TE OGH 1984/5/23 8Ob531/84

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Veröffentlicht am 23.05.1984
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Pflegschaftssache der mj I*****, geboren am *****, infolge Revisionsrekurses des C*****, vertreten durch Dr. Werner Kuffarth, Rechtsanwalt in Graz, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 3. Februar 1984, GZ 3 R 17/84-26, womit der Beschluss des Bezirksgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 15. Dezember 1983, GZ 14 P 175/83-23, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die am ***** geborene I***** ist das eheliche Kind der Eltern C***** und E*****. Die Ehegatten leben getrennt; zwischen ihnen ist ein Scheidungsverfahren anhängig. Beide Elternteile beantragten, ihnen die Rechte und Pflichten gemäß § 144 ABGB hinsichtlich ihres Kindes zu übertragen.

Der Vater begründete seinen Antrag im Wesentlichen damit, dass die Mutter der Minderjährigen mehrmals Ehebruch begangen, die Haushaltsführung vernachlässigt und sich sehr wenig um die Pflege und Erziehung des Kindes gekümmert habe. Sie komme zwei- bis dreimal wöchentlich spät nach Mitternacht nach Hause. Für den Fall der Scheidung habe sie gedroht, sich und dem Kind etwas anzutun. Der Vater habe eine starke Beziehung zum Kind; er habe es bisher liebevoll betreut. In seiner Freizeit würde er sich gerne dem Kind widmen; auch habe er für das Mädchen einen Platz in einem Ganztagskindergarten. Im Krankheitsfalle würde seine Mutter auf das Kind schauen.

Die Mutter bestritt die Vorwürfe des Vaters. Sie brachte ihrerseits vor, dass es durch das Verhalten des Vaters, der sie misshandelt, bedroht und aus der Wohnung ausgesperrt habe, zur Zerrüttung der Ehe gekommen sei. Infolge seiner Berufstätigkeit könne er sich nicht persönlich um das Kind kümmern. Seine Mutter sei nicht geeignet, das Kind zu versorgen. Die Antragstellerin müsse vorläufig bei ihren Eltern in P***** bleiben, wo das Kind einwandfrei versorgt werde.

Das Erstgericht sprach aus, dass die aus den familienrechtlichen Beziehungen zwischen Eltern und minderjährigen Kindern erfließenden rein persönlichen Rechte und Pflichten (§ 144 ABGB) hinsichtlich der minderjährigen I***** allein der Mutter zustehen. Den Antrag des Vaters wies es ab.

Das Erstgericht ging hiebei von folgenden Feststellungen aus:

Die minderjährige I***** befindet sich derzeit gemeinsam mit ihrer Mutter bei den mütterlichen Großeltern in P*****, die dort ein Kaufhaus besitzen. Sie bewohnen bei ihren Eltern bzw Großeltern eigene Räume. Das Haus ist sehr groß, äußerst sauber und ordentlich. Es ist genügend Platz für die Mutter und die Minderjährige vorhanden. Die Großeltern, insbesondere die Großmutter, haben zum Kind ein sehr gutes Verhältnis.

Am 8. 9. 1983 holte der Vater die Minderjährige von P***** ab und begab sich mit ihr in die Kinderklinik des LKH Graz. Dort wurde festgestellt, dass das Kind im besten Allgemeinzustand war. Auf der Haut befanden sich abgeheilte Kratzeffloreszenzen, im Gesicht zwei bis drei impetiginisierte Insektenstiche, am linken Oberschenkel an der Innenseite sowie paragenital rechts fand sich je eine Sooreffloreszenz. Es bestand eine leichte Volvitis. Das Kind war wiederholt bei der Distriktsärztin Dr. E***** in Behandlung, wo es immer den Eindruck erweckte, besonders gut betreut und gepflegt zu sein. Dies ist auch der Fall. Eine Verwahrlosung durch mangelnde Pflege kann nicht als erwiesen angenommen werden.

Das Mädchen I***** hat ein ausgesprochen gutes Verhältnis zu allen ihren Angehörigen. In intellektueller Hinsicht ist sie dem Durchschnitt ihrer Altersstufe weit voraus. Sie ist ein deutlich gefördertes, sehr gut entwickeltes Kleinkind. In der mütterlichen Verwandtschaft in P***** ist sie gut integriert; sie lebt dort in einem breiten sozialen Umfeld, das viel Anregung und Entfaltungsmöglichkeit bietet. Die Mutter respektiert die Eigenpersönlichkeit des Kindes. Es besteht in der sich als warmherzig und geordnet präsentierenden Ursprungsfamilie nicht die Gefahr, dass die Großzügigkeit der Mutter in Schlamperei und Nachlässigkeit ausartet.

Das Mädchen liebt den Vater sichtlich abgöttisch. Es besteht eine durchaus enge Vater-Tochter-Beziehung. Hierin kann für die natürliche Entwicklung des Kindes, sollte dem Vater die Pflege und Erziehung zukommen, eine Gefahr im emotionalen Bereich bestehen, weil eine sehr enge besitzergreifende gegenseitige Beziehung vorauszusehen wäre. Große Probleme wären zu erwarten, wenn entweder der Vater eine neue Beziehung zu einer Frau eingehen möchte oder aber, wenn I***** sich in der Pubertät vom Vater zu befreien sucht.

Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, dass beide Elternteile in der Lage seien, die Rechte und Pflichten im Sinne des § 144 ABGB für die Minderjährige wahrzunehmen. Maßgebend sei die Kontinuität der Entwicklung des Kindes. Es müsse auf die Stetigkeit und Dauer, wo sich das Kind aufhalte, welche Bezugspersonen es habe und welches soziale Umfeld es sich aufbaue, Bedacht genommen werden, was unter Berücksichtigung der übrigen festgestellten Umstände für die Pflege und Erziehung durch die Mutter spreche.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters nicht Folge, sondern bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung. Es verwarf die Verfahrensrüge und hielt die Entscheidungsgrundlagen für ausreichend. Die nach § 177 Abs 2 ABGB zu treffende Regelung habe sich am Wohl des Kindes auszurichten. Dem werde durch die Entscheidung des Erstgerichts voll Rechnung getragen.

Dagegen richtet sich der auf den Anfechtungsgrund der offenbaren Gesetzwidrigkeit gestützte außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters. In umfangreicher Weise sucht er darzulegen, dass durch unterlassene Beweisaufnahmen und infolge unrichtiger Beweiswürdigung die Vorinstanzen zu einen für ihn negativen Ergebnis gelangt seien.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist unzulässig.

Eine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt nur dann vor, wenn ein Fall im Gesetz selbst ausdrücklich und so klar gelöst ist, dass kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkomme kann und trotzdem eine damit in Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde (SZ 44/180; SZ 46/98; 6 Ob 712/80 uva).

Mit seinem Rechtsmittel macht der Revisionsrekurswerber jedoch einerseits höchstens Verfahrensmängel geltend, die im Rahmen eines außerordentlichen Revisionsrekurses nur dann berücksichtigt werden könnten, wenn sie das Gewicht einer Nullität erreichten, was hier offenkundig nicht der Fall ist. Die Frage, welchem Elternteil der getrennt lebenden Eltern die elterlichen Rechte und Pflichten im Sinne des § 144 ABGB zustehen, ist im § 177 ABGB (auch in Verbindung mit § 178a ABGB) nicht bestimmt geregelt. Hiebei handelt es sich weitgehend um eine Ermessensentscheidung, bei der eine offenbare Gesetzwidrigkeit schon begrifflich nicht vorliegen kann (6 Ob 712/80; 8 Ob 576/82 uza). Da andererseits auch die Beweiswürdigung der Vorinstanzen mit außerordentlichem Revisionsrekurs nicht bekämpft werden kann (EFSlg 30.535; 35.035; 8 Ob 576/82 ua), war das Rechtsmittel des Revisionsrekurswerbers als unzulässig zurückzuweisen.

Textnummer

E123541

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0080OB00531.840.0523.000

Im RIS seit

18.12.2018

Zuletzt aktualisiert am

18.12.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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