Entscheidungsdatum
10.12.2018Norm
MSG Vlbg 2010 §8 Abs1Text
Im Namen der Republik!
Erkenntnis
Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg hat durch sein Mitglied Mag. Pathy über die Beschwerde der L Z, E, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Stefan Denifl, Dornbirn, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft B vom 18.06.2018 betreffend Mindestsicherung, zu Recht erkannt:
Gemäß § 28 Abs 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde Folge gegeben und der angefochtene Bescheid so abgeändert, dass im Spruch
? der Ausdruck „bis 30.09.2018“ ersatzlos entfällt; und
? der Satz „Die Bewilligung erfolgt unter der Auflage, dass umgehend Vorkehrungen zur Vermietung des Wohnhauses in B, i F XX zu EZ YY, GB B, getroffen werden.“ ersatzlos entfällt.
Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig.
Begründung
Einleitung
1. Der Verfassungsgesetzgeber hat beschlossen, dass im Rahmen der Sozialhilfe zur Abdeckung der Pflegekosten nicht auf das Vermögen von Personen zugegriffen werden darf, die in einer stationären Pflegeeinrichtung untergebracht sind (vgl. § 330a ASVG; Verbot des Pflegeregresses).
Im Mindestsicherungsgesetz (MSG) ist vorgesehen, dass bei der Bemessung der Mindestsicherung das Vermögen von Personen, die in einer stationären Pflegeeinrichtung untergebracht sind, überhaupt nicht berücksichtigt werden darf (vgl. § 8 Abs 3 letzter Satz MSG).
Die Behörde hat einer Pflegeheimbewohnerin Mindestsicherung lediglich unter der Auflage bewilligt, dass sie Vorkehrungen zur Vermietung ihrer leerstehenden Wohnung trifft.
In diesem Verfahren geht es in erster Linie um die Frage, ob mit dieser Auflage auf ein Vermögen zugegriffen oder ein Vermögen berücksichtigt wird. In diesem Fall würde die Auflage gegen das Verbot des Pflegeregresses verstoßen.
Das Landesverwaltungsgericht kommt zum Ergebnis, dass diese Auflage nicht rechtens ist.
Angefochtener Bescheid
2. Im angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführerin von Jänner 2018 bis September 2018 Mindestsicherung gewährt. Der Spruch des Bescheides lautet auszugsweise:
„Für Frau L[…] Z[…] werden die Unterkunfts- und Verpflegskosten im Sozialzentrum E[…] ab dem 01.01.2018 bis 30.09.2018 übernommen.
Frau L[…] Z[…] muss von den eigenen Einkünften einsetzen
a) 80 % der monatlichen Pension sowie
b) das Pflegegeld, soweit es 10 % der Stufe 3 übersteigt.
Die Bewilligung erfolgt unter der Auflage, dass umgehend Vorkehrungen zur Vermietung des Wohnhauses in […], getroffen werden.
Rechtsgrundlage: […].
[…]“.
Beschwerde
3. Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin rechtzeitig Beschwerde erhoben. Sie lautet auszugsweise (ohne Unterstreichungen oder Hervorhebungen):
„[…]
Die Bewilligung erfolgt unter der Auflage, dass umgehend Vorkehrungen zur Vermietung des Wohnhauses […] getroffen werden.
[…]
Dazu wird ausgeführt wie folgt:
[…]
Aufgrund der neuen Gesetzeslage darf daher auf das Vermögen von Angehörigen und der Betroffenen nicht mehr zugegriffen werden.
Die genannte Liegenschaft stellt einen Vermögenswert dar. Eine Vermietung erfolgte bis dato nicht, da die Betroffene noch bis Oktober 2017 in diesem Elternwohnhaus selbst wohnte und betreut wurde.
Der Gesetzgeber möchte mit diesem Verbot des Pflegeregresses jeglichen Rückgriff auf Vermögen ab dem 01.01.2018 untersagen.
Es darf kein Unterschied gemacht werden, ob die Liegenschaft bebaut ist oder nicht.
Eine Vermietung könnte allenfalls dann in Betracht gezogen werden, wenn zum Zeitpunkt des Mindestsicherungsantrages schon das Objekt fremd vermietet wurde.
Darüber hinaus handelt es sich um ein kleines, über 60 Jahre altes Eigenheim, welches möglicherweise wieder von der Betroffenen selbst in Anspruch genommen werden könnte (mit Pflegebegleitung) und zudem an dritte Personen ohne vorherige Sanierung nicht zu vermieten ist.
[…]
Aus den beiliegenden Unterlagen ergeben sich mehrere gravierende Mängel am Wohnhaus. Vor einer Vermietung würden hohe Instandsetzungskosten anfallen, welche von der Betroffenen nicht bezahlt werden können und zudem auch wirtschaftlich nicht vertretbar sind.
Sofern ohne Sanierungsarbeiten vermietet würde, hätte der Mieter laufend Ansprüche darauf, dass das Mietobjekt in einen ordnungsgemäßen und ortsüblichen Standard versetzt würde.
Dem Antrag auf Mindestsicherung hätte daher unbefristet und ohne Auflage stattgegeben werden müssen.
[…]“
Die Beschwerdeführerin hat daher beantragt, den angefochtenen Bescheid insofern abzuändern, als dass dem Antrag auf Übernahme der Unterkunfts- und Verpflegskosten aus Mitteln der Mindestsicherung unbefristet und ohne Auflage stattgegeben wird.
Sachverhalt
4. Die Beschwerdeführerin lebt seit Jänner 2018 in einem Pflegeheim. Sie ist pflegebedürftig.
Sie hat Mindestsicherung für die Übernahme der Unterkunfts- und Verpflegskosten beantragt. Die Behörde hat diesen Antrag mit dem angefochtenen Bescheid erledigt.
5. Die Beschwerdeführerin bezieht eine Pension (1.072,42 Euro monatlich netto). Außerdem erhält sie Pflegegeld der Stufe 6 (1.285,20 Euro monatlich). Weiteres Einkommen hat sie nicht.
6. Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin einer Liegenschaft (eines Wohnhauses). Das Wohnhaus steht leer und wird nicht vermietet.
Die Beschwerdeführerin hat kein weiteres Vermögen.
Erwägungen zur Feststellung des Sachverhalts
7. Dieser Sachverhalt wird auf Grund des Akteninhaltes als erwiesen angenommen. Er ist unstrittig.
8. Eine mündliche Verhandlung war nicht erforderlich. Der rechtliche relevante Sachverhalt ist unstrittig. Es stand bereits aufgrund der Aktenlage fest, dass der Beschwerde Folge gegeben werden muss. Außerdem waren im Verfahren lediglich Rechtsfragen zu beurteilen. Eine mündliche Verhandlung hätte keine weitere Klärung dieser Fragen erwarten lassen. Die Bezirkshauptmannschaft hat auf die Durchführung einer Verhandlung verzichtet.
Maßgebliche Rechtsvorschriften
9. Das Gesetz über die Mindestsicherung (MSG), LGBl.Nr. 64/2010, in der Fassung LGBl.Nr. 37/2018, lautet auszugsweise:
„§ 5
Kernleistungen (Lebensunterhalt, Wohnbedarf, Schutz bei Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung sowie Bestattungskosten)
[(1) und (2) …]
(3) Bei Hilfsbedürftigen, die in einer stationären Einrichtung untergebracht sind, weil sie nur dort ihre Bedürfnisse nach Abs. 1 und 2 stillen können, umfassen der Lebensunterhalt und der Wohnbedarf jedenfalls auch den Aufwand für die dort anfallenden Unterkunfts- und Verpflegskosten.
[(4) und (5) …]
[…]
§ 8
Form und Ausmaß der Mindestsicherung
(1) Mindestsicherung wird grundsätzlich in Form von Geldleistungen gewährt. […]; weiters kann eine Geldleistung an einen Hilfsbedürftigen, der nach § 5 Abs. 3 in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, durch Zahlung an den Rechtsträger der stationären Einrichtung erbracht werden. […] Das Ausmaß der Mindestsicherungsleistung ist im Einzelfall unter Berücksichtigung eines zumutbaren Einsatzes der eigenen Kräfte, insbesondere der eigenen Arbeitskraft, und Mittel zu bestimmen.
(2) Beim Einsatz der eigenen Kräfte ist auf die persönliche und familiäre Situation des Hilfsbedürftigen, insbesondere auf den Gesundheitszustand, das Lebensalter, die Arbeitsfähigkeit, die Zumutbarkeit einer Beschäftigung, die geordnete Erziehung der Kinder, die Führung eines Haushaltes und die Pflege von Angehörigen Bedacht zu nehmen.
(3) Die eigenen Mittel, wozu das gesamte Vermögen und Einkommen gehört, dürfen bei der Bemessung der Mindestsicherung insoweit nicht berücksichtigt werden, als dies mit der Aufgabe der Mindestsicherung unvereinbar wäre oder für den Hilfsbedürftigen oder dessen Angehörige eine besondere Härte bedeuten würde. Kleinere Einkommen und Vermögen, insbesondere solche, die der Berufsausübung dienen, sind nicht zu berücksichtigen. […]. Bei Personen, die in stationären Pflegeeinrichtungen untergebracht sind, ist das Vermögen überhaupt nicht zu berücksichtigen.
[(4) bis (6b) …]
(7) Die Landesregierung hat durch Verordnung nähere Vorschriften über die Arten, die Form und das Ausmaß der Mindestsicherung zu erlassen; weiters darüber, inwieweit das Vermögen und das Einkommen nicht zu berücksichtigen sind. […].
(8) […]
[…]
§ 39
Entscheidungsfrist, Beschwerde, Unwirksamkeit des Beschwerdeverzichts
(1) […]
(2) Bescheide nach diesem Gesetz sind schriftlich zu erlassen. Bescheide über die Gewährung der Mindestsicherung können unter Vorschreibung von Auflagen, Bedingungen und Befristungen erlassen werden, soweit dies zur Sicherstellung der gesetzlichen Voraussetzung des zumutbaren Einsatzes der eigenen Kräfte und Mittel (§ 8 Abs. 1 bis 3) erforderlich ist.
(3) […]“
10. Die Verordnung der Landesregierung über die Gewährung von Mindestsicherung (Mindestsicherungsverordnung - MSV), LGBl.Nr. 71/2010, in der Fassung LGBl.Nr. 1/2018, lautet auszugsweise:
„§ 9
Berücksichtigung von eigenen Mitteln sowie Leistungen Dritter
(1) Nach Maßgabe der Abs. 2 bis 6 sind bei der Ermittlung des Anspruchs auf Leistungen der Mindestsicherung
[a) und b) …]
c) in einer stationären Pflegeeinrichtung die Einkünfte der hilfsbedürftigen Person sowie die ihr zur Verfügung stehenden Leistungen Dritter
zu berücksichtigen.
[(2) und (3) …]
(4) Bei der Ermittlung des Anspruchs gemäß Abs. 1 dürfen Vermögen nicht berücksichtigt werden, wenn durch deren Verwertung eine Notlage erst ausgelöst, verlängert oder deren Überwindung gefährdet werden könnte. Dies gilt für
[a) bis h) …],
i) Vermögen von Personen, die in einer stationären Pflegeeinrichtung untergebracht sind.
[(5) und (6) …]“
11. Das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz (ASVG) lautet auszugsweise:
„ABSCHNITT IIa
Verbot des Pflegeregresses
[BGBl. Nr. 189/1955 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 125/2017]
§ 330a. (Verfassungsbestimmung) Ein Zugriff auf das Vermögen von in stationären Pflege-einrichtungen aufgenommenen Personen, deren Angehörigen, Erben/Erbinnen und Geschenknehmer/inne/n im Rahmen der Sozialhilfe zur Abdeckung der Pflegekosten ist unzulässig.
[…]
Weitere Schlussbestimmungen zu Art. 1 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 125/2017
[BGBl. Nr. 189/1955 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 125/2017]
§ 707a. (1) […]
(2) (Verfassungsbestimmung) § 330a samt Überschrift in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 125/2017 tritt mit 1. Jänner 2018 in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt dürfen Ersatzansprüche nicht mehr geltend gemacht werden, laufende Verfahren sind einzustellen. Insoweit Landesgesetze dem entgegenstehen, treten die betreffenden Bestimmungen zu diesem Zeit-punkt außer Kraft. Nähere Bestimmungen über den Übergang zur neuen Rechtslage können bundesgesetzlich getroffen werden. Die Durchführungsverordnungen zu einem auf Grund dieser Bestimmung ergehenden Bundesgesetz sind vom Bund zu erlassen.“
Rechtliche Beurteilung
12. Die Beschwerdeführerin hat im angefochtenen Bescheid Mindestsicherung für die Zeit von Jänner 2018 bis September 2018 erhalten. Sie hat in dieser Zeit in einer stationären Pflegeeinrichtung gelebt. Die Mindestsicherung wurde unter der Auflage gewährt, dass umgehend Vorkehrungen zur Vermietung eines Wohnhauses getroffen werden.
Die Beschwerde richtet sich gegen diese Auflage und gegen die Befristung der Mindestsicherung.
Unbestimmtheit der Auflage
13. Die Mindestsicherung kann unter Vorschreibung von Auflagen, Bedingungen und Befristungen erlassen werden, soweit dies zur Sicherstellung der gesetzlichen Voraussetzung des zumutbaren Einsatzes der eigenen Kräfte und Mittel erforderlich ist (vgl § 39 Abs 2 MSG).
Wer gegen Auflagen verstößt, die in einem Bescheid vorgeschrieben wurden, begeht eine Verwaltungsübertretung (vgl § 43 Abs 1 lit c MSG).
In einer Auflage wird eine Verpflichtung des Bescheidadressaten normiert. Die Auflagen müssen so bestimmt gefasst sein, dass einerseits dem Bescheidadressaten die Möglichkeit gegeben ist, der Auflage zu entsprechen und andererseits ohne weiteres Ermittlungsverfahren und neuerlicher Entscheidung eine Vollstreckungsverfügung im Rahmen einer allfälligen Ersatzvornahme ergehen kann (vgl VwGH 19.12.2013, 2010/07/0027).
14. Der Beschwerdeführerin wurde die Auflage vorgeschrieben, Vorkehrungen zur Vermietung eines Wohnhauses zu treffen.
Im Bescheid wird nicht näher ausgeführt, welche Vorkehrungen getroffen werden müssen. Damit ist nicht ausreichend klar umschrieben, welche Handlungen die Beschwerdeführerin setzen muss, um die Auflage zu erfüllen. Die Auflage ist nicht ausreichend bestimmt und daher rechtswidrig.
Verbot des Pflegeregresses
15. Eine nähere Konkretisierung dieser Auflage war nicht möglich. Die Auflage ist nämlich auch deshalb rechtswidrig, weil sie im Ergebnis auf eine Vermietung und damit auf einen Zugriff auf das Vermögen einer Person abzielt, was dem „Verbot des Pflegeregresses“ widerspricht. Das begründet sich wie folgt:
16. Nach § 8 Abs 3 letzter Satz MSG ist bei Personen, die in stationären Pflegeeinrichtungen untergebracht sind, das Vermögen „überhaupt nicht zu berücksichtigen“.
Mit dieser Regelung wird „in Übereinstimmung mit den Änderungen des SV-ZG, BGBl. I Nr. 125/2017, [wird] klargestellt, dass das Vermögen von in stationären Pflegeeinrichtungen untergebrachten Personen, die Mindestsicherung beziehen, bei der Beurteilung der Hilfsbedürftigkeit bzw. bei der Bemessung der Mindestsicherung nicht berücksichtigt werden darf“ (vgl. Erläuterungen zur RV 119/2017).
17. Das MSG enthält keine Definition des Wortes „berücksichtigen“. Im gewöhnlichen Sprachgebrauch bedeutet „berücksichtigen“: etwas „beachten“, „nicht übergehen“, „in Betracht ziehen“, „in Rechnung stellen“ oder „in seine Überlegungen miteinbeziehen“ (vgl. Brockhaus Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 1. Band 1980, Seite 621).
Die Behörde muss daher eine Wohnung „übergehen“, wenn sie die Hilfsbedürftigkeit beurteilt oder die Mindestsicherung bemisst. Sie darf die Wohnung nicht „in ihre Überlegungen miteinbeziehen“.
18. Wenn die Behörde anordnet, dass Vorkehrungen für eine Vermietung getroffen werden müssen, dann wird die Wohnung – und damit ein Vermögen – berücksichtigt und in die Überlegungen der Behörde miteinbezogen. Gerade das verbietet der § 8 Abs 3 letzter Satz MSG.
19. Dieses Ergebnis wird auch durch den § 9 Abs 4 MSV bestätigt. Im § 9 Abs 4 lit a bis i MSV hat der Verordnungsgeber jenes Vermögen aufgezählt, das die Behörde nicht berücksichtigen darf.
Im Einleitungssatz des § 9 Abs 4 MSV ist davon die Rede, dass Vermögen nicht berücksichtigt werden darf, wenn durch deren „Verwertung“ eine Notlage erst ausgelöst, verlängert oder deren Überwindung gefährdet werden könnte.
Der Zusammenhang mit den Einleitungssatz zeigt, dass der Verordnungsgeber im § 9 Abs 4 lit a bis i MSV jene Vermögenswerte aufgezählt hat, durch deren Verwertung eine Notlage erst ausgelöst etc. würde. Somit ist davon auszugehen, dass der Verordnungsgeber diese aufgezählten Vermögenswerte für nicht verwertbar hält.
20. Etwas „verwerten“ bedeutet, etwas (noch für etwas) „verwenden“, „ausnützen“, „gebrauchen“, oder „einen Nutzen daraus ziehen“ (vgl Brockhaus Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 6. Band 1984, Seite 561).
Durch die Vermietung einer Liegenschaft wird sie gebraucht und es wird aus ihr ein Nutzen gezogen. Sie ist eine Form der Verwertung einer Liegenschaft und damit nicht zulässig.
21. Die Verpflichtung zur Vermietung ist ein weniger starker Eingriff als die Verpflichtung zur Veräußerung.
Es gibt aber keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber oder der Verordnungsgeber bestimmte Formen der „Verwertung“ oder der „Berücksichtigung“ von Vermögen erlauben wollte.
Durch die Formulierung „überhaupt nicht“ im § 8 Abs 3 letzter Satz MSG bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass das Vermögen „ganz und gar nicht“ berücksichtigt werden darf. Jede Form der Berücksichtigung oder Verwertung ist unzulässig, also auch die Vermietung.
22. Dieses Auslegungsergebnis entspricht auch dem § 330a ASVG, der den „Zugriff auf das Vermögen“ von in stationären Pflegeeinrichtungen aufgenommenen Personen verbietet.
Die Vermietung setzt einen Zugriff auf die Wohnung voraus, weil durch die Vermietung andere Formen der Nutzung oder Verwertung der Wohnung verhindert werden. Die Anordnung einer Vermietung beinhaltet daher einen Zugriff auf die Wohnung.
Dieser Zugriff mag nicht so gravierend sein wie bei einer Veräußerung der Wohnung. Dem § 330a ASVG lässt sich aber nicht entnehmen, dass nur bestimmte Formen des Zugriffs verboten sind.
23. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass es dem Landesgesetzgeber frei stünde, über das verfassungsgesetzlich Gebotene hinauszugehen. Der Landesgesetzgeber könnte bestimmte Formen des Zugriffs auf ein Vermögen (z.B die Vermietung) auch dann verbieten, wenn dieses Verbot nicht von der Verfassungsbestimmung des § 330a ASVG erfasst wäre.
24. Die Bezirkshauptmannschaft begründet die Auflage mit dem „Subsidiaritätsprinzip“, wonach vor Gewährung der Mindestsicherung im Rahmen des Einsatzes der eigenen Kräfte und Mittel vorrangig die eigenen Einkünfte einzusetzen sind.
Dazu ist zunächst anzumerken, dass die Beschwerdeführerin keine Einkünfte aus der Vermietung des Wohnhauses bezieht. Die Auflage zielt auf den Einsatz des Vermögens (des Wohnhauses) ab, um Einkünfte (Mieteinnahmen) zu erzielen. Das Wohnhaus zählt jedoch gemäß § 9 Abs 4 lit i MSV zum „freigelassenen“ Vermögen, dessen Einsatz (Verwertung) nicht verlangt werden darf. Andernfalls würde es sich nicht um „freigelassenes“ Vermögen handeln.
25. Da die Auflage zu entfallen hat und daher mit einer künftigen Vermietung sowie Mieteinnahmen nicht zu rechnen ist, konnte die Befristung entfallen. Eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse ist auch laut Aktenlage derzeit nicht zu erwarten. Eine Befristung der Mindestsicherung ist daher nicht erforderlich. Die Befristung konnte entfallen.
Revision
26. Die Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im konkreten Fall fehlt.
Soweit ersichtlich gibt es keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Auslegung des § 8 Abs 3 letzter Satz MSG und des § 9 Abs 4 lit i MSV, wonach das Vermögen von Personen, die in einer stationären Pflegeeinrichtung untergebracht sind, nicht berücksichtigt werden darf. Dasselbe gilt für den damit zusammenhängenden § 330a ASVG, der den Zugriff auf das Vermögen verbietet.
Schlagworte
Mindestsicherung, Auflage zur Vermietung von WohnungAnmerkung
Revision wurde vom Verwaltungsgerichtshof (28.05.2019, Ro 2019/10/0012) wegen Todes der Mindestsicherungsbezieherin für gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt.European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGVO:2018:LVwG.340.24.2018.R11Zuletzt aktualisiert am
04.07.2019