Entscheidungsdatum
16.10.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs2Spruch
W109 2196277-2/2Z
TEILERKENNTNIS
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. BÜCHELE über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.09.2018, Zl. 1101643401-180800168, zu Recht:
A) Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte IV. und V. des
angefochtenen Bescheides stattgegeben und diese gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG und § 55 Abs. 4 FPG, ersatzlos behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 12.10.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz (Asylantrag). Mit Bescheid des Bundesamtes für Asyl und Fremdenwesen (BFA) wurde der Asylantrag gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Es wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Bundesgesetz über die Ausübung der Fremdenpolizei, die Ausstellung von Dokumenten für Fremde und die Erteilung von Einreisetitel (Fremdenpolizeigesetz 2005, kurz: FPG) eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.) und die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).
Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 07.08.2018, W123 2196277-1/5E, als unbegründet abgewiesen (Zustellung an den Rechtsvertreter am 10.08.2018).
2. Mit Schreiben vom 27.08.2018 des BFA (der belangten Behörde des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens), das mit "Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme", "Parteiengehör", betitelt ist, wird ausgeführt, dass gegen den Beschwerdeführer am 10.08.2018 rechtskräftig eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG erlassen worden sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise habe daher am 24.08.2018 geendet.
Der Beschwerdeführer sei seiner Ausreise- bzw. Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen und falle daher unter den Anwendungsbereich des Art. 11 der Rückführungsrichtlinie, zumal nicht mehr von einer nur geringfügigen Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung gesprochen werden könne. Dies liege in seinem Fall vor, da er nicht nur kurzfristig und fallbezogen ausnahmsweise im Bundesgebiet verblieben sei, sondern beharrlich seine Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sei. Dieses illegale verbleiben bzw. sein länger dauernder illegale Aufenthalt stelle eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen dar. Diese Missachtung erlaube nach der Rückführungsrichtlinie die Verhängung eines Einreiseverbotes.
Weiters wurden dem Beschwerdeführer Länderfeststellungen zu Afghanistan übermittelt.
Er wurde um die Beantwortung von verschiedenen Fragen ersucht (ob der Beschwerdeführer im "gegenständlichen Verfahren" vertreten sei und in welchem Umfange; was sich seit der Rechtskraft der Rückkehrentscheidung in seiner familiären, beruflichen und sonstigen Verhältnissen geändert habe; ob der Beschwerdeführer Anspruch auf Grundversorgung habe; wovon er seinen Lebensunterhalt bestreite; ob er über Reisedokumente verfüge; ob er gesund sei oder in ärztlicher Behandlung sei; warum er seiner Ausreiseverpflichtung bislang nicht nachgekommen sei). Dem Beschwerdeführer wurde eine Woche ab Zustellung des Schreibens Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt.
Mit Schreiben vom 06.09.2018 des Beschwerdeführers wurden zu den Fragen sowie zu den Länderfeststellungen Stellung genommen. Zur Frage, warum er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sei, führte er aus, sein Leben sei in Afghanistan in Gefahr. Er habe dort keine Anknüpfungspunkte und könne sich dort keine Existenz aufbauen. Die erforderliche Sicherheit sei nicht gegeben. Dazu wurde auf verschiedene Länderberichte Bezug genommen. Es wurde weiters darauf hingewiesen, dass gemäß der Judikatur das Unterlassen der Ausreiseverpflichtung nicht ausreiche, um ein Einreiseverbot zu begründen. Es wurde eine Bestätigung der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn zum Austritt aus der islamischen Glaubensgemeinschaft am 11.07.2018, eine Bestätigung zur Grundversorgung durch die Volkshilfe Linz sowie eine Bestätigung von "FAIRnetzung" vorgelegt.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 17.09.2018 der belangten Behörde wurde ausgesprochen, dass (in der Gliederung nach den einzelnen Spruchpunkten)
I. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird und ausgesprochen, dass
II. gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 i.V.m. § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen wird. Weiters wurde
III. gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebungen gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei.
IV. Gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung aberkannt.
V. Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt.
VI. Gemäß § 53 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 18 Monaten befristetes Einreiseverbot erlassen.
Zu Spruchpunkt I. wurde nach Wiedergabe des Inhalts des § 57 AsylG 2005 sowie rechtliche Ausführungen zur weiteren Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 57 AsylG 2005 begründend ausgeführt: "Wurde am 10.08.2018 rechtskräftig eine Rückkehrentscheidung erlassen. Ihre Ausreiseverpflichtung haben Sie nicht wahrgenommen. Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist gemäß § 57 AsylG von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' zu erteilen, wenn der Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde wegen eines Verbrechens rechtskräftig verurteilt. Eine Erteilung ist weiters vorgesehen zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von mit diesen im Zusammenhang stehenden zivilrechtlichen Ansprüchen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel. Die Aufenthaltsberechtigung wird auch an Opfer von Gewalt erteilt, sofern eine einstweilige Verfügung nach § 382b oder 382e EO erlassen wurde oder hätte werden können und die Erteilung zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist. Der Aktenlage kann zweifelsfrei entnommen werden, dass keiner von den drei oben genannten Gründen auf ihre Person zutrifft. Daher ist ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht zu erteilen."
Zu Spruchpunkt IV. wurde nach der Zitierung von § 18 Abs. 2 BFA-VG begründend ausgeführt: "Wie oben unter I ausführlich erörtert, stellt ihr Verbleib in Österreich eine gegenwärtige, erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit dar. Ihre sofortige Ausreise ist daher erforderlich."
Zu Spruchpunkt V. wurde in Bezug auf Spruchpunkt IV ausgeführt, dass im vorliegenden Fall keine Frist für die freiwillige Ausreise zu gewähren sei.
3. Gegen den im Spruch genannten Bescheid wurde binnen offener Frist Beschwerde gegen alle Spruchpunkte erhoben und ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gestellt.
Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurde von der belangten Behörde vorgelegt und ist am 15.10.2018 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Der unter Punkt I. widergegebene Verfahrensgang wird der Entscheidung als entscheidungsrelevanter Sachverhalt zugrunde gelegt.
2. Der Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei aus dem zur im Spruch genannten Verfahrenszahl vorgelegten Akt der belangten Behörde sowie der Beschwerdeschrift.
3. Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn (Z 1) der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder (Z 2) die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. und V. ist auszuführen, dass gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung vom Bundesamt abzuerkennen ist, wenn
1. die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist,
2. der Drittstaatsangehörige einem Einreiseverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist oder
3. Fluchtgefahr besteht.
Das Bundesamt hat gemäß § 55 Abs. 4 FPG von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde.
Das Bundesamt hat die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung auf die Ziffer 1 gestützt, diese Entscheidung im bekämpften Bescheid - wie zu Recht in der Beschwerde gerügt wurde - aber nicht nachvollziehbar begründet. Die Behörde legt in diesem Zusammenhang nicht näher dar, weshalb die sofortige Ausreise des Beschwerdeführers im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist. Es finden sich in Bezug auf die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung auch keine Feststellungen dazu. Zu der im Bescheid vorgenommene Begründung, dass der Verbleib des Beschwerdeführers in Österreich eine gegenwärtige, erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung "oder" Sicherheit darstelle, enthält der Bescheid keine weitere Konkretisierung, zumal der lapidar vorgenommene Verweis auf eine ausführliche Erörterung "oben unter I" ins Leere läuft.
Im gegenständlichen Verfahren ist ein Vorgehen gemäß § 59 Abs. 1 letzter Satz AVG zulässig, da die Entscheidung über die Spruchpunkte IV. und V. spruchreif ist und die Trennung - auf Grund der Folgen einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung für den Betroffenen - auch zweckmäßig erscheint.
Da die Entscheidung über die Nichtgewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 4 FPG die Entscheidung nach § 18 Abs. 2 BFA-VG voraussetzt, ist auch dieser Spruchpunkt zu beheben.
Angesichts der dargetanen Begründungsmängel war in der vorliegenden Konstellation daher spruchgemäß zu entscheiden.
Da der Sachverhalt diesbezüglich auch als geklärt anzusehen ist, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG auch auf eine Verhandlung verzichtet werden.
Über die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis IV. des angefochtenen Bescheides ergeht eine gesonderte Entscheidung. Der Beschwerde kommt diesbezüglich somit gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG aufschiebende Wirkung zu. 4. Zur Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen - oben wiedergegebenen - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht kann sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung, aufschiebende Wirkung - Entfall, Ausreise,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W109.2196277.2.00Zuletzt aktualisiert am
19.12.2018