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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art130 Abs1 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rosenmayr, die Hofräte Dr. Doblinger, Dr. Hofbauer und Mag. Feiel sowie die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schachner, über die außerordentliche Revision der F Kft. in S, vertreten durch Mag. Julia Eckhart, Rechtsanwältin in 8010 Graz, Hofgasse 3, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 13. Juni 2018, Zl. LVwG 20.32-1957/2017-45, betreffend Maßnahmenbeschwerde in einer Angelegenheit nach dem Glücksspielgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Steiermark), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Maßnahmenbeschwerde vom 14. Juli 2017 beantragte die revisionswerbende Partei und ein näher bezeichneter Kellner beim Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG) folgende Maßnahmen im Zusammenhang mit einer Kontrolle am 30. Juni 2017 in ihrem Lokal für rechtswidrig zu erklären:
"1. Sachbeschädigung durch
1.1. Gewaltsames Aufbrechen einer Eingangstüre
1.2. Gewaltsames Aufbrechen einer Innentüre
2. Abkleben einer Überwachungskamera
3. Unbefugten Waffengebrauch gegenüber dem Kellner
4. des gegenüber dem Kellner mittels Waffengewalt
angedrohten und durchgesetzten Befehls, 5 Minuten am Boden liegen zu bleiben"
2 Mit Erkenntnis vom 19. März 2018 wurde der Beschwerde des Kellners wegen Verletzung von Rechten Folge gegeben und die belangte Behörde zum Kostenersatz verpflichtet.
3 Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 17. April 2018 wurde vom Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG) mündlich verkündet, dass die Beschwerde der revisionswerbenden Partei als unbegründet abgewiesen werde und die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.
4 Das LVwG stellte folgenden Sachverhalt - soweit für den Revisionsfall von Bedeutung - fest:
Am 30. Juni 2017 habe im Lokal der revisionswerbenden Partei eine Kontrolle nach dem Glücksspielgesetz (GSpG) stattgefunden. Zu Beginn sei eine Vorkontrolle durchgeführt worden, um festzustellen, ob das Lokal geöffnet habe bzw. Personen im Lokal aufhältig seien. Nachdem eine Person das Lokal betreten habe, habe ein Einsatzorgan versucht in Zivilkleidung ins Lokal zu gelangen. Das Lokal habe nicht ohne weiteres betreten werden können, sondern Einlass sei nur nach Betätigen einer Glocke im Außenbereich, wo sich eine Videokamera befinde, gewährt worden. Nachdem dem Einsatzorgan kein Einlass gewährt worden sei, habe die Behörden- und Einsatzleiterin eine Kontrolle nach dem Glücksspielgesetz angemeldet. Als auch daraufhin kein Einlass gewährt wurde, habe sie die zwangsweise Öffnung der Lokalität angedroht. Als dies auch nicht zur Öffnung der Türe geführt habe, sei ein Schlüsseldienst hinzugezogen worden, welcher die Eingangstüre fachgerecht und ohne Beschädigung geöffnet habe. Die Kameras seien vorübergehend mittels Klebeband abgedeckt worden. Nach Öffnung der Eingangstüre durch den Schlüsseldienst sei der Eingangsbereich von den Einsatzorganen betreten worden. Dort habe sich eine ca. zwei Meter lange Schleuse offenbart, die zu einer Glasschwingtüre geführt habe, die mit einer Folie beklebt gewesen sei, sodass keine Einsichtsmöglichkeit in die Lokalität gegeben gewesen sei. Die Einsatzleiterin habe an die Glasschwingtüre geklopft und erneut die beabsichtigte Kontrolle nach dem Glücksspielgesetz angekündigt. Da auf diese Aufforderung keine Reaktion erfolgt sei, habe sie angedroht die Glasschwingtüre mit Zwangsgewalt öffnen zu lassen. Da diese Glasschwingtüre über kein Schloss verfügt habe, sondern über eine magnetische Sicherung, sei entschieden worden, nicht den Schlüsseldienst beizuziehen, sondern die Türe mittels Ramme durch bewaffnete und mit Schutzausrüstung ausgestattete Einsatzkräfte der Fachinspektion- Sonderdienste gewaltsam zu öffnen. Bei dieser gewaltsamen Öffnung sei die Türe beschädigt worden. Nach Betreten der Räumlichkeiten hinter dieser Türe habe sich eine weitere Türe befunden, die allerdings mittels Schlüsseldienst habe geöffnet werden können. In diesem Raum hätten sich diverse Wettautomaten befunden.
Rechtlich führte das LVwG in Bezug auf die Glasschwingtüre aus, das zwangsweise Öffnen der Glasschwingtüre mittels Ramme habe sich als verhältnismäßig erwiesen, da diese, der vertretbaren Einschätzung der Einsatzleiterin folgend, mangels Schlossvorrichtung durch den anwesenden Schlüsseldienst nicht geöffnet werden hätte können.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Die revisionswerbende Partei bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, die Maßnahme der zwangsweisen Öffnung der Glasschiebetüre sei weder verhältnismäßig noch notwendig gewesen und es lägen auch diesbezüglich keine Feststellungen vor. Tatsächlich hätte die Türe ohne Anwendung von Gewalt und ohne Zerstörung durch den vor Ort anwesenden Schlüsseldienst geöffnet werden können. Weiters sei das Verwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Beweisanträgen abgewichen, weil dem Beweisantrag auf Einvernahme des "Herrn vom Schlüsseldienst P." nicht nachgekommen worden sei. Die beantragte Einvernahme hätte ergeben, dass die Glasschwingtüre ohne Anwendung von Gewalt zu öffnen gewesen wäre, sodass die gesetzte Maßnahme der gewaltsamen Zerstörung dieser Türe mittels Ramme als unverhältnismäßig zu beurteilen gewesen wäre.
9 Mit diesem Vorbringen wirft die revisionswerbende Partei keine Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung iSd. Art. 133 Abs. 4 B-VG auf:
10 Die Absätze 1 bis 4 des § 50 GSpG, BGBl. Nr. 620/1989 idF
BGBl. I Nr. 118/2016, lauteten wie folgt:
"STRAF- UND VERFAHRENSBESTIMMUNGEN
Behörden und Verfahren
§ 50. (1) Für Strafverfahren und Betriebsschließungen nach diesem Bundesgesetz sind die Bezirksverwaltungsbehörden, im Gebiet einer Gemeinde, für das die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz ist, die Landespolizeidirektion zuständig. Gegen diese Entscheidungen kann Beschwerde an ein Verwaltungsgericht des Landes erhoben werden.
(2) Diese Behörden können sich der Mitwirkung der Organe der öffentlichen Aufsicht bedienen und zur Klärung von Sachverhaltsfragen in Zusammenhang mit den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes die Amtssachverständigen des § 1 Abs. 3 hinzuziehen. Zu den Organen der öffentlichen Aufsicht zählen jedenfalls die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der Abgabenbehörden.
(3) Zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sind die Organe der öffentlichen Aufsicht auch aus eigenem Antrieb berechtigt. Die Organe der Abgabenbehörden können zur Sicherung der Ausübung ihrer Überwachungsbefugnisse die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes hinzuziehen.
(4) Die Behörde nach Abs. 1 und die in Abs. 2 und 3 genannten Organe sind zur Durchführung ihrer Überwachungsaufgaben berechtigt, Betriebsstätten und Betriebsräume sowie Räumlichkeiten zu betreten, auch wenn dies sonst der Allgemeinheit untersagt ist, soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes erforderlich ist. Veranstalter und Inhaber sowie Personen, die Glücksspieleinrichtungen bereithalten, haben der Behörde nach Abs. 1, dem Amtssachverständigen (§ 1 Abs. 3) und den Organen der öffentlichen Aufsicht umfassend Auskünfte zu erteilen, umfassende Überprüfungen und Testspiele unter Bereitstellung von Geld oder Spieleinsätzen zu ermöglichen und Einblick in die geführten Aufzeichnungen, in die Aufzeichnungen der Glücksspieleinrichtungen und in die nach diesem Bundesgesetz aufzulegenden Spielbeschreibungen zu gewähren sowie dafür zu sorgen, dass eine anwesende Person diesen Verpflichtungen gegenüber Kontrollorganen nachkommt. Die Behörde nach Abs. 1 und die in Abs. 2 und 3 genannten Organe sind ermächtigt, diese Überwachungsaufgaben mit unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durchzusetzen. Die Ausübung ist dem Betroffenen anzudrohen. Die Organe haben deren Ausübung zu beenden, sobald der angestrebte Erfolg erreicht wurde, sich zeigt, dass er auf diesem Wege nicht erreicht werden kann oder der angestrebte Erfolg außer Verhältnis zu dem für die Durchsetzung erforderlichen Eingriff steht. Eine Gefährdung des Lebens oder eine nachhaltige Gefährdung der Gesundheit ist jedenfalls unzulässig."
11 Eine Kontrolle nach § 50 Abs. 4 GSpG dient nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes grundsätzlich der Überwachung der Bestimmungen des Glücksspielgesetzes und nicht nur ausschließlich der Überwachung der Einhaltung des in den §§ 3 und 4 GSpG normierten Glücksspielmonopols. Sinn und Zweck einer Kontrolle gemäß § 50 Abs. 4 GSpG ist es, einen Sachverhalt festzustellen, der die Beurteilung ermöglicht, ob die Bestimmungen des GSpG und nicht nur jene das Glücksspielmonopol des Bundes betreffenden Bestimmungen eingehalten werden (vgl. zum Ganzen VwGH 12.9.2018, Ra 2018/13/0067, mwN).
12 Dabei ist es den Organen bei Kontrollen nach dem GSpG unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gestattet, jene Maßnahmen zu setzen, die für den reibungslosen Ablauf einer glücksspielrechtlichen Kontrolle notwendig sind (vgl. VwGH 15.12.2014, 2011/17/0333).
13 Im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht Feststellungen zum Ablauf der Glücksspielkontrolle im Lokal der revisionswerbenden Partei und den dort gesetzten Maßnahmen getroffen und diese darauf basierend rechtlich als verhältnismäßig qualifiziert. Ausgangspunkt der Prüfung, ob eine grundsätzliche Rechtsfrage vorliegt, ist der festgestellte Sachverhalt (vgl. etwa VwGH 28.6.2018, Ra 2018/19/0266, mwN). Mit dem Vorbringen, die Glasschwingtüre wäre tatsächlich ohne Anwendung von Gewalt und ohne Zerstörung durch den vor Ort anwesenden Schlüsseldienst zu öffnen gewesen, zeigt die Revision keine Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG auf (vgl. VwGH 16.4.2018, Ra 2017/17/0476).
14 Bei der Frage, ob ausreichende Beweisergebnisse dafür vorhanden waren, Rückschlüsse auf den tatsächlichen Ablauf der Kontrolle zu ziehen, handelt es sich jedoch um eine Frage der Beweiswürdigung, zu deren Überprüfung der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz im Allgemeinen nicht berufen ist. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge lediglich dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. etwa VwGH 25.4.2018, Ra 2018/09/0032), was hier nicht gesagt werden kann.
15 Wenn in diesem Zusammenhang die revisionswerbende Partei einen Verfahrensmangel im Hinblick auf die Nichteinvernahme des Mitarbeiters des Schlüsseldienstes geltend macht, ist ihr entgegenzuhalten, dass die Zulässigkeit der Revision im Zusammenhang mit einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwerfenden Verfahrensmangel voraussetzt, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann bei einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang aufgezeigt wird, das heißt, dass im Falle der Durchführung eines mängelfreien Verfahrens abstrakt die Möglichkeit bestehen muss, zu einer anderen - für die revisionswerbende Partei günstigeren - Sachverhaltsgrundlage zu gelangen (VwGH 24.4.2018, Ra 2017/17/0925).
16 Im Vordergrund steht fallbezogen die Frage, ob die Einschätzung der Einsatzleiterin, in der konkreten Situation die Ramme zum Öffnen der Türe zu verwenden, vertretbar war. Das LVwG setzte sich mit dieser Frage ausreichend auseinander, würdigte dies vor dem Hintergrund der Gesamtsituation mit der Berufserfahrung der Einsatzleiterin und attestierte ihr damit eine vertretbare Vorgangsweise, wodurch die Maßnahme als verhältnismäßig zu qualifizieren gewesen sei.
17 Angesichts der unbekämpft festgestellten Vorgangsweise zur Öffnung der drei gegenständlichen Türen, wobei die erste und dritte Türe mittels Schlüsseldienstes und die zweite Türe mittels Ramme geöffnet wurden, vermag die Revision die Relevanz der unterlassenen Einvernahme des Schlüsseldienstmitarbeiters nicht aufzuzeigen.
18 Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Frage der Verhältnismäßigkeit einer Maßnahme um eine Beurteilung im Einzelfall handelt. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge im Zusammenhang mit einer einzelfallbezogenen Beurteilung nur dann vor, wenn diese grob fehlerhaft erfolgt wäre oder zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis führen würde (vgl. etwa VwGH 12.4.2018, Ra 2018/04/0082, mwN). Dass dies vorliegend der Fall wäre, vermochte die revisionswerbende Partei nicht aufzuzeigen und ist für den Verwaltungsgerichtshof auf dem Boden der im angefochtenen Erkenntnis getroffenen Feststellungen auch nicht ersichtlich.
19 Somit werden in der Revision keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher ohne weiteres Verfahren in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 21. November 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018090140.L00Im RIS seit
14.12.2018Zuletzt aktualisiert am
06.03.2019