Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*****, vertreten durch Dr. Werner Thurner, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagten Parteien 1) Johann M*****, und 2.) W*****, beide vertreten durch Dr. Gottfried Hammerschlag, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Feststellung (Streitwert 75.000 S), infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 21. Juni 1983, GZ 7 R 24/83-25, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 12. November 1982, GZ 19 Cg 465/81-15, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 3.789,78 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Barauslagen von 600 S und USt von 236,28 S) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Erstbeklagte verschuldete als Lenker des bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten Einsatzfahrzeugs der Freiwilligen Feuerwehr (FF) P***** mit dem Kennzeichen ***** am 6. Oktober 1978 gegen 15:30 Uhr auf der P***** Bundesstraße einen Verkehrsunfall, bei dem dieses Fahrzeug umstürzte. Dabei wurde der in dem Fahrzeug mitfahrende bei der Klägerin pflichtversicherte Benedikt M***** getötet; mehrere andere mitfahrende Personen wurden verletzt. Wegen dieses Verkehrsunfalls wurde der Erstbeklagte mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 12. Dezember 1978, 9 E Vr 2428/78-10, der Vergehen der fahrlässigen Tötung nach § 80 StGB und der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 StGB schuldig erkannt. In diesem Strafurteil wurde ihm zur Last gelegt, dass er die notwendige Vorsicht im Straßenverkehr außer Acht gelassen habe, insbesondere wegen Fahrens mit zu hoher Geschwindigkeit oder wegen eines Schaltfehlers mit dem von ihm gelenkten Fahrzeug nach rechts auf die Fahrbahn gekippt und gegen die Leitschiene gestoßen sei.
Im vorliegenden Rechtsstreit brachte die Klägerin zunächst in ihrer Klage vor, dass sie an die Hinterbliebenen des Benedikt M*****, nämlich an seine Witwe und an seinen Sohn, aufgrund des Gesetzes Leistungen (Witwen- und Waisenrente) erbracht habe und auch in Zukunft zu erbringen haben werde. Dem Erstbeklagten sei während der Unfallsfahrt die Stellung eines Aufsehers im Betrieb zugekommen; er habe den Unfall grob fahrlässig herbeigeführt, indem er eine übermäßig hohe Fahrgeschwindigkeit eingehalten habe, obwohl das Fahrzeug schon vor dem Unfall mehrfach gefährlich ins Schwanken gekommen sei. Der Erstbeklagte hafte zur ungeteilten Hand mit der Zweitbeklagten der Klägerin gemäß § 334 ASVG für alle von ihr für die Hinterbliebenen nach Benedikt M***** zu erbringenden Pflichtaufwendungen. Für den Fall, dass die Stellung des Erstbeklagten als Aufseher im Betrieb verneint werden sollte, stütze die Klägerin in eventu ihren Regressanspruch auch auf § 332 ASVG, wobei die beiden Beklagten in diesem Fall nur im Rahmen des Deckungsfonds zu haften hätten. Die Klägerin stellte daher das Hauptbegehren, es werde festgestellt, dass die Beklagten zur ungeteilten Hand verpflichtet sind, ihr alle künftigen Pflichtaufwendungen wegen des Unfalls vom 6. Oktober 1978 an die Hinterbliebenen nach Benedikt M***** zu ersetzen, wobei die Haftung der Zweitbeklagten durch ihre Leistungspflicht aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag begrenzt sei; für den Fall der Abweisung Ihres Hauptbegehrens stellte die Klägerin das Eventualbegehren, es werde festgestellt, dass die Beklagten zur ungeteilten Hand verpflichtet sind, ihr ihre künftigen Pflichtaufwendungen an die Hinterbliebenen des Benedikt M***** wegen des Unfalls vom 6. Oktober 1978 zu ersetzen, insoweit im Ersatzanspruch dieser Hinterbliebenen wegen dieses Unfalls gegen die Beklagten ein Deckungsfonds gegeben sei, wobei die Ersatzpflicht der Zweitbeklagten durch ihre Leistungspflicht aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag begrenzt sei (ON 1).
Später (ON 8 S 27) brachte die Klägerin vor, dass dem Erstbeklagten die Stellung eines Aufsehers im Betrieb nicht zukomme. Bei den von der Klägerin gestellten Urteilsbegehren handle es sich um Alternativbegehren, weil die Beklagte entweder wegen grober Fahrlässigkeit des Erstbeklagten für alle künftigen Pflichtaufwendungen nach § 334 ASVG hafteten oder, wenn der Erstbeklagte nicht als Aufseher im Betrieb anzusehen sei, gemäß § 332 ASVG im Rahmen des Deckungsfonds auch bei leichter Fahrlässigkeit des Erstbeklagten.
Die Beklagten stellten zunächst in ihrer Klagebeantwortung (ON 3) außer Streit, dass der erstbeklagte Aufseher im Betrieb gewesen sei und brachten später dazu vor, dass der Fahrer eines Feuerwehrwagens trotz der Anwesenheit funktionell höher gestellter Feuerwehrorgane im Kraftfahrzeug weisungs- und anordnungsberechtigt sei und sich seine Tätigkeit nicht darauf beschränke, die Mannschaft von einem Ort zum anderen zu befördern. Er sei berechtigt, Weisungen sowohl für das Verhalten im Inneren des Fahrzeugs als auch für den nachfolgenden Einsatz zu erteilen. Bei der Unfallsfahrt habe es sich um eine Einsatzfahrt gehandelt (ON 8 S 27 f). Der Erstbeklagte sei auch als Maschinist eingesetzt und im Rahmen seiner Gesamttätigkeit als Kraftfahrer, Maschinist und Hauptfeuerwehrmann wegen aller Vorfälle während der Fahrt weisungsberechtigt gegenüber den Insassen des Fahrzeugs gewesen. Seine Tätigkeit habe sich nicht darauf beschränkt, die mitfahrenden Personen von oder zu einer Arbeitsstelle zu bringen; die Verantwortlichkeit des Erstbeklagten gehe über jene, die ein normaler Kraftfahrer seinen Mitfahrern gegenüber habe, hinaus (ON 8 S 38). Der Erstbeklagte habe in der Meinung gehandelt, eine unmittelbar drohende Gefahr abwenden zu müssen, sodass er im Sinne des § 1306a ABGB für den entstandenen Schaden nicht ersatzpflichtig sei (ON 14 S 67). Da der Erstbeklagte den Unfall jedenfalls nicht grob fahrlässig herbeigeführt habe, hafteten die Beklagten der Klägerin gegenüber für den Ersatz ihrer künftigen Pflichtaufwendungen weder nach § 334 ASVG noch nach § 332 ASVG.
Das Erstgericht wies das Hauptbegehren des Klägers ab und gab seinem Eventualbegehren statt.
Es stellte im Wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Am 6. Oktober 1978 fand eine Einsatzübung der FF P***** statt. Hiebei handelte es sich um einen sogenannten „gestellten“ Brand in W*****. Der Beginn der Einsatzübung war ursprünglich für 16:00 Uhr vorgesehen. Die Brandlegung an ein abbruchreifes Gebäude, bei welchem die FF P***** den Brandschutz übernehmen sollte, erfolgte jedoch bereits um etwa 15:00 Uhr, sodass die Sirene um 15:15 Uhr den Einsatz ankündigte. Derartige Einsatzübungen werden wie Einsätze durchgeführt und sind wie solche zu bewerten. Das Einsatzfahrzeug setzt Folgetonhorn und Blaulicht ein. Die Verkehrsvorschriften sind wie bei einem Einsatz aufgehoben.
Infolge der Vorverlegung des Einsatzes kam der Feuerwehrkommandant der FF P*****, Simon L*****, zu spät zur Abfahrt. Einsatzleiter der Einsatzübung war der (später getötete) Hauptlöschmeister Benedikt M***** als ranghöchster Feuerwehrmann. Als Einsatzleiter gab Benedikt M***** den Befehl zur Abfahrt und nahm auf dem Beifahrersitz des vom Erstbeklagten gelenkten Unimog Platz.
Der Erstbeklagte war seit rund 12 Jahren Mitglied der Feuerwehr. Er bekleidete die Charge eines Hauptfeuerwehrmannes mit Kursausbildung und war nach dem Einsatzleiter Benedikt M***** der ranghöchste Feuerwehrmann.
Der Erstbeklagte – er hat den C-Führerschein – fuhr laufend mit Feuerwehrfahrzeugen. Auf dem Unimog mit dem Kennzeichen *****, der seit rund einem Jahr im Dienst der FF P***** stand, wurde der Erstbeklagte vom Kommandanten eingeschult. Mit diesem Fahrzeug war der Erstbeklagte bereits öfter gefahren. Er hatte auch einen eintägigen Lehrgang der Landesfeuerwehrschule in Klagenfurt absolviert, bei welchem in erster Linie Geländefahrten durchgeführt wurden. Am Unfallstag fuhr der Erstbeklagte erstmalig mit voller Beladung in der Mannschaftskabine, während sich bei anderen vom Erstbeklagten als Lenker absolvierten Einsatzfahrten höchstens drei bis vier Personen in der Mannschaftskabine befunden hatten. Der Kilometerstand des Unimog betrug zum Unfallszeitpunkt rund 2.000 Kilometer, von welchen der Erstbeklagte als Lenker des Fahrzeugs etwa die Hälfte gefahren war.
Der Erstbeklagte war am Unfallstag neben seiner Tätigkeit als Kraftfahrer auch Maschinist. Als solcher hatte er am Brandort die Pumpe zu betätigen und daneben das Fahrzeug als Kraftfahrer zu beaufsichtigen. Weisungen hat der Kraftfahrer keine zu erteilen; diese obliegen dem Kommandanten als Einsatzleiter.
Die Unfallstelle liegt im Freilandgebiet auf der P***** Bundesstraße auf Höhe des Kilometersteins 70,6 in der sogenannten „M*****kehre“. Aus Anfahrtsrichtung des Erstbeklagten verläuft die Bundesstraße vorerst in westliche Richtung und beschreibt kurz vor der Unfallstelle eine enggezogene Linkskurve mit einer Richtungsänderung von 180 Grad. Eine Geschwindigkeitsbeschränkung besteht nicht. Der Kurvenradius der M*****kehre beträgt am Kurvenaußenrand gemessen, konstant 24 m. Aus Anfahrtsrichtung des Erstbeklagten besteht zunächst ein Gefälle von 8 %, das im Bereich der Kurve in ein Gefälle von 5 % übergeht. Im Kurvenbereich weist die Fahrbahn überdies eine starke Querneigung zur Kurveninnenseite auf, die zwischen 8 und 10 % beträgt. Am Beginn der Kurve ist die Fahrbahn 6,3 m breit; sie verbreitert sich in der Kurve auf 7,8 m. Die Fahrbahn ist durch eine Leitlinie geteilt. Die an der Kurvenaußenseite liegende Fahrbahnhälfte hat eine Breite von 3,6 m. Von Westen her münden in die M*****kehre zwei Zufahrtswege. Zwischen den beiden Einmündungstrichtern dieser Zufahrtswege befindet sich eine 11 m lange Leitschiene aus Stahl. Rund 170 m vor der Unfallstelle befindet sich am rechten Fahrbahnrand ein Steher mit den Verkehrszeichen „Achtung S-Kurve“ und „Achtung Schleudergefahr“. Am nördlichen Fahrbahnrand sind 10 m, 30 m und 67 m vor dem Fixpunkt (letzter Steher der Leitschiene zwischen den beiden Zufahrtswegen) drei Kurvenrichtungspfeile angebracht. Im Bereich der M*****kehre ist die Fahrbahn asphaltiert; die Fahrbahnoberfläche ist eben. Aus Anfahrtsrichtung des Erstbeklagten kann den Kurvenbereich erstmals aus einer Entfernung von 220 m vor dem Fixpunkt eingesehen werden. Zur Unfallszeit war die Fahrbahn trocken.
Der Mercedes Unimog U 125 ist 5,5 m lang, 2,05 m breit und 2,7 m hoch. Das Fahrzeug hat einen Radstand von 2,9 m und eine Spurweite von 1,615 m. Es ist als Mannschaftsfahrzeug für insgesamt 9 Sitze einschließlich Lenkersitz zugelassen. Das Eigengewicht des Fahrzeugs beträgt 4.190 kg.
Der Erstbeklagte fuhr mit einer Geschwindigkeit von rund 60 km/h in die M*****kehre ein. Er hätte, um die Kurve ordnungsgemäß und ohne Schleudern passieren zu können, einen Geschwindigkeitsbereich zwischen 38,5 und 43 km/h nicht überschreiten dürfen; bereits diese Geschwindigkeit entspricht einer Fahrweise, die nie ihren gefährlichen Charakter verliert. Die vom Erstbeklagten gewählte Geschwindigkeit war für die Unfallskurve zu hoch und von vornherein im Risikobereich. Der Erstbeklagte fuhr gebremst und schneidend in die Kurve ein. Als er merkte, dass er immer näher zur Leitschiene kam, schlug er die Vorderräder stärker nach links ein, wodurch die Kippgrenze erreicht und überschritten wurde. Nach dem Umkippen stieß der Unimog, nachdem die rechten Räder vorher eine 24 m lange Radierspur abgezeichnet hatten, gegen die Leitschiene südlich des südlichen Zufahrtswegs.
Eine Feststellung, dass der Erstbeklagte einen Schaltfehler beging und hierin die Ursache für das Umkippen des Fahrzeugs lag, kann nicht getroffen werden.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im Wesentlichen dahin, der Erstbeklagte sei nicht Aufseher im Betrieb der FF P***** gewesen, wohl aber ebenso wie der beim Unfall getötete Benedikt M***** deren Dienstnehmer, weshalb die Haftung des Erstbeklagten nach § 332 Abs 5 lit b ASVG zu bejahen sei, zumal das Verschulden des Erstbeklagten am Schadenseintritt durch seine rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung in einer das Zivilgericht bindenden Weise feststehe. Auf die Frage des Grades der Fahrlässigkeit des Erstbeklagten sei nicht näher einzugehen.
Dieses Urteil wurde von beiden Streitteilen mit Berufung bekämpft.
Das Berufungsgericht wies mit Beschluss die Berufung der Klägerin zurück und gab mit dem angefochtenen Urteil der Berufung der Zweitbeklagten nicht Folge. Hingegen gab es der Berufung des Erstbeklagten teilweise Folge und änderte die Entscheidung des Erstgerichts dahin ab, dass es auch seine Haftung für den Ersatz künftiger Pflichtleistungen der Klägerin mit der Leistungspflicht der Zweitbeklagten aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag begrenzte.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstands, über den es entschieden hat, insgesamt 300.000 S übersteigt. Der Wert des von der Bestätigung betroffenen Streitgegenstands übersteige 60.000 S und der von der teilweisen Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstands 15.000 S, nicht jedoch 300.000 S. Insoweit sei die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO nicht zulässig.
Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichts und führte rechtlich im Wesentlichen aus, entscheidendes Kriterium für die Verneinung der Frage, ob der erstbeklagte Aufseher im Betrieb gewesen sei, sei der Umstand, dass der später getötete und am Beifahrersitz neben dem Erstbeklagten sitzende Benedikt M***** der Einsatzleiter gewesen sei und damit er es gewesen wäre, der dem Erstbeklagten Weisungen hätte erteilen können und dürfen und nicht umgekehrt. Wer, wie der Erstbeklagte, seinen Mitfahrern nur in seiner Funktion als Kraftfahrzeuglenker Anweisungen über das Verhalten im Kraftfahrzeug selbst geben könne, sei schon deswegen kein Aufseher im Betrieb, weil zu derartigen Anordnungen jeder Kraftfahrer berechtigt und verpflichtet sei, sodass sich diese Befugnis nicht gerade aus der Tätigkeit des Kraftfahrers im Betrieb ergebe.
Sei der Erstbeklagte aber nicht Aufseher im Betrieb, dann könne auch im besonderen Fall vom sogenannten „Dienstgeberhaftungsprivileg“ nicht gesprochen werden. Die Zweitbeklagte hafte in ihrer Eigenschaft als Haftpflichtversicherer den Hinterbliebenen des Getöteten und damit auch der Klägerin, freilich betragsbeschränkt auf die Versicherungssumme und nach § 332 Abs 1 und Abs 2 ASVG nur, soweit der Deckungsfonds gegeben sei. Auf den von den Beklagten erst im Berufungsverfahren erhobene Einwand eines Mitverschuldens des getöteten Benedikt M***** sei nicht einzugehen.
Nach § 332 Abs 5 lit b ASVG könne der Versicherungsträger einen im Sinne der Abs 1 bis 4 dieser Gesetzesstelle auf ihn übergegangene Anspruch gegen einen Dienstnehmer, der im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses in dem selben Betrieb wie der Getötete beschäftigt gewesen sei, nur geltend machen, wenn der Versicherungsfall durch ein Verkehrsmittel verursacht wurde, für dessen Betrieb aufgrund gesetzlicher Vorschriften eine erhöhte Haftpflicht bestehe, allerdings nach dem letzten Satz dieser Bestimmung nur bis zur Höhe der aus einer bestehenden Haftpflichtversicherung zur Verfügung stehenden Versicherungssumme, es sei denn, dass der Versicherungsfall durch den Dienstnehmer vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht worden sei. Gelange man daher zur Annahme, dass eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Verursachung des Unfalls durch den Erstbeklagten nicht vorliege, dann sei nicht bloß die Haftung der Zweitbeklagten betragsmäßig durch die Haftpflichtversicherungssumme zu begrenzen, sondern auch die Haftung des Erstbeklagten. Nach den im vorliegenden Fall gegebenen Umstände könne dem Erstbeklagten grobe Fahrlässigkeit nicht angelastet werden. Der Berufung des Erstbeklagten sei daher insoweit teilweise Folge zu geben, dass auch in Ansehung seiner Person die Haftung mit der Höhe der aus der bestehenden Haftpflichtversicherung zur Verfügung stehenden Versicherungssumme zu beschränken sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten. Sie bekämpfen sie aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag.
Die Klägerin beantragt, der Revision keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist ohne die im § 503 Abs 2 ZPO normierte Einschränkung der Revisionsgründe zulässig, weil der Wert des Streitgegenstands, über den das Berufungsgericht entschieden hat, 300.000 S übersteigt (§ 502 Abs 4 Z 2 ZPO) und auch die im § 502 Abs 2 Z 2 ZPO bzw im § 502 Abs 3 ZPO normierten Revisionsbeschränkungen nicht zum Tragen kommen. Der Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 3 ZPO ist als nicht beigesetzt anzusehen, weil dann, wenn der Wert des Streitgegenstands, über den das Berufungsgericht entschieden hat, 300.000 S übersteigt, die Revision im Sinne des § 502 Abs 4 Z 2 ZPO jedenfalls zulässig ist und daher ein Ausspruch nach § 500 Abs 3 ZPO nicht zu erfolgen hat (siehe dazu Petrasch in ÖJZ 1983, 201).
Sachlich ist die Revision nicht berechtigt.
Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor, was nicht näher zu begründen ist (§ 510 Abs 3 ZPO).
Aber auch der Rechtsrüge der Beklagten kommt keine Berechtigung zu.
Soweit sie hier darzutun versuchen, dass der Erstbeklagte gegenüber dem bei dem Unfall getöteten Benedikt M***** als Aufseher im Betrieb im Sinne des § 333 Abs 4 ASVG anzusehen sei, ist ihnen zu entgegnen, dass nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs die Beurteilung der Frage, ob dem Lenker eines Kraftfahrzeugs gegenüber mitbeförderten Personen diese Qualifikation zukommt oder ob er als gewöhnlicher Kraftfahrzeuglenker diese Stellung nicht hat, von den Umständen des Einzelfalls abhängt. Es kommt dabei vor allem darauf an, ob der Kraftfahrzeuglenker zur Zeit des Unfalls eine mit einem gewissen Pflichtenkreis und mit Selbstständigkeit verbundene Stellung innehatte und dabei für das Zusammenspiel persönlicher und technischer Kräfte verantwortlich war oder ob er nur den Wagen zu bedienen und allenfalls auch die Beladung zu verantworten hatte. Bei der Beförderung von Personen ist zu unterscheiden, ob der Lenker für deren Sicherheit nur nach den Vorschriften über den Straßenverkehr verantwortlich ist oder ob er darüber hinausgehende Pflichten und Befugnisse hat. Aufseher im Betrieb kann jedenfalls nur der sein, der andere Betriebsangehörige oder wenigstens einen Teil des Betriebs zu überwachen hat. Für die Beurteilung der Aufsehereigenschaft kommt es nur auf die Funktion des Betreffenden im Zeitpunkt des Unfalls, nicht aber auf seine sonstige Stellung in der betrieblichen Hierarchie an (SZ 51/128 mit weiteren Judikaturhinweisen; 8 Ob 41/82; 2 Ob 83, 84/83; 8 Ob 214/83 ua).
Nach den Feststellungen der Vorinstanzen oblag es dem Erstbeklagten, die Besatzung des von ihm gelenkten Fahrzeugs an den Einsatzort zu bringen. Welche Funktion er am Einsatzort gehabt hätte, ist nicht zu erörtern, da es nur auf seine Funktion im Unfallszeitpunkt ankommt. Weisungen an die mitbeförderten Personen hatte der Erstbeklagte als Kraftfahrer nicht zu erteilen; dies oblag nach den Feststellungen der Vorinstanzen ausschließlich dem Einsatzleiter, dem bei dem Unfall getöteten Benedikt M*****. Irgendein Anhaltspunkt dafür, dass der Erstbeklagte auf dieser Fahrt die Insassen des von ihm gelenkten Fahrzeugs – über seine als Fahrzeuglenker bestehende Verpflichtung hinaus – zu überwachen gehabt hätte oder ihnen gegenüber weisungsbefugt gewesen wäre, besteht nach den Feststellungen der Vorinstanzen nicht.
Unter diesen Umständen ist aber die Aufsehereigenschaft des Erstbeklagten gegenüber dem getöteten Benedikt M***** im Sinne des § 333 Abs 4 ASVG nach der oben dargestellten Rechtsprechung ganz eindeutig zu verneinen, sodass sich die Beklagten nicht mit Erfolg auf das im § 334 Abs 1 ASVG normierte Haftungsprivileg berufen können.
Soweit die Beklagten aber in ihrer Rechtsrüge darzutun versuchen, dass den Getöteten ein gleichteiliges Mitverschulden treffe, das sich die Klägerin anrechnen lassen müsse, ist ihnen zu entgegnen, dass derjenige, der nicht schon im Verfahren erster Instanz einen Mitverschuldenseinwand erhoben hat, dies im Rechtsmittelverfahren nicht nachholen kann. Es ist Sache dessen, der ein vom Prozessgegner zu vertretendes Mitverschulden geltend machen will, dies unter Anführung konkreter Tatsachen einzuwenden. Die bloße Bestreitung der Schadenersatzforderung genügt für die Prüfung eines nicht eingewendeten Mitverschuldens nicht. Zumindest muss das Tatsachenvorbringen des Beklagten erkennen lassen, dass er ein dem Kläger zuzurechnendes Mitverschulden behaupten will (ZVR 1980/73 mit weiteren Hinweisen ua). Dies gilt auch für den Regressprozess des Sozialversicherungsträgers (ZVR 1976/262). Ein Vorbringen in dieser Richtung wurde von den Beklagten im Verfahren erster Instanz nicht erstattet. Ihr erstmals in der Berufung und nunmehr wieder in der Revision erhobener Mitverschuldenseinwand verstößt demnach gegen das Neuerungsverbot des § 482 Abs 1 ZPO und ist sohin unbeachtlich.
Der Revision der Beklagten musste unter diesen Umständen ein Erfolg versagt bleiben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Textnummer
E123538European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1984:0080OB00031.840.0704.000Im RIS seit
18.12.2018Zuletzt aktualisiert am
18.12.2018