TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/5 I401 1420993-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.10.2018
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Entscheidungsdatum

05.10.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §53
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1a

Spruch

I401 1420993-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard AUER über die Beschwerde des XXXX alias XXXX, geb. XXXX, StA. Marokko, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, vom 04.09.2018, Zahl: 561946804 - 180479445/BMI-BFA_STM_RD, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer, seinen Angaben zufolge ein Staatsangehöriger von Marokko, reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 30.07.2011 einen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes.

Bei der am selben Tag erfolgten Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab er - zusammengefasst - an, er sei sehr arm., seine Mutter sei im Jahr 2008 gestorben und sein Vater habe wieder geheiratet. Seine Stiefmutter habe ihn immer sehr schlecht behandelt. Sein Vater habe ihn immer geschlagen. Er habe es zu Hause nicht mehr ausgehalten, weshalb er geflüchtet sei. Er habe weder politische noch religiöse Probleme gehabt.

Des Weiteren brachte der Beschwerdeführer auf die Frage, warum er nach Österreich gekommen sei, vor, dass er in Griechenland, Italien und in der Türkei keine Arbeit gefunden habe und nun in Österreich arbeiten wolle. Im Falle der Rückkehr befürchte er in seiner Heimat keine Arbeit zu finden.

Am 04.08.2011 wurde der Beschwerdeführer von einem Organwalter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen.

Befragt zu seinen Fluchtgründen führte der Beschwerdeführer aus, dass seine Mutter verstorben sei und sein Vater wieder geheiratet habe. Sein Vater habe getrunken und gewollt, dass er anstatt eine Schule zu besuchen einer Arbeit nachgehe. Er habe keine Arbeit finden können und seine Stiefmutter habe wegen seiner Arbeitslosigkeit seinen Vater gegen ihn aufgehetzt. Zuletzt habe die Stiefmutter nicht mehr für ihn gekocht, worauf er zum Essen zu seinem Onkel gegangen sei. Von Freunden habe er erfahren, wie gut es in Europa sei. Daher habe er beschlossen, Marokko zu verlassen. Im Falle der Rückkehr könne er zu seinem Onkel, aber nicht zu seinem Vater gehen, weil er von ihm oft geschlagen worden sei. Aber auch sein Onkel würde eines Tages verlangen, dass er einer Arbeit nachgehen solle.

1.2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Traiskirchen, vom 04.08.2011 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Marokko nicht zuerkannt sowie seine Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Marokko ausgesprochen.

1.3. Mit Bescheid des Landespolizeidirektion Tirol vom 04.07.2013 wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Rückkehrverbot erlassen.

Diese Entscheidung erwuchs in Rechtskraft.

1.4. Mit Aktenvermerk des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.06.2014 wurde das Beschwerdeverfahren gemäß § 24 Abs. 1 und 2 AsylG eingestellt.

1.5. Mit Verfahrensanordnung des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.03.2015 wurde das Beschwerdeverfahren wieder fortgesetzt, nachdem bekannt wurde, dass sich der Beschwerdeführer seit 19.11.2014 in der Justizanstalt I in Untersuchungshaft befindet.

1.6. Die gegen den (oben angeführten) Bescheid vom 04.08.2011 erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.04.2015, I405 1420993-1/33E, betreffend §§ 3 und 8 AsylG als unbegründet angewiesen und gemäß § 75 Abs. 20 AsylG das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

Diese Entscheidung erwuchs in Rechtskraft.

2. Mit Bescheid vom 21.06.2016 erteilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Tirol, dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Marokko zulässig ist. Des Weiteren gewährte das Bundesamt keine Frist für die freiwillige Ausreise und sprach aus, dass der Beschwerdeführer sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 07.05.2015 verloren hat. Außerdem verhängte die belangte Behörde über den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot und erkannte einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung ab.

Diese Entscheidung erwuchs in Rechtskraft.

3. Mit Schreiben vom 23.03.2018 räumte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, dem Beschwerdeführer zur beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot und der Schubhaft (nach dem Ende der Strafhaft) die Möglichkeit zur Stellungnahme ein.

Von dieser Möglichkeit machte der Beschwerdeführer in der Folge Gebrauch und führte in der Stellungnahme vom 25.05.2018 aus, dass er im Jahr 2010 nach Österreich gekommen sei, weil er schwerwiegende Probleme mit seiner Familie in Marokko gehabt habe und habe. Als er zehn Jahre alt gewesen sei, sei seine Mutter verstorben und er habe seitdem bei seinem Vater bleiben müssen. Er habe nie ein gutes Verhältnis zu ihm gehabt. Sein Vater habe einige Jahre später wieder geheiratet. Da diese Frau eigene Kinder hat haben wollen und sie ihn nicht akzeptiert habe, habe sie seinem Vater immer wieder Lügen über ihn erzählt, für die er Prügel bekommen habe. Aufgrund neuer Lügen habe ihn sein Vater mit einem Messer in den Hals gestochen, ihn schwer verletzt und anschließend aus dem Haus geworfen. Sein Vater habe zu ihm gesagt, dass er, sollte er ihn wiedersehen, ihn umbringen würde. Sein Vater habe viele Brüder, die dasselbe ihm antun würden, falls sie ihn irgendwo einmal erwischen sollten. Nach seinem Aufenthalt im Spital sei er nach Österreich geflüchtet. Eine Narbe an seinem Hals und eine weitere auf seinem Kopf würden Zeugnis darüber ablegen. Er habe keine Möglichkeit, wieder nach Marokko zurückzukehren. Er habe große Angst davor, seine Familie dort wieder zu sehen. Wenn er dieses Problem nicht hätte, würde er seine Familie wiedersehen wollen. Ihn jetzt nach Marokko zurückzuschieben, käme einer Todesstrafe für ihn gleich. Er wisse, dass er hier in Österreich große Fehler gemacht und jetzt verstanden habe, dass dies so nicht weitergehen könne. Leider habe er vor der Haft Drogen konsumiert, die ihn seine Taten bzw. die Schwere seiner Taten nicht habe erkennen lassen. Doch jetzt sei er clean und lerne mit seiner Sucht umzugehen. Er sei dankbar, dass Österreich ihn aufgenommen habe und bereue daher seine Fehler zutiefst. Er bitte von ganzem Herzen um eine zweite Chance.

Er werde in der Justizanstalt einen Deutschkurs anfangen, damit er nach der Haft mehr Chancen habe, eine Arbeit zu finden. Da er erst 1 1/2 Wochen hier in S sei, habe er noch keine Möglichkeit gehabt, beim Deutschkurs einzusteigen. Auch sei er gerade dabei, eine Drogentherapie zu machen, um sich zu festigen.

Er möchte auch hinzufügen, dass er wegen seiner Flucht nach Österreich Probleme in Marokko habe und er glaube, daher strafrechtlich verfolgt zu werden. Es stimme alles, was er hier geschrieben habe. Sein Leben in Marokko sei wirklich in Gefahr.

Diese Stellungnahme war vom Beschwerdeführer nicht unterfertigt.

4.1. Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 04.09.2018 erteilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark (in der Folge als belangte Behörde bezeichnet) dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt I.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Marokko zulässig ist (Spruchpunkt III.). Des Weiteren erließ die belangte Behörde gegen ihn ein unbefristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt IV.) und erkannte einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt V.).

4.2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig und zulässig das Rechtsmittel einer Beschwerde.

Begründend führte Beschwerdeführer aus, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 61 Abs. 1 FPG zulässig sei, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei. Die Rückkehrentscheidung greife unbestritten in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers ein, weshalb eine entsprechende Interessenabwägung vorzunehmen sei.

Die Erlassung eines Einreiseverbotes sei dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden könne, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet wäre. Das persönliche Verhalten des Betroffenen müsse eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Strafrechtliche Verurteilungen allein könnten nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen seien nicht zulässig. Bei der Bemessung der Dauer sei das bisherige Verhalten (des Beschwerdeführers) einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde oder anderen in Art. Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufe.

Wie sich den Feststellungen entnehmen lasse, sei der Beschwerdeführer zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt worden. Die Verhängung der Strafhaft habe beim Beschwerdeführer zu großer Einsicht über das Unrechtsbewusstsein seines Handelns geführt. Im Hinblick auf eine Verhältnismäßigkeitsprüfung bzw. Interessenabwägung könne jedenfalls von einer positiv verwertbaren Erkenntnis des Urteils gesprochen werden.

Gegenständlich sei die Rechtsfrage ob der Verhältnismäßigkeit des erlassenen Einreiseverbots bedeutsam. Insofern sei der belangten Behörde gewiss zuzustimmen, dass dem öffentlichen Interesse bei einer derart hohen rechtskräftigen Verurteilung aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zukomme. Ungeachtet dessen erscheine ein unbefristetes Einreiseverbot aufgrund der gesamten Sachlage aus gegenwärtiger Sicht unverhältnismäßig im Sinne des Art. 8 Abs. 2

EMRK.

Im vorliegenden Fall bedürfe es aufgrund der zwischenzeitlichen Einsicht im Hinblick auf das Unrechtsbewusstsein des Beschwerdeführers und seiner freundschaftlichen Bindungen in Österreich einer ausführlichen Interessenabwägung zwischen den privaten Interessen und Erteilung eines Einreiseverbots. Zudem habe sich der Beschwerdeführer während seines etwa siebenjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet ein passables Alltagsdeutsch angeeignet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der im Juli 2011 in das Bundesgebiet eingereiste Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Marokko, gehört der arabischen Volksgruppe an und ist moslemischen Glaubens. Die Identität des Beschwerdeführers steht nicht fest.

Er ist ledig, hat keine Sorgepflichten und lebt in Österreich in keiner Lebensgemeinschaft. Er befindet sich in einem arbeitsfähigen Alter. Er leidet an keinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Er verfügt über unzulängliche Deutschkenntnisse.

Es leben keine Verwandten oder sonstige nahe Angehörigen des Beschwerdeführers in Österreich. Sein Vater, sein Bruder und Onkel leben in Marokko, ebenso wie seine Stiefmutter.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich vorbestraft:

Mit erstem Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 26.06.2012 (in Rechtkraft erwachsen am 30.06.2012) wurde der Beschwerdeführer als junger Erwachsener wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall und Abs. 3 SMG und nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von vier Monaten, bei einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt.

Mit zweitem Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 16.10.2012 (in Rechtkraft erwachsen am 14.03.2013) wurde der Beschwerdeführer als junger Erwachsener (neuerlich) wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall und Abs. 3 SMG, nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs. 2 SMG und nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt.

Mit drittem Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 12.06.2014 (in Rechtkraft erwachsen am 17.06.2014) wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125 und 126 Abs. 1 Z 7 StGB zu einer Geldstrafe von 200 Tagsätzen zu je € 4,-- (€ 800,--), im Fall der Uneinbringlichkeit zu 100 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt.

Mit viertem rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 07.05.2015 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt.

Mit fünftem Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 14.08.2017 (in Rechtskraft erwachsen am 07.02.2018) wurde der Beschwerdeführer wegen des versuchten Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 15 StGB und § 87 Abs. 1 StGB und des Verbrechens des gewerbsmäßigen Suchtgifthandels nach §§ 28a Abs. 1 fünfter Fall und 28a Abs. 2 Z 3 SMG sowie des versuchten Vergehens des Diebstahls gemäß § 15 StGB und § 127 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Für die Strafbemessung wurde die Tatsache, dass den Feststellungen nach der Beschwerdeführer zu dem (datumsmäßig angegebenen) Tatzeitpunkt in seiner Dispositions- und Diskretionsfähigkeit stark eingeschränkt war, als mildernd, die insgesamt fünf einschlägigen Vorstrafen und dass der Beschwerdeführer nach seiner (datumsmäßig angeführten) bedingten Entlassung umgehend rückfällig wurde und bei ihm die Voraussetzungen der Strafverschärfung bei Rückfall des § 39 StGB vorliegen sowie dass hier zwei schwere Verbrechen mit einem Vergehen zusammentreffen, als erschwerend gewertet.

In der Zeit vom 16.05. bis 16.10.2013 und vom 19.11.2014 bis 19.05.2016 sowie vom 23.02.2017 bis 08.05.2018 war der Beschwerdeführer in der Justizanstalt I, vom 08.05. bis 30.05.2018 in der Justizanstalt S und befindet sich seit 30.05.2018 in der Justizanstalt G.

Er ging und geht keiner Erwerbstätigkeit nach und bezog keine Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Er verfügt über geringe Deutschkenntnisse.

Er kam seiner Ausreiseverpflichtung trotz des in Rechtskraft erwachsenen Bescheides des Bundesamtes vom 21.06.2016 nicht nach.

Eine besondere Gefährdung des Beschwerdeführers für den Fall seiner Abschiebung nach Marokko liegt nicht vor.

1.2. Zu den Feststellungen zur Lage in Marokko:

Marokko ist ein sicherer Herkunftsstaat. Es ist politisch wie sicherheitspolitisch ein stabiles Land. Marokko ist fähig und willig, seine Bürger zu schützen. Justiz und Sicherheitsapparate funktionieren. Die Justiz ist gemäß der geltenden Verfassung unabhängig. Ein rechtsstaatliches, faires Verfahren mit dem Recht, Berufung einzulegen, ist gesetzlich gewährleistet. Über Beeinflussung der Gerichte durch Korruption oder durch außergerichtliche Einflussmaßnahmen wird berichtet. Der Sicherheitsapparat besteht aus Polizei- und paramilitärischen Organisationen Eine zivile Kontrolle über Sicherheitskräfte ist abgesehen von Einzelfällen effektiv. Folter steht unter Strafe, wobei Berichte über Folterungen und Gewaltanwendung gegenüber Gefangenen bestehen. Die in Marokko verbreitete Korruption steht unter Strafe, welche aber nicht effektiv vollzogen wird. Eine Reform der Korruptionsbekämpfungsbehörde ist geplant, aber noch nicht verwirklicht.

Marokko verfügt über einen umfassenden Grundrechtebestand, lediglich das Grundrecht der Glaubens- und Gewissensfreiheit fehlt. Die Grundrechte werden durch den Vorbehalt in Bezug auf die Monarchie, den islamischen Charakter von Staat und Gesellschaft und die territoriale Integrität beschränkt. Ferner fehlen zT Durchführungsgesetze. Allgemein bestehen grundrechtliche Probleme hinsichtlich der Sicherheitskräfte sowie schlechter Haftbedingungen. Staatliche Repressionen gegen bestimmte Personen oder Personengruppen wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer religiösen Überzeugung können nicht festgestellt werden. Die Haftbedingungen sind generell schlecht und entsprechen nicht internationalen Standards. Hygienische Verhältnisse und die medizinische Versorgung in Gefängnissen sind nicht gut. Gefängnisse sind in Marokko überbelegt. Es existieren Berichte über folterähnliche Praktiken in Gefängnissen. Die Todesstrafe wird weiterhin in Marokko verhängt. Seit 1993 wurden aber keine Todesstrafen mehr vollstreckt.

Eine nach Marokko zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.

Zur Rückkehr wird im Länderinformationsbericht Folgendes ausgeführt:

"21. Rückkehr

Das Stellen eines Asylantrags im Ausland ist nicht strafbar und wird nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amts von den Behörden nicht als Ausdruck oppositioneller Gesinnung gewertet. Aus den letzten Jahren sind keine Fälle bekannt, in denen es zu einem Gerichtsurteil wegen der Stellung eines Asylantrags oder wegen des in einem Asylantrag enthaltenen Vorbringens gekommen wäre (AA 14.2.2018).

Eine Rückkehrhilfe für aus dem Ausland nach Marokko Heimkehrende durch staatliche Institutionen ist nicht bekannt. Auf institutioneller Basis wird Rückkehrhilfe von IOM organisiert, sofern der abschiebende Staat mit IOM eine diesbezügliche Vereinbarung (mit Kostenkomponente) eingeht; Österreich hat keine solche Abmachung getroffen. Rückkehrer ohne eigene finanzielle Mittel dürften primär den Beistand ihrer Familie ansprechen; gelegentlich bieten auch NGOs Unterstützung. Der Verband der Familie und Großfamilie ist primärer sozialer Ankerpunkt der Marokkaner. Dies gilt mehr noch für den ländlichen Raum, in welchem über 40 % der Bevölkerung angesiedelt und beschäftigt sind. Rückkehrer würden in aller Regel im eigenen Familienverband Zuflucht suchen. Der Wohnungsmarkt ist über lokale Printmedien und das Internet in mit Europa vergleichbarer Weise zugänglich, jedenfalls für den städtischen Bereich (ÖB 9.2015)."

Dem Beschwerdeführer droht im Falle seiner Rückkehr keine Gefährdung in seinem Herkunftsstaat und auch keine Strafe wegen illegaler Ausreise.

Eine nach Marokko zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde, dem Beschwerdeschriftsatz, dem aktuellen "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Marokko und dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes. Ergänzend erfolgte wurden Auszüge aus dem Integrierten Zentralen Fremdenregister, dem Zentralen Melderegister und dem Strafregister eingeholt.

Der Beschwerdeführer bestreitet den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt nicht substantiiert und erstattete in der Beschwerde auch kein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen, sodass das Bundesverwaltungsgericht den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend ermittelt ansieht und sich der von der belangten Behörde vorgenommenen, nachvollziehbaren Beweiswürdigung anschließt.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Da der Beschwerdeführer den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente (im Original) vorlegen konnte, steht seine Identität nicht zweifelsfrei fest. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, zu seiner Glaubens- und zur Volksgruppenzugehörigkeit, zu seinen Lebensumständen, seinem Gesundheitszustand sowie seiner Arbeitsfähigkeit getroffen wurden, gründen sie sich auf die im bekämpften Bescheid dargelegten Feststellungen, denen in der erhobenen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.

Die belangte Behörde hat diese Feststellungen korrekt und nachvollziehbar gewürdigt. Aus dem Beschwerdevorbringen sind keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers aufgekommen.

Es wurden keine Dokumente vorgelegt, welche eine besondere Aufenthaltsverfestigung und ein Familienleben in Österreich belegen konnten.

Die Feststellung zu seiner fehlenden Integration am Arbeitsmarkt basiert auf einem aktuellen Versicherungsdatenauszug vom 04.10.2018, dem die Aufnahme einer Beschäftigung während seines Aufenthaltes im Bundesgebiet nicht zu entnehmen ist, wie der Beschwerdeführer auch eine stattgefundene Integration in Österreich in sprachlicher, gesellschaftlicher und beruflicher Hinsicht nicht glaubhaft machen konnte.

Die Feststellung zu den strafrechtlichen Verurteilungen sowie, dass der Beschwerdeführer keine Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung bezog, ergeben sich aus einer Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich vom 03.10.2018 und einem Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem vom selben Tag.

Der Beschwerdeführer machte auch in seiner erhobenen Beschwerde keine konkreten Angaben, denen zufolge eine rechtliche oder tatsächliche Unzulässigkeit der Abschiebung anzunehmen gewesen wäre. Eine besondere Gefährdung des Beschwerdeführers für den Fall seiner Abschiebung nach Marokko wurde nicht vorgebracht.

2.3. Zum Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat, insbesondere zum Wehrdienst, beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Marokko vom 17.08.2018 samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie bspw. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat in Marokko ergeben sich aus den folgenden Meldungen und Berichten:

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AA - Auswärtiges Amt (02.2017a): Marokko - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Marokko/Innenpolitik_node.html, Zugriff 30.06.2017

-

DS - Der Standard (31.01.2017): Marokko wieder in der AU, doch Westsahara-Streit bleibt,

http://derstandard.at/2000051784210/Afrikanische-Union-diskutiert-Wiederaufnahme-von-Marokko, Zugriff 30.06.2017

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH (06.2017a), LIPortal - Marokko - Geschichte & Staat, http://liportal.giz.de/marokko/geschichte-staat/, Zugriff 30.06.2017

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ÖB - Österreichische Botschaft Rabat (09.2015): Asylländerbericht Marokko

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AA - Auswärtiges Amt (05.07.2017): Marokko - Reise- und Sicherheitshinweise,

http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/MarokkoSicherheit_node.html, Zugriff 05.07.2017

-

BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (05.07.2017): Reiseinformation Marokko, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/marokko/, Zugriff 05.07.2017

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DS - Der Standard (29.5.2017): Anführer der Proteste in Marokko festgenommen,

http://derstandard.at/2000058382533/Hunderte-Marokkaner-demonstrierten-in-Protesthochburg-Al-Hoceima?ref=rec, Zugriff 5.7.2017

-

DS - Der Standard (28.06.2017): Marokko: Fast 80 Polizisten bei Ausschreitungen verletzt,

http://derstandard.at/2000060215022/Marokko-Fast-80-Polizisten-bei-Ausschreitungen-verletzt?ref=rec, Zugriff 05.07.2017

-

FD - France Diplomatie (05.07.2017): Conseils aux Voyageurs - Maroc - Sécurité,

http://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays/maroc/, Zugriff 05.07.2017

-

AA - Auswärtiges Amt (02.2017b): Marokko - Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Marokko/Aussenpolitik_node.html, Zugriff 05.07.2017

-

CIA - Central Intelligence Agency (27.06.2017): The World Factbook

-

Western Sahara,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/wi.html, Zugriff 05.07.2017

-

DF - Deutschlandfunk (26.09.2016): EU, Marokko und der Westsahara-Konflikt - Handel mit Afrikas letzter Kolonie, http://www.deutschlandfunk.de/eu-marokko-und-der-westsahara-konflikt-handel-mit-afrikas.724.de.html?dram:article_id=366913, Zugriff 05.07.2017

-

AA - Auswärtiges Amt (10.03.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: März 2017)

-

USDOS - U.S. Department of State (03.03.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Morocco, http://www.ecoi.net/local_link/337215/479978_de.html, Zugriff 30.06.2017

-

AI - Amnesty International (22.02.2017): Amnesty International Report 2014/15 - Kingdom of Morocco, http://www.ecoi.net/local_link/336547/479222_de.html, Zugriff 30.06.2017

-

TI - Transparency International (25.01.2017): Corruptions Perceptions Index 2016,

https://www.transparency.org/news/feature/corruption_perceptions_index_2016, Zugriff 30.06.2017

-

HRW - Human Rights Watch (12.01.2017): World Report 2017 - Morocco and Western Sahara,

http://www.ecoi.net/local_link/334712/476546_de.html, Zugriff 30.6.2017

-

ÖB - Österreichische Botschaft Rabat (9.2015): Asylländerbericht Marokko

-

USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Morocco, http://www.ecoi.net/local_link/337215/479978_de.html, Zugriff 30.06.2017

-

DS - Der Standard (29.5.02017): Anführer der Proteste in Marokko festgenommen,

http://derstandard.at/2000058382533/Hunderte-Marokkaner-demonstrierten-in-Protesthochburg-Al-Hoceima?ref=rec, Zugriff 05.07.2017

-

USDOS - U.S. Department of State (10.08.2016): 2015 International Religious Freedom Report - Morocco, http://www.ecoi.net/local_link/328443/469221_de.html, Zugriff 03.07.2017

-

AA - Auswärtiges Amt (2.2017c): Marokko - Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Marokko/Wirtschaft_node.html, Zugriff 04.07.2017

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH (6.2017c): Marokko - Wirtschaft, http://liportal.giz.de/marokko/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 04.07.2017

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DIS - Danish Immigration Service (2.2017): Morocco - Situation of Unaccompanied Minors,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1490253625_morocco-situationofunaccompaniedminors-06032017.pdf, Zugriff 06.07.2017

-

USDOS - U.S. Department of State (03.03.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Morocco, http://www.ecoi.net/local_link/337215/479978_de.html, Zugriff 30.06.2017

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VB - Verbindungsbeamter des BMI in Rabat (30.05.2017):

Anfragebeantwortung Kinder und Jugendliche, nach direkter Rücksprache mit einem Mitarbeiter der NGO "Association Marocaine des Droits Humains" (AMDH), sowie mit Frau Saida SAGHER von der Organisation "BAYTI" (übersetzt "mein Haus") in Casablanca, einer Organisation, die sich speziell für Straßenkinder einsetzt; übermittelt per E-Mail vom 30.05.2017

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Der Beschwerdeführer trat diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland nicht entgegen. Aufgrund der Kürze der verstrichenen Zeit zwischen der Erlassung des bekämpften Bescheides und der gegenständlichen Entscheidung ergeben sich keine Änderungen zu den im bekämpften Bescheid getroffenen Länderfeststellungen. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich daher diesen Feststellungen an.

Zu Spruchpunkt A):

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 58 Abs. 1 Z 5 AsylG hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG von Amts wegen zu prüfen, wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

Die formellen Voraussetzungen des § 57 AsylG liegen gegenständlich nicht vor und werden in der Beschwerde auch nicht behauptet und auch aus dem Verwaltungsakt ergeben sich keinerlei Hinweise, die es nahelegen, eine solche Aufenthaltsberechtigung zu erteilen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (gemeint war: Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) war dem Beschwerdeführer daher nicht zuzuerkennen.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides war daher abzuweisen.

3.2. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, ist gemäß § 10 Abs. 2 AsylG diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

Gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

Es bestehen keine Bedenken gegen die - auch auf den rechtskräftigen Bescheid vom 21.06.2016 zu stützende - Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer halte sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Er legte kein Visum vor und verfügt über keine Aufenthaltsberechtigung für den Raum der Europäischen Union. In der Beschwerde wurde der Umstand des unrechtmäßigen Aufenthaltes nicht bestritten.

Gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, einer Ausweisung gemäß § 66 FPG oder eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 67 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs. 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).

Daher ist - wie der Beschwerdeführer in der Beschwerde auch geltend macht - eine individuelle Abwägung der berührten Interessen vorzunehmen, um zu beurteilen, ob ein Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers durch seine Außerlandesbringung als im Sinne des Art. 8 EMRK verhältnismäßig angesehen werden kann.

Der Beschwerdeführer verfügt über kein Familienleben im Bundesgebiet. Dass er in einer (engen) Beziehung lebt, ergeben sich keine Hinweise, zumal er auch in der Beschwerde ganz allgemein auf seine "freundschaftlichen Beziehungen in Österreich" Bezug nimmt.

Unter "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg Lettland, EuGRZ 2006, 554).

Diesbezüglich ist zunächst die Aufenthaltsdauer von Belang. Der Beschwerdeführer befindet sich seit Mitte 2011, somit seit ca. sieben Jahre in Österreich.

Auch bei einem langjährigen bzw. mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalt in Verbindung mit dem Vorliegen gewisser integrationsbegründender Aspekte ist dann nicht zwingend von einem Überwiegen des persönlichen Interesses auszugehen, wenn ihm Umstände entgegenstehen, die das gegen einen Verbleib im Inland sprechende öffentliche Interesse verstärken bzw. die Länge der Aufenthaltsdauer im Inland relativieren. Es ist daher auch in Fällen eines mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthaltes eine Gesamtabwägung unter Einbeziehung aller fallbezogen maßgeblichen Aspekte vorzunehmen, wenn auch unter besonderer Gewichtung der langen Aufenthaltsdauer (vgl. das Erk. des VwGH vom 17.10.2016, Ro 2016/22/0005).

Der Beschwerdeführer wurde fünf Mal strafrechtlich verurteilt. Zieht man ca. zwei Jahre und sieben Monate, welche er bis zum gegebenen Zeitpunkt in Justizanstalten verbrachte, von seinem ca. siebenjährigen Aufenthalt ab, gelangt man zu einer Aufenthaltsdauer von ca. 4 1/2 Jahren. Aktuell befindet er sich in einer Justizanstalt. Von einer langjährigen Aufenthaltsdauer (in Freiheit) kann daher nicht ausgegangen werden.

Der Beschwerdeführer war in Österreich nie berufstätig; er übte auch keine ehrenamtliche Tätigkeit aus. Er legte keine Unterlagen vor, die für eine beachtenswerte Integration sprechen würden.

Er hat in seinem Herkunftsstaat, in dem er aufgewachsen ist und einen Teil seines bisherigen Lebens verbracht hat, sprachliche und kulturelle Anknüpfungspunkte.

Es ist unbestritten, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen auch unter dem Aspekt der Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen zu sehen sind. Vor allem im Bereich der Suchtmittelkriminalität berührt die aus der Begehung eines solchen strafbaren Deliktes ausgehende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit wegen der besonderen Gefährlichkeit für Dritte ein Grundinteresse der Gesellschaft. Der Verwaltungsgerichtshof hat in Bezug auf die Suchtgiftdelinquenz wiederholt betont, dass sie ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (vgl. das Erk. des VwGH vom 20.08.2013, Zl. 2013/22/0082).

Im Hinblick auf die "verheerende Wirkung von Drogen auf das Leben von Menschen" hat auch der EGMR wiederholt sein Verständnis für das Vorgehen der Mitgliedstaaten gegenüber Personen, die an der Verbreitung von Drogen aktiv mitwirken, zum Ausdruck gebracht (vgl. EGMR vom 30.11. 1999, Baghli gegen Frankreich Nr. 34374/97). Auch in seinem Urteil vom 01.12.2016 (77036/11, Salem v Denmark) stellte der EGMR fest, dass "angesichts der verheerenden Auswirkungen der Suchtgiftkriminalität die Staaten berechtigt sind, insofern besonders rigoros vorzugehen".

Vor diesem Hintergrund gefährdet der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung und Sicherheit, zumal in Anbetracht der schwerwiegenden Delinquenz des Beschwerdeführers, welche sich in mehreren Verbrechen des (gewerbsmäßigen) Suchtgifthandels manifestierte - dies geht aus dem Strafurteilen hervor - nicht von Bagatelldelikten, sondern von mit hoher krimineller Energie begangene Taten gesprochen werden muss.

Die im vorliegenden Beschwerdefall vorzunehmende Interessenabwägung schlägt insbesondere aufgrund der wiederholten Straffälligkeit des Beschwerdeführers somit eindeutig zugunsten des öffentlichen Interesses an seiner Außerlandesschaffung aus.

Bei einer Gesamtbetrachtung überwiegen die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung die privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet, sodass der damit verbundene Eingriff in sein Familien- und Privatleben nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes als verhältnismäßig qualifiziert werden kann. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich daher, dass die im angefochtenen Bescheid angeordnete Rückkehrentscheidung des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Herkunftsstaat Marokko keinen ungerechtfertigten Eingriff in das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Privat- und Familienleben darstellt.

Daher wurde die Rückkehrentscheidung zu Recht erlassen und war die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides abzuweisen.

3.3. Zum Ausspruch, dass die Abschiebung nach Marokko zulässig ist (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

Es ist insbesondere, weil § 52 Abs. 9 FPG vorrangig dazu dient, nur den Zielstaat der Abschiebung festzulegen, nicht Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichtes, im Verfahren zur Erlassung einer fremdenpolizeilichen Maßnahme letztlich ein Verfahren durchzuführen, das der Sache nach einem Verfahren über einen Asylantrag gleichkommt. Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheides des Bundesasylamtes vom 21.06.2016 war die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Marokko für zulässig erklärt worden. Eine Änderung der entscheidungswesentlichen Umstände, sei es in der Situation in Marokko oder in Bezug auf in der Person des Beschwerdeführers liegende Umstände, wurde in der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 25.05.2018, in der er die im ersten Asylverfahren vorgebrachten Gründe für seine Ausreise im Wesentlichen wiederholte, und der erhobenen Beschwerde nicht behauptet und ergeben sich dafür auch aus der Aktenlage keine Hinweise. Zudem handelt es sich bei Marokko um einen sicheren Herkunftsstaat vor.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides abzuweisen war.

3.4. Verhängung eines unbefristeten Einreiseverbots (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 53 Abs. 1 FPG kann mit einer Rückkehrentscheidung vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

Gemäß § 53 Abs. 3 FPG ist ein Einreiseverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

Als bestimmende Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat nach § 53 Abs. 3 Z 5 FPG zu gelten, dass ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist.

Der Beschwerdeführer wurde wegen Straftaten gegen das Suchtmittelgesetz und StGB verurteilt, und zwar mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 26.06.2012 wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall und Abs. 3 SMG und nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von vier Monaten, mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 16.10.2012 wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall und Abs. 3 SMG, nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs. 2 SMG und nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten, mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 12.06.2014 wegen des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125 und 126 Abs. 1 Z 7 StGB zu einer Geldstrafe von 200 Tagsätzen zu je €

4,-- (€ 800,--), im Fall der Uneinbringlichkeit zu 100 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 07.05.2015 wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten sowie mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 14.08.2017 (in Rechtskraft erwachsen am 07.02.2018) wegen des versuchten Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 15 StGB und § 87 Abs. 1 StGB und des Verbrechens des gewerbsmäßigen Suchtgifthandels nach §§ 28a Abs. 1 fünfter Fall und 28a Abs. 2 Z 3 SMG sowie des versuchten Vergehens des Diebstahls gemäß § 15 StGB und § 127 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt.

Im gegenständlichen Fall erließ die belangte Behörde zu Recht ein unbefristetes Einreiseverbot.

Angesichts der zuletzt erfolgten Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Höhe von sieben Jahren wegen des versuchten Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 15 StGB und § 87 Abs. 1 StGB und des Verbrechens des gewerbsmäßigen Suchtgifthandels wurde der Tatbestand des § 53 Abs. 3 Z 5 FPG - wenn ein Drittstaatsangehö

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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