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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AsylG 2005 §3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofrätin Mag. Rossmeisel sowie den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Honeder, in der Rechtssache der Revision des A, vertreten durch Raphael Seidler, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Fleischmarkt 3- 5/14, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. September 2018, Zl. W248 2162886-1/23E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber ist afghanischer Staatsangehöriger und stellte am 21. August 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Er brachte im Wesentlichen vor, sein Vater habe für den afghanischen Geheimdienst gearbeitet und sei deshalb von den Taliban getötet worden. Diese hätten auch ihn mit dem Tod bedroht und sein Haus angegriffen, da er sich geweigert habe, für sie zu kämpfen bzw. mit ihnen zusammenzuarbeiten.
2 Mit Bescheid vom 7. Juni 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte diesem keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Begründend führte es aus, dass der Revisionswerber keine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen glaubhaft habe machen können. Dem Revisionswerber drohe zwar bei einer Rückkehr in seine Herkunftsprovinz Nangarhar eine ernstzunehmende Gefahr für Leib und Leben, sodass eine Rückkehr dorthin nicht zumutbar sei. Es stünde dem jungen, gesunden, mobilen und arbeitsfähigen Revisionswerber, der über Schulbildung und mehrjährige Berufserfahrung verfüge, aber die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in den Städten Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif zur Verfügung.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, in der zur Zulässigkeit vorgebracht wird, das Bundesverwaltungsgericht habe entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in der Beweiswürdigung die Angaben des Revisionswerbers bei der Erstbefragung herangezogen, um die Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens zu begründen. Das Bundesverwaltungsgericht habe zudem in seinen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat nicht von allen zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten Gebrauch gemacht. Im Besonderen hätten die aktuellen UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30. August 2018, die eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul ausschließen würden, keinen Eingang in das Erkenntnis gefunden.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Auf dem Boden des § 19 Abs. 1 AsylG 2005 ist es weder der Behörde noch dem Bundesverwaltungsgericht verwehrt, im Rahmen beweiswürdigender Überlegungen Widersprüche und sonstige Ungereimtheiten in den Angaben in der Erstbefragung zu späteren Angaben - unter Abklärung und in der Begründung vorzunehmender Offenlegung, worauf diese fallbezogen zurückzuführen sind - einzubeziehen (vgl. VwGH 28.6.2018, Ra 2018/19/0334, mwN). Entgegen dem Vorbringen in der Revision hat das Bundesverwaltungsgericht seine Beweiswürdigung nicht allein auf Widersprüche zwischen der Erstbefragung und der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl das Fluchtvorbringen betreffend gegründet. Vielmehr hat sich das Bundesverwaltungsgericht umfassend mit dem Vorbringen des Revisionswerbers auseinandergesetzt und ist auf Grund einer Reihe weiterer, von ihm angenommener Widersprüche und Unstimmigkeiten zum Ergebnis gelangt, dieser habe eine asylrelevante Verfolgung nicht glaubhaft machen können.
9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haben die Asylbehörden bei den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat als Grundlage für die Beurteilung des Vorbringens von Asylwerbern die zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten und insbesondere Berichte der mit Flüchtlingsfragen befassten Organisationen in die Entscheidung einzubeziehen. Das gilt ebenso für von einem Verwaltungsgericht geführte Asylverfahren. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat daher seinem Erkenntnis die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderberichte zugrunde zu legen. Es reicht aber nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel aufzuzeigen (vgl. VwGH 10.9.2018, Ra 2017/19/0431, mwN).
10 Die Revision bringt vor, das Bundesverwaltungsgericht habe die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30. August 2018, welche eine innerstaatliche Fluchtalternative nach Kabul ausschließen würden, nicht berücksichtigt. Damit zeigt sie aber die Relevanz dieses Verfahrensmangels nicht auf, weil das Bundesverwaltungsgericht auch die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in den Städten Herat und Mazar-e Sharif bejaht hat, wogegen sich die Revision nicht wendet.
11 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 27. November 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018140187.L00Im RIS seit
19.12.2018Zuletzt aktualisiert am
16.01.2019