Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der außerstreitigen Wohnrechtssache der Antragstellerin G***** AG, *****, vertreten durch die Dr. Wilhelm Schlein Rechtsanwalt GmbH, Wien, gegen die Antragsgegnerin A***** Gesellschaft mbH & Co Kommanditgesellschaft, *****, vertreten durch die PROBST Rechtsanwälte GmbH, Wien, wegen §§ 12a Abs 3, 37 MRG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 6. Juni 2018, GZ 40 R 332/17w-10, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Zur Anwendung des § 12a Abs 3 MRG wird nach gefestigter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs die sogenannte Machtwechseltheorie vertreten (5 Ob 196/13d; 5 Ob 127/17p je mwN; siehe auch Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht³ § 12a MRG Rz 42). Maßgeblich ist danach, ob auf Mieterseite ein Machtwechsel in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht eingetreten ist.
Voraussetzung für eine Anhebung des Hauptmietzinses nach § 12a Abs 3 MRG ist eine Änderung der Einflussmöglichkeit innerhalb der betroffenen Mietergesellschaft, die kumulativ sowohl für den rechtlichen als auch für den wirtschaftlichen Bereich gegeben sein muss (RIS-Justiz RS0069560). Ein derartiger Machtwechsel wird grundsätzlich dann bejaht, wenn es zum „Kippen der Mehrheitsverhältnisse“ gekommen ist (RIS-Justiz RS0111167).
Eine bloße rechtliche Änderung, mit der eine wirtschaftliche nicht einhergeht, führt demgegenüber nicht zur Mietzinsanhebung (RIS-Justiz
2. Die Antragstellerin und Vermieterin begründete ihr Begehren auf Feststellung, dass sie berechtigt sei, ab 1. 7. 2016 einen gemäß § 12a Abs 3 MRG erhöhten Hauptmietzins zu verlangen, im Wesentlichen damit, dass eine GmbH & Co KG nicht als gesetzestypische KG angesehen werden könne, weil in ihr der Komplementär in der Regel nicht am Gesellschaftskapital beteiligt und oftmals sogar vom Stimmrecht ausgeschlossen sei. Die Funktion der GmbH beschränke sich dann auf die einer reinen Arbeitsgesellschafterin, die die Geschäftsführung der KG ausübe, aber bei der Willensbildung kein Mitspracherecht habe. Das sei insbesondere dann naheliegend, wenn es sich – wie im vorliegenden Fall – bei der Mietergesellschaft um eine „Familien-GmbH & Co KG“ handle, weswegen für die Anwendbarkeit des § 12a Abs 3 MRG die Änderungen bei den Kommanditisten maßgeblich seien. Mit dem Tod eines Kommanditisten im Jahr 2016 hätten sich die rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten in der Mietergesellschaft geändert, weil nunmehr dessen Sohn, der ab dem Jahr 2005 über 50 % der Kommanditanteile verfügt habe, nunmehr 75 % dieser Anteile halte, wobei die verbleibenden 25 % ebenfalls für ihn treuhändig gehalten würden.
3. Das Rekursgericht bestätigte die Abweisung des Erhöhungsantrags durch das Erstgericht. Bereits der Eintritt der GmbH, in der der Sohn stets Mehrheitsgesellschafter gewesen sei und als solcher 75 % der Gesellschaftsanteile gehalten habe, als Komplementärin in die KG im Jahr 1991 sei als entscheidende Änderung der Machtverhältnisse anzusehen, selbst wenn den Kommanditisten im Gesellschaftsvertrag der KG besondere Rechte (etwa auch Weisungsbefugnisse) eingeräumt worden sein sollten. Damit sei der maßgebliche Einfluss des verstorbenen Kommanditisten und ursprünglichen Komplementärs bereits im Jahr 1991 jenem der von seinem Sohn dominierten GmbH gewichen, sodass sämtliche nachfolgenden Veränderungen dessen ohnedies bereits entscheidenden Einfluss lediglich gestärkt hätten, aber keine Veränderung im Sinn des § 12a Abs 3 MRG mehr bewirken hätten können.
4.1 Zu den Voraussetzungen für eine Anwendung des § 12a Abs 3 MRG im Zusammenhang mit einer Kommanditgesellschaft liegt bereits umfangreich höchstgerichtliche Rechtsprechung vor (RIS-Justiz RS0118946; RS0108809). Danach wird im Allgemeinen bei Kommanditgesellschaften eine entscheidende Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten angenommen, wenn sich die Beteiligungsverhältnisse bei den kraft Gesetzes geschäftsführungsbefugten Komplementären entscheidend ändern oder der einzige Komplementär ausgetauscht wird (vgl etwa RIS-Justiz RS0108984 [T1; T10]).
Wird der einzige Komplementär durch eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung ersetzt, liegt unabhängig von der Gestaltung des Innenverhältnisses jedenfalls eine entscheidende Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten vor (RIS-Justiz RS0108809).
4.2 Die Antragstellerin stellt diese Rechtsprechung, an der sich das Rekursgericht orientierte, nicht grundsätzlich in Frage, sondern meint, sie käme im vorliegenden Fall nicht zum Tragen, weil es sich bei der Antragsgegnerin nicht um eine gesetzestypische KG handle, sondern um eine „Familien-GmbH & Co KG“, bei der (insbesondere) die Willensbildung maßgeblich bzw ausschließlich bei den Kommanditisten liege. Dazu beruft sie sich unter anderem auf die Entscheidung 5 Ob 21/04f (= RIS-Justiz RS0118945), aus der sie ableitet, dass bereits das bloße Hinzutreten eines Kommanditisten als ausreichend für eine maßgebliche Änderung im Sinn des § 12a Abs 3 MRG erachtet werde. Richtig ist lediglich, dass der Oberste Gerichtshof in dieser Entscheidung ausgesprochen hat, dass sich in Kommanditgesellschaften eine entscheidende Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten aus vielerlei Umständen ergeben kann. Das bloße Hinzutreten eines Kommanditisten wurde aber gerade nicht als ausreichend angesehen. Ausschlaggebend war in dem zu 5 Ob 21/04f entschiedenen Fall letztlich, dass die einzig verbliebene Komplementärin Mehrheitsgesellschafterin wurde.
4.3 Ganz allgemein gilt, dass die Möglichkeit zur Einflussnahme stets gesellschaftsrechtlich begründet sein muss (RIS-Justiz RS0069558 [T5]). Daher hat der Oberste Gerichtshof mit Bezug auf eine GmbH & Co KG zu 1 Ob 73/10g bereits ausgesprochen, dass eine Änderung bei den Kommanditisten keinen Machtwechsel bewirkt, und erst mit dem Kippen der Mehrheitsverhältnisse in der Komplementär-GmbH den anhebungsrelevanten Tatbestand gemäß § 12a Abs 3 MRG als erfüllt angesehen. Dieser Entscheidung lag zugrunde, dass bei der Mietergesellschaft die Kommanditisten mit den Gesellschaftern der Komplementär-GmbH ident waren. Eine solche Konstellation spricht die Revisionsrekurswerberin aber an, wenn sie darauf verweist, dass es sich bei der Antragsgegnerin um eine „Familien-GmbH & Co KG“ handle, und damit ebenfalls auf die Identität von Kommanditisten und Gesellschaftern der Komplementär-GmbH abzielt. Dass diese, wie im vorliegenden Fall, zueinander in einem Verwandtschaftsverhältnis standen, führt bei der ohnedies personalistisch ausgerichteten Struktur einer Kommanditgesellschaft keineswegs zu einer anderen Beurteilung, sodass die Auffassung des Rekursgerichts zum Machtwechsel den in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur GmbH & Co KG vertretenen Grundsätzen entspricht.
5.1 Als wesentlich sieht die Revisionsrekurswerberin weiters an, dass den Kommanditisten der Antragsgegnerin aufgrund des Gesellschaftsvertrags maßgebliche Mitwirkungsrechte an der Willensbildung bzw der Geschäftsführung der Mietergesellschaft zukommen sollen. Sie bemängelt, dass ihrem Antrag, der Mietergesellschaft die Vorlage des Gesellschaftsvertrags aus dem Jahr 1991 aufzutragen, nicht entsprochen worden sei. Auch mit diesen Argumenten spricht sie keine erhebliche Rechtsfrage an.
5.2 Allfällige interne Absprachen zwischen den Gesellschaftern sind nach der Judikatur bei der Beurteilung der Frage, ob sich gemäß § 12a Abs 3 erster Satz MRG die rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten in einer Mieter-Gesellschaft entscheidend geändert haben, nicht maßgeblich (RIS-Justiz RS0111297 [T4]; vgl auch 5 Ob 21/04f; 1 Ob 180/07p). Das soll jedenfalls solange gelten, als sie nicht im Sinn des § 12a Abs 3 letzter Satz MRG der Umgehung dienten (1 Ob 19/04g; Würth, wobl 1998/61, 99 [Glosse]).
5.3 Die Antragstellerin behauptete gar nicht,
dass die
Regelungen des Gesellschaftsvertrags den Zweck verfolgten, die Ausübung des Mietzinsanhebungsrechts durch sie hintanzuhalten. Eine Umgehung des § 12a Abs 3 MRG durch die von ihr behaupteten gesellschaftsvertraglichen Regelungen scheint in Anbetracht des vor dem 1. 10. 1993 geschlossenen (dazu § 46a Abs 1 MRG) Vertrags auch ausgeschlossen (vgl dazu 1 Ob 19/04g; 1 Ob 180/07p). Damit begründet es auch keine vom Obersten Gerichtshof über außerordentlichen Revisionsrekurs aufzugreifende Fehlbeurteilung des Rekursgerichts, wenn es den Inhalt des Gesellschaftsvertrags als rechtlich nicht maßgeblich angesehen hat.
6. Inwieweit es den Mietzinsanhebungstatbestand des § 12a Abs 3 MRG verwirklichen soll, dass der bisherige 75 % Gesellschafter der Komplementär-GmbH infolge des Todes seines Vaters im Jahr 2016 weitere 12,5 % der Anteile erhielt, oder – wie die Antragstellerin unter Berufung auf eine Treuhandkonstruktion meint – überhaupt zum Alleingesellschafter wurde, kann schon deshalb nicht nachvollzogen werden, weil ein Machtwechsel begrifflich eine Verschiebung der maßgeblichen Einflussmöglichkeiten in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht erfordert. Das ist aber nicht der Fall, wenn lediglich die Machtposition des ohnedies dominierenden Gesellschafters gestärkt wird.
7. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Textnummer
E123489European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0050OB00155.18G.1106.000Im RIS seit
14.12.2018Zuletzt aktualisiert am
11.06.2019