TE Lvwg Beschluss 2018/9/24 VGW-123/077/12243/2018

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Veröffentlicht am 24.09.2018
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Entscheidungsdatum

24.09.2018

Index

L72009 Beschaffung Vergabe Wien

Norm

WVRG 2014 §28
WVRG 2014 §29 Abs1
WVRG 2014 §29 Abs2
WVRG 2014 §31

Text

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Dr. Oppel über den Antrag der A. GmbH, vertreten durch …, auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung betreffend das Vergabeverfahren "VNV - Verbesserung der Notstromversorgung Notstromaggregat mit Dieseltank", den

BESCHLUSS

gefasst

I. Zur Prüfung der von der Antragstellerin behaupteten Rechtswidrigkeiten wird ein Nachprüfungsverfahren eingeleitet.

II. Folgende einstweilige Verfügung wird erlassen: Für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens wird die Erteilung des Zuschlages im obgenannten Vergabeverfahren untersagt.

III. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Begründung

Die Antragsgegnerin ist öffentliche Auftraggeberin und führt ein offenes Verfahren im Oberschwellenbereich zur Vergabe eines Bauauftrages betreffend Verbesserung der Notstromversorgung, Notstromaggregat mit Dieseltank, im Unterschwellenbereich.

Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin am 11.9.2018 die Zuschlagsentscheidung mit gleichem Datum zugestellt und darin mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, einem anderen Unternehmer den Zuschlag zu erteilen.

Die Antragstellerin hat gegen diese Zuschlagsentscheidung zunächst am 14.9.2014 (Datum der Einbringung) einen mangelhaften Nichtigerklärungsantrag eingebracht. Dieser war als Beschwerde bezeichnet, umfasste keinen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung und enthielt nicht alle Formalerfordernisse für einen Antrag auf Nichtigerklärung.

Das Verwaltungsgericht erteilte daraufhin der Antragstellerin mit Schreiben vom 14.9.2018 einen Verbesserungsauftrag.

Auf Grund dieses Verbesserungsauftrages brachte die Antragstellerin am 18.9.2018 einen verbesserten Antrag auf Nichtigerklärung ein. Gleichzeitig brachte die Antragstellerin auch einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ein.

Die Antragsgegnerin hat mit Schreiben vom 18.9.2018 die für die Gebührenbestimmung wesentlichen Daten des Vergabeverfahrens bekanntgegeben und sich mit Schreiben vom 20.9.2018 gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung ausgesprochen. Als Argument führte die Antragsgegnerin an, gemäß § 20 WVRG 2014 könne der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung vor dem Antrag auf Nichtigerklärung oder spätestens gleichzeitig mit dem Antrag auf Nichtigerklärung gestellt werden. Da der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung erst nach dem Antrag auf Nichtigerklärung gestellt worden sei, sei er unzulässig.

Es wurde erwogen:

Die §§ 28, 29 und 31 WVRG 2014 lauten:

„§ 28. Das Verwaltungsgericht Wien hat auf Antrag einer Unternehmerin oder eines Unternehmers, der oder dem die Antragsvoraussetzungen nach § 20 nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen der Antragstellerin oder des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern. Der Antrag kann gleichzeitig mit einem Antrag auf Nichtigerklärung oder nach Maßgabe des § 29 Abs. 2 vor diesem gestellt werden.

§ 29. (1) Der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat zu enthalten:

1. die genaue Bezeichnung des betreffenden Vergabeverfahrens, der gesondert anfechtbaren Entscheidung, der Auftraggeberin oder des Auftraggebers sowie der Antragstellerin oder des Antragstellers, jeweils einschließlich deren Faxnummer oder elektronischer Adresse,

2. eine Darstellung des maßgeblichen Sachverhaltes sowie des Vorliegens der in § 20 Abs. 1 genannten Voraussetzungen,

3. die genaue Bezeichnung der behaupteten Rechtswidrigkeit,

4. die genaue Darlegung der unmittelbar drohenden Schädigung der Interessen der Antragstellerin oder des Antragstellers und eine Glaubhaftmachung der maßgeblichen Tatsachen,

5. die genaue Bezeichnung der begehrten vorläufigen Maßnahme und

6. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob der Antrag rechtzeitig eingebracht wurde.

(2) Wenn noch kein Nichtigerklärungsantrag zur Bekämpfung der geltend gemachten Rechtswidrigkeit gestellt wurde, ist der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nur zulässig, wenn er vor Ablauf der in § 24 festgelegten Frist für die Geltendmachung der betreffenden Rechtswidrigkeit eingebracht wird.

(3) Ein Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ist unzulässig, wenn er trotz Aufforderung binnen der gesetzten Frist nicht ordnungsgemäß gemäß § 15 vergebührt wurde.

§ 31. (1) Im Verfahren zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung muss keine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt werden.

(2) Parteien des Verfahrens zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung sind die Antragstellerin oder der Antragsteller und die Auftraggeberin oder der Auftraggeber.

(3) Wird ein Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zwar rechtzeitig gestellt, in weiterer Folge aber bis zum Ablauf der in § 24 bezeichneten Frist kein zulässiger Nichtigerklärungsantrag zur Bekämpfung der im Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung bezeichneten Rechtswidrigkeit gestellt oder ein bereits gestellter Nichtigerklärungsantrag nach Ablauf der Antragsfrist wieder zurückgezogen, ist das Verfahren zur Erlassung der einstweiligen Verfügung formlos einzustellen. Eine allenfalls erlassene einstweilige Verfügung tritt in diesem Fall mit Ablauf der in § 24 bezeichneten Frist oder mit dem Zeitpunkt der Zurückziehung des Nichtigerklärungsantrages außer Kraft. Das Verwaltungsgericht Wien hat die Antragstellerin oder den Antragsteller und die Auftraggeberin oder den Auftraggeber vom Außer-Kraft-Treten der einstweiligen Verfügung zu verständigen.

(4) Vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat das Verwaltungsgericht Wien die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen der Antragstellerin oder des Antragstellers, der sonstigen Bewerberinnen oder Bewerber oder Bieterinnen oder Bieter und der Auftraggeberin oder des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Interessenabwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen. In Nachprüfungsverfahren betreffend die Vergabe von Aufträgen nach dem BVergGVS 2012 sind bei der Interessenabwägung insbesondere auch Verteidigungs- und Sicherheitsinteressen zu berücksichtigen.

(5) Ein entgegen einer Anordnung in einer einstweiligen Verfügung erteilter Zuschlag, erfolgter Abschluss einer Rahmenvereinbarung bzw. erklärter Widerruf des Vergabeverfahrens ist absolut nichtig bzw. unwirksam.

(6) Mit einer einstweiligen Verfügung können das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen der Auftraggeberin oder des Auftraggebers bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Wien über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.

(7) In einer einstweiligen Verfügung ist die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Wien über den Antrag auf Nichtigerklärung, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wurde, außer Kraft. Das Verwaltungsgericht Wien hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, sobald die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Das Verwaltungsgericht Wien hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, nach Ablauf der bestimmten Zeit fortbestehen.

(8) Einstweilige Verfügungen sind sofort vollstreckbar.“

Gemäß § 28 letzter Satz WVRG 2014 kann der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung gleichzeitig mit einem Antrag auf Nichtigerklärung oder nach Maßgabe des § 29 Abs. 2 WVRG gestellt werden.

Die Auslegung dieser Gesetzesstelle durch die Antragsgegnerin würde bedeuten, dass Antragstellerinnen für etwaige Anträge auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Unterschwellenbereich nicht eine Frist von einer Woche zur Verfügung stünde, sondern sich die Frist entsprechend verkürzen würde, wenn sich die Antragstellerin entschließen sollte, einen Antrag auf Nichtigerklärung früher als am letzten Tag der Frist einzubringen. Zugleich würde die Auslegung dieser Gesetzesstelle durch die Antragsgegnerin voraussetzen, dass es der Antragstellerin verwehrt wäre, innerhalb offener Frist für Nichtigerklärungsanträge einen bereits eingebrachten Antrag gegen einen neuen Antrag, dem auch ein Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung angeschlossen ist, auszutauschen.

Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes wäre eine solche Gesetzesauslegung unzutreffend.

Zum einen steht der Antragstellerin für etwaige Nichtigerklärungsanträge auch dann die gesamte Antragsfrist zur Verfügung, wenn sie – wie im Anlassfall – bereits mehrere Tage vor Ablauf der Frist einen Nichtigerklärungsantrag einbringt. Sie kann innerhalb offener Frist ihren Nichtigerklärungsantrag durch eine verbesserte Version ersetzen. Dies ist im Anlassfall erfolgt, weil die Verbesserung noch innerhalb der offenen, einwöchigen Frist des § 24 Abs. 2 WVRG 2014 erfolgt ist. Wenn die Antragsgegnerin der Ansicht ist, dass der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung spätestens zugleich mit dem Antrag auf Nichtigerklärung eingebracht werden muss, so ist ihr entgegen zu halten, dass diese von der Antragsgegnerin angenommene Voraussetzung erfüllt ist, weil der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung gleichzeitig mit dem Antrag auf Nichtigerklärung vom 20.9.2018 innerhalb offener Frist des § 24 Abs. 2 WVRG 2014 eingebracht worden ist.

Zum anderen ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes dem § 29 WVRG 2014 nicht der Zweck zu entnehmen, eine etwaige frühzeitige Einbringung eines Nichtigerklärungsantrages durch eine Verkürzung der Frist zur Einbringung eines Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung pönalisieren und dadurch einen Anreiz schaffen zu wollen, etwaige Nachprüfungsanträge möglichst erst am letzten Tag der Frist einzubringen. Die Bestimmung des § 28 Abs. 2 WVRG 2014 trifft eine ausdrückliche Aussage darüber, dass ein Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung bereits vor einem Antrag auf Nichtigerklärung eingebracht werden kann. Die umgekehrte Situation, dass die Antragstellerin bei einer einwöchigen Frist den Antrag auf Nichtigerklärung bereits am dritten Tag der Frist und den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung am siebenten Tag der Frist einbringt, wird dadurch nicht ausgeschlossen. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes ist § 28 letzter Satz WVRG auch in einem solchen Sinne zu verstehen.

Der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ist daher rechtzeitig.

Die Antragstellerin hat die ordnungsgemäße Entrichtung der Pauschalgebühren nachgewiesen.

Gemäß § 32 erster Satz WVRG 2014 ist über Anträge auf Erlassung einstweiliger Verfügungen unverzüglich, längstens jedoch binnen sieben Werktagen nach Einlangen des Antrages, zu entscheiden. Eine längere Entscheidungsfrist, nämlich von 10 Werktagen, ist lediglich für den Fall vorgesehen, dass der Antrag zur Verbesserung zurückgestellt wurde.

Der Antragstellerin fehlen die Antragsvoraussetzungen nach § 20 WVRG nicht offenkundig. Im Falle der Fortführung des Vergabeverfahrens würde der Antragstellerin eine unmittelbare Schädigung insoweit drohen, als die Antragstellerin den Zuschlag nicht mehr erhalten könnte.

Es war das Interesse der Antragstellerin an der Erlassung einer einstweiligen Verfügung gegenüber etwaigen Interessen der Antragsgegnerin gegen deren Erlassung abzuwägen. Interessen der Antragsgegnerin gegen deren Erlassung wurden von dieser nicht vorgebracht und sind auch amtswegig nicht ersichtlich.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Einstweilige Verfügung; Antrag; Rechtzeitigkeit; Interessenabwägung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.123.077.12243.2018

Zuletzt aktualisiert am

12.12.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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