TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/11 W251 2154079-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.10.2018
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Entscheidungsdatum

11.10.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W251 2154079-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Angelika SENFT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.03.2017, Zl. 1097338202 - 151889041, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein männlicher Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 27.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Am 28.11.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass eine Rückkehr nach Afghanistan für ihn schwierig sei, da er schon so viel Geld für die Reise ausgegeben habe, die Reise sei mühsam und gefährlich gewesen.

3. Am 12.08.2016 fand eine Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) statt. Zu seinen Fluchtgründen gab er im Wesentlichen an, dass in Afghanistan Angehöriger seiner Volksgruppe, Hazara, unmenschlich behandelt werden. Er habe Angst gehabt, da er Hazara sei. Wegen der Daesh habe er seine Heimat verlassen. Daesh und Taliban würden Hazara umbringen.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) ab und erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass aus den Angaben des Beschwerdeführers keine Gefährdung des Beschwerdeführers zu entnehmen sei. Es drohe dem Beschwerdeführer auch keine Gefahr, die die Erteilung eines subsidiären Schutzes rechtfertigen würde. Der Beschwerdeführer sei ein gesunder, arbeitsfähiger Mann, der noch über ein familiäres Unterstützungsnetz in Afghanistan verfüge und somit bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht in eine ausweglose Situation geraten würde. Der Beschwerdeführer verfüge in Österreich zudem über kein schützenswertes Privat- und Familienleben, das einer Rückkehrentscheidung entgegenstehen würde.

5. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Religionszugehörigkeit zu den Schiiten und aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit zu den Hazara bei einer Rückkehr nach Afghanistan gefährdet sei. Der Beschwerdeführer sei von den Taliban, als er seine Familie habe besuchen wollen, bedroht worden. Zudem sei der Beschwerdeführer von den Taliban mit dem Umbringen bedroht worden, als dieser als Bauarbeiter eine neue Straße habe bauen wollen. Diese Bedrohung habe der Beschwerdeführer beim Bundesamt zwar angegeben, dies sei jedoch vom Dolmetscher nicht übersetzt worden, das Protokoll vom Bundesamt sei daher mangelhaft. Der Beschwerdeführer sei zwar ein junger und arbeitsfähiger Mann, dennoch sei es für ihn schwierig eine Arbeit zu finden und für seinen Unterhalt zu sorgen. Er könne von seinen Verwandten nicht unterstützt werden.

6. Mit Stellungnahme vom 18.09.2018 (OZ 7) nahm der Beschwerdeführer zu den Länderinformationen Stellung und legte Urkunden betreffend die Lage in Afghanistan vor.

7. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 08.10.2018 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari und im Beisein des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Der Beschwerdeführer gab in der Verhandlung an, dass das Protokoll vom Bundesamt doch richtig sei. Der Beschwerdeführer verweis auf die UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 und brachte vor, dass keine IFA nach Kabul mehr möglich sei. Zudem seien Herat und Mazar-e Sharif nicht sicher erreichbar, da diese mehrere hunderte Kilometer von Kabul entfernt seien. Die bisherige Rechtsprechung der Höchstgerichte sei daher nicht mehr aktuell.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Er ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Hazara an, bekennt sich zum schiitisch-muslimischen Glauben und spricht Dari als Muttersprache, sowie die Sprachen Paschtu, Farsi und ein wenig Deutsch (AS 1; AS 50; Verhandlungsprotokoll vom 08.10.2018, OZ 8, S. 7, S. 19).

Der Beschwerdeführer wurde in der Provinz Bamyan im Distrikt XXXX geboren und ist dort gemeinsam mit seinen Eltern und seinem Bruder und seinen zwei Schwestern aufgewachsen. Der Beschwerdeführer hat vier Jahre lang eine Schule besucht (OZ 8, S. 7-8). Mit 11 Jahren ist der Beschwerdeführer von seiner Familie weggegangen. Zunächst hat er drei Jahre lang in Kabul gelebt, dort hat er als Teppichknüpfer gearbeitet. Danach hat er mehrere Jahre im Iran gelebt, wobei er mehrfach vom Iran nach Afghanistan abgeschoben wurde und er von dort erneut in den Iran gegangen ist (OZ 8, S. 9). Nachdem der Beschwerdeführer das letzte Mal aus dem Iran nach Afghanistan abgeschoben wurde, hat er das letzte Jahr vor seiner Ausreise nach Europa in der Stadt Kabul gelebt (AS 52).

Der Beschwerdeführer hat in Afghanistan bzw. im Iran zwei Jahre als Teppichknüpfer, ca. zwei Jahre lang in der Viehhaltung, fünf Jahre als Baggerfahrer sowie als LKW-Fahrer gearbeitet. Der Beschwerdeführer hat auch ein Jahr lang im Straßenbau in Afghanistan gearbeitet (AS 9).

Die Eltern und die jüngere Schwester des Beschwerdeführers leben in der Provinz Bamyan, im Distrikt XXXX , im Dorf XXXX . Die ältere Schwester des Beschwerdeführers lebt in Maidan Wardak. Der Bruder des Beschwerdeführers lebt in der Stadt Kabul (OZ 8, S. 10). Zwei Onkel väterlicherseits des Beschwerdeführers leben in der Provinz Bamyan, einer im Dirstrik XXXX und einer im Distrikt XXXX (OZ 8, S. 11).

Der Beschwerdeführer hat regelmäßig Kontakt zu seiner Familie (OZ 8, S. 10). Er unterstützt seine Familie derzeit finanziell nicht (OZ 8, S. 17).

Der Beschwerdeführer ist unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich eingereist und hält sich seit zumindest November 2015 durchgehend in Österreich auf (AS 1-3).

Der Beschwerdeführer hat einen Alphabetisierungskurs, Teil 1, besucht (AS 251). Der Beschwerdeführer hat einen Deutschkurs für A1,

1. Teil, besucht (Beilage ./L). Der Beschwerdeführer besucht seit Mai 2016 eine Lernhilfegruppe für die Sprache Deutsch (Beilage ./J). Der Beschwerdeführer hat die Prüfung für Deutsch, Niveau A1, nicht bestanden (OZ 8, S. 12).

Der Beschwerdeführer ist seit fast zwei Jahren Mitglied in einem Karate-Verein (Beilage ./A; Beilage ./O; Beilage ./P). Der Beschwerdeführer hat auch an Marathon-Veranstaltungen teilgenommen (Beilage ./M). Der Beschwerdeführer hat an einem Erste-Hilfe-Kurs teilgenommen (Beilage ./N).

Der Beschwerdeführer lebt von der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer verrichtet seit Herbst 2017 gemeinnützige Tätigkeiten, unter anderem Reinigungsarbeiten, Malerarbeiten, Gartenarbeiten etc. für die Gemeinde XXXX (Beilage ./C). Der Beschwerdeführer arbeitet zusätzlich ehrenamtlich jeden Freitag seit Februar 2018 in einem Seniorenheim (Beilage ./H, Beilage ./I).

Der Beschwerdeführer ist bemüht sich in der Gemeinde gut zu integrieren und auch am Gemeindeleben teilzunehmen (Beilage ./C; Beilage ./D). Der Beschwerdeführer nimmt an einer Veranstaltungsreihe für Asylwerber einer pädagogischen Hochschule teil (Beilage ./E; Beilage ./F). Der Beschwerdeführer hat am 19.05.2018 an einem Bücherflohmarkt mitgeholfen (Beilage ./G). Der Beschwerdeführer hat für eine Gemeinde im Bereich eines Wanderweges für einen Tag lang gemeinnützige Tätigkeiten übernommen (Beilage ./K).

Der Beschwerdeführer hat in Österreich keine Verwandten. Der Beschwerdeführer konnte in Österreich freundschaftliche Kontakte insbesondere zu seinem Karatelehrer, zu seinen Deutschlehrern und zu weiteren Personen, die er auf Veranstaltungen und Integrationsfesten kennen gelernt hat, knüpfen (OZ 8, S. 14). Darüber hinaus verfügt der Beschwerdeführer über keine sonstigen engen sozialen Bindungen in Österreich.

Der Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten, er ist gesund (OZ 8, S. 14, S. 5).

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten (Beilage ./I).

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Verfolgungsvorbringen kann nicht festgestellt werden.

1.2.1. Der Beschwerdeführer wurde noch nie von den Taliban, den Daesh, dem IS oder von anderen Personen individuell und konkret mit der Ausübung von physischer oder psychischer Gewalt bedroht.

Der Beschwerdeführer hatte selber weder Kontakt zu Mitgliedern des IS noch zu Mitgliedern der Daesh. Der Beschwerdeführer hatte selber keinen Kontakt zur Regierung, zu den Streitkräften oder zur Polizei in Afghanistan (OZ 8, S. 16). Der Beschwerdeführer wurde einmal auch, als er mit dem Auto auf dem Weg zu seinen Eltern war, von den Taliban angehalten. Nachdem er von diesen überprüft wurde, durfte er weiterfahren. Es ist in diesem Zusammenhang weder zu Drohungen noch zu Eingriffen in die körperliche Integrität gekommen (OZ 8, S. 16; AS 54).

Der Beschwerdeführer hat Afghanistan wegen der allgemeinen Sicherheitslage und wegen der wirtschaftlichen Lage (der Armut im Land) verlassen (OZ 8, S. 16).

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan ist der Beschwerdeführer keinen, gegen ihn individuell und konkret gerichtete, psychischen oder physischen Bedrohungen ausgesetzt.

1.2.2. Der Beschwerdeführer hatte selber, als er in Afghanistan war, keine konkret und individuell gegen ihn gerichteten Probleme aufgrund seiner Volksgruppen- oder Religionszugehörigkeit.

Es kann nicht festgestellt werden, dass Angehörige der Religionsgemeinschaft der Schiiten oder der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan allein aufgrund der Religions- oder Volksgruppenzugehörigkeit physischer oder psychischer Gewalt ausgesetzt sind.

1.2.3. Darüber hinaus kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aufgrund seines in Österreich ausgeübten Lebensstils oder seinem Aufenthalt in einem europäischen Land in Afghanistan psychischer oder physischer Gewalt ausgesetzt wäre.

1.3. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Der Beschwerdeführer kann in seine Herkunftsprovinz Bamyan zurückkehren. Diese ist sehr stabil und kann über einen nationalen Flughafen von Kabul aus erreicht werden. Dort kann der Beschwerdeführer bei seiner Familie leben. Er kann dort grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen.

Dem Beschwerdeführer ist es zudem möglich und zumutbar sich in den Städten Herat oder Mazar-e Sharif anzusiedeln. Die Wohnraum- und Versorgungslage ist in Herat und Mazar-e Sharif sehr angespannt. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in den Städten Herat und Mazar-e Sharif kann der Beschwerdeführer jedoch grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen.

Es ist dem Beschwerdeführer möglich nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedlung in der Stadt Herat oder Mazar-e Sharif Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

1.4. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (Länderinformationsblatt für Afghanistan vom 29.06.2018 mit Kurzinformation vom 11.09.2018 - LIB 11.09.2018, S. 27).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (LIB 11.09.2018, S. 27).

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren. Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt) bedrohen. Dies ist den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zuzuschreiben (LIB 11.09.2018, S. 30).

Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (LIB 11.09.2018, S. 38).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht. In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt. Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheits-operationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden; auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (LIB 11.09.2018, S. 31).

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (LIB 11.09.2018, S. 31). Die Auflistung der high-profile Angriffe zeigt, dass die Anschläge in großen Städten, auch Kabul, hauptsächlich im Nahebereich von Einrichtungen mit Symbolcharakter (Moscheen, Tempel bzw. andere Anbetungsorte), auf Botschaften oder auf staatliche Einrichtungen stattfinden. Diese richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung, ausländische Regierungen und internationale Organisationen (LIB 11.09.2018, S. 32 ff, 36).

Bamyan:

Bamyan liegt im Süden des Hindukusch und im Norden des Koh-e-Baba Gebirges. Die Provinz besteht aus sieben Distrikten. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 462.144 geschätzt. Bamyan-City gilt als die inoffizielle Hauptstadt der Hazara. Der Großteil der Bevölkerung besteht aus Hazara, gefolgt von Tadschiken, Tataren und Pashtunen. Etwa 96% der Bevölkerung spricht Dari, die restlichen 4% sprechen Paschtu. Mehr als 90% der Bevölkerung fühlt sich dem schiitischen Islam zugehörig (LIB 11.09.2018, S. 74).

In Bamyan existiert ein nationaler Flughafen, der z.B. von der afghanischen Fluglinie Kam Air angeflogen wird. Am 29.8.2016 wurde die Straße Kabul-Bamyan eingeweiht. Das von der italienischen Agentur für Entwicklung finanzierte Straßenprojekt sollte die Verbindungen zwischen Kabul und Bamyan erleichtern und den wirtschaftlichen Aufschwung in der Region unterstützen. Durch die neu errichtete Straße beträgt die Reisezeit von Kabul nach Bamyan zweieinhalb Stunden (LIB 11.09.2018, S. 74f).

Bamyan wird als relativ friedliche Provinz erachtet, die trotz der Armut und Vernachlässigung durch die Zentralregierung als sicherer Hafen betrachtet wird. Mit Stand April 2017 war die Provinz sicher und war offen für den lokalen und internationalen Tourismus, so hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 die Anzahl inländischer und ausländischer Touristen verdoppelt (LIB 11.09.2018, S. 75).

Die Sicherheitslage hat sich in der Provinz verbessert. Sogar Frauen können in Bamyan sicher und alleine in eigens für sie errichtete Cafés gehen, ohne belästigt zu werden. Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 10 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden 4 zivile Opfer (0 getötete Zivilisten und 4 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Drohungen, Einschüchterungen und Belästigungen, gefolgt von Blindgängern/Landminen und Bodenoffensiven. Dies bedeutet einen Rückgang von 60% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Die meisten sicherheitsrelevanten Vorgänge ereigneten sich im Distrikt Bamyan City. Sicherheitsrelevante Vorfälle traten nur vereinzelt (ein bis zwei) in den Distrikten Panjab, Sayghan und Yakawlang auf, in den übrigen Distrikten überhaupt nicht (LIB 11.09.2018, S. 75f).

Der Zusammenhalt zwischen den Bewohnern ethnisch homogenerer Gesellschaften wie in Panjsher, Bamyan und Daikundi wird als Grund für die geringe Anzahl an Anschlägen betrachtet: Da die Bewohner dieser Provinzen mehrheitlich einer Ethnie zugehören, erlauben diese keine aufständischen Aktivitäten (LIB 11.09.2018, S. 76).

Mazar-e Sharif:

Mazar-e Sharif ist die Hauptstadt der Provinz Balkh. Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana und Pul-e-Khumri und ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst (LIB 11.09.2018, S. 71).

In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen, durch den die Stadt sicher zu erreichen ist (LIB 11.09.2018, S. 71).

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (LIB 11.09.2018, S. 72).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt (LIB 11.09.2018, S. 61f).

Herat

Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. Die Provinz ist in 16 Bezirke eingeteilt, die gleichzeitig auch die administrativen Einheiten bilden. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.967.180 geschätzt. In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Uzbeken und Aimaken (LIB 11.09.2018, S. 107).

Provinzhauptstadt ist Herat-Stadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet und eine Einwohnerzahl von 506.900 hat. In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen: ein internationaler in Herat-Stadt und ein militärischer in Shindand, sodass die Stadt sicher erreichbar ist (LIB 11.09.2018, S. 107, 228 f).

Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der Safran-Produktion. Die Safran-Produktion garantierte z.B. auch zahlreiche Arbeitsplätze für Frauen in der Provinz (LIB 11.09.2018, S. 107).

Herat wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv. Die Provinz Herat zählt zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen des Landes zählt, wenngleich sich in den abgelegenen Distrikten die Situation in den letzten Jahren aufgrund der Taliban verschlechtert hat (LIB 11.09.2018, S. 108).

Nach zehn Jahren der Entminung sind nun 14 von 16 Distrikten der Provinz sicher. In diesen Gegenden besteht keine Gefahr mehr, Landminen und anderen Blindgängern ausgesetzt zu sein. In der Provinz leben u.a. tausende afghanische Binnenflüchtlinge (LIB 11.09.2018, S. 108).

Im gesamten Jahr 2017 wurden in der Provinz Herat 495 zivile Opfer (238 getötete Zivilisten und 257 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Selbstmordanschlägen/komplexen Attacken und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 37% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (LIB 11.09.2018, S. 109).

Regierungsfeindliche Aufständische griffen Mitte 2017 heilige Orte, wie schiitische Moscheen, in Hauptstädten wie Kabul und Herat, an. Dennoch erklärten Talibanaufständische ihre Bereitschaft, sich am Friedensprozess zu beteiligen. Es kam zu internen Konflikten zwischen verfeindeten Taliban-Gruppierungen (LIB 11.09.2018, S. 110).

Medizinische Versorgung

Es gibt keine staatliche Krankenkasse und die privaten Anbieter sind überschaubar und teuer, somit für die einheimische Bevölkerung nicht erschwinglich. Eine begrenzte Zahl staatlich geförderter öffentlicher Krankenhäuser bieten kostenfreie medizinische Versorgung. Alle Staatsbürger haben Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten. Die Kosten für Medikamente in diesen Einrichtungen weichen vom lokalen Marktpreis ab. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e-Sharif, Herat und Kandahar. Medikamente sind auf jedem Markt in Afghanistan erwerblich, Preise variieren je nach Marke und Qualität des Produktes (LIB 11.09.2018, S. 206 ff).

Psychische Erkrankungen sind in öffentlichen und privaten Klinken grundsätzlich behandelbar. Die Behandlung in privaten Kliniken ist für Menschen mit durchschnittlichen Einkommen nicht leistbar. In öffentlichen Krankenhäusern müssen die Patienten nichts für ihre Aufnahme bezahlen. In Kabul gibt es zwei psychiatrische Einrichtungen: das Mental Health Hospital und die Universitätsklinik Aliabad. Zwar gibt es traditionelle Methoden bei denen psychisch Kranke in spirituellen Schreinen unmenschlich behandelt werden. Es gibt jedoch aktuelle Bemühungen, die Akzeptanz und Kapazitäten für psychiatrische Behandlungsmöglichkeiten zu stärken und auch Aufklärung zu betreiben. Die Bundesregierung finanziert Projekte zur Verbesserung der Möglichkeiten psychiatrischer Behandlung und psychologischer Begleitung in Afghanistan (LIB 11.09.2018, S. 327 f). In Mazar-e Sharif gibt es ein privates neuropsychiatrisches Krankenhaus (Alemi Hospital) und ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus (LIB 11.09.2018, S. 327).

Wirtschaft

Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu (LIB 11.09.2018, S. 321).

Für ca. ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans und mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung (51,1%) sind nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden (LIB 11.09.2018, S. 321).

Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist angespannt und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Sogar für gut ausgebildete und gut qualifizierte Personen ist es schwierig ohne ein Netzwerk einen Arbeitsplatz zu finden, wenn man nicht empfohlen wird oder dem Arbeitgeber nicht vorgestellt wird. Vetternwirtschaft ist gang und gebe. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen. Es gibt lokale Webseiten, die offene Stellen im öffentlichen und privaten Sektor annoncieren. Die meisten Afghanen sind unqualifiziert und Teil des informellen, nicht-regulierten Arbeitsmarktes. Der Arbeitsmarkt besteht Großteiles aus manueller Arbeit ohne Anforderungen an eine formelle Ausbildung und spiegelt das niedrige Bildungsniveau wieder. In Kabul gibt es öffentliche Plätze, wo sich Arbeitssuchende und Nachfragende treffen. Viele bewerben sich, nicht jeder wird engagiert. Der Lohn beträgt für Hilfsarbeiter meist USD 4,3 und für angelernte Kräfte bis zu USD 14,5 pro Tag (EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, Beilage ./IV, S. 29 - 30).

In Kabul und in großen Städten stehen Häuser und Wohnungen zur Verfügung. Es ist auch möglich an Stelle einer Wohnung ein Zimmer zu mieten. Dies ist billiger als eine Wohnung zu mieten. Heimkehrer mit Geld können Grund und Boden erwerben und langfristig ein eigenes Haus bauen. Vertriebene in Kabul, die keine Familienanbindung haben und kein Haus anmieten konnten, landen in Lagern, Zeltsiedlungen und provisorischen Hütten oder besetzen aufgelassene Regierungsgebäude. In Städten gibt es Hotels und Pensionen unterschiedlichster Preiskategorien. Für Tagelöhner, Jugendliche, Fahrer, unverheiratete Männer und andere Personen, ohne permanenten Wohnsitz in der jeweiligen Gegend, gibt es im ganzen Land Angebote geringerer Qualität, sogenannte chai khana (Teehaus). Dabei handelt es sich um einfache große Zimmer in denen Tee und Essen aufgetischt wird. Der Preis für eine Übernachtung beträgt zwischen 0,4 und 1,4 USD. In Kabul und anderen großen Städten gibt es viele solche chai khana und wenn ein derartiges Haus voll ist, lässt sich Kost und Logis leicht anderswo finden. Man muss niemanden kennen um dort eingelassen zu werden (EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, Beilage ./IV, S. 31).

Rückkehrer:

Im Jahr 2017 kehrten sowohl freiwillig, als auch zwangsweise insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück (LIB 11.09.2018, S. 334 f).

Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung, wo Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden können (LIB 11.09.2018, S. 335 f).

IOM, IRARA, ACE und AKAH bieten Unterstützung und nachhaltige Begleitung bei der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Schulungen an. NRC bietet Rückkehrer/innen aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an und hilft bei Grundstücksstreitigkeiten. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden (LIB 11.09.2018, S. 336f).

Psychologische Unterstützung von Rückkehrer/innen wird über die Organisation IPSO betrieben - alle Leistungen sind kostenfrei. Diejenigen, die es benötigen und in abgelegene Provinzen zurückkehren, erhalten bis zu fünf Skype-Sitzungen von IPSO. Für psychologische Unterstützung könnte auch ein Krankenhaus aufgesucht werden; möglicherweise mangelt es diesen aber an Kapazitäten (LIB 11.09.2018, S. 337f).

Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Nur sehr wenige Afghanen in Europa verlieren den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Dennoch haben alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen (LIB 11.09.2018, S. 338 f).

Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB 11.09.2018, S. 339).

Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB 11.09.2018, S. 339).

Religionsfreiheit

Etwa 99,7% der Bevölkerung sind Muslime, davon sind 84,7-89,7% Sunniten. Schätzungen zufolge, sind etwa 10-19% der Bevölkerung Schiiten. Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie z.B. Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen zusammen nicht mehr als 1% der Bevölkerung aus. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans (LIB 11.09.2018, S. 272).

Anhänger religiöser Minderheiten und Nicht-Muslime werden durch das geltende Recht diskriminiert, so gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung für alle afghanischen Bürger unabhängig von ihrer Religion. Laut Verfassung sind die Gerichte dazu berechtigt, das schiitische Recht anzuwenden, wenn die betroffene Person dem schiitischen Islam angehört (LIB 11.09.2018, S. 273).

Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt. Die gesellschaftliche Diskriminierung gegenüber der schiitischen Minderheit sinkt jedoch weiterhin (LIB 11.09.2018, S. 274).

Schiiten

Die Bevölkerung schiitischer Muslime wird auf 10-19% geschätzt Zu der schiitischen Bevölkerung zählen die Ismailiten und die ethnischen Hazara. Die meisten Hazara Schiiten gehören der Jafari-Sekte (Zwölfer-Sekte) an (LIB 11.09.2018, S. 275).

Die politische Repräsentation und die Beteiligung an den nationalen Institutionen seitens der traditionell marginalisierten schiitischen Minderheit, der hauptsächlich ethnische Hazara angehören, ist seit 2001 gestiegen. Einige schiitische Muslime bekleiden höhere Regierungsposten. Im Ulema-Rat, der nationalen Versammlung von Religionsgelehrten, die u. a. dem Präsidenten in der Festlegung neuer Gesetze und Rechtsprechung beisteht, beträgt die Quote der schiitischen Muslime ca. 30%. Des Weiteren tagen rechtliche, konstitutionelle und menschenrechtliche Kommissionen, welche aus Mitgliedern der sunnitischen und schiitischen Gemeinschaften bestehen und von der Regierung unterstützt werden, regelmäßig, um die interkonfessionelle Schlichtung zu fördern. Die Diskriminierung der schiitischen Minderheit durch die sunnitische Mehrheit ist zurückgegangen (LIB 11.09.2018, S. 275).

Afghanischen Schiiten ist es möglich, ihre Feste öffentlich zu feiern; einige Paschtunen sind jedoch wegen der Feierlichkeiten missgestimmt, was gelegentlich in Auseinandersetzungen mündet. In den Jahren 2016 und 2017 wurden schiitische Muslime, hauptsächlich ethnische Hazara, oftmals Opfer von terroristischen Angriffen u.a. der Taliban und des IS (LIB 11.09.2018, S. 276).

Es kann nicht festgestellt werden, dass Angehörige der Schiiten in Afghanistan allein aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit psychischer und physischer Gewalt ausgesetzt sind.

Ethnische Minderheiten

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34,1 Millionen Menschen. Schätzungen zufolge, sind: 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara, 9% Usbeken. Auch existieren noch andere ethnische Minderheiten, wie z.B. die Aimaken, die ein Zusammenschluss aus vier semi-nomadischen Stämmen mongolisch, iranischer Abstammung sind, sowie die Belutschen, die zusammen etwa 4 % der Bevölkerung ausmachen (LIB 11.09.2018, S. 282).

Artikel 4 der Verfassung Afghanistans besagt: "Die Nation Afghanistans besteht aus den Völkerschaften der Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Paschai, Nuristani, Aimaq, Araber, Kirgisen, Qizilbasch, Gojar, Brahui und anderen Völkerschaften. Das Wort ‚Afghane' wird für jeden Staatsbürger der Nation Afghanistans verwendet." Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben (LIB 11.09.2018, S. 282f).

Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung verankert, wird allerdings in der gesellschaftlichen Praxis immer wieder konterkariert. Soziale Diskriminierung und Ausgrenzung anderer ethnischer Gruppen und Religionen im Alltag besteht fort und wird nicht zuverlässig durch staatliche Gegenmaßnahmen verhindert. Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (LIB 11.09.2018, S. 283).

Hazara:

Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind die schiitische Konfession (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) und ihre ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden. Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben (LIB 11.09.2018, S. 284f).

Ihre Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (LIB 11.09.2018, S. 285).

Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara hat sich die Lage grundsätzlich verbessert; sie haben sich ökonomisch und politisch durch Bildung verbessert. Hazara in Kabul gehören jetzt zu den am besten gebildeten Bevölkerungsgruppen und haben auch eine Reihe von Dichtern und Schriftstellern hervorgebracht. Auch wenn es nicht allen Hazara möglich war diese Möglichkeiten zu nutzen, so haben sie sich dennoch in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft etabliert. So haben Hazara eine neue afghanische Mittelklasse gegründet. Im Allgemeinen haben sie, wie andere ethnische Gruppen auch, gleichwertigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Nichtsdestotrotz, sind sie von einer allgemein wirtschaftlichen Verschlechterung mehr betroffen als andere, da für sie der Zugang zu Regierungsstellen schwieriger ist (LIB 11.09.2018, S. 285f).

Es kann nicht festgestellt werden, dass Angehörige der Hazara in Afghanistan allein aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit psychischer und physischer Gewalt ausgesetzt sind.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt sowie in den Gerichtsakt, durch Einvernahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung und durch Einsichtnahme in die zum Akt genommenen Urkunden Beilage ./I bis ./IV (Konvolut ZMR, GVS, Strafregister Beilage ./I; Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Afghanistan vom 29.06.2018 mit Aktualisierung vom 11.09.2018, Beilage ./II; FFM Bericht, Afghanistan, April 2018, Beilage ./III; EASO Bericht, Afghanistan Netzwerke, Jänner 2018, Beilage ./IV; Empfehlungsschreiben, Karate vom 05.10.2018, Beilage./A; Empfehlungsschreiben, Beilage./B;

Empfehlungsschreiben Gemeinde vom 20.08.2018, Beilage./C;

Zeitungsartikel samt Zusammenfassung, samt Auszug Bezirkszeitung, Beilage./D; Teilnahmebestätigung, Wintersemester 2017/2018, Beilage./E; Teilnahmebestätigung Sommersemester 2018, Beilage./F;

Bestätigung gemeinnützige Arbeit Bücherflohmarkt vom 11.06.2018, Beilage./G; Bestätigung gemeinnützige Arbeit, Seniorenwohnheim vom 15.06.2018, Beilage./H; Bestätigung gemeinnützige Arbeit, Seniorenwohnheim vom 01.10.2018, Beilage./I; Teilnahmebesätitgung Deutsch Lernhilfe vom 28.06.2018, Beilage./J; Bestätigung gemeinnützige Arbeit vom 30.11.2017, Beilage./K; Kursbestätigung Deutsch A1 vom 31.01.2018, Beilage./L; Foto Marathon, Beilage./M; Erste Hilfe Kurs Bescheinigung vom 22.07.2017, Beilage./N; Konvolut Karateurkunden, Beilage./O) sowie durch Einsichtnahme in die mit Stellungnahme vom 18.09.2018 (OZ 7) vorgelegten Urkunden (Bericht von Pro-Asyl vom 25.08.2018, Beilage ./1; Kommentar von Ruttig zum Gutachten von Mag. Mahringer, vom 19.09.2017, Beilage ./2; Artikel von Friederike Stahlmann, Überleben in Afghanistan?, Asylmagazin 3/2017, Beilage ./3; Zusammenstellung Vorfälle, Judikatur, Berichte zu Afghanistan vom 11.02.2018, Beilage ./4; Gutachten Stahlmann, Afghanistan, vom 28.03.2018, Beilage ./5).

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Die einzelnen Feststellungen beruhen auf den jeweils in der Klammer angeführten Beweismitteln.

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor dem Bundesamt, in der Beschwerde und vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache, seinem Lebenslauf (sein Aufwachsen sowie seine familiäre Situation in Afghanistan, seine Schulbildung und Berufsausübung) gründen sich auf seinen diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.

Dass der Beschwerdeführer noch über Familienangehörige in Afghanistan verfügt, zu denen er auch noch Kontakt hat, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben (AS 53; OZ 8, S. 10-11).

Die Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich (insbesondere zur Aufenthaltsdauer, seinen Deutschkenntnissen, seinen fehlenden familiären oder engen sozialen Anknüpfungspunkten in Österreich und seiner Integration in Österreich) stützen sich auf die Aktenlage (vgl. insbesondere den Auszug aus dem Grundversorgungs-Informationssystem), auf die Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie auf die von ihm in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand gründen auf den diesbezüglich glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers beim Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung (AS 51; OZ 8, S. 5, 14) und auf dem Umstand, dass im Verfahren nichts Gegenteiliges hervorgekommen ist.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister (Strafregisterauszug vom 04.10.2018, Beilage ./I).

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

2.2.1. Soweit der Beschwerdeführer vorbrachte, ihm drohe individuell und konkret Lebensgefahr in Afghanistan bzw. sei er von den Taliban mit dem Umbringen bedroht worden, da er beim Straßenbau mitgearbeitet habe, kommt seinem Vorbringen aus nachfolgenden Gründen keine Glaubhaftigkeit zu:

Der Beschwerdeführer brachte zwar in der Beschwerde vor, dass er am Abend seiner Ausreise von den Taliban mit dem Umbringen bedroht worden sei, da er beim Straßenbau mitgearbeitet habe und er dies auch beim Bundesamt angegeben habe. Dass es jedoch zu Übersetzungsfehlern gekommen sei, ist dies für das Gericht nicht nachvollziehbar. Derartige Angaben über eine Bedrohung beim Straßenbau machte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung überhaupt nicht. Nach einer Besprechung in der mündlichen Verhandlung mit seinem Vertreter brachte der Beschwerdeführer in der Verhandlung auch vor, dass die Protokolle von der Erstbefragung und vom Bundesamt richtig seien und die damaligen Angaben des Beschwerdeführers wiedergeben (OZ 8, S. 7).

Die Angaben des Beschwerdeführers zu Bedrohungen waren zudem sehr vage und allgemein gehalten und bezogen sich auf die allgemeine Sicherheitslage bzw. eine allgemeine Unterdrückung der Volksgruppe der Hazara. Der Beschwerdeführer konnte jedoch keine detailreichen und lebensnahen, konkret gegen ihn gerichteten Bedrohungen angeben.

Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung an: "Meine Fluchtgründe sind, dass es dort Krieg gibt, dass es keine Sicherheit gibt und dass es dort Armut gibt. Das sind die großen Gründe, warum ich Afghanistan verlassen habe." (OZ 8, S. 16).

Befragt, ob der Beschwerdeführer in Afghanistan persönlich bedroht worden sei, gab dieser an: "Einmal, als ich klein war, wurde ich von den Taliban geschlagen. Ich musste für sie Brennholz aus den Bergen holen, da ich zu wenig geholt habe, wurde ich geschlagen." (OZ 8, S. 16).

Befragt zu möglichen konkreten Bedrohungen bei einer Rückkehr, machte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung nachstehende Angaben:

"R: Was würde Ihnen konkret passieren, wenn Sie jetzt wieder in Afghanistan wären?

BF: Ich sage ihnen das ganz ehrlich. Wenn ich nach Afghanistan zurückkehre, dann ist mein Leben beendet.

R: Das müssen Sie mir genauer erklären.

BF: Wir sind diejenigen, die am meisten in der Gesellschaft abbekommen und unterdrückt werden. Man ist gezwungen sich irgendeiner Partei anzuschließen, entweder wird man getötet oder man ist gezwungen, jemanden zu töten." (OZ 8, S. 16)

Da der Beschwerdeführer keine konkret ihn betreffenden, lebensnahen Bedrohungsvorfälle nennen konnte, konnten derartige auch nicht festgestellt werden.

2.2.2. Da der Beschwerdeführer angab, noch nie Kontakt zum IS oder zu den Daesh gehabt zu haben, kann eine konkrete Bedrohung durch diese ausgeschlossen werden (OZ 8, S. 16). Es haben sich auch aus den Angaben weiteren des Beschwerdeführers keine Anhaltspunkte ergeben, wonach er von den IS oder den Daesh jemals individuell und persönlich bedroht worden wäre.

Dass der Beschwerdeführer selber keinen Kontakt zur Regierung, zu den Streitkräften oder zur Polizei in Afghanistan hatte, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung (OZ 8, S. 16).

Dass der Beschwerdeführer einmal, als er mit dem Auto auf dem Weg zu seinen Eltern war, von den Taliban angehalten wurde, er jedoch habe weiterfahren dürfen, nachdem er von diesen überprüft wurde, ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung (OZ 8, S. 16). Der Beschwerdeführer konnte in diesem Zusammenhang jedoch weder Drohungen noch Angriffe auf ihn nennen (OZ 8, S. 16; AS 54), sodass das Gericht davon ausgeht, dass es weder zu Drohungen noch zu Eingriffen in die körperliche Integrität gekommen ist.

Dass der Beschwerdeführer Afghanistan wegen der allgemeinen Sicherheitslage und wegen der wirtschaftlichen Lage (der Armut im Land) verlassen hat, ergibt sich aus seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung (OZ 8, S. 16).

Es haben sich im Verfahren daher keine Hinweise ergeben, wonach der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan, gegen ihn individuell und konkret gerichteten, psychischen oder physischen Bedrohungen ausgesetzt wäre.

2.2.3. Auch darüber hinaus vermochte der Beschwerdeführer eine individuelle und konkrete Betroffenheit von Verfolgung aufgrund seiner Eigenschaft als Hazara und Schiit nicht aufzuzeigen:

Der Beschwerdeführer gab zwar beim Bundesamt an, dass er wegen seines Religionsbekenntnisses bzw. wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit Probleme gehabt habe, er konnte jedoch keine ihn konkret und individuell treffenden Ereignisse nennen. Die Angaben des Beschwerdeführers beziehen sich lediglich auf allgemeine Ausführungen zur Situation von Angehörigen der Hazara in Afghanistan (AS 54). Befragt nach einer persönlichen Bedrohung, gab der Beschwerdeführer beim Bundesamt den Vorfall mit dem Auto-Stopp durch die Taliban an, einen tatsächlichen Übergriff oder Drohungen wegen seiner Religionszugehörigkeit oder wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit gab der Beschwerdeführer beim Bundesamt jedoch nicht an (AS 54).

Auch die Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung zu möglichen Vorfällen wegen seiner Religionszugehörigkeit bzw. seiner Volksgruppenzugehörigkeit waren vage und allgemein gehalten. Der Beschwerdeführer konnte tatsächlich keinen konkreten gegen ihn gerichteten Vorfall nennen:

"R: Was würde Ihnen konkret passieren, wenn Sie jetzt wieder in Afghanistan wären?

BF: Ich sage ihnen das ganz ehrlich. Wenn ich nach Afghanistan zurückkehre, dann ist mein Leben beendet.

R: Das müssen Sie mir genauer erklären.

BF: Wir sind diejenigen, die am meisten in der Gesellschaft abbekommen und unterdrückt werden. Man ist gezwungen sich irgendeiner Partei anzuschließen, entweder wird man getötet oder man ist gezwungen, jemanden zu töten.

R: Meinen Sie damit, weil Sie zu den schiitischen Hazarern gehören?

BF: Ja, das meine ich damit. Wir sind unterdrückt.

R: Hätten Sie sonst noch Probleme bei einer Rückkehr nach Afghanistan, außer, dass Sie schiitischer Hazara sind?

BF: Ich habe Probleme aufgrund meines Glaubens und aufgrund meiner Volksgruppe, das geht schon über Generationen so.

R: Meinen Sie damit, allgemein die Probleme, die schiitische Hazara haben, oder ist Ihnen konkret etwas passiert?

BF: Ich wurde als Hazara und als Schiite oft difamiert. Wir werden auch von der Regierung überhaupt nicht unterstützt. Wir schaffen es nicht einmal soweit, dass die Regierung uns hört." (OZ 8, S. 16-17).

Aus den Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich der allgemeinen Gefährdungslage der Hazara in Afghanistan lässt sich daher keine individuell konkret gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung ableiten.

Hinsichtlich einer behaupteten Gruppenverfolgung der Hazara und Schiiten in Afghanistan wird auf die Ausführungen zur rechtlichen Beurteilung verwiesen.

2.2.3. Aufgrund der Kürze seines Aufenthalts ist in Zusammenhang mit dem von ihm in der Beschwerdeverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck nach Ansicht des Gerichts nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer eine westliche Lebenseinstellung in einer ihn in Afghanistan exponierenden Intensität übernommen hätte. Es ist auch nicht erkennbar, warum gerade der Beschwerdeführer gegenüber hunderttausend anderen Rückkehrern in eine derart exponierte Lage geraten soll, dass er auf Grund seines Lebensstils oder auf Grund seines Aufenthaltes in einem westlichen Land psychischer oder physischer Bedrohung in Afghanistan ausgesetzt wäre.

Es ist weder den Angaben des Beschwerdeführers noch den beigezogenen Länderberichten zu entnehmen, dass Rückkehrer aus Europa in besondere Form von Gewalt und Bedrohung betroffen wären, sodass auch eine generelle (Gruppen-)Verfolgung von Rückkehrern aus Europa nicht festgestellt werden konnte.

2.3. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat und zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

Der Beschwerdeführer verwies auch auf das Stahlmann-Gutachten vom März 2018, welches im Auftrag des Verwaltungsgerichtes Wiesbaden erstellt wurde. Zunächst ist zu beachten, dass der pauschale Verweis des Beschwerdeführers auf das Gutachten von Friederike Stahlmann nicht geeignet ist, eine konkrete und individuell den Beschwerdeführer treffende Bedrohung bzw. eine Verfolgung aufzuzeigen.

Das Gutachten kommt zum Schluss, dass alleine aufgrund der Anwesenheit einer Person in Afghanistan die Gefahr eines ernsthaften Schadens hinsichtlich ihres Lebens oder ihrer körperlichen Unversehrtheit bestünde. Das Gesamtniveau der Gewalt würde sich aus einer Kombination von Gewaltformen (Gefahr ausgehend von Aufständischen, staatlichen Akteuren oder privaten Akteuren) konstituieren, dass grundsätzlich landesweit drohen würde. Jedoch ist zu beachten, dass im gegenständlichen Gutachten eine subjektive Quellenauswahl und -interpretation vorgenommen wurde und von regionalen Einzelfällen Rückschlüsse auf die Situation in Afghanistan landesweit geschlossen werden. Die Gutachterin trifft insbesondere zur Sicherheitslage in Afghanistan teilweise nur sehr allgemein gehaltene Aussagen - die einer rechtlichen Beurteilung gleichkommen - und lässt dabei vor allem regionale Unterschiede zwischen den einzelnen Provinzen vollkommen außer Acht. Das Gutachten nimmt auch keinen Bezug auf die konkrete Lage des Beschwerdeführers.

Den UNHCR-Richtlinien ist im Gegensatz zum Gutachten von Stahlmann und den weiteren vom Beschwerdeführer vorgelegten Berichten, zu entnehmen, dass eine Rückkehr nach Afghanistan für alleinstehende, junge, gesunde Männer ohne besondere Vulnerabilität in urbane und semi-urbane Gebiete, die über die erforderliche Infrastruktur verfügen und unter Kontrolle der Regierung stehen, auch ohne familiäres Netzwerk möglich ist (S. 110).

Schließlich weisen das Gutachten von Stahlmann sowie die weiteren vom Beschwerdeführer vorgelegten Berichte für das erkennende Gericht auch nicht denselben Beweiswert auf, wie länderkundliche Informationen (LIB, EASO-Bericht, UNHCR-Richtlinien, etc.), die einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess für die Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat durchliefen, sodass das Gericht seine Feststellungen auf das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, den Bericht von EASO zu Netzwerken in Afghanistan und die aktuellen UNHCR-Richtlinien stützt.

Die Feststellungen zu den Folgen einer Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Herkunftsprovinz Bamyan ergeben sich aus den o.a. Länderberichten. Daraus geht unter anderem hervor, dass die Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers relativ sicher ist. In der Herkunftsp

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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