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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
BFA-VG 2014 §22a Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Galesic, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24. August 2018, W186 2203854- 1/25E, betreffend Schubhaft (mitbeteiligte Partei: I V in W, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, 1170 Wien, Wattgasse 48/3. Stock), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Mitbeteiligte, ein aus Tschetschenien stammender Staatsangehöriger der russischen Föderation, stellte nach seiner Einreise am 23. März 2005 einen Asylantrag, der letztlich im Jänner 2011 rechtskräftig abgewiesen wurde; unter einem wurde seine Ausweisung in die Russische Föderation verfügt. Das Verfahren über einen am 4. Februar 2012 gestellten Asylfolgeantrag wurde wegen unbekannten Aufenthalts des Mitbeteiligten im März 2012 eingestellt.
2 Am 14. August 2018 wurde der Mitbeteiligte nach dem Versuch, sich mit gefälschten bulgarischen Dokumenten anzumelden, in Wien festgenommen. Nach seiner Vernehmung am 15. August 2018 verhängte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Mandatsbescheid vom selben Tag über den Mitbeteiligten gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG die Schubhaft zur Sicherung seiner Abschiebung.
3 Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 24. August 2018 gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 1 und Abs. 3 FPG statt und sprach aus, dass der Schubhaftbescheid des BFA vom 15. August 2018 aufgehoben werde. Gleichzeitig erklärte das BVwG die Anhaltung des Mitbeteiligten in Schubhaft vom 15. August 2018 bis 24. August 2018 für rechtswidrig (Spruchpunkt A.I.). Des Weiteren stellte das BVwG gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 1 FPG fest, dass zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorlägen (Spruchpunkt A.II.). Schließlich traf das BVwG diesem Ergebnis entsprechende Kostenentscheidungen (Spruchpunkte A.III. und A.IV.) und sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt B.).
4 Dazu vertrat das BVwG in der Begründung zusammengefasst die Meinung, im vorliegenden Fall sei die Anhaltung des Mitbeteiligten in Schubhaft unverhältnismäßig; vielmehr hätte der Sicherungszweck durch die Anordnung von gelinderen Mitteln - offenbar gemeint:
Anordnung im Sinne des § 77 Abs. 3 Z 2 FPG, sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden - erreicht werden können. Dabei ging das BVwG davon aus, dass der Mitbeteiligte (wie bisher) bei seiner asylberechtigten Mutter, die ihm auch Unterhalt gewähre, wohnen könne. Darüber hinaus verfüge er über eine weitere familiäre Anbindung in Form seines ebenfalls asylberechtigten Bruders samt dessen Familie sowie über mehrere Freunde, wobei er zu einer näher genannten Person, die ihn auch schon zweimal in der Schubhaft besucht habe, ein "patenschaftliches Verhältnis" habe. Es lägen daher "in den letzten Jahren verdichtete" soziale und (im Hinblick auf eine Einstellungszusage) auch berufliche Anknüpfungspunkte vor, sodass das BVwG - anders als das BFA - keine Fluchtgefahr wegen des Fehlens einer sozialen Verfestigung erkennen könne. Da sich der Mitbeteiligte überdies bereits 13 Jahre in Österreich aufhalte, sei außerdem "nicht von der Hand zu weisen", dass die gegen den Mitbeteiligten Anfang 2011 erlassene Ausweisung mittlerweile ihre Wirksamkeit verloren habe. Überdies sei der Mitbeteiligte wegen seines prekären Gesundheitszustandes als "vulnerable Person" anzusehen, die eine - angesichts der ungeklärten "Modalitäten der Rückführung nach Russland" (gemeint: unbestimmter Zeitraum für die Erlangung eines Heimreisezertifikates) - voraussichtlich über zwei Monate dauernde Schubhaft unverhältnismäßig belasten würde.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision des BFA, über deren Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
6 Hat das Verwaltungsgericht - so wie hier das BVwG - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei, hat die Revision zufolge § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird (außerordentliche Revision). Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof dann im Rahmen dieser vorgebrachten Gründe zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
7 In der Amtsrevision tritt das BFA der wiedergegebenen Auffassung des BVwG entgegen und legt näher dar, dass seiner Meinung nach einzelne Aspekte der Begründung des BVwG im Widerspruch zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stünden.
8 Es ist allerdings ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass die Frage, ob konkret von einem Sicherungsbedarf bzw. von (erheblicher) Fluchtgefahr auszugehen sei, stets eine solche des Einzelfalles ist, die daher nicht generell zu klären und als einzelfallbezogene Beurteilung grundsätzlich nicht revisibel ist, wenn diese Beurteilung auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage in vertretbarer Weise vorgenommen wurde. Das gilt sinngemäß auch für die Frage, ob von einem Sicherungsbedarf auszugehen ist, dem nur durch Schubhaft und nicht auch durch gelindere Mittel begegnet werden könne, und auch für die Frage, ob sich die Schubhaft nach Abwägung der wechselseitigen Interessen als verhältnismäßig erweise (siehe etwa zu einem vergleichbaren Fall VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0206, Rn. 7, mwN).
9 Auch wenn somit im Sinne des Vorbringens in der Amtsrevision einzelne Facetten in der vorliegenden Konstellation auch anders hätten beurteilt werden können, so ist jedoch insgesamt nicht zu sagen, die Einschätzung des BVwG, die Anordnung der Schubhaft gegen den Mitbeteiligten und deren Aufrechterhaltung sei unverhältnismäßig gewesen, wäre im Ergebnis unvertretbar. Eine krasse Fehlbeurteilung, die - wie es in der Amtsrevision abschließend heißt - "im Sinne der Rechtssicherheit einer Korrektur durch den Verwaltungsgerichtshof bedarf", liegt somit im gegenständlichen Fall nicht vor.
10 Die Revision war daher mangels Vorliegens einer grundsätzlichen Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 13. November 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018210187.L00Im RIS seit
19.12.2018Zuletzt aktualisiert am
28.12.2018