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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AsylG 2005 §3 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Honeder, BSc, in der Rechtssache der Revision des J M in W, vertreten durch Dr. Anton Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/2/23, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Februar 2018, Zl. W265 2164674-1/12E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 15. Oktober 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies den Antrag mit Bescheid vom 24. Juni 2017 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab. Die Behörde erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 19. Februar 2018 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
4 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, die nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 11. Juni 2018, E 738/2018-7, dem Verwaltungsgerichtshof über nachträglichen Antrag mit Beschluss vom 3. September 2018, E 738/2018-9 zur Entscheidung abgetreten wurde.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Zur Zulässigkeit der Revision wird - auf das Wesentliche zusammengefasst - vorgebracht, dass das im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof bestehende Neuerungsverbot keine Prüfung der Voraussetzungen des § 8 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erlaube. Weiters sei der Revisionswerber darauf angewiesen, dass der Verwaltungsgerichtshof der Revision die aufschiebende Wirkung zuerkenne. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof stelle demnach keinen "wirksamen Rechtsbehelf" iSd Art. 46 VerfahrensRL bzw. des Art. 47 GRC dar. Diesbezüglich erfolgte auch der Antrag, der Verwaltungsgerichtshof möge eine näher genannte Vorlagefrage an den Europäischen Gerichtshof richten.
9 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Beschluss vom 24. Oktober 2018, Ra 2018/14/0107, mit einem in den wesentlichen rechtlichen und tatsächlichen Gründen vergleichbaren Fall auseinandergesetzt, weshalb auf die Begründung dieses Beschlusses gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz und Abs. 9 VwGG verwiesen werden kann.
10 Weiter wird in der Zulässigkeit zur Revision vorgebracht, das BVwG habe sich hinsichtlich der Asylrelevanz nicht mit den Länderberichten auseinandergesetzt und legte dazu einen Bericht vom 12. März 2018 vor. Zudem stelle die Beurteilung, dass der Revisionswerber zu keiner Zeit einer existenziellen Notlage ausgesetzt gewesen sei, und die Beurteilung der Gefahrenlage in Kabul, eine Fehlbeurteilung dar.
11 Der Berücksichtigung des Inhaltes des erst nach der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses entstandenen und mit der Revision vorgelegten Berichts vom 12. März 2018 steht das vor dem Verwaltungsgerichtshof geltende Neuerungsverbot entgegen.
12 Soweit sich die Revision gegen die Beweiswürdigung wendet, ist zu entgegnen, dass der Verwaltungsgerichtshof - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. VwGH 12.6.2018, Ra 2018/20/0250, mwN).
13 Dem Fluchtvorbringen wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Glaubwürdigkeit abgesprochen. Die vorgenommene Beweiswürdigung stellt sich nicht als unvertretbar dar.
14 Hinsichtlich des Vorbringens, dass die Beurteilung der Gefahrenlage in Kabul eine Fehlbeurteilung darstelle, ist zu entgegnen, dass nach der Rechtsprechung bei der Beurteilung nach Art. 3 EMRK eine Einzelfallprüfung vorzunehmen ist, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen. Eine solche einzelfallbezogene Beurteilung ist im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (vgl. erneut VwGH 12.6.2018, Ra 2018/20/0250, mwN).
15 Die vom BVwG im Zeitpunkt seiner Entscheidung zugrunde gelegten - zu diesem Zeitpunkt aktuellen - Länderberichte sind nicht derartig gelagert, dass von einer Verletzung des Art. 3 EMRK auszugehen wäre.
16 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 12. November 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018200506.L00Im RIS seit
17.12.2018Zuletzt aktualisiert am
18.12.2018