Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
B-VG Art130 Abs1 Z3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofräte Dr. Strohmayer und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision der E F in W, vertreten durch Mag. Dr. Martin Dercsaly, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 146/6/B2, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23. August 2018, W156 2203009-1/2E, betreffend Zurückweisung einer Säumnisbeschwerde in einer Angelegenheit der Pflichtversicherung nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Wiener Gebietskrankenkasse), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
4 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Bundesverwaltungsgericht die Säumnisbeschwerde der Revisionswerberin zurück und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
5 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, die Revisionswerberin habe am 26. Juni 2018 bei der Wiener Gebietskrankenkasse beantragt, ihre Abmeldung von der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach dem ASVG "zu berichtigen". Mit Schriftsatz vom 18. Juli 2018, der dem Bundesverwaltungsgericht durch die Wiener Gebietskrankenkasse am 8. August 2018 vorgelegt worden sei, habe die Revisionswerberin eine Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) erhoben. Mangels Ablaufs der Entscheidungsfrist sei diese Säumnisbeschwerde verfrüht und daher zurückzuweisen. Dabei komme es auch nicht darauf an, ob - wie von der Revisionswerberin vorgebracht - von der Wiener Gebietskrankenkasse dem Rechtsvertreter der Revisionswerberin mitgeteilt worden sei, dass derzeit kein Bescheid erlassen werde, weil das Ergebnis eines arbeits- und sozialgerichtlichen Verfahrens abgewartet werden solle.
6 Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit ihrer außerordentlichen Revision vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob vor Einbringung einer Säumnisbeschwerde die der Verwaltungsbehörde eingeräumte sechsmonatige Entscheidungsfrist auch dann abzuwarten sei, wenn die Verwaltungsbehörde bereits unmittelbar nach Einbringung eines Antrages erkläre, keinen Bescheid zu erlassen.
7 Im Verfahren über eine Säumnisbeschwerde vor dem Verwaltungsgericht ist die Säumnis der Behörde eine Prozessvoraussetzung (vgl. VwGH 23.8.2017, Ra 2017/11/0150, mwN). Erweist sich eine Säumnisbeschwerde mangels Ablaufs der sechsmonatigen Frist des § 8 VwGVG (bzw. einer in einem Materiengesetz davon abweichend vorgesehenen Frist) als verfrüht, ist sie mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung zurückzuweisen (vgl. Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2 (2017) § 8 K 7; Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG ErgBd (2017) § 8 VwGVG Rz 12; jeweils mit weiteren Hinweisen).
8 Die in der Revision vertretene Rechtsansicht entbehrt dagegen einer gesetzlichen Grundlage. Aus dem klaren Wortlaut des § 8 Abs. 1 VwGVG folgt vielmehr, dass vor dem Ablauf der Entscheidungsfrist auch dann keine Säumnisbeschwerde erhoben werden kann, wenn die belangte Behörde schon früher zu erkennen gibt, dass sie eine Entscheidung zu treffen nicht beabsichtigt (vgl. aus der insoweit übertragbaren Judikatur zur Säumnisbeschwerde gemäß § 27 VwGG in der Fassung vor dem Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013, BGBl. I Nr. 33/2013, VwGH 20.6.1994, 94/10/0083; 8.6.1993, 93/08/0094; 23.3.1984, 84/02/0090).
9 Ist die Rechtlage - wie hier - nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig, liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG vor; das selbst dann, wenn zu einer Frage der Auslegung der anzuwenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist (vgl. VwGH 12.10.2017, Ra 2017/08/0046, mwN).
10 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 27. November 2018
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018080225.L00Im RIS seit
18.12.2018Zuletzt aktualisiert am
11.02.2019