TE Vwgh Erkenntnis 2018/11/27 Ra 2018/17/0157

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Veröffentlicht am 27.11.2018
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
B-VG Art130 Abs4 idF 2012/I/051;
VStG §25 Abs1;
VStG §25 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGVG 2014 §29 Abs1;
VwGVG 2014 §38;
VwGVG 2014 §50;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofrätinnen Mag.a Nussbaumer-Hinterauer sowie Dr. Koprivnikar als Richterinnen bzw. Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision des Bundesministers für Finanzen in 1010 Wien, Johannesgasse 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 10. Juli 2018, LVwG-S-1424/001-2017, betreffend Einziehung nach dem Glücksspielgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Bezirkshauptmannschaft Baden; mitbeteiligte Partei: U s.r.o. in B, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit an die mitbeteiligte Partei gerichtetem Bescheid vom 11. Mai 2017 ordnete die Bezirkshauptmannschaft Baden die Einziehung von zwei näher bezeichneten beschlagnahmten Glücksspielgeräten gemäß § 54 Abs. 1 und 2 Glücksspielgesetz (GSpG) mit näherer Begründung an; u. a. führte die belangte Behörde aus, es seien von der Mitbeteiligten Glücksspiele in Form von verbotenen Ausspielungen durchgeführt worden.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG) der von der mitbeteiligten Partei erhobenen Beschwerde statt, hob den Einziehungsbescheid auf (Spruchpunkt 1.) und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei (Spruchpunkt 2.).

3 Nach Wiedergabe des Spruches sowie eines Teiles der Begründung des Einziehungsbescheides und der Angabe, dass dieser Bescheid in Beschwerde gezogen worden sei, erschöpft sich dieses Erkenntnis in folgenden Ausführungen:

"Anders als im Beschlagnahmeverfahren, wo der Verdacht des Vorliegens einer Verwaltungsübertretung nach dem GSpG ausreichende Entscheidungsvoraussetzung ist, hängt die Einziehung nach § 54 GSpG von der Verwirklichung eines objektiven Tatbildes nach § 52 Abs. 1 GSpG ab, da Voraussetzung ist, dass mit dem von der Einziehung betroffenen Gegenstand gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 GSpG verstoßen wird. Die Rechtsmeinung der Bezirkshauptmannschaft, dass schon ohne Verwirklichung eines objektiven Straftatbestandes das Vorliegen bloßer Verdachtsmomente zur Einziehung berechtige, ist nicht richtig. Die Voraussetzungen für eine Einziehung sind daher nicht gegeben."

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision des Bundesministers für Finanzen (BMF) mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, aufzuheben. Die Bezirkshauptmannschaft Baden erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie sich den Ausführungen der revisionswerbenden Partei anschloss. Die mitbeteiligte Partei erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

5 In der Amtsrevision wird zur Zulässigkeit vorgebracht, das LVwG sei von näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur amtswegigen Ermittlungspflicht der Verwaltungsgerichte abgewichen, da es jedwede notwendige amtswegige Ermittlungstätigkeit im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unterlassen habe. Weiters habe das LVwG das Erkenntnis auch nicht ordnungsgemäß begründet, da die vom Verwaltungsgerichthof aufgezeigten zu trennenden Elemente eines Erkenntnisses eines Verwaltungsgerichtes in keiner Weise eingehalten worden seien, sodass die Rechtsverfolgung einer Partei maßgeblich beeinträchtigt sei; die Relevanz sei gegeben, da keine nachprüfende Kontrolle möglich sei.

6 Die Revision erweist sich aus diesen Gründen als zulässig; sie ist auch berechtigt:

7 Gemäß der Verweisungsbestimmung des § 38 VwGVG gilt im Verwaltungsstrafverfahren vor den Verwaltungsgerichten gemäß § 25 Abs. 1 VStG das Amtswegigkeitsprinzip und gemäß § 25 Abs. 2 VStG der Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit, wonach vom Verwaltungsgericht von Amts wegen unabhängig von Parteivorbringen und -anträgen der wahre Sachverhalt durch Aufnahme der nötigen Beweise zu ermitteln ist. Betreffend die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte ist festzuhalten, dass gemäß Art. 130 Abs. 4 erster Satz B-VG (siehe auch § 50 VwGVG) in Verwaltungsstrafsachen das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst entscheidet, woraus folgt, dass in Verwaltungsstrafverfahren dem Verwaltungsgericht in jedem Fall auch die Befugnis und Verpflichtung zu allenfalls erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen zukommt (vgl. VwGH 15.12.2014, Ro 2014/17/0121, mwN).

8 Nach der ständigen hg. Rechtsprechung ist die Einziehung nach § 54 GSpG unabhängig von einer Bestrafung eines Beschuldigten und hängt gemäß § 54 Abs. 1 GSpG von der Verwirklichung eines objektiven Tatbilds nach § 52 Abs. 1 GSpG ab (vgl. VwGH 12.4.2018, Ra 2018/17/0050). Das LVwG wäre daher verpflichtet gewesen, nach Durchführung eines amtswegigen Ermittlungsverfahrens nähere Feststellungen zum Vorliegen der Verwirklichung des objektiven Tatbildes zu treffen.

9 Im Revisionsfall hat das LVwG den Einziehungsbescheid jedoch ohne Durchführung eines solchen Ermittlungsverfahrens und ohne nähere diesbezügliche Feststellungen lediglich mit der (im Übrigen unzutreffenden) Begründung aufgehoben, dass die belangte Behörde eine falsche Rechtsansicht vertreten habe.

10 Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine ordnungsgemäß begründete verwaltungsgerichtliche Entscheidung aus drei logisch aufeinander aufbauenden und formal zu trennenden Elementen besteht: 1. den im Indikativ gehaltenen Tatsachenfeststellungen, 2. der Beweiswürdigung und 3. der rechtlichen Beurteilung. Lässt eine Entscheidung die Trennung dieser Begründungselemente in einer Weise vermissen, dass die Rechtsverfolgung durch die Partei über die nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts maßgeblich beeinträchtigt wird, dann führt ein solcher Begründungsmangel zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung schon aus diesem Grund (vgl. etwa VwGH 22.2.2017, Ra 2015/17/0059, mwN).

11 Eine solche Gliederung ist im angefochtenen Erkenntnis nicht erkennbar.

12 Da es das Verwaltungsgericht infolge einer unzutreffenden Rechtsansicht unterlassen hat, für das Verfahren notwendige Feststellungen zu treffen, liegt ein sekundärer Verfahrensmangel vor, weshalb das angefochtene Erkenntnis aufgrund dieser (prävalierenden) Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Wien, am 27. November 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018170157.L00

Im RIS seit

14.12.2018

Zuletzt aktualisiert am

06.02.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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