Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der W in W, vertreten durch Dr. Georg Backhausen, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Stock-im-Eisen-Platz 3, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 4. November 1996, Zl. MA 12-16624/84, betreffend die Zurückweisung einer Berufung in einer Sozialhilfeangelegenheit, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Am 24. November 1992 beantragte die Beschwerdeführerin die Übernahme von Kosten für die Durchführung einer Zahnarztleistung in Ungarn nach dem Wiener Sozialhilfegesetz. Am 26. Juli 1996 sprach die Beschwerdeführerin beim Magistrat der Stadt Wien, Sozialreferat für den 7. Bezirk, vor und ersuchte um nachträgliche Übernahme der Kosten für den Zahnersatz vom 24. November 1992. Hierauf richtete der Magistrat der Stadt Wien, Sozialreferat für den 7. Bezirk, am 7. Oktober 1996 an die Beschwerdeführerin folgendes Schreiben:
"SR 7/1996 ...
Antrag auf Übernahme von Zahnersatz vom 24.11.1992 ... Sehr geehrte Frau N!
Ein Zuschuss bzw. eine Kostenerstattung für den Zahnersatz muss analog den Richtlinien der Wiener Gebietskrankenkasse binnen 42 Wochen nach Inanspruchnahme der Leistung geltend gemacht werden. Sie haben erst am 26.7.1996 um Refundierung der Kosten von S 36.000,-- für die Zahnbehandlung, die im Zeitraum vom 23.6. bis 12.11.1992 durchgeführt wurde, angesucht.
Ihr Antrag war daher abzulehnen.
Für den Abteilungsleiter:
S, AR"
Die Übernahme dieses Schreibens bestätigte die Beschwerdeführerin am 7. Oktober 1996 durch ihre Unterschrift unter dem Zusatz "Original übernommen:".
Gegen diese schriftliche Ablehnung ihres Antrages vom 24. November 1992 erhob die Beschwerdeführerin Berufung mit der Begründung, sie habe ihren Antrag auf Kostenrefundierung bereits am 24. November 1992 gestellt und nicht, wie in der Ablehnungsbegründung angeführt, erst am 26. Juli 1996.
"Desweiteren ist nicht erkennbar, ob die hiermit bekämpfte Ablehnung ein schriftlicher Bescheid sein soll, zumal schon der Spruch 'Ihr Antrag war abzulehnen' unklar formuliert und daher nicht vollziehbar ist und weiters die im AVG vorgesehenen Bescheidelemente wie die Bezeichnung als Bescheid bzw. Rechtsmittelbelehrung fehlen, sodass es zweifelhaft ist ob dem bekämpften Schriftstück überhaupt Bescheidcharakter zukommt oder ob es sich hiebei um eine allfällige gemeinte bloße Beurkundung eines mündlich NICHT VERKÜNDETEN BESCHEIDS handeln soll."
Am 16. Oktober 1996 stellte die Beschwerdeführerin bezüglich ihres Antrages auf Bewilligung von Leistungen der Krankenhilfe für Zahnersatz vom 24. November 1992 einen Devolutionsantrag gemäß § 73 Abs. 2 AVG an die Wiener Landesregierung.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin vom 14. Oktober 1996 mit der Begründung zurückgewiesen, das Schreiben des Magistrats der Stadt Wien vom 7. Oktober 1996 sei lediglich als formlose Mitteilung zu werten. Der Behörde habe es an jeglichem Willen gefehlt, einen Bescheid zu erlassen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 58 Abs. 1 AVG lautet:
"Jeder Bescheid ist ausdrücklich als solcher zu bezeichnen und hat den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung zu enthalten."
Die Einhaltung der Formvorschrift des § 58 Abs. 1 AVG dient dazu, Streitigkeiten über die rechtliche Natur einer Erledigung durch äußerlich voneinander scharf unterscheidbare Merkmale zu vermeiden. Der Mangel der ausdrücklichen Bezeichnung als Bescheid nach dieser Vorschrift vermag aber für sich allein einer Erledigung den rechtlichen Charakter eines Bescheides im Sinn des § 56 AVG nicht zu nehmen, wenn sich der Inhalt der Erledigung in eindeutiger Weise als eine Entscheidung oder Verfügung, durch die Rechtsverhältnisse festgestellt oder begründet werden sollen, darstellt. Im vorliegenden Fall ist das Fehlen der ausdrücklichen Bezeichnung als Bescheid für den Bescheidcharakter der Erledigung unerheblich, weil im Wortlaut der Erledigung selbst zum Ausdruck kommt, dass die Behörde eine Verwaltungssache in rechtsverbindlicher Weise erledigen wollte (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I3, E 34 ff zu § 58 AVG angeführte Rechtsprechung). Der (gemäß § 37 Abs. 1 des Wiener Sozialhilfegesetzes in erster Instanz für derartige Entscheidungen auch sachlich zuständige) Magistrat der Stadt Wien hat mit seinem Schreiben vom 2. August 1996 durch die ausdrückliche Bezugnahme auf den Antrag der Beschwerdeführerin auf Übernahme von Zahnersatz vom 24. November 1992 und durch die Formulierung "Ihr Antrag war daher abzulehnen" in einer für jedermann eindeutigen Weise die Abweisung dieses Antrages in normativer Weise und damit seinen Bescheidwillen zum Ausdruck gebracht. Einschränkungen bzw. Hinweise in die Richtung, dass der Magistrat der Stadt Wien der Beschwerdeführerin lediglich eine unverbindliche Mitteilung zukommen lassen oder eine Meinungsäußerung vornehmen wollte, fehlen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung vom 14. Oktober 1996 Zweifel über die Bescheidqualität des Schreibens vom 7. Oktober 1996 artikulierte bzw. am 16. Oktober 1996 (für den Fall, dass das genannte Schreiben tatsächlich keinen Bescheid darstelle) einen Devolutionsantrag stellte.
Dadurch, dass die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid vom 7. Oktober 1996 zurückgewiesen hat, hat sie ihr Recht auf Erledigung der auch im Übrigen zulässigen Berufung gemäß § 67 AVG in Verbindung mit §§ 56 ff AVG verletzt. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994 Wien, am 21. September 1999
Schlagworte
Bescheidcharakter Bescheidbegriff Bejahung des BescheidcharaktersEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1997080111.X00Im RIS seit
20.11.2000