TE Vwgh Erkenntnis 2018/11/21 Ro 2017/13/0022

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Veröffentlicht am 21.11.2018
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Index

E6J;
32/04 Steuern vom Umsatz;

Norm

62017CJ0320 Marle Participations VORAB;
UStG 1994 §1 Abs1 Z1;
UStG 1994 §12 Abs1;
UStG 1994 §2 Abs1;
UStG 1994 §3a;
UStG 1994 §4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision der R Gesellschaft m.b.H. in Liqu. in W, vertreten durch die BDO Austria GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 1010 Wien, Kohlmarkt 8-10, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 27. September 2017, Zl. RV/7102565/2015, betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 2009, zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin, eine 2008 für Projekte in der Russischen Föderation gegründete österreichische Holding in der Rechtsform einer GmbH, war im Streitjahr 2009 zu 100% an einer mit Glücksspielen befassten Kapitalgesellschaft in einer russischen Republik beteiligt. Ähnliche Beteiligungen in anderen Teilen der Russischen Föderation waren geplant, kamen infolge gesetzlicher Änderungen im russischen Glücksspielrecht, die 2014 zur Liquidation der Tochtergesellschaft und in der Folge auch zur Liquidation der Revisionswerberin führten, aber nicht mehr zustande.

2 Die Revisionswerberin schloss mit einem (an ihr beteiligten) österreichischen Zulieferer einen schriftlichen Liefervertrag vom 22. April 2009 im Wesentlichen über die Lieferung von 1.100 Terminals mit Displays, die von der Revisionswerberin als Käuferin abgeholt, nach Russland transportiert und als Sacheinlage in die Tochtergesellschaft eingebracht wurden. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses waren nach dem als Vertragsbestandteil angeschlossenen Lieferplan und den aktenkundigen Rechnungen bereits 826 der 1.100 Geräte - verteilt über die Monate Februar bis April 2009 - geliefert und der Revisionswerberin samt Umsatzsteuer in Rechnung gestellt worden. Nach Lieferung der restlichen Geräte vereinbarte die Revisionswerberin mit dem österreichischen Zulieferer am 23. Juni 2009 in einem Nachtrag zum Liefervertrag die Lieferung weiterer 1.100 Geräte, die ebenfalls noch im Streitjahr auf die gleiche Weise abgewickelt wurde. Der Nettokaufpreis für die

2.200 Geräte überstieg EUR 4 Mio.

3 Der Liefervertrag zwischen der Revisionswerberin und dem österreichischen Zulieferer sah auch die Erbringung von Dienstleistungen - insbesondere Schulungen - durch den Zulieferer vor, die bei Abschluss des Vertrages am 22. April 2009 ebenfalls schon zum Teil erbracht waren. Die aktenkundigen Rechnungen darüber beziehen sich auf ein "Supportangebot" vom 15. Jänner 2009.

4 Im Februar 2009 hatte die Revisionswerberin die Zuteilung einer UID-Nummer beantragt und dazu im Wesentlichen dargelegt, sie werde "im Rahmen einer Sacheinlage" im Sinne des dritten Beispiels in Rz 37 der EStR 2000 "unternehmerisch tätig" sein (das Beispiel betrifft Sacheinlagen, die ein Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens gegen die Einräumung einer Beteiligung an einer GmbH leistet).

5 Schon für Februar 2009 hatte die Revisionswerberin auch Vorsteuern geltend gemacht. Im Zuge der dadurch ausgelösten Prüfung wurde der Prüferin am 20. Juli 2009 ein Aktenvermerk vom 15. Juli 2009 vorgelegt, in dem die steuerlichen Vertreter der Revisionswerberin zum Vorsteuerabzug im Zusammenhang mit den Sacheinlagen Stellung nahmen. In diesem Aktenvermerk wurde die Revisionswerberin als "reine Beteiligungsgesellschaft" bezeichnet, die durch das "Tauschgeschäft (dh Sacheinlage von Terminals gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten)" unternehmerisch tätig werde. Ob sie auch in Folgejahren zum Vorsteuerabzug berechtigt sein werde, hänge davon ab, ob sie im Sinne der Rechtsprechung des EuGH und der Rz 185 der UStR 2000 geschäftsleitende Funktionen übernehmen werde. Dienstleistungen der Revisionswerberin an ihre Tochtergesellschaft kamen in diesem Aktenvermerk nicht vor, die bis dahin gelegten Rechnungen des Zulieferers an die Revisionswerberin über Schulungen und einen Russlandaufenthalt waren aber aktenkundig.

6 Auch im weiteren Verlauf der Prüfung spielten diese Dienstleistungen vorerst keine Rolle. Zu den Sacheinlagen wurde eine den Vorsteuerabzug ablehnende Stellungnahme des Fachbereichs des Finanzamts eingeholt und mit E-Mail vom 18. August 2009 den Vertretern der Revisionswerberin übermittelt.

7 Am 28. August 2009 schloss die Revisionswerberin mit ihrer russischen Tochtergesellschaft (deren Geschäftsführer zugleich einer der beiden mitwirkenden Geschäftsführer der Revisionswerberin war) einen "Agenturvertrag", in dem sich die Revisionswerberin gegenüber ihrer Tochtergesellschaft verpflichtete, im eigenen Namen, aber auf Rechnung der Tochtergesellschaft mit Dritten Verträge betreffend Terminalschulung sowie Tests und Wartungen der Terminals abzuschließen. Die Tochtergesellschaft verpflichtete sich, den dadurch entstehenden Aufwand zu ersetzen und der Revisionswerberin eine Provision in der Höhe von 0,01% der Gesamtrechnungssumme zu bezahlen.

8 In einem Schriftsatz vom 20. November 2009 erstatteten die Vertreter der Revisionswerberin ein ergänzendes Vorbringen zum Vorsteuerabzug. Es wurde nun hervorgehoben, die Revisionswerberin sei "keine reine Holdinggesellschaft", weil sie durch die Sacheinlagen eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübe (Verweis auf BFH-Urteile vom 13.11.2003, V R 79/01, und vom 6.10.2005, V R 7/04, verbunden mit einem Vorbringen zur Nachhaltigkeit der Tätigkeit im Hinblick auf deren nachweislich geplante Ausweitung). Die Dienstleistungen und der Vertrag vom 28. August 2009 wurden in diesem Vorbringen nicht erwähnt.

9 Am 1. Dezember 2009 erstattete die Revisionswerberin ihrer russischen Tochtergesellschaft einen Bericht über die auf Grund des "Agenturvertrages" erbrachten Leistungen, in dem als Leistungszeitraum an einer Stelle der Zeitraum ab dem Vertragsabschluss im August angeführt war. Der in Rechnung gestellte Aufwand in der Höhe von etwa EUR 90.000,-- bezog aber auch Dienstleistungen ein, die der österreichische Zulieferer der Revisionswerberin schon davor in Rechnung gestellt hatte. Neben der Weiterverrechnung der vom Zulieferer an die Revisionswerberin verrechneten Beträge enthielt der Betrag - wie später aufgeschlüsselt wurde - noch EUR 4.000,-- für eigene Koordinationsleistungen der Revisionswerberin und deren Provision in der Höhe von EUR 8,17.

10 Nach Einholung auch einer Rechtsauskunft des bundesweiten Fachbereichs nur zu den Sacheinlagen, in der das Recht zum Vorsteuerabzug ebenfalls verneint wurde, kam es am 16. Februar 2010 zu einer Besprechung, bei der die Vertreter der Revisionswerberin den Agenturvertrag vom August 2009 vorlegten und die Unternehmereigenschaft der Revisionswerberin nun auch darauf stützten, dass diese ihrer Tochtergesellschaft "Besorgungsleistungen" erbringe. Auf den "Dienstleistungsvertrag" vom August 2009 berief sich die Revisionswerberin auch in einer nachfolgenden Eingabe vom 23. März 2010.

11 In der Niederschrift über die Schlussbesprechung am 7. April 2010, zugleich Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung, wurde das Vorliegen einer Unternehmereigenschaft der Revisionswerberin auf Grund der Sacheinlagen verneint und auf die Dienstleistungen wie folgt eingegangen:

"Auch der Wartungsvertrag datiert mit 28. August 2009 vermag an dieser Ansicht nichts zu ändern."

12 Unter Verweis auf die Ausführungen der Prüferin erließ das Finanzamt den Bescheid vom 12. April 2010 über die Festsetzung von Umsatzsteuer für die Monate Jänner bis Oktober 2009, in dem keine Vorsteuern berücksichtigt wurden.

13 Die Revisionswerberin erhob dagegen mit Schriftsatz vom 12. Mai 2010 Berufung, worin sie - gestützt wieder auf die erwähnten BFH-Entscheidungen - u.a. den Standpunkt vertrat, die Revisionswerberin sei schon auf Grund der Sacheinlagen Unternehmerin und zum Vorsteuerabzug berechtigt.

14 Der unabhängige Finanzsenat richtete mit Schreiben vom 31. Oktober 2012 an die Revisionswerberin Fragen betreffend die Leistungen auf Grund des Agenturvertrages und deren Abrechnung, die von der Revisionswerberin mit Schreiben vom 15. Jänner 2013 beantwortet wurden. Nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 25. Juni 2013 wies der unabhängige Finanzsenat die Berufung mit Bescheid vom 1. Juli 2013 als unbegründet ab. Er verneinte zunächst eine Unternehmereigenschaft der Revisionswerberin auf Grund der Sacheinlagen, wobei zum BFH-Urteil von 2005 sinngemäß dargelegt wurde, der vorliegende Fall gleiche eher dem (gegenteilig entschiedenen) eines früheren Urteils (BFH 15.1.1987, V R 3/77).

15 Zur Behauptung einer "Dienstleistungsfunktion" der Revisionswerberin verwies der unabhängige Finanzsenat darauf, dass ein Großteil der Leistungen schon vor dem Abschluss des "Agenturvertrages" erbracht worden sei und es sich bei den von der Revisionswerberin ihrer Tochtergesellschaft verrechneten Beträgen "zum größten Teil um die Weiterverrechnung" von Kosten für von dritter Seite erbrachte Leistungen gehandelt habe. Unter dem "Aspekt entgeltlicher Dienstleistungen" seien daher nur die Beträge von EUR 4.000,-- und EUR 8,17 zu prüfen, die aber zu geringfügig seien, um als "marktübliches Entgelt" zu gelten. Darüber hinaus könne bei "Leistungen im Zusammenhang mit der Aufstellung der Terminals sowie mit der Schulung und Instruktion der Mitarbeiter" der Tochtergesellschaft nicht (gemeint: im Sinne der Rechtsprechung des EuGH) von einem "Eingreifen in die Geschäftsführung der Tochtergesellschaft" gesprochen werden.

16 In der dagegen erhobenen, zu 2013/13/0089 protokollierten Verwaltungsgerichtshofbeschwerde vom 14. August 2013 wurde der die Dienstleistungen betreffenden Argumentation des unabhängigen Finanzsenates entgegengehalten, es sei unerheblich, wann der schriftliche Vertrag über die nachweislich erbrachten und verrechneten Leistungen geschlossen worden sei. In der Frage der Weiterverrechnung der für die Dienstleistungen an den österreichischen Zulieferer gezahlten Beträge habe der unabhängige Finanzsenat zu Unrecht ertragsteuerliche Grundsätze auf das Umsatzsteuerrecht übertragen. Es handle sich um einen "klassischen Fall der Besorgungsleistung (Dienstleistungskommission)", bei dem die Revisionswerberin gegenüber dem Zulieferer im eigenen Namen "und auf eigene Rechnung" (sic) aufgetreten sei. Das Fehlen eines "nennenswerten" Gewinnaufschlages spiele für die Umsatzsteuer keine Rolle. Mit den Dienstleistungen, die die Revisionswerberin an ihre Tochtergesellschaft erbringe, übe sie eine wirtschaftliche Tätigkeit aus.

17 Im Juli 2014 erließ das Finanzamt den nunmehr verfahrensgegenständlichen Jahresbescheid zur Umsatzsteuer für das Jahr 2009, wobei es zur Begründung auf die Entscheidung des unabhängigen Finanzsenates verwies. Das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof über die Beschwerde gegen die Bestätigung des Bescheides vom April 2010 wurde daraufhin eingestellt.

18 Gegen den Jahresbescheid vom 15. Juli 2014 erhob die Revisionswerberin mit Schriftsatz vom 12. August 2014 Beschwerde, zu deren Begründung sie auf die Berufung vom Mai 2010 und auf die Beschwerde vom August 2013 verwies. Nach einer knapp begründeten Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes, in der die Dienstleistungen nicht vorkamen, brachte die Revisionswerberin mit Schriftsatz vom 18. März 2015 einen Vorlageantrag ein, der ein weitgehend der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde vom August 2013 entnommenes Vorbringen enthielt.

19 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Es stellte fest, strittig sei - unter dem Gesichtspunkt der dafür erforderlichen Unternehmereigenschaft der Revisionswerberin - die Berechtigung zum Abzug der ihr vom österreichischen Zulieferer im Streitjahr in Rechnung gestellten Umsatzsteuer in der Höhe von etwa EUR 900.000,--, wovon nicht ganz EUR 4.000,-- auf die vom "Agenturvertrag" erfassten Leistungen entfielen.

20 Zu diesen Leistungen verwies das Bundesfinanzgericht - wie schon der unabhängige Finanzsenat - auf das späte Datum des Vertragsabschlusses. "Im Hinblick" darauf sowie auf die tatsächliche Erbringung der Leistungen durch Dritte könne "nicht davon gesprochen werden, die Bf. hätte umfangreiche technische Unterstützungsleistungen (...) erbracht". Da der Vertrag erst nach dem Beginn der Außenprüfung und der Übermittlung der Stellungnahme des Fachbereichs des Finanzamts abgeschlossen worden sei, könne auch "der Eindruck einer erst nachträglichen Anpassung nicht gänzlich von der Hand gewiesen werden".

21 Mit der Behauptung, es habe sich um Besorgungsleistungen gehandelt, setzte sich das Bundesfinanzgericht wie folgt auseinander:

"Entgegen den Ausführungen der Bf. im Vorlageantrag vom 18.03.2015 geht aus dem Agenturvertrag auch nicht eindeutig hervor, dass es sich bei den von der Bf. erbrachten Dienstleistungen um sogenannte Besorgungsleistungen handelt. Vielmehr verpflichtet sich die Bf. (= der Agent) im eigenen Namen, jedoch auf Kosten des Prinzipals, faktische und juristische Handlungen vorzunehmen, nämlich Vertragsabschließung für Terminalschulung, Tests und Wartung des Terminals vom Prinzipal, die sich in der Republik (...) befinden, durchzuführen, und der Prinzipal verpflichtet sich, dem Agenten die Provision für die Erfüllung dieses Auftrages zu bezahlen.

Es wurde beispielsweise nicht vereinbart, dass die Bf. die (Schulungs-) Leistungen zu erbringen hat und sich auch eines Dritten bedienen könnte, sondern es war von Anfang an beabsichtigt, dass die Bf. lediglich Verträge mit Dritten betreffend diese (Schulungs-)Leistungen in eigenem Namen, jedoch auf Rechnung der Tochtergesellschaft abschließt. Aus dem Agenturvertrag liest sich nach Ansicht des Senates heraus, dass die Bf. Verträge für die Schulungen etc. mit Dritten abzuschließen hat und nicht, dass sie diese Leistungen selbst erbringt. Betrachtet man den wahren wirtschaftlichen Gehalt der Vereinbarungen, so ist davon auszugehen, dass über die Bf. lediglich die Abrechnung der von (dem österreichischen Zulieferer) erbrachten Leistungen erfolgte, insbesondere wenn man beachtet, dass von Beginn an klar war, dass sämtliche Kosten von der (Tochtergesellschaft) getragen werden und die Bf. lediglich eine Provision von 0,01% erhält."

22 Mit dieser Begründung ging auch das Bundesfinanzgericht - wie mit Hinweis auf die "Weiterverrechnung" schon der unabhängige Finanzsenat - davon aus, unter dem "Aspekt entgeltlicher Dienstleistungen" seien nur die Beträge von EUR 4.000,-- und EUR 8,17 zu prüfen, wozu im Wesentlichen auf vom Bundesfinanzgericht zitierte Ausführungen des unabhängigen Finanzsenates - unter Einschluss des Arguments, der "Zusammenhang" der Leistungen widerspreche deren Würdigung als "Eingreifen in die Geschäftsführung" - verwiesen wurde.

23 Zur behaupteten Begründung der Unternehmereigenschaft durch die Sacheinlagen vertrat auch das Bundesfinanzgericht die Auffassung, der Fall gleiche - im Hinblick auf die Sacheinlage "nur in eine Tochtergesellschaft" - eher dem vom BFH im Jahr 1987 als dem im Jahr 2005 entschiedenen Fall. Soweit sich die Revisionswerberin im Vorlageantrag auf einen Vorlagebeschluss des BFH vom 20. Februar 2013 berufe, sei darauf hinzuweisen, dass die darin gestellte Frage schon mit Urteil des EuGH vom 13. März 2014, Malburg, C-204/13, beantwortet worden sei, und zwar nicht im Sinne des Vorbringens der Revisionswerberin.

24 Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht im Hinblick auf das Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur umsatzsteuerlichen Beurteilung von Sacheinlagen für zulässig.

25 Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende Revision, zu der das Finanzamt eine Revisionsbeantwortung erstattet hat.

26 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

27 Die Revision ist schon wegen der Beurteilung der an die Tochtergesellschaft der Revisionswerberin weiterverrechneten Leistungen durch das Bundesfinanzgericht zulässig und begründet.

28 Gemäß § 12 Abs. 1 UStG 1994 steht der Vorsteuerabzug nur Unternehmern zu. Unternehmerin im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG 1994 ist eine Holdinggesellschaft - bei Bedachtnahme auf die Rechtsprechung des EuGH - u.a. dann, wenn sie in die Geschäftsführung der Beteiligungsgesellschaft eingreift (sogenannte geschäftsleitende Holding; vgl. dazu näher Ruppe/Achatz, UStG5, § 2 Tz 36/3 ff). Der Begriff "Eingriff einer Holding in die Verwaltung ihrer Tochtergesellschaft" ist - anders, als im vorliegenden Fall vom unabhängigen Finanzsenat und vom Bundesfinanzgericht angenommen - dahin zu verstehen, dass er "alle Umsätze erfasst, die eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der Mehrwertsteuerrichtlinie darstellen und von der Holding für ihre Tochtergesellschaft erbracht werden" (EuGH 5.7.2018, Marle Participations, C- 320/17, Rn 32). Dazu gehören u.a. das Erbringen von administrativen, buchführerischen, finanziellen, kaufmännischen, der Informatik zuzuordnenden und technischen Dienstleistungen, aber etwa auch die Vermietung eines Gebäudes an die Tochtergesellschaft (vgl. Rn 30 und 35 desselben Urteils). Für die Besorgung solcher Leistungen kann nichts anderes gelten.

29 Das Bundesfinanzgericht hat zunächst auf den späten Abschluss des "Agenturvertrags" verwiesen, in diesem Zusammenhang aber nur gemeint, der "Eindruck" einer erst nachträglichen "Anpassung" könne "nicht gänzlich von der Hand gewiesen werden". In diese Richtungen zielende Erwägungen hätten als Grundlage entsprechender Feststellungen auch das Vorgehen beim Liefervertrag und die Frage zu behandeln gehabt, ob anzunehmen sei, dass die Weiterverrechnung des Aufwands für die im "Agenturvertrag" umschriebenen Leistungen zunächst unterbleiben sollte.

30 Tragend für die Argumentation des Bundesfinanzgerichts in Bezug auf die weiterverrechneten Leistungen ist - abgesehen vom zu wörtlichen Verständnis des "Eingriffs in die Verwaltung" - jedoch die unrichtige Beurteilung des rechtlichen Charakters von Besorgungsleistungen. Das Bundesfinanzgericht scheint darunter den Einsatz von Erfüllungsgehilfen bei der Erbringung von Leistungen zu verstehen, zu denen man sich selbst verpflichtet hat. Leistungsbesorgung (in der Form des Leistungseinkaufs) liegt jedoch vor, wenn ein Unternehmer es unternimmt, im eigenen Namen - aber für Rechnung eines anderen - einen Dritten zur Erbringung einer Leistung an den Auftraggeber zu veranlassen. Der Besorgende schuldet nicht die besorgte Leistung, sondern deren Besorgung (vgl. Ruppe/Achatz, UStG5, § 3a Tz 13). Dass dies Inhalt des "Agenturvertrages" war, lässt sich dem Standpunkt, es habe sich um Besorgungsleistungen gehandelt, daher nicht entgegenhalten.

31 Bemessungsgrundlage ist im Fall einer Besorgungsleistung der Kostenersatz für die besorgte Leistung zuzüglich der Provision des Besorgenden (VwGH 29.7.2010, 2008/15/0272, VwSlg 8572/F; Ruppe/Achatz, a.a.O., § 1 Tz 273 und § 3a Tz 16, wonach der besorgende Unternehmer so zu behandeln ist, als hätte er die Dienstleistung selbst erbracht oder erhalten; vgl. zum Ganzen auch VwGH 29.2.2012, 2008/13/0068, VwSlg 8701/F).

32 Mit der Ausklammerung der bloß "weiterverrechneten" Leistungen aus der umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung hat das Bundesfinanzgericht diesen Zusammenhängen - wie zuvor auch der unabhängige Finanzsenat - nicht Rechnung getragen.

33 Das angefochtene Erkenntnis war schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

34 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 21. November 2018

Gerichtsentscheidung

EuGH 62017CJ0320 Marle Participations VORAB

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RO2017130022.J00

Im RIS seit

19.12.2018

Zuletzt aktualisiert am

14.02.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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