TE Vwgh Erkenntnis 1999/9/21 94/08/0225

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Veröffentlicht am 21.09.1999
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §412 Abs1;
AVG §63 Abs3;
AVG §66 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des Bundes, vertreten durch die Finanzprokuratur in 1011 Wien, Singerstraße 17-19, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 31. August 1994, Zl. VD-4138/3, betreffend Zurückweisung eines Einspruches in Angelegenheit der Leistung eines Überweisungsbetrages gemäß § 311 ASVG (mitbeteiligte Partei:

Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Zuspruch von Verfahrenskosten wird abgewiesen.

Begründung

Mit 31. Oktober 1965 schied Paul K. aus dem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis zum Bund (Finanzlandesdirektion für Tirol) aus. Die beschwerdeführende Partei als Dienstgeber leistete daraufhin an die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt für die pensionsversicherungsfreien Beschäftigungszeiten des Paul K. vom 27. September 1951 bis 31. Oktober 1965 einen Überweisungsbetrag gemäß § 311 ASVG.

Im Zuge des Pensionsfeststellungsverfahrens des Paul K. im Jahre 1993 kam hervor, dass dieser an die beschwerdeführende Partei einen besonderen Pensionsbeitrag zum Zwecke der Anrechnung seiner Zeit in der deutschen Wehrmacht (einschließlich Kriegsgefangenschaft) vom 3. Juli 1944 bis 28. September 1947 eingezahlt habe. Die mitbeteiligte Pensionsversicherungsanstalt ersuchte daraufhin die beschwerdeführende Partei um Leistung eines entsprechenden Überweisungsbetrages.

Die beschwerdeführende Partei sprach sich mit Schreiben vom 3. Jänner 1994 gegen die Leistung eines Überweisungsbetrages aus, da die Verpflichtung des Dienstgebers zur Leistung eines solchen Betrages bei Vorliegen der Voraussetzungen unmittelbar auf Grund des Gesetzes, und zwar mit dem Ausscheiden des Bediensteten aus dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis, entstehe. Es seien daher für die Bemessung des Überweisungsbetrages jene gesetzlichen Bestimmungen maßgebend, die zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Bediensteten (Beamten) aus dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis gegolten hätten. Paul K. sei mit 31. Oktober 1965 aus dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur österreichischen Bundesfinanzverwaltung ausgeschieden. Da die Bestimmung des § 311 Abs. 5 Satz sieben ASVG in der Fassung der 49. ASVG-Novelle ausdrücklich mit 1. Jänner 1988 in Kraft getreten sei, könnte diese in Fällen von Bediensteten, die vor dem 1. Jänner 1988 aus dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis ausgeschieden seien, nicht angewendet werden.

Mit Bescheid vom 13. April 1994 sprach die mitbeteiligte Pensionsversicherungsanstalt gemäß § 311 Abs. 1 und 5 ASVG in der Fassung der 50. ASVG-Novelle aus, dass der vom Dienstnehmer Paul K. seinerzeit geleistete besondere Pensionsbeitrag unter Berücksichtigung der geltenden Aufwertungsfaktoren sowie der gemäß § 312 iVm § 309 ASVG bei verspäteter Zahlung zu leistenden Zinsen von der beschwerdeführenden Partei im Gesamtbetrag von S 11.029,07 zu überweisen sei.

Die beschwerdeführende Partei erhob Einspruch. Dabei stellte sie ausdrücklich den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, weil der Einspruch - wie in der Begründung dargestellt werde - nach Lage des Falles erfolgversprechend erscheine und eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Beiträge nicht befürchtet werden müsse. In der Begründung wurde u.a. darauf verwiesen, dass Paul K. für seine Zeit in der deutschen Wehrmacht (einschließlich Kriegsgefangenschaft) einen besonderen Pensionsbeitrag in Höhe von S 4.142,-- geleistet habe. Dieser Betrag sei anlässlich seines Austrittes aus dem Dienstverhältnis nicht an die mitbeteiligte Pensionsversicherungsanstalt überwiesen worden, da dafür keine Rechtsgrundlage vorhanden gewesen sei. Erst mit Art. IV Z. 17 der 49. ASVG-Novelle, BGBl. Nr. 294/1990, sei § 311 Abs. 5 siebenter Satz ASVG neu gefasst worden. Diese Bestimmung sei zunächst mit 1. Juli 1990 in Kraft getreten und sodann mit Art. V Z. 38 der 50. ASVG-Novelle, BGBl. Nr. 676/1991, rückwirkend mit 1. Jänner 1988 in Kraft gesetzt worden. Die Verpflichtung des Dienstgebers zur Leistung eines Überweisungsbetrages bei Vorliegen der Voraussetzungen entstehe unmittelbar auf Grund des Gesetzes, und zwar mit dem Ausscheiden des Bediensteten aus dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis. Es seien daher zweifellos für die Berechnung des Überweisungbetrages jene gesetzlichen Bestimmungen maßgebend, die zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Dienststand gegolten hätten. Da § 311 Abs. 5 siebenter Satz ASVG in der Fassung der 49. ASVG-Novelle ausdrücklich mit 1. Jänner 1988 in Kraft getreten sei, könne diese Bestimmung in jenen Fällen, in denen Bedienstete vor dem 1. Jänner 1988 aus dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis ausgeschieden seien, nicht angewendet werden.

Die mitbeteiligte Pensionsversicherungsanstalt brachte den Einspruch bei der belangten Behörde in Vorlage und beantragte dessen Abweisung. Nach Auffassung der Pensionsversicherungsanstalt sei ein rechtsfeststellender (Überweisungs-)Bescheid nach dem zur Zeit seiner Erteilung geltenden Recht zu erstellen, ein konstitutiver (Leistungs-)Bescheid hingegen nach dem Recht zum Stichtag. Für einen besonderen Pensionsbeitrag habe es bis zum Jahre 1987 eine Überweisung nicht gegeben. Es müsse daher in einem Leistungsfall mit Stichtag nach 1987 (im Beschwerdefall sei der Stichtag der 1. Juli 1993) und einem Überweisungsverfahren aus der Zeit vor 1988 ein besonderer Pensionsbeitrag gemäß der ab 1. Jänner 1988 geltenden Fassung des § 311 Abs. 5 ASVG "einverlangt" werden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Einspruch als unzulässig zurückgewiesen. Nach der Begründung habe eine Berufung (Einspruch) u.a. einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten. Der vorliegende Einspruch werde zwar ausführlich begründet, ein entsprechender Antrag in der Hauptsache fehle jedoch. Es werde lediglich ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gestellt. Das Fehlen eines Berufungsantrages stelle allerdings nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keinen nach § 13 Abs. 3 AVG verbesserungsfähigen Formmangel, sondern einen inhaltlichen Fehler dar, der zur Zurückweisung führen müsse. Die Rechtsmittelbelehrung der mitbeteiligten Pensionsversicherungsanstalt sei diesbezüglich als ausreichend anzusehen, da ausdrücklich auf die Notwendigkeit eines begründeten Entscheidungsantrages hingewiesen werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde des im Beschwerdeschriftsatz als "Republik Österreich - Finanzlandesdirektion für Tirol" bezeichneten Bundes.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 412 Abs. 1 ASVG können Bescheide der Versicherungsträger in Verwaltungssachen binnen einem Monat nach der Zustellung durch Einspruch an den zuständigen Landeshauptmann angefochten werden. Der Einspruch hat den Bescheid zu bezeichnen, gegen den er sich richtet und einen begründeten Entscheidungsantrag zu enthalten.

Ein begründeter Entscheidungsantrag bildet nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einen wesentlichen Bestandteil des Einspruches, ohne den ein dem Gesetz entsprechender Einspruch nicht vorliegt (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 28. Juni 1994, Zl. 94/08/0116).

Bei der Beurteilung, ob ein begründeter Entscheidungsantrag vorliegt, wird es nicht auf eine formell und inhaltlich vollendete Darstellung des Einspruchswerbers ankommen, wohl aber muss mit Sicherheit zu erkennen sein, was die Partei anstrebt und womit sie ihren Standpunkt vertreten zu können glaubt. Insbesondere dann, wenn aus den Einspruchsausführungen im Zusammenhang mit dem Verhalten der Partei im Verfahren vor der Unterinstanz mit Sicherheit erschlossen werden kann, was sie mit dem Einspruch anstrebt, kann dieser, auch wenn er keinen ausdrücklichen Entscheidungsantrag enthält, nicht als unzulässig zurückgewiesen werden (vgl. dazu etwa die vergleichbare Rechtsprechung zu § 63 Abs. 3 AVG, abgedruckt bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 147 ff).

Nach Lage der Verwaltungsakten wurde von der beschwerdeführenden Partei die Entrichtung des von Paul K. geleisteten besonderen Pensionsbeitrages verlangt. Dagegen hat sich diese mit Schreiben vom 3. Jänner 1994 ausdrücklich ausgesprochen. Daraufhin wurde ihr mit Bescheid der mitbeteiligten Pensionsversicherungsanstalt vom 13. April 1994 die Entrichtung dieses Betrages zuzüglich entsprechender Zinsen vorgeschrieben.

Vor dem Hintergrund des von der beschwerdeführenden Partei nach der Begründung ihres Einspruches angestrebten (und auf dem Boden ihrer Rechtsauffassung allein anzustrebenden) Verfahrenszieles einer ersatzlosen Behebung des erstinstanzlichen Bescheides konnte daher nicht zweifelhaft sein, dass die beschwerdeführende Partei mit ihrem Einspruch eine Aufhebung des Bescheides der mitbeteiligten Pensionsversicherungsanstalt erreichen wollte.

Auf Grund dieser Erwägungen erweist sich die Zurückweisung des Einspruches als verfehlt, weshalb der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Hat eine Gebietskörperschaft gegen den Bescheid einer Behörde derselben Gebietskörperschaft Beschwerde erhoben (hier: die Finanzlandesdirektion für Tirol als eine dem Bundesminister für Finanzen unterstehende Dienststelle gegen den Landeshauptmann von Tirol als Organ der mittelbaren Bundesverwaltung), ist es - ungeachtet der Verschiedenheit der Dienststellen - gedanklich ausgeschlossen, dass ein und derselbe Rechtsträger sich selbst Kosten ersetzen kann. Im Fall der Identität des Rechtsträgers, dem der Kostenersatz aufzuerlegen wäre, mit jenem Rechtsträger, dem er zuzusprechen wäre, kommt daher der Zuspruch von Kostenersatz nicht in Betracht (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 21. September 1993, Zl. 92/08/0172, mit Hinweis auf Vorjudikatur). Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Zuspruch von Verfahrenskosten war daher abzuweisen.

Wien, am 21. September 1999

Schlagworte

Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1994080225.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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