TE Vwgh Erkenntnis 1999/9/21 97/08/0144

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Veröffentlicht am 21.09.1999
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Index

L92052 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Kärnten;
L92102 Behindertenhilfe Pflegegeld Rehabilitation Kärnten;
L92602 Blindenbeihilfe Kärnten;

Norm

PGG Krnt 1993 §11 Abs1;
PGG Krnt 1993 §11 Abs5;
SHG Krnt 1996 §13 Abs4;
SHG Krnt 1996 §13;
SHG Krnt 1996 §4 Abs1;
SHG Krnt 1996 §6 Abs1;
SHG Krnt 1996 §7 Abs8;
SozialhilfeLeistungsV Krnt 1995 §2;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 97/08/0145 97/08/0146 97/08/0147 97/08/0148 97/08/0149

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerden der 1. C in V, vertreten durch den Sachwalter H in K, 2. E in S, vertreten durch die Sachwalterin F in K, 3. S in S, vertreten durch die Sachwalterin F in K, 4. U in V, vertreten durch den Sachwalter F in K, 5. H in V, vertreten durch die Sachwalterin M in K, und 6. J in V, vertreten durch den Sachwalter F in K, alle vertreten durch Dr. Kurt Dellisch, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Villacher Ring 59, gegen die Bescheide der Kärntner Landesregierung

1. vom 26. März 1997, Zl. 13-SH-7694/97, 2. vom 26. März 1997, Zl. 13-SH-3859/97, 3. vom 26. März 1997, Zl. 13-SH-7671/97, 4. vom 26. März 1997, Zl. 13-SH-4261/97, 5. vom 26. März 1997, Zl. 13-SH-3105/97, und 6. vom 25. März 1997, Zl. 13-SH-7513/96, betreffend Taschengeld nach dem Kärntner Sozialhilfegesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Das Land Kärnten hat jedem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von je S 12.800,--, sohin insgesamt S 76.800,--, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die behinderten Beschwerdeführer beziehen seit Jahren Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes durch Unterbringung in Anstalten, Heimen und Familien nach dem § 13 des Kärntner Sozialhilfegesetzes 1996 (KSHG), LGBl. Nr. 30/1996.

Sämtlichen Beschwerdeführern stehen außerdem Pflegegeldansprüche nach dem Kärntner Pflegegeldgesetz (KPGG), LGBl. Nr. 76/1993 in der hier maßgebenden Fassung

LGBl. Nr. 67/1995, in unterschiedlichem Ausmaß zu. Diese sind gemäß § 11 Abs. 1 Z. 4 KPGG in Anbetracht der stationären Pflege der Beschwerdeführer auf den jeweiligen Erbringer der Pflegeleistungen übergegangen. Die Beschwerdeführer beziehen gemäß § 11 Abs. 5 KPGG für die Dauer dieses Anspruchsüberganges nach Abs. 1 Z 4 leg. cit. ein Taschengeld in der Höhe von 20 % des Pflegegeldes der Stufe 3.

Im März 1997 beantragten die Beschwerdeführer neben dem erwähnten Pflegegeld-Taschengeld die Gewährung eines Sozialhilfe-Taschengeldes gemäß § 13 Abs. 4 bzw. § 20 Abs. 6 KSHG.

Mit den angefochtenen Bescheiden hat die belangte Behörde im Rahmen ihrer Zuständigkeit gemäß § 55 Abs. 1 KSHG 1996 die Gewährung von Sozialhilfe-Taschengeld gemäß § 13 Abs. 4 KSHG 1996 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Sozialhilfeleistungsverordnung, LGBl. Nr. 105/1995, mit der jeweils gleich lautenden Begründung abgewiesen, dass die Beschwerdeführer zur Befriedigung ihrer persönlichen Bedürfnisse bereits über ein Taschengeld gemäß § 11 KPGG verfügten, das über dem in der Sozialhilfe-Leistungsverordnung festgesetzten Taschengeld liege. Die Zuerkennung eines Taschengeldes aus Mitteln der Sozialhilfe sei damit gesetzlich ausgeschlossen. Auch auf den § 20 KSHG 1996 könne der Taschengeldanspruch nicht gestützt werden, weil den Beschwerdeführern keine Leistungen nach dem dritten Abschnitt des KSHG (Hilfe zur Eingliederung Behinderter) gewährt würden.

Gegen diese Bescheide richten sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machenden Beschwerden. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in den Gegenschriften die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Obwohl der ständige Betreuungs- und Hilfsbedarf eines Pflegebedürftigen durch die Aufnahme in eine stationäre Pflege grundsätzlich gedeckt ist, sodass ein Ruhen des Pflegegeldes bzw. ein Übergang des Anspruches auf Pflegegeld bis zur Höhe der Verpflegungskosten auf den jeweiligen Erbringer der Pflegeleistungen gemäß § 11 Abs. 1 KPGG sozialpolitisch gerechtfertigt ist, soll dem Pflegebedürftigen durch Gewährung eines Taschengeldes die Möglichkeit eröffnet werden, sich gegebenenfalls jene persönliche Assistenz zu beschaffen, die von der betreffenden Pflegestelle nicht angeboten wird (vgl. die EB zum BPGG 776 BlgNr 18. GP, Seite 28). Ob ein derartiges Defizit an persönlicher Assistenz in concreto tatsächlich besteht, ist unerheblich. Trotz der pauschalierenden Berechnung des Taschengeldes handelt es sich um einen aus dem Pflegegeld abgeleiteten Anspruch, um eine Art "Teil-Pflegegeld", das dem Pflegebedürftigen grundsätzlich ungeschmälert zugute kommen soll (vgl. Pfeil, Bundespflegegeldgesetz, Anmerkung 3 zu § 12 sowie Anmerkung 5 zu § 13; Pfeil, Neuregelung der Pflegevorsorge in Österreich, Seite 211 ff; die dort zu den §§ 12 und 13 BPGG angestellten Überlegungen treffen auch auf den für den vorliegenden Fall maßgebenden § 11 KPGG zu). Nach dem § 13 Abs. 1 KSHG kann der Lebensbedarf - wozu nach § 4 Abs. 3 KSHG 1996 auch der Lebensunterhalt zählt - mit Zustimmung des Hilfsbedürftigen oder seines gesetzlichen Vertreters durch die Unterbringung in Anstalten oder Heimen gesichert werden.

Der § 13 Abs. 4 KSHG lautet:

"Den in Anstalten oder Heimen untergebrachten Hilfeempfängern über 15 Jahre ist ein Taschengeld zu gewähren, sofern eine zweckentsprechende Verwendung desselben durch oder für den Hilfsbedürftigen gewährleistet ist. Die Höhe des Taschengeldes ist durch Verordnung der Landesregierung festzusetzen; dabei ist auf die Art der Anstalt oder des Heimes und auf die Bedürfnisse und das Alter der darin untergebrachten Hilfeempfänger Bedacht zu nehmen. Das Taschengeld gebührt in den Monaten Juni und Dezember in doppelter Höhe."

Der § 2 der am 1. Jänner 1996 in Kraft getretenen Kärntner Sozialhilfe-Leistungsverordnung 1995, LGBl. Nr. 105, lautet:

"(1) In Heimen und Anstalten untergebrachte Empfänger von Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes erhalten ab Vollendung des 15. Lebensjahres zur Befriedigung persönlicher Bedürfnisse ein Taschengeld, wenn und insoweit eine zweckentsprechende Verwendung desselben durch oder für den Hilfsbedürftigen gewährleistet ist und diesem Beträge in der in Abs. 2 genannten Höhe zum persönlichen Gebrauch nicht zur Verfügung stehen.

(2) Das Taschengeld beträgt ab Vollendung des 18. Lebensjahres S 870,--, ab Vollendung des 15. Lebensjahres S 593,-- monatlich.

(3) Die Regelung der Abs. 1 und 2 gilt sinngemäß auch für die Unterbringung in Familien."

Anspruch zur Sicherung des Lebensbedarfes hat gemäß § 4 Abs. 1 KSHG, wer den Lebensbedarf für sich nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann und ihn auch nicht oder nicht ausreichend von anderen Personen oder Einrichtungen erhält. Die eigenen Mittel des Sozialhilfeempfängers dürfen gemäß § 6 Abs. 1 KSHG bei der Gewährung der Sozialhilfe nur insoweit berücksichtigt werden, als dies mit dem Sinn der Sozialhilfe vereinbar ist oder für den Hilfsbedürftigen oder dessen Familienangehörige keine besondere Härte bedeuten würde. Grundsätzlich ist daher von einem umfassenden Einkommensbegriff auszugehen, der alle Einkünfte des Hilfe Suchenden umfasst, gleichgültig aus welchem Titel sie ihm zufließen (Pfeil, Österreichisches Sozialhilferecht, Seite 408).

Für die Berücksichtigung des Einkommens bei der Bemessung der Hilfe zum Lebensunterhalt als Teil der Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes sieht der § 7 Abs. 8 KSHG 1996 jedoch ausdrücklich vor, dass Leistungen nach dem Bundespflegegeldgesetz und nach dem Kärntner Pflegegeldgesetz - wozu auch das Taschengeld als "Teil-Pflegegeld" zählt - auf die Hilfe zum Lebensunterhalt nicht anzurechnen sind. Dieser Grundsatz der Nichtanrechnung von Pflegegeldleistungen gilt - in Ermangelung einer anders lautenden Regelung - auch für solche Geldleistungen, welche neben der Gewährung des Lebensunterhalts als Sachleistung durch Unterbringung in Anstalten, Heimen und Familien im Sinne des § 13 KSHG 1996 gewährt werden.

Daran vermag auch § 2 Abs. 1 der SH-LVO nichts zu ändern, weil auch dieser Bestimmung - verfassungskonform - kein anderer Einkommensbegriff als jener des Gesetzes zu Grunde gelegt werden kann. Nach der genannten Bestimmung kommen nur solche Beträge für die Anrechnung auf das Sozialhilfe-Taschengeld in Betracht, die dem Beschwerdeführer für seinen persönlichen Gebrauch für Zwecke der Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes zur Verfügung stehen. Das Pflegegeld-Taschengeld hat hingegen eine andere Zielsetzung, nämlich jene pflegebedingten Mehraufwendungen des Beschwerdeführers abzudecken, die durch die bloße stationären Unterbringung nicht erbracht werden. Soweit das Pflegegeld-Taschengeld daher nicht als anrechenbares Einkommen gilt, muss es auch bei der Prüfung des Anspruchs auf Sozialhilfe-Taschengeld iSd § 13 Abs. 4 KSHG außer Betracht bleiben.

Die angefochtenen Bescheide waren daher wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 21. September 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997080144.X00

Im RIS seit

21.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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