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E000 EU- Recht allgemein;Norm
31971R1408 WanderarbeitnehmerV Art14c litb;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des E in S, vertreten durch Dr. Georg Maxwald und Dr. Georg Bauer, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Schmidtorstraße 4, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 21. Oktober 1997, Zl. SV(SanR)-1278/1-1997-Ho/Ha, betreffend Festsetzung der monatlichen Beitragsgrundlagen in der Pensionsversicherung nach dem GSVG (mitbeteiligte Partei: Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Wiedner Hauptstraße 83 bis 86, 1051 Wien), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist als Chemiearbeiter in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt und aufgrund dieses Arbeitsverhältnisses in die dortige Sozialversicherung einbezogen. Im Jahre 1994 erzielte er aus dieser Tätigkeit ein Jahresbruttoeinkommen von DM 45.041,--, im Jahr 1995 DM 46.631,-- und Jahr 1996 DM 47.559,--.
Seit 16. November 1994 übt der Beschwerdeführer in Österreich ein Gewerbe aus und unterliegt ab diesem Zeitpunkt als Mitglied der Oberösterreichischen Wirtschaftskammer der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem GSVG. Nach den Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 1994 und 1995 erzielte der Beschwerdeführer aus dem Gewerbetrieb im jeweiligen Jahr Verluste.
Über Antrag des Beschwerdeführers sprach die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt mit Bescheid vom 30. Juli 1997 über die monatliche Beitragsgrundlage in der Pensionsversicherung nach dem GSVG und die monatliche Beitragsleistung ab dem Jahr 1994 ab. Als monatliche Beitragsgrundlage wurde die Mindestbeitragsgrundlage (für die Jahre 1996 und 1997 vorläufig) festgesetzt, und es wurden auf dieser Basis die Beiträge des Beschwerdeführers berechnet.
In der Begründung führte die Mitbeteiligte aus, der Beschwerdeführer sei gemäß Art. 14c lit. b i.V.m. Anhang VII der VO (EWG) 1408/71 seit dem 16. November 1994 nach dem GSVG pflichtversichert. Seine Einkünfte aus der in Deutschland ausgeübten unselbständigen Tätigkeit seien bei Ermittlung der Beitragsgrundlage gemäß § 14d Abs. 2 der genannten VO so zu behandeln, als ob die unselbständige Beschäftigung in Österreich ausgeübt würde. Das bedeute, dass im Ergebnis die Bestimmungen über die Mehrfachversicherung in der Pensionsversicherung mit der Maßgabe anzuwenden seien, dass die nach österreichischem Recht erfolgende Beitragsleistung auch zu einem Erwerb von Beitragszeiten führen solle. Dies habe zur Voraussetzung, dass in jedem Fall einer GSVG-Beitragsvorschreibung Beiträge mindestens von der GSVG-Mindestbeitragsgrundlage zu bezahlen seien. Dies deshalb, weil beim Zusammentreffen einer unselbständigen und einer selbständigen Erwerbstätigkeit im rein innerstaatlichen Fall insgesamt (ASVG und GSVG) zumindest Beiträge von der GSVG-Mindestbeitragsgrundlage zu bezahlen seien, bei der vorliegenden zwischenstaatlichen Mehrfachversicherung aber ASVG-Beiträge zur österreichischen Pensionsversicherung naturgemäß nicht bezahlt würden und daher die für den Erwerb eines Versicherungsmonates in Österreich notwendige Beitragsleistung fehle. Ausgehend von den Daten der Einkommensteuerbescheide 1994 und 1995 sei die monatliche Beitragsgrundlage in der Pensionsversicherung nach dem GSVG unter Beachtung der Bestimmungen über die Mindestbeitragsgrundlage festzusetzen, weil die ausländischen Einkünfte des Beschwerdeführers in diesen Jahren nicht die jeweils geltende Höchstbeitragsgrundlage erreicht hätten. Mangels Kenntnis der inländischen selbständigen Erwerbseinkünfte für das Jahr 1996 bzw. der ausländischen unselbständigen Erwerbseinkünfte für das Jahr 1997 seien für die Jahre 1996 und 1997 vorläufige Beitragsgrundlagen in der Pensionsversicherung nach dem GSVG festzustellen gewesen.
Der Beschwerdeführer erhob Einspruch. Darin machte er geltend, dass nach Art. 14c lit. b VO (EWG) 1408/71 bei gleichzeitiger Ausübung einer selbständigen Tätigkeit in Österreich und einer Beschäftigung im Lohn- und Gehaltsverhältnis in einem anderen EU-Mitgliedstaat grundsätzlich in beiden Staaten Sozialversicherungspflicht bestehe. Art. 14d Abs. 2 dieser Verordnung sähe jedoch ergänzend dazu eine besondere Gleichbehandlungspflicht vor, derzufolge der Versicherte nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates, in dessen Gebiet er die selbständige Tätigkeit ausübe, so zu behandeln sei, als ob er auch die Arbeitnehmertätigkeit im Gebiet dieses Staates ausübte. In der Pensionsversicherung komme es daher zu einer Mehrfachversicherung. Liege das aufgrund des Dienstverhältnisses gebührende Entgelt über der Mindestbeitragsgrundlage nach dem GSVG, so seien der Beitragsbemessung nur die tatsächlichen Einkünfte aus der gewerblichen Tätigkeit, höchstens aber die Differenz zwischen der Höchstbeitragsgrundlage und dem Entgelt aus der unselbständigen Tätigkeit zugrundezulegen. Es seien daher keine Beiträge zur Pensionsversicherung nach dem GSVG zu entrichten.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch keine Folge und bestätigte den bekämpften Bescheid vollinhaltlich.
In der Begründung dieses Bescheides stellte die belangte Behörde zunächst das Verwaltungsverfahren dar. Dann führte sie im Wesentlichen aus, dass "nach den österreichischen Rechtsvorschriften Versicherungszeiten insbesondere in der Pensionsversicherung nur erworben werden, wenn ein jeweils vorgesehener Mindestbeitrag entrichtet wurde". Das EG-Recht enthalte keine Verpflichtung "Versicherungszeiten auch für Beiträge unterhalb dieser Mindestbeiträge anzuerkennen" (Hinweis auf das Urteil des EuGH vom 27. Jänner 1981 in der Rechtssache T. Vigier). Unter Bedachtnahme auf diesen Grundsatz sei daher bei einem Antrag auf Vorschreibung von "Differenzbeiträgen" nach den in Rede stehenden Bestimmungen des GSVG stets die jeweils in Betracht kommende "Mindestbeitragsgrundlage" und nicht eine unter Anrechnung der fiktiven Beitragsgrundlage aufgrund des ausländischen Entgelts gegebenenfalls darunter liegende Restbeitragsgrundlage heranzuziehen. Lediglich in jenen Fällen, in denen die aus dem ausländischen Entgelt gebildete Beitragsgrundlage über der nach den österreichischen Rechtsvorschriften in Betracht kommenden Höchstbeitragsgrundlage liegen würde, seien nach dem GSVG (gemeint: keine) Beiträge zu entrichten. In diesen Fällen könnten für diese Zeiten dann aber auch keine leistungsrelevanten österreichischen Versicherungszeiten entstehen (Hinweis auf einen Erlass des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 29. Jänner 1996).
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Die mitbeteiligte Partei sah von der Erstattung einer Gegenschrift ab und verwies lediglich auf den von der belangten Behörde zitierten Erlass des Bundesministers für Arbeit und Soziales.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die hier maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EWG)
Nr. 1408/71 lauten:
1. Artikel 14c:
"Sonderregelung für Personen, die im Gebiet verschiedener Mitgliedstaaten gleichzeitig eine Tätigkeit im Lohn- und Gehaltsverhältnis und eine selbständige Tätigkeit ausüben
Eine Person, die im Gebiet verschiedener Mitgliedstaaten gleichzeitig eine Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis und eine selbständige Tätigkeit ausübt, unterliegt:
a) vorbehaltlich Buchstabe b) den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet sie eine Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis ausübt, oder, falls sie eine solche Tätigkeit im Gebiet von zwei oder mehr Mitgliedstaaten ausübt, den nach Artikel 14 Nummer 2 oder Nummer 3 bestimmten Rechtsvorschriften:
b) in den im Anhang VII aufgeführten Fällen
-
den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet sie eine Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis ausübt, wobei diese Rechtsvorschriften nach Artikel 14 Nummer 2 oder Nummer 3 bestimmt werden, falls sie eine solche Tätigkeit im Gebiet von zwei oder mehr Mitgliedstaaten ausübt, und
-
den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet sie eine Selbständigentätigkeit ausübt, wobei diese Rechtsvorschriften nach Artikel 14a Nummern 2, 3 oder 4 bestimmt werden, falls sie eine solche Tätigkeit im Gebiet von zwei oder mehr Mitgliedstaaten ausübt."
2. Art. 14d Abs. 2:
"Eine Person, für die Artikel 14c Buchstabe b) gilt, wird für die Festlegung des Beitragssatzes zu Lasten der Selbständigen nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet sie ihre Selbständigentätigkeit ausübt, so behandelt, als ob sie ihre Arbeitnehmertätigkeit im Gebiet dieses Staates ausübte."
3. Antrag VII Z. 10:
"Fälle, in denen eine Person gleichzeitig den Rechtsvorschriften zweier Mitgliedstaaten unterliegt
10. Ausübung einer selbständigen Tätigkeit in Österreich und einer Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis in einem anderen Mitgliedstaat."
Der Beschwerdeführer geht zutreffend davon aus, dass er unter Art. 14c lit. b der VO (EWG) 1408/71 fällt und daher in Anwendung des Art. 14d Abs. 2 dieser Verordnung seine Arbeitnehmertätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland bei Festlegung des Beitragssatzes zu Lasten der Selbständigen nach den Rechtsvorschriften Österreichs so behandelt werden muss, als ob er seine Arbeitnehmertätigkeit im Gebiet Österreichs ausübte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. September 1998, Zl. 98/08/0055).
Die belangte Behörde und die Mitbeteiligte gehen allerdings davon aus, dass in einem solchen Fall der in Österreich selbständig Erwerbstätige zumindest Beiträge in der Pensionsversicherung nach dem GSVG gemäß der Mindestbeitragsgrundlage zu entrichten habe. Dem gegenüber verweist der Beschwerdeführer darauf, dass die Beitragsgrundlage in der Pensionsversicherung nach dem GSVG nach den Regelungen der Mehrfachversicherung zu bilden sei. Der Auffassung des Beschwerdeführers ist zuzustimmen:
Würde der Beschwerdeführer seine Tätigkeit als Arbeitnehmer in Österreich ausüben, so würde er der Pflichtversicherung gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 4 Abs. 2 ASVG unterliegen. Die Beitragsgrundlage in der Pensionsversicherung nach dem GSVG für seine Gewerbetätigkeit ist demgemäß nach § 26 Abs. 3 Z. 1 und Abs. 4 GSVG zu bilden. Übt ein nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes in der Pensionsversicherung Pflichtversicherter auch eine oder mehrere Erwerbstätigkeiten aus, die die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz begründen, so sind bei Ermittlung der Beitragsgrundlagen gemäß § 25 und § 25a die Vorschriften des § 25 Abs. 5 in der Stammfassung bzw. § 236 lit. a (über die Mindestbeitragsgrundlage) nicht anzuwenden (§ 26 Abs. 3 Z. 1 GSVG). Erreicht in einem solchen Fall die Summe aus der durchschnittlichen monatlichen Beitragsgrundlage im Sinne des § 242 Abs. 2 und 4 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes nicht den Betrag nach § 25 Abs. 5 (in der Stammfassung) bzw. nach § 236 lit. a, so ist Beitragsgrundlage nach diesem Bundesgesetz der Unterschiedsbetrag zwischen der durchschnittlichen monatlichen Beitragsgrundlage nach dem allgemeinen Sozialversicherungsgesetz und dem Betrag nach § 25 Abs. 5 (in der Stammfassung) bzw. § 236 lit. a (§ 26 Abs. 4 GSVG).
Im Beschwerdefall ist unstrittig, dass das Einkommen des Beschwerdeführers aus der unselbständigen Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland die Mindestbeitragsgrundlage nach dem GSVG i.S. des § 25 Abs. 4 GSVG überschritten hat. In einem solchen Fall ist aber nach § 26 Abs. 3 und 4 GSVG nicht die Mindestbeitragsgrundlage für die Beitragsleistung heranzuziehen, sondern sind die Beitragsgrundlagen nach dem GSVG anhand der Einkünfte aus der die Pflichtversicherung nach dem GSVG begründenden Tätigkeit nach Maßgabe des § 25 GSVG zu ermitteln. Da solche Einkünfte hier nicht vorliegen, ist für diese Jahre kein GSVG-Beitrag zu entrichten.
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes; er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 21. September 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1997080612.X00Im RIS seit
21.02.2002