Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
B-VG Art133 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Dr. Sulzbacher und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Galesic, über die Revision des B S in R, vertreten durch Dr. Martin Dellasega und Dr. Max Kapferer, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 9. April 2018, LVwG-2017/17/0246-9, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Tirol), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Tirol (LPD) vom 2. Jänner 2017 wurde dem Revisionswerber, einem indischen Staatsangehörigen, zur Last gelegt, er habe sich zumindest ab dem 1. Dezember 2016 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten, weil er in I. in einem näher genannten Restaurant als Koch einer Beschäftigung nachgegangen sei. Voraussetzung für einen rechtmäßigen Aufenthalt sei jedoch neben der rechtmäßigen Einreise auch, dass während des Aufenthalts (u.a.) die "Bedingungen des Einreisetitels" nicht überschritten werden. Dazu hielt die LPD im Spruch dieses Bescheides noch sachverhaltsmäßig fest, der Revisionswerber sei seinen Angaben zufolge am 28. September 2016 im Besitz eines gültigen indischen Reisepasses und eines gültigen spanischen Aufenthaltstitels in das österreichische Bundesgebiet eingereist und habe sich hier in der Folge mit Wohnsitz an einer näher genannten Adresse in R. angemeldet aufgehalten. Bei einer Vorsprache habe er gegenüber der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck angegeben, in dem genannten Restaurant in I. als Koch beschäftigt zu sein. Er sei auch bei einer dort von Organen der Finanzpolizei am 1. Dezember 2016 durchgeführten Kontrolle bei der Zubereitung von Speisen angetroffen worden. Der Revisionswerber habe dadurch § 120 Abs. 1a FPG iVm § 31 Abs. 1 FPG verletzt und es wurde deshalb über ihn nach der erstgenannten Bestimmung eine Geldstrafe in der Höhe von 500,-- EUR (zwei Tage und 19 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt. Dieser Bescheid wurde dem Revisionswerber noch am 2. Jänner 2017 persönlich ausgehändigt.
2 Die dagegen erhobene Beschwerde, in der nur die Annahme der Ausübung einer unerlaubten Erwerbstätigkeit durch den Revisionswerber sowie die diesbezügliche Beweiswürdigung bekämpft und damit im Zusammenhang stehende Ermittlungsmängel geltend gemacht wurden, wies das Landesverwaltungsgericht Tirol (LVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16. Jänner 2018 mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 9. April 2018 als unbegründet ab und verpflichtete den Revisionswerber zur Zahlung eines Kostenbeitrags. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das LVwG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision, über deren Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
4 Der erste Satz des § 120 Abs. 1a FPG (in der hier maßgeblichen Fassung des FrÄG 2015, BGBl. I Nr. 70/2015) und die Z 1 und 3 des § 31 Abs. 1 FPG (in der hier maßgeblichen Fassung des FNG-Anpassungsgesetzes, BGBl. I Nr. 68/2013) lauten samt Überschrift:
"Rechtswidrige Einreise und rechtswidriger Aufenthalt
§ 120. (1) ...
(1a) Wer als Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 500 Euro bis zu 2 500 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen."
"Voraussetzung für den rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet
§ 31. (1) Fremde halten sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf,
1. wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des
Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthaltes oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;
2.
...
3.
wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat
ausgestellten Aufenthaltstitels sind bis zu drei Monaten (Artikel 21 SDÜ gilt), sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen;"
5 Der Gerichtshof hat in seinem erst unlängst ergangenen Erkenntnis VwGH 29.5.2018, Ra 2018/21/0010, in Rn. 6 zu einem mit dem vorliegenden vergleichbaren Fall die Rechtslage unter Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien zur letztgenannten Bestimmung wie folgt zusammengefasst:
"Nach der in diesen Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gebrachten Absicht kommt es für die Frage der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts gemäß dem letzten Halbsatz des § 31 Abs. 1 Z 3 FPG darauf an, dass der Fremde während seines Aufenthalts in Österreich keiner Erwerbstätigkeit nachgeht, die von dem ihm erteilten Aufenthaltstitel eines anderen Schengen-Staates nicht umfasst ist. Ob eine Erwerbstätigkeit in diesem Sinn in Österreich erlaubt ist, muss am Maßstab des Unionsrechts und des nationalen Rechts geprüft werden (vgl. dazu des Näheren VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0103, mwN). Den Entscheidungsgründen des genannten Erkenntnisses, auf die insoweit gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, lässt sich dazu zusammenfassend entnehmen, dass Fremde, die bloß über einen Aufenthaltstitel eines anderen Schengen-Staates verfügen, in Österreich ohne entsprechende Bewilligung keiner Erwerbstätigkeit nachgehen dürfen. Üben sie ungeachtet dessen eine Erwerbstätigkeit aus, führt dies wegen Nichterfüllung der Voraussetzungen nach § 31 Abs. 1 Z 3 FPG zur Unrechtmäßigkeit ihres Aufenthalts."
6 Genau das trifft auf den Revisionswerber zu, der in der vorliegenden Revision (nunmehr) weder die der gegenständlichen Bestrafung zugrunde liegenden sachverhaltsmäßigen Prämissen noch die rechtliche Subsumtion in Frage stellt. Die Revision macht vielmehr unter dem Gesichtspunkt des Vorliegens einer im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzlichen Rechtsfrage nur formelle Spruchfehler geltend. Einerseits hätte die LPD - wie vom Revisionswerber in der Beschwerdeergänzung vom 31. Jänner 2018 gerügt worden war - die im Sinne des § 44a Z 1 VStG als erwiesen angenommene Tat durch Verneinung aller in § 31 Abs. 1 FPG genannten alternativen Voraussetzungen für eine Rechtmäßigkeit des Aufenthalts umschreiben müssen. Andererseits habe die LPD bei Nennung der verletzten Norm im Sinne des § 44a Z 2 VStG die für maßgeblich erachtete Fassung des FPG mit "BGBl. I Nr. 144/2013 idgF" zitiert, obwohl auf § 31 FPG in der vom 1. Jänner 2014 bis zum 30. September 2017 geltenden Fassung BGBl. I Nr. 68/2013 abzustellen gewesen wäre. Indem das LVwG demgegenüber davon ausgegangen sei, dass der Spruch des bei ihm angefochtenen Straferkenntnisses dem Maßstab des § 44a VStG entspreche, sei es von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen.
7 Zum letzterwähnten, in der Revision erstmals erhobenen Einwand ist dem Revisionswerber zuzugestehen, dass im vorliegenden Fall - wie sich schon aus der einleitenden Darstellung der maßgeblichen Rechtslage in Rn. 4 ergibt - § 31 Abs. 1 FPG in der vom 1. Jänner 2014 bis 30. September 2017 geltenden Fassung des FNG-Anpassungsgesetzes, BGBl. I Nr. 68/2013, zu nennen gewesen wäre. Schon aus dem auch in der Revision erwähnten Geltungszeitraum folgt allerdings, dass § 31 Abs. 1 FPG - ebenso wie § 120 Abs. 1a FPG - durch die von der LPD offenbar irrtümlich zitierte, insoweit auch am 1. Jänner 2014 in Kraft getretene Novelle BGBl. I Nr. 144/2013, mit der (u.a.) das FNG-Anpassungsgesetz geändert wurde, unberührt blieb und hierdurch keine Änderung erfahren hat. Vielmehr sind die in Rn. 4 wiedergegebenen Bestimmungen seit 1. Jänner 2014 (nach wie vor) unverändert in Kraft. Vor diesem Hintergrund konnte - auch angesichts des dem irrtümlichen Zitat nachgestellten "idgF" - kein Zweifel bestehen, dass die maßgeblichen Bestimmungen des FPG in der am 1. Dezember 2016 und am 2. Jänner 2017 geltenden Fassung zur Anwendung kommen sollten. Davon ausgehend war es daher jedenfalls vertretbar, dass das LVwG insoweit nicht das Vorliegen eines die Rechtswidrigkeit des Straferkenntnisses nach sich ziehenden Spruchfehlers in Betracht gezogen hat.
8 Gleiches gilt aber auch für den weiteren Einwand des Revisionswerbers. In dem für seinen Standpunkt ins Treffen geführten Erkenntnis VwGH 24.10.2007, 2007/21/0303, bezog sich der Gerichtshof zwar noch auf ältere Judikatur, wonach die als erwiesen angenommene Tat durch Verneinung aller in § 31 Abs. 1 FrG 1997 genannten alternativen Voraussetzungen für eine Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes zu umschreiben sei. Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Auffassung aber seither nicht mehr ausdrücklich vertreten (vgl. in diesem Sinn auch schon VwGH 25.1.2018, Ra 2017/21/0185, wo angemerkt wurde, die dort von der Behörde zur Tatumschreibung vorgenommene Auflistung und inhaltliche Wiedergabe der einzelnen Ziffern des § 31 Abs. 1 FPG sei vom VwGH (nur) in seiner Rechtsprechung zu den Fremdengesetzen aus 1992 und 1997 verlangt worden). Vielmehr hat es der Gerichtshof in der letzten Zeit schon wiederholt der Sache nach genügen lassen, wenn im Spruch des Straferkenntnisses nur auf den fallbezogen jeweils relevanten Tatbestand des § 31 Abs. 1 FPG sachverhaltsmäßig Bezug genommen und das Vorliegen von dessen übrigen Tatbeständen - wenn auch nur implizit und ohne deren ausdrücklicher Darstellung im Spruch - in genereller Weise verneint wurde (siehe etwa nur zuletzt den Fall des schon genannten Erkenntnisses VwGH 29.5.2018, Ra 2018/21/0010; vgl. z. B. auch VwGH 20.2.2014, 2013/21/0169, und VwGH 20.2.2014, 2013/21/0204).
9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 44a Z 1 VStG hat die Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat nämlich (nur) so präzise zu sein, dass der Beschuldigte seine Verteidigungsrechte wahren kann und er nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt ist (vgl. des Näheren zuletzt etwa VwGH 9.8.2018, Ra 2018/22/0102, mwN). Abgesehen davon, dass der Revisionswerber eine Beeinträchtigung der genannten Rechte gar nicht behauptete (vgl. dazu etwa VwGH 27.3.2018, Ra 2017/17/0326, Rn. 4, mwN), genügt die im vorliegenden Fall vorgenommene Umschreibung des Tatvorwurfs im Straferkenntnis vom 2. Jänner 2017 den Intentionen des § 44a Z 1 VStG. Angesichts der schon in dessen Spruch vorgenommenen Erwähnung des spanischen Aufenthaltstitels und des (wiederholten) Verweises auf die hierdurch nicht gedeckte, vom Revisionswerber ausgeübte Beschäftigung als Koch ist die daraus ableitbare inhaltliche Bezugnahme auf die Z 3 des § 31 Abs. 1 FPG nämlich evident, auch wenn sich die LPD insoweit der Formulierung der Z 1 der genannten Bestimmung bediente. Im Übrigen kann daraus im Zusammenhang mit der Anführung des § 31 Abs. 1 FPG (in seiner Gesamtheit) iVm § 120 Abs. 1a (erster Satz) FPG als verletzte Verwaltungsvorschrift ohne Weiteres auch abgeleitet werden, dass die LPD auch keinen anderen, einen rechtmäßigen Aufenthalt des Revisionswerbers begründenden Tatbestand des § 31 Abs. 1 FPG - für dessen Vorliegen die Aktenlage nicht den geringsten Anhaltspunkt geboten hatte - als verwirklicht ansah (vgl. in diesem Sinn auch VwGH 23.5.2013, 2013/09/0025, mwN, wonach es gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa bei einer Übertretung gemäß § 28 Abs. 1 Z 1 lit.a iVm § 3 Abs. 1 AuslBG ausreiche, generell vorzuwerfen, es sei eine Beschäftigung erfolgt, obwohl für die beschäftigten Ausländer keine arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen bzw. Bestätigungen ausgestellt gewesen seien, und wonach im Falle der Anlastung des Fehlens irgendeiner arbeitsmarktrechtlichen Bewilligung bzw. Bestätigung unmissverständlich der Wille der Behörde zum Ausdruck komme, eine Verfolgung wegen des Fehlens aller in Frage kommenden arbeitsmarktbehördlichen Papiere zu setzen, und wonach die Behörde nicht gehalten sei, im AuslBG enthaltene vielfältige Bewilligungen, die der Fremde nicht besessen habe, in den Spruch des Straferkenntnisses aufzunehmen, sofern es nicht fallbezogen um eine bestimmte Bewilligung gehe). Außerdem verneinte die LPD im gegenständlichen Fall dann in der Begründung ohnehin auch das Vorliegen einzelner, in den Ziffern des § 31 Abs. 1 FPG normierter Tatbestände, insbesondere auch der Voraussetzungen nach der Z 3. Insgesamt durfte das LVwG daher in vertretbarer Weise von einer fallbezogen ausreichenden Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat im Spruch des bei ihm bekämpften Straferkenntnisses im Sinne des § 44a Z 1 VStG ausgehen.
10 Demzufolge liegt in der gegenständlichen Konstellation wegen Vertretbarkeit der Beurteilung im Einzelfall keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG vor. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Wien, am 13. November 2018
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Umfang der Konkretisierung (siehe auch Tatbild)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018210104.L00Im RIS seit
19.12.2018Zuletzt aktualisiert am
28.12.2018