Entscheidungsdatum
03.10.2018Norm
AVG §69 Abs1 Z2Spruch
W228 2206703-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald WÖGERBAUER über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX1995, StA. Afghanistan, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.09.2018, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 69 Abs. 1 Z 2 AVG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer hat am 03.11.2015 einen Asylantrag gestellt.
In der Erstbefragung am 04.11.2015 gab der Beschwerdeführer an, am 08.01.2000 geboren zu sein.
Das Bundesamt hat in der Folge eine Grundprüfung zur Altersfeststellung vorgenommen und in diesem Zusammenhang eine Röntgenuntersuchung in Auftrag gegeben.
Am 18.05.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt niederschriftlich einvernommen.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 07.09.2017, Zl. XXXX, wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.). Die befristete Aufenthaltsberechtigung wurde ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 07.09.2018 erteilt. (Spruchpunkt III.).
In diesem Bescheid wurde die Minderjährigkeit des Beschwerdeführers festgestellt und wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer keine individuelle, konkrete und aktuelle Verfolgung aus in der GFK aufgezählten Gründen glaubhaft machen habe könne. Er sei jedoch seit seiner Kindheit nicht mehr in Afghanistan aufhältig gewesen und verfüge dort weder über familiäre noch über soziale Anknüpfungspunkte und seien ihm als Minderjährigem die als Orte zur Wiederansiedelung in Betracht kommenden innerstaatlichen Fluchtalternativen mangels familiärer Anknüpfungspunkte und mangels Selbsterhaltungsfähigkeit nicht zumutbar. Es sei ihm daher subsidiärer Schutz zu gewähren.
Mit verfahrensgegenständlich angefochtenem Bescheid vom 04.09.2018 wurde gemäß § 69 Abs. 1 und 2 AVG das Asylverfahren vom 03.11.2015 von Amts wegen wiederaufgenommen.
Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer stets angegeben habe, minderjährig und am 08.01.2000 geboren zu sein. Im Zuge eines Gerichtsverfahrens sei der Beschwerdeführer einer Altersfeststellung unterzogen worden und sei laut ärztlichem Gutachten beim Beschwerdeführer das tatsächliche Alter bei 23,15 Jahren festgestellt worden. Das Gericht sei davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer am Tag der Untersuchung (31.08.2017) 22 Jahre alt gewesen sei. Für das Bundesamt bedeute dies, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Antragstellung im November 2015 nicht wie von ihm behauptet 15 Jahre, sondern 20 Jahre alt gewesen sei. Somit werde das Verfahren gemäß § 69 Abs. 1 AVG von Amts wegen wiederaufgenommen.
Gegen diesen Bescheid erhob die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers mit Schriftsatz vom 24.09.2018 fristgerecht Beschwerde. Darin wurde ausgeführt, dass eine dem Beschwerdeführer zu unterstellende vorsätzliche Irreführung nicht als offenkundig angenommen werden könne. Die belangte Behörde führe nicht aus, inwiefern der Beschwerdeführer vorsätzlich gehandelt habe, sondern stütze die Wiederaufnahme einzig auf das vom LG Innsbruck eingeholte Gutachten. Nach Wissen der Rechtsvertretung habe beim Beschwerdeführer bereits im Zulassungsverfahren eine kleine Altersfeststellung am 19.11.2015 stattgefunden und sei dahingehend die Minderjährigkeit des Beschwerdeführers zum damaligen Zeitpunkt bestätigt worden. Bei weiteren Zweifeln hätte die belangte Behörde selbst ein weiteres Gutachten im Vorverfahren einholen können. Es ergebe sich daher, dass die belangte Behörde die von ihr beabsichtige Wiederaufnahme des Verfahrens nicht entsprechend begründet habe und insbesondere nicht dargelegt habe, inwiefern dem Beschwerdeführer der Vorsatz anzulasten sei, die Behörde in die Irre geführt zu haben.
Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 28.09.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Am 03.11.2015 hat der Beschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz eingebracht, wobei er angab, am 08.01.2000 geboren zu sein. Er hat im gesamten Verfahren stets behauptet, minderjährig zu sein.
Das Bundesamt hat am 19.11.2015 eine Grundprüfung zur Altersfeststellung des Beschwerdeführers vorgenommen und in diesem Zusammenhang eine Röntgenuntersuchung in Auftrag gegeben.
Das Bundesamt kam in der Folge zur Feststellung der Minderjährigkeit und hat dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 07.09.2017 aufgrund seiner Minderjährigkeit subsidiären Schutz zuerkannt.
Im Zuge eines Gerichtsverfahrens des LG Innsbruck, GZ: 36 Hv 90/17p, wurde der Beschwerdeführer einer Altersuntersuchung unterzogen. Laut ärztlichem Gutachten von Dr. XXXX vom 05.09.2017 wurde beim Beschwerdeführer das tatsächliche Alter bei ca. 23,15 Jahren festgestellt. Das LG Innsbruck ging somit davon aus, dass der Beschwerdeführer am Tag der Untersuchung (31.08.2017) 22 Jahre alt war.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
Gemäß § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruchs andres lautenden Bescheid herbeigeführt hätten.
Gemäß § 69 Abs. 3 AVG kann die Wiederaufnahme des Verfahrens unter den Voraussetzungen des Abs. 1 auch von Amts wegen verfügt werden.
Laut ständiger Judikatur des VwGH kann die Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 69 Abs. 1 Z 2 AVG nur auf solche Tatsachen (vgl. VwGH 15.12.1994, 93/09/0434; VwGH 04.09.2003, 2000/17/0024) oder Beweismittel (vgl. VwGH 16.11.2004, 2000/17/0022; VwGH 24.04.2007, 2005/11/0127) gestützt werden, die erst nach Abschluss eines Verfahrens hervorgekommen sind und deshalb von der Partei ohne ihr Verschulden nicht geltend gemacht werden konnten.
Es muss sich also um Tatsachen und Beweismittel handeln, die beim Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens schon vorhanden waren, deren Verwertung der Partei aber ohne ihr Verschulden erst nachträglich möglich wurde ("nova reperta"), nicht aber um erst nach Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens neu entstandene Tatsachen und Beweismittel ("nova producta" bzw. "nova causa superveniens").
Die Partei darf kein Verschulden daran treffen, dass die nach Abschluss eines Verfahrens hervorgekommenen Tatsachen oder Beweismittel im Verfahren nicht geltend gemacht werden konnten, auch leichte Fahrlässigkeit, schließt somit den Rechtsanspruch auf Wiederaufnahme des Verfahrens aus (VwGH 19.03.2003, 2000/08/0105).
Im gegenständlichen Fall handelt es sich beim Gutachten von Dr. XXXX vom 05.09.2017 um "nova reperta", zumal dieses Gutachten beim Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens, nämlich am Tag der Erstellung des Bescheides am 07.09.2017, schon vorhanden war.
Ein Verschulden der belangten Behörde liegt nicht vor, zumal sie vor Erlassung des Bescheides vom 07.09.2017 eine Grundprüfung zur Altersfeststellung des Beschwerdeführers mit Röntgenbefund vorgenommen hat und sie auf diese Weise zur Feststellung der Minderjährigkeit gelangt ist.
Die belangte Behörde hat daher zu Recht mit Bescheid vom 04.09.2018 das Verfahren gemäß § 69 Abs. 1 Z 2 AVG von Amts wegen wiederaufgenommen.
Die Beschwerde gegen den Bescheid vom 04.09.2018 war daher als unbegründet abzuweisen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs.1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs.4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.
Schlagworte
Altersfeststellung, Geburtsdatum, nova reperta,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W228.2206703.1.00Zuletzt aktualisiert am
18.12.2018