66 FPG zu prüfen, ohne dass es auf das Vorliegen einer Eigenschaft des Fremden als begünstigter Drittstaatsangehöriger

iSd § 2 Abs 4 Z 11 FPG ankommt.

Gemäß § 66 Abs 1 FPG können begünstigte Drittstaatsangehörige ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden. Wenn sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben, ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Gemäß § 66 Abs 2 FPG sind bei einer Ausweisung insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, das Alter des Betroffenen, sein Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen. Die Erlassung einer Ausweisung gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist gemäß § 66 Abs 3 FPG zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde.

§ 66 FPG erfasst - wie der Verweis auf § 55 Abs 3 NAG zeigt - auch Fälle wie den hier zu beurteilenden, in dem geprüft werden soll, ob für einen Drittstaatsangehörigen, der über eine Aufenthaltskarte verfügt, die Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht, also auch begünstigter Drittstaatsangehöriger zu sein, nicht mehr vorliegen (siehe VwGH 18.06.2013, 2012/18/0005).

Ausgehend von diesen Grundsätzen hätte gegen den BF keine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG erlassen werden dürfen. Die Annahme des BFA, sein Aufenthalt sei nicht rechtmäßig, wurde nicht begründet und ist auch nicht nachvollziehbar. Der BF hält sich vielmehr auch nach der Scheidung seiner Ehe bis zum Abschluss des nach § 55 NAG vorgesehenen Verfahrens gemäß § 31 Abs 1 Z 2 FPG rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Das BFA hätte daher aufgrund der Mitteilung der Bezirkshauptmannschaft XXXX die Erlassung einer Ausweisung nach § 66 FPG iVm § 55 Abs 3 NAG gegen ihn prüfen müssen, hat jedoch Ermittlungen zum Vorliegen der Voraussetzungen dafür unterlassen, den BF dazu nicht gehört und auch keine Feststellungen dazu getroffen.

Das BFA hat es somit unterlassen, den relevanten Sachverhalt umfassend zu ermitteln und festzustellen. Auf der Grundlage des bisherigen Beweisverfahrens ist die rechtliche Beurteilung des Sachverhalts nicht möglich; dieser ist vielmehr in wesentlichen Teilen ergänzungsbedürftig.

Die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung durch das Gericht nicht vor, weil es weder zu einer Kostenersparnis noch zu einer Verfahrensbeschleunigung führt, wenn das BVwG die notwendigen Erhebungen selbst vornimmt, zumal zu den tragenden Sachverhaltselementen überhaupt keine Beweisergebnisse vorliegen, das BFA nur ansatzweise ermittelte und dem BF insbesondere kein Parteiengehör zu entscheidungswesentlichen Tatsachen gewährte. Die im Schreiben vom 16.05.2018 erwähnte nachhaltige und maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit Österreichs durch seinen Verbleib im Bundesgebiet wäre nach § 66 Abs 3 FPG nur bei einem über zehnjährigen Inlandsaufenthalt des BF relevant, was nach der Aktenlage und nach seinem eigenen Vorbringen nicht der Fall ist. Mit einer Entscheidung über eine Ausweisung nach § 66 FPG würde das BVwG die durch den angefochtenen Bescheid festgelegte Verwaltungssache (Erlassung einer Rückkehrentscheidung) überschreiten, sodass auch aus diesem Grund eine Sachentscheidung durch das Gericht nicht in Betracht kommt.

Der angefochtene Bescheid ist somit gemäß § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an das BFA zurückzuverweisen. Das BFA wird im fortgesetzten Verfahren (ausgehend vom nach wie vor rechtmäßigen Aufenthalt des BF im Bundesgebiet) insbesondere zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen für ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht nach § 54 Abs 1 und 5 NAG weggefallen sind, insbesondere, ob allenfalls ein Härtefall iSd § 54 Abs 5 Z 4 NAG vorliegt, und ob eine Ausweisung gemäß § 66 FPG zulässig ist, und dem BF Gelegenheit zur Stellungnahme dazu geben müssen. Die Erteilung des von der Beschwerde angestrebten Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG kommt dagegen vor dem Hintergrund des § 55 NAG nicht in Betracht.

Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG, weil schon aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Die Revision war wegen der Einzelfallbezogenheit der Entscheidung über die Anwendung des § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG, die keine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG begründet, nicht zuzulassen (siehe z.B. VwGH 25.01.2017, Ra 2016/12/0109).

Schlagworte

Aufenthaltstitel, Ermittlungspflicht, Kassation, mangelnde
Sachverhaltsfeststellung, Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G314.2205757.1.00

Zuletzt aktualisiert am

19.12.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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