Entscheidungsdatum
09.10.2018Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
AVG §10 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch die Richterin Mag. Winter über die Beschwerde des Herrn S. G., vertreten durch seine Ehefrau A. L., vom 13. August 2018 gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat …, vom 19. Juli 2018, Zl. …, mit welchem der Antrag vom 10. Oktober 2017 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mangels Parteistellung gemäß § 8 AVG 1991 iVm § 33 VwGVG zurückgewiesen wurde, zu Recht e r k a n n t:
I. Gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Mit der dem gegenständlichen Beschwerdeverfahren zu Grunde liegenden an Frau A. L., der Frau des Einschreiters, gerichteten Strafverfügung der Landespolizeidirektion Wien vom 7. September 2017 zur GZ: … wurde über diese wegen mehrerer Übertretungen der Fahrradverordnung eine Geldstrafe in Höhe von insgesamt EUR 160,00 verhängt.
Dagegen hatte die Frau des Einschreiters einen Einspruch erhoben, welcher mit an sie gerichtetem Bescheid der Landespolizeidirektion Wien vom 4. Oktober 2017 als verspätet zurückgewiesen wurde.
Daraufhin hatte Herr G., der Ehefrau der Einschreiterin, einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand – auch bezüglich des seine Ehefrau betreffenden Zurückweisungsbescheides wegen verspäteter Einbringung des Rechtsmittels – bei der belangten Behörde eingebracht. In diesem Wiedereinsetzungsantrag verwendet der Einbringer, der sich darin auch als Ehemann der Einschreiterin deklariert, durchgehend die „Wir-Form“ und nimmt auch mehrmals ausdrücklich auf seine Ehefrau Bezug.
In der Folge hat die belangte Behörde – ohne einen Verbesserungsantrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG an den einschreitenden Ehemann zu richten – den von ihm eingebrachten Antrag auf Wiedereinsetzung mit dem nunmehr beschwerdegegenständlichen Bescheid vom 19. Juli 2018 mangels Parteistellung zurückgewiesen.
Gegen diesen an ihren Gatten adressierten Zurückweisungsbescheid hatte dessen Frau fristgerecht eine Beschwerde eingebracht. In diesem wurde eingewendet, dass die Behörde vor Zurückweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verpflichtet gewesen wäre, dem einschreitenden Ehemann die Verbesserung des Nachweises der fehlenden Bevollmächtigung binnen einer bestimmten Frist aufzutragen, mit dem Hinweis, dass andernfalls das Ansuchen zurückzuweisen sei.
Mit Schreiben des Verwaltungsgerichtes Wien vom 25. September 2018 wurde der die Beschwerde einbringenden Ehegattin aufgetragen, glaubhaft zu machen, dass die zur Zeitpunkt der Einbringung der Beschwerde von ihrem Ehegatten hiezu bevollmächtigt gewesen ist. Diesem Verbesserungsauftrag ist die Ehefrau des Einschreiters fristgerecht nachgekommen und hat glaubhaft gemacht, zur Vertretung ihres Gatten hinsichtlich der Einbringung der Beschwerde gegen den an ihn adressierten Zurückweisungsbescheid bevollmächtigt gewesen zu sein.
Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:
Die für das gegenständliche Verfahren relevanten gesetzlichen Bestimmungen der §§ 13 Abs. 3 und 13a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG, BGBl. Nr. 51/1991 in der derzeit gültigen Fassung lauten:
Mängel schriftlicher Anbringen ermächtigen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.
Die Behörde hat Personen, die nicht durch berufsmäßige Parteienvertreter vertreten sind, die zur Vornahme ihrer Verfahrenshandlungen nötigen Anleitungen in der Regel mündlich zu geben und sie über die mit diesen Handlungen oder Unterlassungen unmittelbar verbundenen Rechtsfolgen zu belehren.
Wenn - wie im gegenständlich vorliegenden Fall - ein eingebrachter Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand durchgehend Hinweise enthält (Ehemann der Bescheidadressatin, Verwendung der „Wir-Form“ im gesamten Antragsvorbringen), dass der Einbringer von der betreffenden Partei zur Einbringung des Schriftsatzes bevollmächtigt gewesen sein könnte, dann muss die belangte Behörde, bevor sie dieses Anbringen mangels Parteistellung zurückweist, diesen Hinweisen nachgehen und dem Einbringer Gelegenheit zur Verbesserung des Mangels der fehlenden nachgewiesenen Bevollmächtigung bieten. Dies insbesondere in Fällen wo keine anwaltliche Vertretung vorliegt und zwar mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass – wenn die Bevollmächtigung im Einbringungszeitpunkt nicht entsprechend glaubhaft gemacht wird, das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf der für die Mängelbehebung bestimmten Frist zurückgewiesen wird. (vgl. hiezu z.B. VwGH 3.10.2013, 2012/06/0185, VwGH 23.6.2010, 2010/06/0041).
Da sich aus dem vom Ehemann der Einschreiterin per E-Mail eingebrachten Wiedereinsetzungsantrag bereits aus der Diktion des Schriftsatzes ergibt, dass er diesen Schriftsatz auch im Namen seiner Frau einreichen möchte, hätte die belangte Behörde vor Erlassung des bekämpften Zurückweisungsbescheides dem einschreitenden Ehemann Gelegenheit zur Behebung des Mangels des fehlenden Nachweises der Bevollmächtigung unter Hinweis auf die Rechtsfolgen einräumen müssen. Denn nur wenn sich in einem Antrag einer dritten Person gar kein Hinweis auf eine allenfalls erteilte Bevollmächtigung durch die Partei findet, wäre die belangte Behörde zur sofortigen Zurückweisung berechtigt gewesen, was aber hier nicht der Fall ist, da zum einen der Einschreiter der Ehemann der Bescheidadressatin ist, und zum anderen im gesamten Schriftsatz auch auf seine Frau Bezug genommen wurde.
Nach Artikel 133 Absatz 4 B-VG ist die ordentliche Revision zulässig, wenn eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, insbesondere weil das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Ein Vergleich der Regelungen zum Ablehnungsmodell gemäß Artikel 131 Absatz 3 B-VG aF mit dem Revisionsmodell nach Artikel 133 Absatz 4 B-VG zeigt, dass diese Bestimmungen nahezu ident sind. Zur Auslegung des Begriffs „Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung“ kann auf die bisherige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Ablehnungsrecht nach Artikel 131 Absatz 3 B-VG aF zurückgegriffen werden (in diesem Sinne Thienel, Neuordnung der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Die Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit durch die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, 74).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Artikel 131 Absatz 3 B-VG aF liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dann vor, wenn die Entscheidung der Sache im Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen, auf zusätzliche Argumente gestützten Rechtsprechung liegt. Das ist dann der Fall, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, die auch für eine Reihe anderer gleichgelagerter Fälle von Bedeutung ist und diese durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bisher nicht abschließend geklärt worden ist. Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage des materiellen oder formellen Rechts handeln (vgl. Paar, ZfV, 892)
Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt ebenfalls dann nicht vor, wenn die Rechtsfrage klar aus dem Gesetz lösbar ist (vgl. Köhler, ecolex 2013, 596, mit weiteren Nachweisen).
Da dies im gegenständlichen Fall nicht vorliegt, sondern vielmehr zu den verfahrensrelevanten Rechtsfragen bereits eine langjährige und einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt, war die ordentliche Revision nicht zuzulassen.
Schlagworte
Verbesserungsfähiger Mangel; Mängelbehebungsauftrag; Manuduktionspflicht; Nachweis der BevollmächtigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.031.062.11761.2018Zuletzt aktualisiert am
06.12.2018