TE OGH 2018/11/6 5Ob119/18p

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Veröffentlicht am 06.11.2018
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*****, vertreten durch MMag. Hermann Bogensperger, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei R*****, vertreten durch Dr. Alexander Rehrl, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Entfernung und Wiederherstellung (Streitwert 6.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 14. Februar 2018, GZ 53 R 253/17p-13, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 21. Juli 2017, GZ 32 C 223/17t-9, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 626,52 EUR (darin 104,42 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Parteien des Verfahrens sind (neben weiteren am Verfahren nicht beteiligten Personen) Mit- und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft. Die Miteigentumsanteile des Klägers sind gemäß §§ 5 Abs 3, 13 Abs 3 WEG 2002 mit jenen seiner Ehegattin verbunden (Eigentümerpartnerschaft).

Der Beklagte hat im Jahr 2013 auf der Terrasse der in seinem Wohnungseigentum stehenden Wohnung einen Wintergarten errichtet.

Der Kläger begehrte, den Beklagten schuldig zu erkennen, diesen Wintergarten zu entfernen und den ursprünglichen Bauzustand wiederherzustellen.

Der Beklagte wandte unter anderem ein, dass die Klage schikanös und rechtsmissbräuchlich sei.

Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten zur Entfernung des Wintergartens und Wiederherstellung des ursprünglichen Bauzustands. Der Kläger habe nie seine Zustimmung erteilt. Die Ehegattin, die der Errichtung des Wintergartens nachträglich zugestimmt habe, habe nicht im Vollmachtsnamen des Klägers gehandelt. Es lägen auch keine Umstände vor, aufgrund welcher der Beklagte auf eine Anscheinsvollmacht der Ehegattin des Klägers vertrauen habe dürfen. Der vom Kläger „vorsichtshalber“ erklärte Widerruf einer allfälligen Zustimmung lasse weder auf eine Anscheinsvollmacht noch auf eine stillschweigende Zustimmung zur Errichtung des Wintergartens schließen. Aus der zweijährigen Untätigkeit könne nicht geschlossen werden, dass der Kläger auf sein Recht zur Beseitigung des Wintergartens verzichtet habe. Beweisergebnisse, die auf eine alleinige Schädigungsabsicht des Klägers im Vorgehen gegen den Beklagten schließen ließen, lägen nicht vor.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es sei völlig unklar, welchen Anschein der Kläger zum Zeitpunkt der Unterfertigung der Erklärung durch seine Ehegattin gesetzt haben solle, der ihm als Vollmachtserteilung zugerechnet werden könnte. Aus dem Widerruf seiner „angeblichen“ Zustimmung könne jedenfalls keine Anscheinsvollmacht der Ehegattin des Klägers zum Zeitpunkt ihrer Zustimmungserklärung abgeleitet werden. Wenn der Kläger im Nachhinein, um Missverständnissen vorzubeugen, ausdrücklich klarlege, nicht zugestimmt zu haben, so setze er gerade keinen Tatbestand, aus dem der Beklagte für die Vergangenheit schließen könne, seine Ehegattin hätte (auch) für den Kläger zugestimmt. Die zweijährige Untätigkeit des Klägers könne nicht als konkludente Zustimmung verstanden werden. Der Beklagte habe gewusst, dass die Zustimmung aller Wohnungseigentümer zur Errichtung eines solchen Wintergartens erforderlich sei, weshalb er dem schlichten Schweigen von Wohnungseigentümern keinen Erklärungswert im Sinn eines Verzichts beimessen habe dürfen. Ein Zeitraum von zwei Jahren sei mangels sonstiger Anhaltspunkte zu kurz, um eine widmungswidrige Veränderung unangreifbar zu machen. Das Interesse an der Abwehr eigenmächtiger Eingriffe in das (Mit-)Eigentum sei stets zuzubilligen. Darin liege noch keine Schikane. Allein aufgrund des Umstands, dass sich der Kläger unter gewissen Umständen eine positive Abstimmung über die Errichtung von Wintergärten vorstellen habe können, sei seine Rechtsverfolgung nicht als ausschließlich von Schädigungsabsicht getragen einzuschätzen.

Das Berufungsgericht sprach – in Stattgebung des Abänderungsantrags des Beklagten nach § 508 Abs 1 ZPO – nachträglich aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Er beantragt, die angefochtene Entscheidung abzuändern und das Klagebegehren abzuweisen. Hilfsweise stellt er einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.

Der Kläger beantragte in seiner Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

1.1. Die Möglichkeit einer Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Mit- und Wohnungseigentümer verpflichtet den änderungswilligen Wohnungseigentümer, die Zustimmung aller anderen Mit- und Wohnungseigentümer oder die Genehmigung des Außerstreitrichters einzuholen. Tut er das nicht, nimmt er also Änderungen iSd § 16 Abs 2 WEG 2002 ohne vorherige Zustimmung der übrigen Mit- und Wohnungseigentümer und ohne Genehmigung des Außerstreitrichters vor, handelt er in unerlaubter Eigenmacht und kann im streitigen Rechtsweg petitorisch mit Klage nach § 523 ABGB zur Beseitigung der Änderung und Wiederherstellung des früheren Zustands sowie gegebenenfalls auf Unterlassung künftiger Änderungen verhalten werden (RIS-Justiz RS0083156; RS0005944; RS0012137).

1.2. Das Recht zur Abwehr eigenmächtig vorgenommener Änderungen durch einen anderen Wohnungseigentümer steht jedem einzelnen Wohnungseigentümer zu (RIS-Justiz RS0083156 [T15]; RS0005944 [T1]; RS0012137 [T17]). Bei Bestehen einer Eigentümerpartnerschaft nach § 13 WEG 2002 kann sich ein Eigentümerpartner gegen einen rechtswidrigen Eingriff in sein Anteilsrecht wehren, ohne der Mitwirkung des anderen Eigentümerpartners zu bedürfen (4 Ob 8/04m; RIS-Justiz RS0035415 [T2]).

1.3. Grundsätzlich wird zwar auch das Eigentumsrecht durch das Verbot der schikanösen Rechtsausübung beschränkt (RIS-Justiz RS0026265 [T9]; RS0013203 [T4]), doch ist dem Mit- und Wohnungseigentümer stets ein Interesse an der Abwehr eines eigenmächtigen Eingriffs in das Miteigentum zuzubilligen (RIS-Justiz RS0013203); darin liegt daher noch keine Schikane (RIS-Justiz RS0012138). Schikanöse Rechtsausübung liegt aber nicht nur dann vor, wenn die Schädigungsabsicht den einzigen Grund der Rechtsausübung bildet, sondern auch dann, wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten und den beeinträchtigten Interessen eines anderen ein krasses Missverhältnis besteht und das Interesse des Rechtsausübenden an der Wiederherstellung des ehemaligen Zustands gegenüber den Interessen des Beklagten auf Belassung des gegenwärtigen Zustands völlig in den Hintergrund tritt (missbräuchliche Rechtsausübung; 5 Ob 236/17t mwN; RIS-Justiz RS0013207; RS0026265; RS0037903 [T7]).

2.1. Der Beklagte begründet die Zulässigkeit und die Berechtigung seiner Revision zusammengefasst damit, dass das Berufungsgericht in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs noch nicht behandelte Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem Einwand der Schikane unrichtig beurteilt habe. In diesem Sinn zu klären sei, welche Bedeutung einer ursprünglich – auf Basis einer Anscheinsvollmacht – erteilten, später zwar widerrufenen, aber unter bestimmten Bedingungen wieder in Aussicht gestellten Zustimmung des Klägers und dessen nachfolgender jahrelanger Untätigkeit zukomme.

2.2. Die Vorinstanzen haben die Voraussetzungen für die Annahme einer Anscheinsvollmacht der Ehegattin des Klägers und damit eine wirksame Stellvertretung verneint. Demnach hätte der Kläger der Errichtung des Wintergartens niemals zugestimmt. Eine Anscheinsvollmacht (Vollmacht wegen des Vertrauens auf den äußeren Tatbestand) setzt voraus, dass Umstände vorliegen, die geeignet sind, im Dritten den begründeten Glauben an die Berechtigung des Vertreters zum Abschluss des beabsichtigten Geschäfts zu erwecken (RIS-Justiz RS0019609). Der die Vertretungsmacht begründende Anschein hat nicht vom Vertreter, sondern von einem Verhalten des Vertretenen auszugehen. Der auf diese Weise gesetzte, dem Vertretenen zurechenbare äußere Tatbestand muss das Vertrauen des Dritten vom Vorhandensein der Vertretungsmacht rechtfertigen (RIS-Justiz RS0019609 [T17], vgl auch RS0020145; RS0020331). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist aufgrund der Umstände des Einzelfalls einer strengen Überprüfung zu unterziehen (RIS-Justiz RS0019609 [T18]). Auch die Fragen, wie weit die Mitwirkung des scheinbaren Vollmachtgebers an der Erweckung des Anscheins eines Vollmachtsverhältnisses gehen und ob sie dem vertrauenden Dritten gegenüber unmittelbar in Erscheinung treten muss, sind typisch einzelfallbezogen (8 Ob 98/17w mwN). Eine solche Einzelfallentscheidung ist vom Obersten Gerichtshof nur dann überprüfbar, wenn eine auffallende Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen vorliegt (vgl RIS-Justiz RS0044088). Das ist hier aber nicht der Fall. Der festgestellte Sachverhalt lässt keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Anscheinsvollmacht erkennen.

2.3. Analoges gilt für die Beurteilung der Vorinstanzen, die Untätigkeit des Klägers über zweieinhalb Jahre trotz Kenntnis der Thematik bewirke weder eine konkludente nachträgliche Zustimmung zur Errichtung des Wintergartens noch einen konkludenten Verzicht auf sein Abwehrrecht. Ob ein Verhalten als konkludente Willenserklärung verstanden werden durfte, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und ist in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0109021 [T5, T6]; RS0081754 [T5, T6]; RS0043253 [T1, T2]; für den Verzicht: RS0107199). Eine vom Obersten Gerichtshof ausnahmsweise aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen liegt nicht vor.

2.4. Die behauptete Zustimmung des Klägers ist aus den Feststellungen nicht abzuleiten. Die darauf aufbauenden Überlegungen des Beklagten spielen daher für die – wiederum von den Umständen des Einzelfalls abhängige (5 Ob 236/17t; RIS-Justiz RS0013207 [T1]) – Beurteilung, ob die Rechtsausübung des Klägers als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist, keine Rolle. Diesem ist das Interesse an der Abwehr eines eigenmächtigen Eingriffs in sein Miteigentum grundsätzlich zuzubilligen. Das schließt die Annahme aus, der einzige Grund der Rechtsausübung bilde die Absicht, den Beklagten zu schädigen (5 Ob 236/17t; RIS-Justiz RS0013203). Dass der Kläger den Eingriff in sein Miteigentumsrecht ausschließlich bekämpft, um dem Beklagten zu schaden, wurde auch nicht positiv festgestellt (vgl 5 Ob 56/07g). Bei der Beurteilung, ob die Klageführung zufolge eines krassen Missverhältnisses zwischen den beiderseitigen Interessen rechtsmissbräuchlich ist, ist zunächst zu beachten, dass für eine Interessenabwägung im eigentlichen Sinn im diesem streitigen Verfahren kein Raum bleibt (5 Ob 236/17t mwN). Abgesehen davon sind dem Kläger hier nicht nur das Interesse an der Verteidigung seines Eigentumsrechts im Allgemeinen, sondern die Wahrung konkreter schutzwürdiger Interessen iSd § 16 Abs 2 Z 1 WEG 2002 zuzugestehen, eben jener schutzwürdigen Interessen, die im Außerstreitverfahren der Ersetzung (auch) seiner Zustimmung entgegenstanden. Wenn daher die Vorinstanzen die Missbräuchlichkeit der Rechtsausübung des Klägers verneinen, ist auch dies nicht korrekturbedürftig.

4.1. Die Revision ist somit mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig und deshalb zurückzuweisen.

4.2. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen (RIS-Justiz RS0112296; RS0035962; RS0035979).

Textnummer

E123471

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0050OB00119.18P.1106.000

Im RIS seit

13.12.2018

Zuletzt aktualisiert am

25.11.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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