TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/16 W218 2191313-2

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Veröffentlicht am 16.10.2018
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Entscheidungsdatum

16.10.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §13 Abs2 Z1
AVG §68 Abs2
BFA-VG §18 Abs1 Z2
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1a
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W218 2191313-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. TAURER über die Beschwerde vonXXXX, geb. XXXX, StA. Afghanistan, bevollmächtigt vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich vom 11.09.2018, Zl. 1120408305-160894958, wegen Abänderung des Bescheides gem. § 68 Abs. 2 AVG vom 28.02.2018, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Afghanistans, reiste illegal in Österreich ein und stellte am 27.06.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.02.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß §§ 57 und 55 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

3. Gegen diesen ordnungsgemäß zugestellten Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. Das Beschwerdeverfahren ist noch nicht abgeschlossen.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 11.09.2018 wurde der Bescheid vom 28.02.2018 gemäß § 68 Abs. 2 AVG abgeändert. In Spruchpunkt I. wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG ausgesprochen und in Spruchpunkt II. festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Ferner habe der Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 23.08.2018 verloren (Spruchpunkt III.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde ein auf fünf Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.) und einer Beschwerde gegen diesen Bescheid gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.).

Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer am 23.08.2018 vom Landesgericht Linz in Untersuchungshaft genommen worden sei.

Die Gründe zur Erlassung eines Einreiseverbotes fänden sich in den Anlassberichten des SPK Linz vom 31.03.2018, 07.08.2018 und 22.08.2018. Darin werde der Beschwerdeführer dringend verdächtigt, gegen §28a sowie § 27 SMG verstoßen zu haben.

In Ergänzung des Anlassberichtes des SPK Linz vom 31.03.2018, wonach er dringend verdächtig sei, zurückliegend vorschriftwidrig Marihuana in einer insgesamt unbekannten jedoch 28 Gramm übersteigenden Menge nicht nur zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen, sondern auch anderen entgeltlich überlassen zu haben, werde nunmehr (mit 07.08.2018) berichtet, dass er aufgrund der bisherigen kriminalpolizeilichen Ermittlungsergebnisse dringend des gewerbsmäßigen Suchtgifthandels mit Marihuana in einer die Grenzmenge mehrfach übersteigenden Menge verdächtig sei.

Am 21.08.2018 sei er nach staatsanwaltlicher Anordnung in das PAZ Linz eingeliefert worden.

Mit Schreiben des BFA - RD OÖ, Außenstelle Linz, vom 30.08.2018 sei ihm mitgeteilt worden, dass aufgrund der ho. eingelangten Ermittlungsakte hinsichtlich SMG §§ 27 und 28 die Erlassung eines Einreiseverbotes beabsichtigt sei. Mit demselben Schreiben sei ihm die Möglichkeit gegeben worden, sich zu allfälligen Änderungen hinsichtlich seiner Privat- und Familienverhältnisse binnen einer Woche zu äußern. Gleichzeitig sei er darauf hingewiesen worden, dass er das Recht habe, die aktuellen Feststellungen zu seinem Herkunftsstaat in der Behörde entgegenzunehmen. Eine Stellungnahme sei nicht eingelangt.

5. Gegen diesen ordnungsgemäß zugestellten Bescheid erhob der bevollmächtigte Vertreter des Beschwerdeführers fristgerecht Beschwerde. Begründend wurde ausgeführt, dass nach Rechtsprechung des VwGH nicht die Art des Bescheides, sohin ob er begünstigend oder belastend sei, ankomme, sondern ausschließlich auf die Richtung der Änderung. Begünstigende Änderungen seien dabei stets zulässig. Daraus folge, dass die belastende Abänderung von Amts wegen sowohl bei begünstigenden als auch belastenden Bescheiden unzulässig sei. Das nachträglich erlassene Einreiseverbot sei unzulässig, da es nicht begünstigend sei. Der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung sie zudem rechtswidrig, da der Beschwerde vom 08.01.2018 aufschiebende Wirkung zukäme.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer stellte am 27.06.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid vom 28.02.2018 wies die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) ab. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß §§ 57 und 55 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid das Rechtsmittel der Beschwerde und wurde diese von der belangten Behörde am 04.04.2018 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt. Das Bundesverwaltungsgericht hat in der Sache noch keine rechtskräftige Entscheidung erlassen.

Mit Bescheid vom 11.09.2018 änderte die belangte Behörde von Amts wegen den Bescheid vom 28.02.2018 gem. § 68 Abs. 2 AVG ab. In Spruchpunkt I. wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG ausgesprochen und in Spruchpunkt II. festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Ferner habe der Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 23.08.2018 verloren (Spruchpunkt III.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde ein auf fünf Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.) und einer Beschwerde gegen diesen Bescheid gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.).

Dieser Bescheid ist rechtswidrig und wird ersatzlos behoben, dadurch wird der ursprüngliche Bescheid vom 28.02.2018 wiederhergestellt.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt beruht auf dem Verwaltungsakt und dem damit in Einklang stehenden schriftlichem Vorbringen der beschwerdeführenden Partei.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) - (4) ...

(5) Hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf, sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

[...]"

1. Stattgabe der Beschwerde und ersatzlose Behebung des Bescheides:

Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides:

§ 68 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. 51/1991 idgF lautet auszugsweise:

"§ 68. (1) Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, sind, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

(2) Von Amts wegen können Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, sowohl von der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, als auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden.

[...]"

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass Ziel und Zweck der Regelung des § 68 AVG ist, die Bestandskraft von Bescheiden zu schützen (Kopp, ZfV 1977, 390), oder anders ausgedrückt, eine Aufhebung oder Abänderung des Bescheides durch die Verwaltungsbehörde, insb der im Spruch des Bescheides getroffenen normativen Anordnung, außerhalb des Rechtsmittelverfahrens nur unter bestimmten, vom Gesetz eng begrenzten Voraussetzungen zuzulassen. Die Anwendbarkeit des § 68 AVG setzt nach hA gemäß seinem Abs 1 weiterhin, daran hat die AVG-Nov BGBl I 2013/33 nichts geändert, das Vorliegen eines "der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides" voraus. Dies hat sich mit der Einführung der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit dahingehend geändert, dass nun unter formeller Rechtskraft die Unanfechtbarkeit des Bescheides nicht nur mit ordentlichen Rechtsmitteln iSd AVG, sondern auch mit Beschwerde (Vorlageantrag gem § 15 VwGVG) an das VwG zu verstehen ist (Hengstschläger/Leeb, Verwaltungsverfahrensrecht5 Rz 558; Leeb, Änderung 132 f; Palmstorfer/Reitshammer, ZÖR 2014, 362; Raschauer, Auswirkungen 240 f; Stolzlechner in Stolzlechner/Wendl/Bergthaler, Betriebsanlage4 Rz 359; Unterpertinger, ÖJZ 2013, 998 ff; vgl auch Kolonovits/Muzak/Stöger10 Rz 453/1, die zwischen formeller Rechtskraft im engeren Sinn [Unanfechtbarkeit mit verwaltungsinternen ordentlichen Rechtsmitteln] und im weiteren Sinn [Unanfechtbarkeit mit Beschwerde an ein VwG] unterscheiden).

§ 68 AVG stellt nicht auf die formelle Rechtskraft von Bescheiden ab, sondern macht seine Anwendbarkeit ausschließlich davon abhängig, dass der Bescheid der Berufung (gemeint sind alle im AVG geregelten ordentlichen Rechtsmittel) nicht oder nicht mehr unterliegt. Die Anhängigkeit einer zulässigen Beschwerde vor dem Verwaltungsgericht steht einer Anwendung des § 68 Abs. 2 AVG nicht entgegen (vgl. VwGH vom 16.11.2015, Zl. Ra 2015/12/0029; vgl. auch Hengstschläger/Leeb, AVG § 68 Rz 8, 9). Dass der Gesetzgeber eine gebotene Anpassung der Norm schlicht übersehen hat, ist ein Argument, das im Zuge der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 - angesichts der zahlreich zu adaptierenden Regelungen - häufig verfängt, bei § 68 AVG ist dies aber gerade nicht der Fall. Der Gesetzgeber hat diese Bestimmung nämlich im Zuge der Reform adaptiert: Er hat die Unabhängigen Verwaltungssenate aus dem Normtext gestrichen, die Bestimmung im Übrigen aber unverändert gelassen. Zugleich hat er - mit dem Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsgesetz 2013 - zahlreiche andere Bestimmungen im AVG und VStG an das neue Rechtsschutzsystem angepasst. All dies spricht letztlich gegen eine Lücke und vielmehr dafür, dass der Gesetzgeber es in § 68 AVG eben (bewusst) bei der Berufung belassen wollte. (vgl. auch Khakzadeh-Leiler, Die amtswegige Abänderung und Aufhebung von Bescheiden - neue Rechtsfragen, ZfV 2018). Daraus folgt, dass der Verwaltungsbehörde bereits mit Erlassung des Bescheids die Möglichkeit offensteht, nach § 68 AVG vorzugehen; da bereits zu diesem Zeitpunkt der Bescheid nämlich - abgesehen von Teilen der Gemeindeselbstverwaltung - keiner Berufung mehr unterliegt.

Dies bedeutet, dass Bescheide, die nur noch mit Beschwerde an das VwG bekämpft werden können und gegen die ein im AVG vorgesehenes ordentliches Rechtsmittel iSd § 68 Abs 1 AVG nicht mehr zur Verfügung steht, gem § 68 AVG von Amts wegen aufgehoben oder abgeändert werden können. Die Möglichkeit sowie die Anhängigkeit einer zulässigen Beschwerde beim VwG stehen der Anwendung des § 68 AVG grundsätzlich nicht entgegen.

Dem Wortlaut nach käme eine amtswegige Aufhebung oder Abänderung von der Berufung nicht (mehr) unterliegenden Bescheiden nach § 68 Abs 2 AVG nur für rein belastende Bescheide, eben solche, "aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist", in Betracht. Der VwGH vertritt allerdings in stRsp über den Wortlaut des § 68 Abs 2 AVG hinausgehend die Auffassung, dass es letztendlich nicht darauf ankommt, ob der abzuändernde Bescheid selbst begünstigende oder belastende Wirkung hat. Ausschlaggebend für die Anwendbarkeit des § 68 Abs 2 AVG ist der Effekt der Aufhebung oder Abänderung. Wirkt sie zugunsten der Partei(en), ist sie in verfahrensrechtlicher Hinsicht nach § 68 Abs 2 AVG stets zulässig, gleichgültig, ob der Partei aus dem Bescheid ein Recht erwachsen ist oder nicht (vgl VfGH 21. 2. 2014, B 1512/2011). Belastende Abänderungen von der Berufung nicht (mehr) unterliegenden Bescheiden können nicht auf § 68 Abs 2 AVG gestützt werden (vgl VwGH 27. 5. 2014, 2011/10/0197), auch dann nicht, wenn es sich um Bescheide handelt, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist (vgl VwSlg 1293 A/1950; 17. 5.2001, 2001/07/0034; ferner Antoniolli/Koja 581; Hengstschläger, Die Verwaltung 1979, 347 f; Kolonovits/Muzak/Stöger10 Rz 654; Raschauer, Rechtskraftdurchbrechungen 289; Thienel/Schulev-Steindl5 302). Der VwGH beruft sich bei seiner den Wortlaut des § 68 Abs 2 AVG ergänzenden bzw berichtigenden Interpretation auf den "Sinn der Vorschrift" im "Zusammenhang mit den übrigen Bestimmungen dieser Gesetzesstelle" (VwSlg 4187 A/1956) sowie auf das dem Gleichheitssatz innewohnende Sachlichkeitsgebot (VwSlg 9875 A/1979) (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 68 Rz 81).

Im Ergebnis vertritt der VwGH den Standpunkt, dass es unmaßgeblich ist, ob es sich um einen begünstigenden oder belastenden Bescheid handelt, die Behörde aber von der ihr in § 68 Abs 2 AVG eingeräumten Möglichkeit nur dann Gebrauch machen darf, wenn damit keine Verschlechterung der Rechtsstellung einer Partei verbunden ist, weshalb eine Vorgangsweise, durch welche die Rechtslage - nicht sonstige Umstände - ungünstiger als durch den ursprünglichen, aufgehobenen oder abgeänderten Bescheid gestaltet wird, nicht auf § 68 Abs 2 AVG gestützt werden kann (VwSlg 1293 A/1950; VwGH 20. 3. 1996, 95/21/0369; 24. 2. 2005, 2004/11/0215).

Da durch den nunmehr angefochtenen Bescheid dem Beschwerdeführer das Aufenthaltsrecht ab dem 23.08.2018 entzogen wird, ihm gegenüber ein Einreiseverbot für die Dauer von 5 Jahren erlassen wird und ihm zudem die Frist für die freiwillige Ausreise entzogen wird, wird durch den Abänderungsbescheid unzweifelhaft belastend auf die Rechtsposition des Beschwerdeführers eingewirkt. Die Rechtsposition des Beschwerdeführers ist daher ungünstiger gestaltet als durch den ursprünglichen Bescheid, daher ist die belangte Behörde nicht zur amtswegigen Abänderung des Bescheides vom 28.02.2018 befugt.

Der auf § 68 Abs. 2 AVG gestützte Bescheid ist bereits aus diesem Grund rechtswidrig.

Diesbezüglich ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass die Spruchpunkte I und II des nunmehr angefochtenen Abänderungsbescheides inhaltsgleich mit den Spruchpunkten IV und V des ursprünglichen Bescheides vom 28.02.2018 sind, eine Abänderung sohin diesbezüglich nicht durchgeführt wurde.

Hinzu kommt, dass im Spruchpunkt IV ein befristetes Einreiseverbot erlassen wird, obwohl gegen den Beschwerdeführer noch keine rechtskräftige Verurteilung vorliegt.

Ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides; Derogation des angefochtenen Bescheids:

Wie (bisher) die Entscheidung der Berufungsbehörde gem § 66 Abs 4 AVG bedeutet also die Entscheidung "in der Sache selbst" gem Art 130 Abs 4 B-VG iVm § 28 Abs 2 und Abs 3 erster Satz VwGVG - im Gegensatz zur kassatorischen Erledigung (§ 28 Abs 3 zweiter Satz und Abs 4 VwGVG) - nicht nur eine Entscheidung über die (Begründetheit der) Beschwerde bzw die Rechtmäßigkeit des Bescheides (vgl VwGH 29. 4. 2015, Ra 2015/03/0015), sondern eine Entscheidung in der Sache der Unterinstanz (zB über einen Antrag auf Erteilung einer Betriebsanlagengenehmigung) aufgrund einer Bescheidbeschwerde (siehe schon Hengstschläger/Leeb, Verwaltungsverfahrensrecht5 Rz 1060).

Hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf, sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen (§ 28 Abs. 5 VwGVG).

Bei einer Aufhebung gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG handelt es sich um eine materielle Erledigung der Rechtssache durch (ersatzlose) Behebung des angefochtenen Bescheides in Form eines Erkenntnisses. Diese Form der negativen Sachentscheidung ist von der Formalerledigung des Verfahrens durch Aufhebung und Zurückverweisung mit Beschluss nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz und Abs. 4 VwGVG zu unterscheiden. Eine neuerliche Entscheidung der Verwaltungsbehörde über den Gegenstand wird bei ersatzloser Behebung regelmäßig nicht mehr in Betracht kommen, wenngleich im Einzelfall über den zugrundeliegenden (unerledigten) Antrag dennoch abermals zu entscheiden sein kann. Die Behebungsgründe bei einem Vorgehen nach § 28 Abs. 5 VwGVG werden gesetzlich nicht genannt. In Betracht kommen etwa die Unzuständigkeit der Behörde, das Fehlen eines verfahrenseinleitenden Antrages, die Unzulässigkeit des Einschreitens von Amts wegen oder die rechtswidrige Zurückweisung eines Antrages (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], Anm. 17 und 18 zu § 28 VwGVG mwN).

Hat die Unterbehörde von Amts wegen einen Bescheid erlassen, der nicht hätte ergehen dürfen, weil in der betreffenden Angelegenheit die Erlassung eines Bescheides nicht vorgesehen ist oder weil die rechtlichen Voraussetzungen dafür nicht erfüllt sind, hat die Berufungsbehörde den zu Unrecht ergangenen Bescheid ersatzlos zu beheben (Hengstschläger/Leeb, AVG² § 66 Rz 105, mwH).

Aufgrund der umfassenden Sachentscheidungs- und Sacherledigungskompetenz des VwG beseitigt jedes Erkenntnis "in der Sache selbst" den bekämpften Bescheid aus dem Rechtsbestand (VwGH 9.9.2015, Ra 2015/03/0032; Leeb, Verfahrensrecht 111; vgl auch VfGH 6. 6. 2014, B 320/2014).

Demgegenüber handelt es sich bei der ersatzlosen Behebung gem § 28 Abs 2 und Abs 3 erster Satz VwGVG (VwGH 4.8.2016, Ra 2016/21/0162) um eine - wenn auch "negative" - Entscheidung "in der Sache selbst" (VwGH 25.3.2015, Ro 2015/12/0003; 25.2.2016, Ra 2015/07/0170; 28.6.2016, Ra 2015/17/0082), die erst dann getroffen werden darf, wenn der dafür maßgebende Sachverhalt geklärt ist, dh von vornherein feststeht oder vom VwG festgestellt wurde (vgl auch VwGH 5. 10. 2016, Ra 2016/19/0208). Eine sog "ersatzlose" Behebung hat daher dann zu erfolgen, wenn am Ende des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens feststeht, dass in dieser Sache überhaupt kein förmlicher Abspruch erfolgen darf oder zumindest von der belangten Behörde kein Bescheid erlassen werden durfte. Eine solche Behebung ist insofern "ersatzlos", als weder das VwG darin einen über die Kassation des angefochtenen Bescheides hinausgehenden Spruch in der Sache der Unterinstanz treffen soll (Hengstschläger/Leeb, Verwaltungsverfahrensrecht5 Rz 1061) noch die(selbe) Verwaltungsbehörde ein weiteres Mal über dieselbe Sache befinden soll (vgl VwGH 25.3.2015, Ro 2015/12/0003; 23. 3. 2016, Ra 2016/12/0008). Durch die ("negative") Entscheidung in der Sache selbst spricht vielmehr bereits das VwG "endgültig" darüber ab (vgl VwGH 28.6.2016, Ra 2015/17/0082; 25. 2. 2016, Ra 2015/07/0170).

Erst die Beseitigung ex tunc im Berufungsweg oder durch ein Erkenntnis des VwG stellt jenen Rechtszustand her, der vor Erlassung des rechtswidrigen Derogationsbescheides bestanden hat (vgl Wiederin, ZfV 1992, 255), dh es tritt der ursprüngliche, bereits in Rechtskraft erwachsene Bescheid, welcher rechtswidrigerweise aufgehoben oder abgeändert wurde, mit der Behebung dieses ihn aufhebenden oder abändernden Bescheides rückwirkend wieder in Kraft (vgl VwGH 24.1.1995, 93/04/0203; 21.12.2011, 2011/12/0089).

Aus den dargestellten Gründen war daher nach § 28 Abs. 1, 2 und 5 VwGVG vorzugehen und der angefochtene Bescheid vom 11.09.2018 infolge Rechtswidrigkeit ersatzlos aufzuheben, womit der ursprüngliche Bescheid vom 28.02.2018 wieder im vollen Umfang in Kraft tritt.

Aufschiebende Wirkung

Eine Beschwerde gegen die Abweisung eines Antrages auf internationalen Schutz in Verbindung mit der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde kommt gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG ex lege die aufschiebende Wirkung für einen Zeitraum von einer Woche ab Beschwerdevorlage an das Bundesverwaltungsgericht zu. Nach Ablauf der Frist endet die aufschiebende Wirkung, es sei denn, das Bundesverwaltungsgericht hat innerhalb der Frist mit Beschluss die aufschiebende Wirkung bis zum Ende des Verfahrens in der Hauptsache gewährt. Die genannten Vorschriften sehen jedoch weder ein Antragsrecht des Asylwerbers auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung vor (die gerichtliche Überprüfung hat vielmehr von Amts wegen stattzufinden) noch muss das Verwaltungsgericht darüber einen Beschluss fassen, dass die aufschiebende Wirkung nicht gewährt wird.

Der Intention des Gesetzgebers zufolge, insbesondere unter Berücksichtigung der neuen Formulierung des § 18 BFA-VG, welche mit dem BGBl. I. Nr. 145/2017 kundgemacht wurde und seit 01.11.2017 in Kraft ist, ist über die Nichtzuerkennung durch das Bundesverwaltungsgericht keine gesondert beim VfGH anfechtbare Entscheidung zu treffen (vgl. Kommentierung zum ähnlich gefassten § 17 BFA-VG alt: Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht 2016, § 17 BFA-VG K4). Mit der durch das BGBl. I Nr. 145/2017 kundgemachten Änderung in § 17 Abs. 1 und § 18 Abs. 5 BFA-VG aE - lautend: "§38 VwGG gilt" - stellte der Gesetzgeber klar, dass gegen die Nichtzuerkennung der aufschiebenden Wirkung innerhalb der einwöchigen Frist auf Basis des Beschwerdevorbringens, der Rechtsschutz nur in der Möglichkeit der Stellung eines Fristsetzungsantrages liegt.

Da mit der gegenständlichen Entscheidung in der Hauptsache abgesprochen wird, kommt der Ausspruch einer aufschiebenden Wirkung im Rahmen dieser inhaltlichen Entscheidung nicht in Betracht.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. die oben im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zu Spruchteil A angeführten zahlreichen Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes), noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Sofern die oben angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes zur (zum Teil) alten Rechtslagen erging, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht kann sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Abänderung eines Bescheides, Aufenthaltsrecht, aufschiebende
Wirkung, aufschiebende Wirkung - Entfall, Behebung der Entscheidung,
Bescheidabänderung, Derogation, Einreiseverbot aufgehoben,
ersatzlose Behebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W218.2191313.2.00

Zuletzt aktualisiert am

20.12.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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