TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/2 W220 1409224-3

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Veröffentlicht am 02.10.2018
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Entscheidungsdatum

02.10.2018

Norm

AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §58 Abs10
AsylG 2005 §60 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52 Abs1
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z7
FPG §59 Abs5
FPG §60 Abs3 Z2
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W220 1409224-3/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Daniela Unterer über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Indien, vertreten durch die Österreichische Flüchtlings- und MigrantInnenhilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.11.2016, Zl. 499232804-161034906, zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid

des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Indien, reiste am 11.09.2009 unrechtmäßig nach Österreich ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.09.2009, Zl. 09 11.030-BAT, bezüglich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und bezüglich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) abgewiesen wurde. Der Beschwerdeführer wurde aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 29.07.2010, Zl. C16 409.224-1/2009/3E, abgewiesen.

2. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien, Fremdenpolizeiliches Büro, vom 12.11.2011 wurde gegen den Beschwerdeführer gem. § 52 Abs. 1 FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF eine Rückkehrentscheidung erlassen und gem. § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 7 iVm Abs. 2 FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot für den gesamten Schengen-Raum erlassen. Gem. § 55 Abs. 1 2 FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Erlassung des Bescheids festgelegt.

Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Berufungsbescheid des UVS Wien vom 11.04.2012, Zl. UVS-FRG/62/13972/2011-22 gem. § 66 Abs. 4 AVG keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt.

Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 03.09.2012, Zl. 2012/18/0076, wurde die Behandlung der gegen den Berufungsbescheid des UVS erhobenen Beschwerde abgelehnt.

3. Am 28.01.2015 stellte der Beschwerdeführer einen (ersten) Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.04.2015, Zl. 499232804-150103554, gem. § 58 Abs. 10 AsylG als unzulässig zurückgewiesen.

4. Am 05.08.2015 stellte der rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer einen Antrag auf Aufhebung des Einreiseverbots.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.11.2015, Zl. 499232804-151045927, wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 05.08.2015 auf Verkürzung/Aufhebung des gegen ihn mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien, Fremdenpolizeiliches Büro vom 12.11.2011, Zahl III-1281134/FrB/11, erlassenen Einreiseverbots gemäß § 60 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, zurückgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 78 AVG habe der Beschwerdeführer Bundesverwaltungsabgaben in der Höhe von Euro 6,50 zu entrichten. Die Zahlungsfrist betrage vier Wochen (Spruchpunkt II.).

In der rechtlichen Beurteilung führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Spruchpunkt I. zusammengefasst aus, dass es gemäß § 60 Abs. 1 AsylG ein Einreiseverbot auf Antrag des Drittstaatsangehörigen unter Berücksichtigung der für die Erlassung der Rückkehrentscheidung oder des Einreiseverbots maßgeblichen Umstände verkürzen oder aufheben könne, wenn dieser das Gebiet der Mitgliedstaaten fristgerecht verlassen und die fristgerechte Ausreise nachgewiesen habe. Daraus folgerte die belangte Behörde, dass die Voraussetzung für die Verkürzung bzw. Aufhebung des Einreiseverbots somit das fristgerechte Verlassen Österreichs sei (Hervorhebungen im Original). Der Beschwerdeführer sei der Ausreise nie nachgekommen, womit er die Voraussetzung gem. § 60 Abs. 1 FPG nicht erfülle. Der Beschwerdeführer habe der Behörde keine Bestätigung über die Ausreise vorgelegt, was bedeute, dass das Gültigkeitsende seines Einreiseverbots noch nicht festgesetzt worden wäre. Der Antrag des Beschwerdeführers sei somit gem. § 60 Abs. 1 FPG "zurückzuverweisen". Spruchpunkt II. begründete die belangte Behörde im Wesentlichen damit, dass der Erlass des gegenständlichen Bescheides im Privatinteresse des Beschwerdeführers liege.

Gegen diesen am 25.11.2015 zugestellten Bescheid erhob der rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde (vgl. dazu W220 1409224-2).

5. Am 26.07.2016 stellte der Beschwerdeführer einen zweiten (den gegenständlichen) Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK.

Mit Verfahrensanordnung vom 05.10.2016 setzte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Beschwerdeführer darüber in Kenntnis, dass bei Nichtvorlage eines gültigen Reisedokuments im Original binnen gesetzter Frist "das Verfahren" zurückzuweisen sei.

Am 19.10.2016 stellte der Beschwerdeführer einen "Zusatzantrag" gem. § 4 AsylG-DV zur Heilung des Mangels der Nichtvorlage eines Reisepasses.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.11.2016, Zl. 499232804-161034906 wurde der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gem. § 60 Abs. 1 AsylG idgF zurückgewiesen. Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass der Beschwerdeführer bereits die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel gem. § 60 AsylG nicht erfülle. Allein die Tatsache, dass gegen den Beschwerdeführer eine aufrechte Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 1 iVm § 53 Abs. 2 Z 7 FPG bestehe, schließe ihn von der Erteilung eines Aufenthaltstitels aus. Auf sein Privat- und Familienleben sei daher nicht einzugehen und da eine aufrechte Rückkehrentscheidung vorliege, sei gem. § 59 Abs. 5 FPG der Erlass einer neuerlichen Rückkehrentscheidung nicht notwendig. Überdies erübrige sich die Entscheidung über den Heilungsantrag, da der Beschwerdeführer von vornherein gem. § 60 AsylG von der Erteilung eines Aufenthaltstitels ausgeschlossen sei.

Gegen diesen am 23.11.2016 zugestellten Bescheid wurde am 07.12.2016 fristgerecht Beschwerde erhoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen und Beweiswürdigung:

Der unter Punkt I.1. dargestellte Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt und der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.

2. Die Feststellungen sowie der im Verfahrensgang zusammengefasste Sachverhalt ergeben sich zweifelsfrei aus dem Akteninhalt.

2. Rechtliche Beurteilung:

1.1. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Im vorliegenden Fall ist in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen und obliegt somit in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I 2013/33 i. d.g.F., geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs.1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: "Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein."

1.2. Soweit die Beschwerde den Bescheidcharakter des angefochtenen Bescheids anzweifelt, weil nicht ersichtlich sei, "welche Stelle den Bescheid erlassen" hat und "weder Regionaldirektion, noch Anschrift" genannt würden, kann dem nicht beigetreten werden, da der angefochtene Bescheid die wesentlichen (konstitutiven) Bescheidmerkmale enthält und die unterlassene Nennung der Adressdaten und Bezeichnung der Regionaldirektion nicht schadet.

Zu Spruchteil A):

2.1. § 28 VwGVG lautet auszugsweise:

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

(4) Hat die Behörde bei ihrer Entscheidung Ermessen zu üben, hat das Verwaltungsgericht, wenn es nicht gemäß Abs. 2 in der Sache selbst zu entscheiden hat und wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen ist, den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

2.2. Zu Spruchpunkt A) I.

2.2.1. § 55 AsylG lautet:

"Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK

§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen."

§ 60 AsylG lautet:

"Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen

§ 60. (1) Aufenthaltstitel dürfen einem Drittstaatsangehörigen nicht erteilt werden, wenn

1. gegen ihn eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 iVm 53 Abs. 2 oder 3 FPG besteht, oder

2. gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht.

(2) Aufenthaltstitel gemäß § 56 dürfen einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn

1. der Drittstaatsangehörige einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird,

2. der Drittstaatsangehörige über einen alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist,

3. der Aufenthalt des Drittstaatsangehörige zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (§ 11 Abs. 5 NAG) führen könnte, und

4. durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden.

(3) Aufenthaltstitel dürfen einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen nicht öffentlichen Interessen widerstreitet. Der Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen widerstreitet dem öffentlichen Interesse, wenn

1. dieser ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass dieser durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt oder

2. im Falle der §§ 56 und 57 dessen Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde."

§ 60 FPG lautet:

"Verkürzung, Gegenstandslosigkeit und Aufhebung

§ 60. (1) Das Bundesamt kann ein Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 2 auf Antrag des Drittstaatsangehörigen unter Berücksichtigung der für die Erlassung der seinerzeitigen Rückkehrentscheidung oder des seinerzeitigen Einreiseverbotes maßgeblichen Umstände verkürzen oder aufheben, wenn der Drittstaatsangehörige das Gebiet der Mitgliedstaaten fristgerecht verlassen hat. Die fristgerechte Ausreise hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen.

(2) Das Bundesamt kann ein Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 3 Z 1 bis 4 auf Antrag des Drittstaatsangehörigen unter Berücksichtigung der für die Erlassung der seinerzeitigen Rückkehrentscheidung oder des seinerzeitigen Einreiseverbotes maßgeblichen Umstände verkürzen, wenn der Drittstaatsangehörige das Gebiet der Mitgliedstaaten fristgerecht verlassen hat und seither einen Zeitraum von mehr als die Hälfte des seinerzeitigen Einreiseverbotes im Ausland verbracht hat. Die fristgerechte Ausreise hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen.

(3) Die Rückkehrentscheidung wird gegenstandslos, wenn einem Drittstaatsangehörigen

1. der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird;

2. ein Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 AsylG 2005 erteilt wird.

(Anm.: Abs. 4 und 5 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)"

2.2.2. Gemäß den ErläutRV zu § 58 Abs. 10 AsylG idF FNG 2014 (1803 BlgNR 24. GP 50) hat im Rahmen eines Verfahrens nach § 55 AsylG 2005 auch eine Neubewertung einer Rückkehrentscheidung, die mit einem Einreiseverbot nach § 53 Abs. 2 oder 3 FrPolG 2005 verbunden ist, im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens zu erfolgen. Ergibt diese Neubewertung, dass ein maßgeblich geänderter Sachverhalt iSd Art. 8 MRK vorliegt, so ist der begehrte Aufenthaltstitel, ungeachtet des bestehenden Einreiseverbotes nach § 53 Abs. 2 und 3 FrPolG 2005, zu erteilen und die Rückkehrentscheidung wird gemäß § 60 Abs. 3 Z 2 FrPolG 2005 gegenstandslos, sodass auch dem - deshalb ebenfalls gegenstandslos werdenden - Einreiseverbot der Boden entzogen ist.

Vor diesem Hintergrund ist die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 60 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 dergestalt einschränkend auszulegen, dass sie sich - wie die inhaltlich ähnliche Erteilungsvoraussetzung nach § 60 Abs. 3 Z 2 AsylG 2005 ausdrücklich - nur auf Aufenthaltstitel nach den §§ 56 und 57 AsylG 2005 beziehen kann. Dieses Verständnis liegt auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nahe, ermöglicht es doch, Einreiseverbote, die mangels fristgerechter Ausreise des Drittstaatsangehörigen keiner Verkürzung oder Aufhebung nach § 60 Abs. 1 oder 2 FrPolG 2005 zugänglich sind, bei zwingenden Gründen des Art. 8 MRK im Wege der Antragstellung nach § 55 AsylG 2005 gegenstandslos werden zu lassen (vgl. E VfGH 3. Dezember 2012, G 74/12), (VwGH 16.12.2015, Ro 2015/21/0037).

Der Antrag des Beschwerdeführers wurde demnach im gegenständlichen Fall rechtswidrig zurückgewiesen, da ihm nach dem Gesagten das Recht auf eine meritorische Entscheidung zukam. Die belangte Behörde belastete den angefochtenen Bescheid durch Verweigerung einer Sachentscheidung (keine meritorische Auseinandersetzung mit dem Vorbringen zu Gründen des Art. 8 MRK) und bloßem Verweis auf die (entsprechend einschränkend zu interpretierende) Erteilungsvoraussetzung mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

2.2.3. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).

Gemäß Abs. 5 leg.cit. sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichts entsprechenden Rechtszustand herzustellen, wenn das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid aufhebt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs darf ein Verwaltungsgericht auf Grund einer gegen eine Zurückweisung erhobenen Beschwerde nur über die Rechtmäßigkeit des Zurückweisungsbescheides, nicht hingegen über den Antrag selbst entscheiden. (vgl. dazu etwa VwGH 12.10.2015, Zl. Ra 2015/22/0115, mit Verweis auf VwGH 29.04.2015, Zl. 2013/08/013627.01.2010).

"Sache" im Sinne des § 28 Abs. 2 VwGVG und demnach Gegenstand des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht ist im vorliegenden Fall die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK durch das BFA (vgl. VwGH 12.10.2015, Zl. Ra 2015/22/0115, mit Verweis auf VwGH 18.12.2014, Zl. Ra 2014/07/0002, 0003; VwGH 23.06.2015, Zl. Ra 2015/22/0040; VwGH 16.09.2015, Zl. Ra 2015/22/0082 bis 0084).

Da der angefochtene Bescheid durch Verweigerung einer Sachentscheidung mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet ist, war er gem. § 28 Abs. 2 VwGVG zu beheben.

4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG entfallen, zumal aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs.1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs.4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben (vgl. dazu insbesondere die unter Punkt II.2.2. II.2.3 und II.2.4. zitierte Judikatur).

Die Revision ist sohin gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Schlagworte

Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK, aufrechte
Rückkehrentscheidung, Einreiseverbot, Entscheidungspflicht,
ersatzlose Behebung, materielle Erledigung, Rechtswidrigkeit,
Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W220.1409224.3.00

Zuletzt aktualisiert am

19.12.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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