TE Dok 2018/9/6 42069-DK/2018

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Veröffentlicht am 06.09.2018
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Norm

BDG 1979 §44 Abs1

Schlagworte

Unterlassen die ID einer abzuschiebenden Person festzustellen

Text

Die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres hat in der mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

N.N. wird von dem Vorwurf,

 

er habe es als Aufnahmeleiter im Polizeianhaltezentrum unterlassen, die Identität einer abzuschiebenden Person im Zuge der Entlassung aus der Einrichtung persönlich festzustellen. Dadurch konnte er nicht feststellen, dass es zu einer Verwechslung von zwei Personen gekommen ist und somit die falsche Person abgeschoben wurde,

er habe dadurch eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 44 Abs. 1 BDG i.V.m. der Wachverhaltungsvorschrift des Polizeianhaltezentrum Hernalser Gürtel, Punkt I.6.c i.V.m. § 91 BDG 1979 begangen,

gemäß § 126 Abs. 2 BDG i.V.m. § 118 Abs. 1 Zi 4 BDG freigesprochen.

Dem Beschuldigten erwachsen keine Kosten aus dem Verfahren gemäß § 117 BDG.

BEGRÜNDUNG

Der Verdacht, eine Dienstpflichtverletzung begangen zu haben, ergibt sich aus der Disziplinarverfügung der Dienstbehörde sowie des seitens des Beschuldigten über seinen Verteidiger fristgerecht eingebrachten Einspruchs gegen die Disziplinarverfügung.

Es sollte der Schubhäftling auf dem Landweg in die Slowakei abgeschoben werden. Es kam allerdings zu einer Verwechslung und es wurde stattdessen ein anderer Schubhäfling mit ähnlichem Namen (dieser wartete auf eine spätere Abschiebung auf dem Luftweg) unter Mitnahme der Effekten den falschen Häftling in die Slowakei abgeschoben.

N.N. war an diesem Tag als Aufnahmeleiter im Polizeianhaltezentrum tätig und hat es verabsäumt, die Identität der abzuschiebenden Person im Zuge der Entlassung aus dem Polizeianhaltezentrum festzustellen. Bei einer Identitätsfeststellung hätte er den Irrtum bemerkt und die Abschiebung der falschen Person verhindern können.

Der Irrtum wurde seitens der AFA noch am selben Tag festgestellt und es konnte eine Rücküberstellung veranlasst werden.

Seitens der Staatsanwaltschaft wurde von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gem. § 35c StAG abgesehen, da kein Anfangsverdacht bestanden hat.

Die Dienstbehörde hat erwogen:

Ein Beamter ist gemäß § 43 Abs. 1 u. 2 BDG 1979 verpflichtet, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit dem ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen und in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.

Gemäß § 44 Abs. 1 BDG 1979 hat der Beamte seine Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen. Vorgesetzter ist jeder Organwalter, der mit der Dienst- oder Fachaufsicht über den Beamten betraut ist.

Gemäß Punkt I.6.c der Wachverhaltungsvorschrift des Polizeianhaltezentrum Hernalser Gürtel, vom 08.09.2004, sind Entlassungen vom Aufnahmeleiter nach I-Feststellung persönlich vorzunehmen.

N.N. hat durch sein Verhalten, nämlich die Unterlassung einer persönlich durchgeführten I-Feststellung, gegen diese Bestimmungen verstoßen.

Die Dienstbehörde kann gemäß § 131 BDG 1979 ohne weiteres Verfahren schriftlich eine Disziplinarverfügung erlassen, wenn

1.) die Beamtin oder der Beamte vor der oder dem Dienstvorgesetzten, der Leiterin oder dem Leiter der Dienststelle oder vor der Dienstbehörde eine Dienstpflichtverletzung gestanden hat,

2.) eine Dienstpflichtverletzung aufgrund eindeutiger Aktenlage als erwiesen anzunehmen ist oder

3.) die Beamtin oder der Beamte wegen des der Dienstpflichtverletzung zugrundeliegenden Sachverhaltes rechtskräftig durch ein Strafgericht oder durch einen unabhängigen Verwaltungssenat bestraft wurde

und dies unter Bedachtnahme auf die für die Strafbemessung maßgebenden Gründen zur Ahndung der Dienstpflichtverletzung ausreichend erscheint.

Der Aspekt des bereits oben erwähnten Vertrauensschadens gegenüber der Allgemeinheit einerseits und die im Punkt 3 angeführte Strafbemessungsgründe andererseits machen daher die Erlassung einer Disziplinarverfügung notwendig.

Strafbemessungsgründe gemäß § 93 BDG 1979:

Als mildernd wurde die positive Dienstbeschreibung gewertet.

Erschwerend wurde gewertet, dass N.N. bereits einmal wegen einer Verwechslung eines Schubhäftlings gem. §109/2 BDG ermahnt wurde. Damals wurden ihm im Wiederholungsfall strengere disziplinäre Maßnahmen angedroht.

Gegen diese Disziplinarverfügung wurde innerhalb offener Frist ein Rechtsmittel eingebracht, weswegen nunmehr das ordentliche Verfahren einzuleiten war und eine mündliche Disziplinarverhandlung stattgefunden hat.

Die Disziplinarkommission hat dazu erwogen:

§ 44 (1) BDG: Der Beamte hat seine Vorgesetzten zu unterstützen und deren Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt, zu befolgen.

Wachverhaltungsvorschrift PAZ vom 08.09.2004:

Im Punkt 6 werden die Aufgaben des Aufnahmeleiters demonstrativ aufgezählt,

6a) Unter Aufsicht, Verantwortung und Mitwirkung des Aufnahmeleiters obliegt den Aufnahmekräften die Bearbeitung aller zu-und abgehenden Häftlingen, die in das PAZ eingeliefert

6c) Entlassungen sind vom Aufnahmeleiter nach I-Feststellung persönlich vorzunehmen sind.

6f) Dem Aufnahmeleiter sind zur Erfüllung der oa. Aufgaben bzw. zur Durchführung der nachstehenden Funktionen eine entsprechende Anzahl von Aufnahmekräften beigegeben. Die Aufteilung der Funktionen obliegt dem Aufnahmeleiter, wobei der dienstlichen Flexibilität entsprochen werden muss.

Zum Freispruch:

Der Senat ist nach Durchführung des Beweisverfahrens zu dem Erkenntnis gelangt, dass das Verfahren gemäß § 118 Abs. 1 Zi. 4 BDG einzustellen ist, da die Schuld des Beamten gering ist.

Der Vorwurf lautete dahingehend, dass der Beamte eine Identitätskontrolle bei einer Haftentlassung bzw. Abschiebung nicht persönlich durchgeführt hat, sodass ein falscher Schubhäftling abgeschoben wurde.

Im Zuge der mündlichen Verhandlung und im Beweisverfahren wurde ausführlich und klar das Geschehen dargelegt, und sowohl der Beamte als auch der Zeuge schilderten den Sachverhalt glaubwürdig und nachvollziehbar, wobei es zu KEINERLEI widersprüchlichen Aussagen gekommen ist.

Bereits der Beschuldigte gab an, dass er die Wachverhaltungsvorschrift so auslegen und so verstehen würde, dass er als Aufnahmeleiter Aufgaben delegieren könne und nicht alles – auch nicht die Identitätsfeststellung - persönlich durchführen müsse, da dies in der Praxis einfach nicht durchführbar wäre aufgrund der Vielzahl an Aufgaben. Er führte auch an, dass es keinerlei Dokumentation gebe, aus der nachvollziehbar wäre, wer nun tatsächlich die Entlassung des Schubhäftlings durchgeführt hat.

Der Beschuldigte erläuterte auch den Weg des Schubhäftlings auf der Landesabschiebung, woraus ersichtlich war, dass der Häftling bereits im PAZ von einem anderen Team übernommen wird, an die Grenze gebracht und den dortigen Grenzbeamten übergeben wird.

Es stellt sich hier schon auch die legitime Frage, ob nicht auch für diese Beamten die Verpflichtung besteht, die Dokumente und die Abzuschiebenden letztmalig zu überprüfen.

Auch der Zeuge führte aus, dass der Aufnahmeleiter Aufgaben delegieren dürfe und auch nicht verpflichtet ist, I-Feststellungen ausschließlich persönlich durchzuführen.

Es ist auch richtig, dass es keine Dokumentationsverpflichtung gebe, aus der für die Behörde nachvollziehbar wäre, wer tatsächlich die Entlassung vorgenommen hat.

Seitens der Behörde wurde eine Sachverhaltsdarstellung an die StA übermittelt. Die StA Wien hat jedoch von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gem. § 35c STAG Abstand genommen, da kein Anfangsverdacht bestanden hat.

An eine derartige Einstellung ist der Senat nicht gebunden und hat die Tatsachen und Beweise selbständig zu bewerten.

 

Gemäß § 118 Abs. 1 BDG ist das Disziplinarverfahren durch Bescheid einzustellen, wenn

1.   der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung nicht begangen hat Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit ausschließen (Strafausschließungsgründe und Strafaufhebungsgründe) (Z 1)

2.   die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Dienstpflichtverletzung darstellt (Z 2)

3.   Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen (Verfolgungshindernisse) Z 3

4.   die Schuld des Beschuldigten gering ist, die Tat keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und überdies die Bestrafung nicht geboten ist, um den Beschuldigten von der Verletzung der Dienstpflichten abzuhalten oder Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte entgegenzuwirken (Z 4).

Vorliegendenfalls ist die Schuld des Beschuldigten insofern als gering anzusehen, da zwar in der Wachverhaltungsvorschrift aus dem Jahr 1994, wiederverlautbart 2004, im Punkt 6 c angeführt wird, dass der Aufnahmeleiter nach I-Feststellung die Entlassung persönlich vorzunehmen hat, jedoch ist aus Punkt 6 f ableitbar, dass der Aufnahmeleiter die in Punkt 6 angeführten Aufgaben auch delegieren darf.

Genau diese Delegierungsbefugnis wurde auch vom Zeugen bestätigt, sodass letztlich feststeht, dass der Aufnahmeleiter die Entlassung NICHT persönlich vornehmen muss.

Dies ändert jedoch nichts an der Verantwortung des Beschuldigten als Aufnahmeleiter für das gesamte Procedere. Da es aber auch keine Dokumentationsverpflichtung für das Delegieren gibt, ist die Schuld als gering anzusehen. Die Tat hatte auch nur insofern unbedeutende Folgen nach sich gezogen, als der betroffene Schubhäftling mittels Festnahmeauftrag wieder tags darauf ins PAZ überstellt werden konnte.

Es erscheint auch nicht als notwendig, den Beschuldigten zu bestrafen um ihn von weiteren Dienstpflichtverletzungen abzuhalten oder der Verletzung von Dienstpflichten durch andere Beamte entgegenzuwirken.

Fakt ist, dass die Vorschriften hinsichtlich des Entlassungsprocedere als mangelhaft zu bezeichnen sind. Der Beamte selbst hat als Vorgesetzter Aufgaben delegiert, jedoch gibt es keine Verpflichtung zu dokumentieren, wer die Entlassung bzw. Abschiebung tatsächlich vorgenommen hat. Rückwirkend lässt sich dieser Umstand auch nicht mehr feststellen.

 

Strafbemessungsgründe gemäß § 93 BDG:

Entfallen aufgrund des Freispruchs.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zuletzt aktualisiert am

10.12.2018
Quelle: Disziplinarkommissionen, Disziplinaroberkommission, Berufungskommission Dok, https://www.ris.bka.gv.at/Dok
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